© 2017 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 036/17 Die Strafvorschriften der §§ 299a ff. StGB Einbindung von Belegärzten und Beleghebammen Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 036/17 Seite 2 Die Strafvorschriften der §§ 299a ff. StGB Einbindung von Belegärzten und Beleghebammen Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 036/17 Abschluss der Arbeit: 13. April 2017 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 036/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Die neueingeführten §§ 299a ff. StGB 5 2.1. Rechtspolitischer Hintergrund für die Neuregelung 5 2.2. Die Systematik der Neuregelungen 6 2.3. Die Tatbestände § 299a StGB und § 299b StGB 8 2.3.1. Täterkreis 9 2.3.2. Vorteilsbegriff 9 2.3.3. Tathandlung 10 2.3.4. Unrechtsvereinbarung 11 2.3.4.1. Allgemeines 11 2.3.4.2. Unrechtsvereinbarung vor dem Hintergrund von Kooperationen 12 3. Belegärzte und Beleghebammen 13 3.1. Belegärzte 13 3.2. Beleghebammen 15 4. Vereinbarkeit der Übernahme von Haftpflichtprämien mit den §§ 299a ff. StGB 15 4.1. Gesetzesbegründung 16 4.2. „Zuführung von Patienten“ im Sinne von §§ 299a Nr. 3, 299b Nr. 3 StGB 17 4.3. Die Unrechtsvereinbarung bei der Übernahme von Haftpflichtprämien 18 4.4. Bisherige Stellungnahmen zur Vereinbarkeit von Haftpflichtprämien 19 5. Fragen des Abrechnungsbetruges bei Abrechnungen durch Belegärzte 20 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 036/17 Seite 4 1. Einleitung Die folgende Ausarbeitung beschäftigt sich mit den neu eingeführten Vorschriften gegen Korruption im Gesundheitswesen in den §§ 299a, 299b und 300 Strafgesetzbuch (StGB)1. Geklärt werden soll, ob und inwieweit die zwischen Krankenhaus, Klinik und Belegärzten gewählten Vertragsstrukturen angesichts der veränderten Rechtslage weitergeführt werden können, ob also die Vertragsstrukturen mit den §§ 299a, 299b, 300 StGB vereinbar sind. Eine entsprechende Frage wird auch für die Beleghebammen gestellt. Dabei geht es in der dieser Ausarbeitung zugrundeliegenden Anfrage darum, welche verschiedenen Unterstützungsleistungen für Belegärzte und Beleghebammen im Hinblick auf die §§ 299a ff. StGB sowie im Hinblick auf den Betrugstatbestand, § 263 StGB, unbedenklich sind. Als Unterstützungsleistungen werden von der Anfrage zum Beispiel genannt: Erstattung der Kosten für die Haftpflichtversicherung bei Belegärzten und Beleghebammen , Zahlung von 150 € pro Entbindung an die jeweilige Beleghebamme, „Abgeltung“ von folgenden Leistungen durch die Beleghebammen: Rufbereitschaft für Schwangere, Reinigung der Entbindungsräume, Mitwirkung bei Tätigkeiten der Müllentsorgung , standesamtliche Anmeldung, Verlegung von Patienten, Vernetzungsgespräche mit Stationen und ähnliche Leistungen. Dabei wird in der Anfrage darauf hingewiesen, dass die unter den beiden letztgenannten Punkten genannten Leistungen an die Beleghebammen nur dazu dienen, den Beleghebammen zu helfen, die Belastungen aus den steigenden Haftpflichtversicherungen tragen zu können. Damit wird deutlich, dass es hier letztlich allein um die Frage geht, inwieweit vor dem Hintergrund der Regelungen in den §§ 299a ff. StGB die Kosten für die Haftpflichtversicherungen von Belegärzten und Beleghebammen (weiterhin) übernommen bzw. erstattet werden dürfen. Darüber hinaus soll geprüft werden, ob es sich um einen Abrechnungsbetrug handelt, wenn die Belegärzte auch die von angestellten Krankenhausärzten erbrachten Leistungen selbst abrechnen. Die Anfrage kann durch die nachfolgende Ausarbeitung nur insoweit beantwortet werden, als es um eine allgemeine rechtliche Beurteilung vergleichbarer Situationen geht. Denn Aufgabe der Wissenschaftlichen Dienste ist es, die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit mit parlamentsgerecht aufbereiteten wissenschaftlichen Informationen zu 1 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 1. März 2017 (BGBl. I S. 386), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet .de/stgb/BJNR001270871.html, sowie auf Englisch unter: https://www.gesetze-im-internet.de/englisch _stgb/englisch_stgb.html (Abrufdatum: 21. März 2017). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 036/17 Seite 5 unterstützen.2 Dagegen werden Rechtsauskünfte im Einzelfall von den Wissenschaftlichen Diensten nicht erteilt.3 2. Die neueingeführten §§ 299a ff. StGB Durch das Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen wurden die Regelungen in den §§ 299a, 299b und 300 mit Wirkung zum 4. Juni 2016 neu in das StGB eingefügt.4 Sie ergänzen den Straftatbestand des § 299 StGB zur Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr um entsprechende Vorschriften speziell für das Gesundheitswesen. Damit hat der Gesetzgeber eine lange andauernde Debatte, zumindest vorerst, beendet. 2.1. Rechtspolitischer Hintergrund für die Neuregelung Nach Auffassung der Bundesregierung beeinträchtigt Korruption im Gesundheitswesen den Wettbewerb , verteuert medizinische Leistungen und untergräbt das Vertrauen von Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen.5 Ausgangspunkt des Gesetzentwurfs war der sog. Vertragsarztbeschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom März 2012.6 In dem zugrundeliegenden Fall wurde eine Pharmareferentin wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr in 16 Fällen verurteilt . Die Angeklagte hatte ein Prämiensystem für die ärztliche Verordnung von Medikamenten aus ihrem Unternehmen praktiziert, welches sie jedoch offiziell als „Verordnungsmanagement“ bezeichnete. Ausgewiesen wurden die Zahlungen als Honorare für wissenschaftliche Vorträge, die tatsächlich aber nie stattfanden. Die Annahme der Bestechungsgelder durch die niedergelassenen Vertragsärzte konnte dagegen letztlich nicht bestraft werden: Der Große Senat für Strafsachen entschied, dass ein niedergelassener, für die vertragsärztliche Versorgung zugelassener Arzt bei Wahrnehmung der ihm in diesem Rahmen übertragenen Aufgaben weder als Amtsträger noch als Beauftragter der gesetzlichen Krankenkassen handele. Eine Strafbarkeit nach den §§ 331 ff. 2 Deutscher Bundestag, Leitfaden für die Unterabteilung Wissenschaftliche Dienste WD vom 18, Februar 2016, Nr. 1.1. 3 Deutscher Bundestag, Leitfaden für die Unterabteilung Wissenschaftliche Dienste WD vom 18. Februar 2016, Nr. 1.7. 4 Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen vom 30. Mai 2016, BGBl.I 2016, Nr. 25 vom 3. Juni 2016, S. 1254. 5 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 21. Oktober 2015, Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen, BT-Drs. 18/6446, S. 1, abrufbar unter: http://dipbt.bundestag .de/dip21/btd/18/064/1806446.pdf (Abrufdatum: 11. April 2017). 6 BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss vom 29. März 2012, GSSt 2/11, BGHSt 57, S. 202-218, abrufbar unter: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht =bgh&Art=en&sid=1982cfa4d20d7fa547ffaaf87db100ff&nr=60679&pos=9&anz=29 (Abrufdatum: 21. März 2017), u. a. in Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2012, S. 2530 ff.; Medizinrecht (MedR) 2012, S. 656 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 036/17 Seite 6 bzw. 299 StGB komme folglich nach dieser Rechtslage für niedergelassene Vertragsärzte nicht in Betracht.7 Auch die Straftatbestände der Untreue (§ 266 StGB) und des Betrugs (§ 263 StGB) erfassen nur bestimmte Fälle von „Bestechung“8 und decken den Unrechtsgehalt von Korruption nicht hinreichend ab.9 Um diese Strafbarkeitslücke zu schließen und „wegen der erheblichen sozialen und wirtschaftlichen Bedeutung des Gesundheitswesens“10 wurde, nach einigen gescheiterten Entwürfen ,11 das Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen am 30. Mai 2016 verabschiedet. 2.2. Die Systematik der Neuregelungen Der neu eingeführte § 299a StGB stellt die Bestechlichkeit im Gesundheitswesen und der neue § 299b StGB die Bestechung im Gesundheitswesen unter Strafe. Zudem wurde die Regelung der besonders schweren Fälle von Bestechung und Bestechlichkeit durch § 300 StGB um entsprechende Bestimmungen für den Bereich des Gesundheitswesens erweitert. Die Vorschriften lauten wie folgt: § 299a Bestechlichkeit im Gesundheitswesen Wer als Angehöriger eines Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert , im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufs einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er 1. bei der Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten , 2. bei dem Bezug von Arznei- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten , die jeweils zur unmittelbaren Anwendung durch den Heilberufsangehörigen oder einen seiner Berufshelfer bestimmt sind, oder 3. bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial 7 BGH, Beschluss vom 29. März 2012, GSSt 2/11, S. 1; BGHSt 57, S. 202 ff. (202 ) = Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2012, S. 2530 ff. (2530); Medizinrecht (MedR) 2012, S. 656 ff. (656). 8 Näheres dazu: Geiger, Daniel, High Noon im Gesundheitswesen: Niedergelassene Vertragsärzte sind keine tauglichen Täter der Korruptionsdelikte - Besprechung des Beschlusses des Großen Senates für Strafsachen am BGH vom 29. 3. 2012 – GSSt 2/11, Corporate Compliance Zeitschrift (CCZ) 2012, S. 172 ff. (176). 9 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 21. Oktober 2015, Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen, BT-Drs. 18/6446, S. 1. 10 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 21. Oktober 2015, Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen, BT-Drs. 18/6446, S 1. 11 Siehe z.B. den Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz „Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption“ vom 13. Juni 2014, http://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren /Dokumente/RefE_KorrBekG.pdf?__blob=publicationFile&v=5 (Abrufdatum: 11. April 2017). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 036/17 Seite 7 einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. § 299b Bestechung im Gesundheitswesen Wer einem Angehörigen eines Heilberufs im Sinne des § 299a im Zusammenhang mit dessen Berufsausübung einen Vorteil für diesen oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass er 1. bei der Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten , 2. bei dem Bezug von Arznei- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten , die jeweils zur unmittelbaren Anwendung durch den Heilberufsangehörigen oder einen seiner Berufshelfer bestimmt sind, oder 3. bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial ihn oder einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. § 300 Besonders schwere Fälle der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr und im Gesundheitswesen In besonders schweren Fällen wird eine Tat nach den §§ 299, 299a und 299b mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn 1. die Tat sich auf einen Vorteil großen Ausmaßes bezieht oder 2. der Täter gewerbsmäßig handelt oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat. Das Strafantragserfordernis, welches im Gesetzentwurf vorgesehen war (§ 301 StGB-Entwurf),12 wurde nicht in das Gesetz mit aufgenommen. Die Delikte werden also bei einem entsprechenden Tatverdacht, anders als in Fällen des § 299 StGB (vgl. § 301 StGB), auch ohne Antrag von Amts wegen verfolgt. Hinter dieser Unterscheidung steht die Annahme des Gesetzgebers, die Integrität heilberuflicher Entscheidungen als ein überindividuelles Rechtsgut von großer Bedeutung einzuordnen .13 Die Straftatbestände sollen nämlich einem doppelten Rechtsgüterschutz dienen: zum einen der Sicherung eines fairen Wettbewerbs im Gesundheitswesen und zum anderen dem Schutz des Vertrauens der Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen.14 Ersteres lässt sich mit der systematischen Stellung der Vorschriften im 26. Abschnitt des StGB (Straftaten 12 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 21. Oktober 2015, Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen, Art. 2, BT-Drs. 18/6446, S. 8. 13 Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) vom 13. April 2016, BT-Drs. 18/8106, S. 17, abrufbar unter: http://dipbt.bundestag .de/dip21/btd/18/081/1808106.pdf (Abrufdatum: 5. April 2017). 14 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 21. Oktober 2015, Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen, BT-Drs. 18/6446, S. 12, 13. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 036/17 Seite 8 gegen den Wettbewerb) belegen. Kritisiert wird jedoch, dass der zuletzt genannte Schutzzweck, also der Schutz des Vertrauens der Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen, dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmen sei.15 Denn die im Gesetzentwurf geplante Tatbestandsvariante, welche auch Vorteile erfassen sollte, die für die Verletzung einer berufsrechtlichen Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit gewährt, versprochen oder angenommen werden,16 hat keinen Eingang in das Gesetz gefunden .17 Gedacht war die Regelung für die Fälle, in denen es wegen eines Monopols an einer Wettbewerbslage fehlt oder die rechtswidrige Handlung außerhalb des Wettbewerbs erfolgt.18 Sie wurde jedoch wegen mangelnder Bestimmtheit und drohender Gleichheitsdefizite kritisiert, da die berufsrechtlichen Regelungen in den Berufsordnungen der Länder unterschiedlich sein können .19 Aufgrund dieses Einwandes und weil echte Monopolstellungen im Gesundheitswesen wegen der Beschaffenheit des Marktes nicht zu erwarten seien,20 wurde diese Alternative schließlich gestrichen.21 Der Gesetzgeber hat aber nach wie vor daran festgehalten, mit den Regelungen der §§ 299a ff. StGB die beiden oben genannten Schutzzwecke zu verfolgen, also unlauteren Wettbewerb zu bekämpfen und das Vertrauen der Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen zu schützen.22 2.3. Die Tatbestände § 299a StGB und § 299b StGB § 299a StGB erfasst die passive Seite der Bestechung, die Bestechlichkeit, und § 299b StGB spiegelbildlich den aktiven Part, die Bestechung. Unterschiede ergeben sich folglich im Täterkreis und der Tathandlung. Im Übrigen sind die Tatbestandsvoraussetzungen deckungsgleich. 15 Dann, Matthias / Scholz, Karsten, Der Teufel steckt im Detail – Das neue Anti-Korruptionsgesetz für das Gesundheitswesen , NJW 2016, S. 2077 ff. (2077). 16 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 21. Oktober 2015, Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen, BT-Drs. 18/6446, S. 21. 17 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 21. Oktober 2015, Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen, BT-Drs. 18/6446, S. 15. 18 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 21. Oktober 2015, Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen, BT-Drs. 18/6446, S. 21. 19 Schneider, Hendrik, Rechtsgutachten zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV), S. 19. 20 Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz vom 13. April 2016, BT-Drs. 18/8106, S. 15, auch zur genaueren Begründung. 21 Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz vom 13. April 2016, BT-Drs. 18/8106, S. 15. 22 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 21. Oktober 2015, Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen, BT-Drs. 18/6446, S. 12, 13. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 036/17 Seite 9 2.3.1. Täterkreis Gemäß § 299a StGB sind taugliche Täter die Angehörigen eines Heilberufs, welche für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordern .23 Adressaten sind somit nicht nur die akademischen Heilberufe (z.B. Ärzte, Apotheker), sondern auch die sogenannten Gesundheitsfachberufe, wie z.B. Gesundheits- und Krankenpfleger , Ergotherapeuten und Physiotherapeuten.24 Folglich erfasst § 299a StGB auch Hebammen. Indem der Gesetzgeber auch die Gesundheitsfachberufe in die Regelung des § 299a StGB aufgenommen hat, ist er über den Beschluss des BGH hinausgegangen. Begründet wird dies damit, dass die Entscheidungen und Leistungen der nicht-akademischen Heilberufsgruppen für die Patienten in gleicher Weise wichtig seien.25 Denn auch in diesen Berufsgruppen kann es insbesondere zu Weiterverweisungen von Patienten an andere Leistungserbringer kommen. Im Gegensatz zu § 299a StGB kann § 299b StGB von jedermann begangen werden. 2.3.2. Vorteilsbegriff Erfasst werden sämtliche Vorteile, materieller oder immaterieller Natur, die der Täter für sich oder einen Dritten erstrebt.26 Bei der Auslegung kann auf die Grundsätze, die zu § 299 StGB und §§ 331 ff. StGB entwickelt wurden, zurückgegriffen werden.27 Danach wird der Begriff des Vorteils weit ausgelegt. Vorteil ist danach jede Zuwendung, auf die der Täter keinen Rechtsanspruch hat und die seine wirtschaftliche, rechtliche oder persönliche Lage objektiv verbessert.28 Der Vorteil kann auch im Abschluss eines Vertrages, z. B. eines Behandlungsvertrages, liegen, auf den der Täter keinen Rechtsanspruch hat.29 Dies gilt selbst dann, wenn Leistung und Gegenleistung in 23 Die Abgrenzung des Täterkreises folgt der in § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB vorgesehenen Regelung; vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 21. Oktober 2015, Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen, BT-Drs. 18/6446, S. 17. 24 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 21. Oktober 2015, Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen, BT-Drs. 18/6446, S. 17. 25 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 21. Oktober 2015, Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen, BT-Drs. 18/6446, S. 17. 26 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 21. Oktober 2015, Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen, BT-Drs. 18/6446, S. 17. 27 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 21. Oktober 2015, Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen, BT-Drs. 18/6446, S. 17. 28 BGH, Urteil vom 11. April 2001, 3 StR 503/00, NJW 2001, 2558 f. (2559). 29 BGH, Urteil vom 21. Juni 2007, 4 StR 99/07, Neue Zeitschrift für Strafrecht (NStZ) 2008, 216 ff. (217). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 036/17 Seite 10 einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen, denn schon das Einräumen einer Nebentätigkeitsmöglichkeit durch ein Pharmaunternehmen könne zur Folge haben, dass sich der Bevorteilte mit einer Bevorzugung der Produkte dieses Unternehmens revanchiere.30 Ebenso wie bei § 299 StGB und §§ 331 ff. StGB gibt es keine Geringfügigkeits- oder Bagatellgrenze . Gleichwohl sollen solche Zuwendungen als sozialadäquat ausscheiden, bei denen die objektive Eignung fehlt, die heilberufliche Entscheidung zu beeinflussen, wie z.B. bei geringfügigen und allgemein üblichen Werbegeschenken oder bei kleinen Präsenten von Patienten.31 Als Beispiele für mögliche Vorteile werden in den Gesetzesmotiven Einladungen zu Kongressen, die Übernahme der Kosten von Fortbildungsveranstaltungen, die Einräumung von Vermögensoder Gewinnbeteiligungen und die Verschaffung von Verdienstmöglichkeiten, wie etwa die Teilnahme an vergüteten Anwendungsbeobachtungen, genannt.32 Aber auch immaterielle Vorteile, beispielsweise Ehrungen und Ehrenämter, sollen erfasst sein.33 Angesichts der Weite des Vorteilsbegriffs könnte auch die Übernahme einer Haftpflichtprämie ein solcher Vorteil im Sinne des § 299a StGB sein. 2.3.3. Tathandlung Als Tathandlung von § 299a StGB kommt das Fordern, Sich-Versprechen-Lassen oder Annehmen eines Vorteils in Betracht. Dies entspricht den Tatbestandvarianten des § 299 Abs. 1 StGB, sodass die hierzu entwickelten Auslegungsgrundsätze übertragen werden können.34 § 299b StGB fordert spiegelbildlich das Anbieten, Versprechen oder Gewähren eines Vorteils. Für das Sich-Versprechen -Lassen und Annehmen ist eine Übereinkunft zwischen Geber und Nehmer erforderlich, hingegen reicht für das Fordern eine von nur einer Seite intendierte Vereinbarung.35 Ein Fordern ist unabhängig davon gegeben, ob der erstrebte Erfolg tatsächlich eintritt.36 Weder das Fordern noch das Sich-Versprechen-Lassen setzen eine bestimmte Form der Handlung voraus. Somit reichen auch mündliche Absprachen und schlüssige Handlungen aus. Dies könnte in Zukunft zu 30 Kubiciel, Michael, Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen – Grund und Grenze der §§ 299 a, 299b StGB-E, MedR 2016, S. 1 ff. (3). 31 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 21. Oktober 2015, Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen, BT-Drs. 18/6446, S. 17. 32 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 21. Oktober 2015, Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen, BT-Drs. 18/6446, S. 18. 33 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 21. Oktober 2015, Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen, BT-Drs. 18/6446, S. 17. 34 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 21. Oktober 2015, Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen, BT-Drs. 18/6446, S. 17. 35 Fischer, Thomas, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, 64. Auflage 2016, § 299, Rn. 30. 36 Krick, Carsten, in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Auflage 2014, § 299, Rn. 20. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 036/17 Seite 11 Problemen führen, wenn es darum geht, die Tathandlungen zu beweisen.37 Jedoch muss der Vorteil derart konkret sein, dass sich aus den Gesamtumständen hinreichend Rückschlüsse über dessen Art und Weise ziehen lassen.38 2.3.4. Unrechtsvereinbarung 2.3.4.1. Allgemeines Der Vorteil muss nicht nur im Zusammenhang mit der Ausübung des Berufes, sondern auch als Gegenleistung für eine zumindest intendierte unlautere Bevorzugung im Wettbewerb erstrebt werden.39 Diese bezweckte Bevorzugung muss bei einer der in §§ 299a und 299b Nr. 1-3 StGB normierten Handlungsalternativen stattfinden, im Ergebnis also eine sachfremde ärztliche Entscheidung zur Folge haben.40 Durch diese sogenannte Unrechtsvereinbarung soll die Weite des Vorteilsbegriffs wieder ausgeglichen werden.41 Sie ist das Kernstück der Korruptionsdelikte,42 und begründet die besondere Strafwürdigkeit der Korruption. Die Unrechtsvereinbarung in den §§ 299a ff. StGB entspricht derjenigen in der Grundnorm des § 299 StGB, sodass auch die Auslegung zu § 299 StGB für die neuen Rechtsvorschriften herangezogen werden kann.43 Im Gegensatz zu §§ 331, 333 StGB ist ein Bevorteilen zwecks „Klimapflege“, „Anfüttern“ oder Herstellung „allgemeinen Wohlwollens“ also nicht ausreichend.44 Die unlautere Bevorzugung kann jede sachfremde Auswahlentscheidung zwischen mindestens zwei Bewerbern sein und muss nicht zwingend tatsächlich vollzogen werden.45 Das Vorliegen einer Unrechtsvereinbarung muss in der Praxis grundsätzlich durch eine umfassende Analyse der Gesamtumstände des Einzelfalls geprüft werden, wobei insbesondere die Beziehung zwischen Vorteilsgeber und Vorteilsnehmer, die Höhe und das Ausmaß des Vorteils, die (In-)Transparenz der Vereinbarung, das Vorliegen einer 37 Heil, Maria / Oeben, Marc, §§ 299a, b StGB auf der Zielgeraden – Auswirkungen auf die Zusammenarbeit im Gesundheitswesen, Pharmarecht (PharmR) 2016, S. 217 ff. (219). 38 Heine, Günter / Eisele, Jörg, in: Schönke/Schröder Strafgesetzbuch, § 299, Rn. 14. 39 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 21. Oktober 2015, Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen, BT-Drs. 18/6446, S. 18. 40 Genaueres dazu: Rauer, Nils / Pfuhl, Fabian, Das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen, PharmR, S. 357 ff. (360). 41 Kubiciel, MedR 2016, S. 1 ff. (3). 42 BGH, Urteil vom 14. Oktober. 2008, 1 StR 260/08, BGHSt 53, 6 = NJW 2008, S. 3580 ff. (3580, Rn. 25). 43 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 21. Oktober 2015, Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen, BT-Drs. 18/6446, S. 18. 44 Dann/Scholz, NJW 2016, S. 2077 ff. (2078). 45 Rauer/Pfuhl, PharmR, S. 357 ff. (360). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 036/17 Seite 12 plausiblen Alternativ-Erklärung, die eine unlautere Bevorzugung widerlegen, sowie die Einhaltung vorgeschriebener Verfahren relevant sind.46 2.3.4.2. Unrechtsvereinbarung vor dem Hintergrund von Kooperationen Fraglich ist darüber hinaus, ob eine Unrechtsvereinbarung bei sozial- oder berufsrechtlich erlaubten Kooperationen ausgeschlossen ist. Dem Wortlaut der Norm ist eine entsprechende ausdrückliche Ausnahme nicht zu entnehmen. Die Gesetzesbegründung bedient sich zwar des Begriffes der „Sozialadäquanz“ zur Begründung einer Ausnahme, allerdings nur in Bezug auf Zuwendungen , denen aufgrund ihrer Geringwertigkeit objektiv die Eignung fehlt, die heilberufliche Entscheidung zu beeinflussen.47 Bezüglich vertraglicher Kooperationsformen wird lediglich betont, dass erst weitere Umstände hinzutreten müssen, um eine Unrechtsvereinbarung zu belegen, vorausgesetzt es handelt sich um Leistungen im Rahmen „zulässiger beruflicher Zusammenarbeit “.48 Die Grenzen der Zulässigkeit beruflicher Zusammenarbeit im Gesundheitswesen werden maßgeblich durch das Berufsrecht sowie das Sozialrecht mitbestimmt. So legt auch die Gesetzesbegründung fest, dass eine Bevorzugung dann nicht unlauter sei, wenn sie berufsrechtlich zulässig sei.49 Von einer generellen gesetzlichen Ausnahme kann dennoch nicht ausgegangen werden, denn weder der Gesetzeswortlaut noch die Gesetzesmotive lassen einen entsprechenden Willen hinreichend erkennen. Der Bezug auf das Berufsrecht wurde sogar bewusst nicht in den Gesetzestext mit aufgenommen (vgl. Punkt 2.2.). Immerhin sollen bloße Verstöße gegen berufsrechtliche Verbote alleine keine Strafbarkeit nach § 299a StGB begründen können.50 Dennoch wird teilweise gefordert, Kooperationsformen, die nach Berufs- oder Sozialrecht zulässig sind, generell auch strafrechtlich unangetastet zu lassen.51 Andere fordern selbiges nur in Bezug auf sozialrechtlich zulässiges Verhalten.52 Jedenfalls in Bezug auf das Berufsrecht gilt es jedoch zu bedenken, dass 46 BGH, Urteil vom 14. Oktober. 2008, 1 StR 260/08, NJW 2008, S. 3580 ff. (3580, Rn. 32); BGH, Urteil vom 21. Juni. 2007, 4 StR 99/07, NStZ 2008, S. 216 ff. (218). 47 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 21. Oktober 2015, Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen, BT-Drs. 18/6446, S. 17. 48 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 21. Oktober 2015, Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen, BT-Drs. 18/6446, S. 18. 49 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 21. Oktober 2015, Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen, BT-Drs. 18/6446, S. 21. 50 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 21. Oktober 2015, Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen, BT-Drs. 18/6446, S. 22. 51 Dann/Scholz, NJW 2016, S. 2077 ff. (2080); Scheider, Hendrik / Kaltenhäuser, Niels, An den Grenzen des kreativen Strafrechts, Zeitschrift für Medizinstrafrecht (medstra), 2015, S. 24 ff. (27). 52 Halbe, Bernd, Moderne Versorgungsstrukturen: Kooperation oder Korruption?, MedR 2015, S. 168 ff. (175); Scheider, Hendrik / Ebermann, Thorsten, Das Strafrecht im Dienste gesundheits-ökonomischer Steuerungsinteressen , Online Zeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung im Strafrecht (HRRS) 2013, S. 219 ff. (224). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 036/17 Seite 13 Ärzte bei einer solchen Ausnahme durch ihre Berufsordnung ihre eigene Strafbarkeit mitbestimmen könnten. Gleichwohl dürften gesundheitspolitisch gewünschte Kooperationen nicht unter einen strafrechtlichen Generalverdacht gestellt werden.53 3. Belegärzte und Beleghebammen Wie in der Einleitung dargetan, geht es in der vorliegenden Ausarbeitung darum, inwieweit die Haftpflichtprämien für Belegärzte und Beleghebammen von dem jeweiligen Krankenhaus übernommen werden können, ohne gegen die §§ 299a ff. StGB zu verstoßen. Gemäß § 21 MBO sind Ärztinnen und Ärzte verpflichtet, sich hinreichend gegen Haftpflichtansprüche im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit zu versichern. Entbindungen sind mit zahlreichen Risiken verbunden, so dass auch hohe Schadensrisiken bestehen . Dadurch sind die Prämien für die erforderlichen Haftpflichtversicherungen entsprechend hoch.54 Sind die Ärzte und Hebammen im Krankenhaus angestellt, so werden in der Regel die Beträge für die Haftpflichtversicherung für die Ärzte und Hebammen von den jeweiligen Krankenhäusern getragen.55 Für die Belegärzte ist es bisher gängige Praxis gewesen, in den zwischen Belegarzt und Krankenhaus geschlossenen Verträgen die vollständige oder teilweise Übernahme der Haftpflichtprämie durch das Krankenhaus zu vereinbaren. Entsprechendes gilt für die Beleghebammen. 3.1. Belegärzte Von einem Belegarzt spricht man, wenn ein niedergelassener Vertragsarzt56 berechtigt ist, seine Patienten im Krankenhaus unter Inanspruchnahme der hierfür bereitgestellten Dienste, Einrichtungen und Mittel stationär oder teilstationär zu behandeln (vgl. § 121 Abs. 2 Sozialgesetzbuch 53 Schneider, Rechtsgutachten zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen des BMJV, S. 23; Nestler, Nina, Standpunkte der Wissenschaft zu §§ 299a, 299b StGB-E, Gesundheitsrecht (GesR), 2016, S. 70 ff. (74). 54 Großkopf, Volker / Knoch, Stefan, Die Situation der Haftpflichtversicherungen im Heilwesen, Rechtsdepesche für das Gesundheitswesen (RDG), 2011, S. 12 ff. (13, 14). 55 Scholz, Karsten, in: Spickhoff, Medizinrecht, 2. Auflage 2014, § 21 MBO, Rn. 6. 56 Ein Vertragsarzt (auch Kassenarzt genannt) ist ein niedergelassener Arzt, der für die Behandlung von Mitgliedern der gesetzlichen Krankenkassen und deren Familienangehörigen zugelassen ist; Das Kassenarztrecht ist geregelt in den §§ 72 ff. SGB V , Wirtschaftslexikon, Gabler, Stichwort „Vertragsarzt“, abrufbar unter: http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/kassenarzt.html (Abrufdatum: 31. März 2017). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 036/17 Seite 14 Fünftes Buch (SGB V)57). Belegärzte58 müssen gewisse Voraussetzungen erfüllen, z.B. muss der Arzt nah genug am Krankenhaus wohnen, damit eine unverzügliche Versorgung seiner Belegpatienten gesichert ist, § 39 Abs. 5 Nr. 3 BMV-Ä. Der Belegarzt rechnet seine belegärztlichen Leistungen direkt mit dem Patienten ab, d.h. für Kassenpatienten erhält er seine Vergütung aus der Vertragsärztlichen Gesamtvergütung (vgl. § 121 Abs. 3 SGB V). Vom Krankenhaus erhält er für seine belegärztlichen Leistungen keine Vergütung 59); insbesondere ist er nicht Angestellter des Krankenhauses (vgl. § 121 Abs. 2 SGB V, § 18 Abs. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG)60. Die stationären Leistungen, die nicht der belegärztlichen Behandlung zuzurechnen sind, sind Leistungen des Krankenhauses und deswegen über das KHEntG abzurechnen.61 In den Gesetzen zur Vergütung von ambulanten und stationären Leistungen ist im Einzelnen geregelt , wie die Abrechnung zwischen Krankenhaus, Patient und eventuell weiteren hinzugezogenen Ärzten zu erfolgen hat. Was die Haftpflichtprämien angeht, so enthalten die Vorschriften über die Abrechnung mit den Belegärzten keine ausdrücklichen Regelungen. Da es sich bei einem Belegarzt nicht um einen Angestellten der Kliniken handelt, muss der Belegarzt sich selbst versichern und die entsprechenden Haftpflichtprämien zunächst auch selbst bezahlen.62 Wie gesehen, wird in der Praxis bisher häufig anders verfahren. Falls dies im Hinblick auf die §§ 299a ff. StGB nicht mehr möglich wäre, würden sich die Beteiligten, wenn sie an der bisherigen Praxis festhielten, zum einen strafbar machen. Zum anderen wären die Belegarztverträge 57 Das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477, 2482), geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 6. März 2017 (BGBl. I S. 403), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/BJNR024820988.html (Abrufdatum: 31. März 2017). 58 Der Belegarzt ist von einem ausdrücklich durch das Krankenhaus beauftragten niedergelassenen Vertragsarzt zu unterscheiden, der die vor- und nachstationäre Versorgung der Patienten übernimmt, wobei dies auch in den Räumen des Krankenhauses geschehen kann, vgl. § 115a SGB V. 59 Dies ist anders, wenn ein Honorararztvertrag nach § 121 Abs. 5 SGB V vereinbart wird; Näheres dazu: Kingreen, Thorsten / Bogan, Aaron, Beck'scher Online-Kommentar Sozialrecht, Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, 43. Edition, Stand: 01.12.2016, § 121 SGB V, Rn. 17, 18. 60 Krankenhausentgeltgesetz vom 23. April 2002 (BGBl. I S. 1412, 1422), zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 19. Dezember 2016 (BGBl. I S. 2986), abrufbar unter: http://www.gesetze-im-internet .de/khentgg/BJNR142200002.html (Abrufdatum: 6. April 2017). 61 Schnapp, Friedrich / Wigge, Peter, Handbuch des Vertragsarztrechts, 2. Auflage 2006, § 2, Rn. 69. 62 Näheres dazu: Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages (WD), Regelungen betreffend die Haftpflichtversicherung von Belegärzten in Belegarztverträgen, 10. Dezember 2013, WD 9-3000-093/13. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 036/17 Seite 15 nach § 134 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)63 nichtig, weil diese Verträge dann gegen ein gesetzliches Verbot, nämlich die Strafvorschriften der §§ 299a ff. StGB, verstoßen würden. 3.2. Beleghebammen Auch Beleghebammen werden selbstständig tätig; sie sind nicht Angestellte des Krankenhauses und müssten daher selbst für ihre Haftpflichtprämien aufkommen. Ebenso wie bei den Belegärzten spielt auch bei den Beleghebammen die Übernahme der Haftpflichtprämie durch die Krankenhäuser eine große Rolle.64 Im Laufe der Zeit sind daher die diesbezüglichen Haftpflichtprämien ständig gestiegen. Die Hebammen befürchteten sogar, sie könnten freiberuflich nicht mehr tätig werden, weil ihr Einkommen zu gering sei, um die Haftpflichtprämien zu tragen und dennoch einen ausreichenden Verdienst zu haben. Der Gesetzgeber hat versucht, die Situation bei den Hebammen zu entschärfen, indem er in § 134a Abs. 1b SGB V die Möglichkeit eröffnet hat, den freiberuflichen Hebammen einen sogenannten Sicherstellungszuschlag zu gewähren. Mit diesem soll gewährleistet werden, dass auch Hebammen, die wenige Geburten betreuen, die Prämien für die Berufshaftpflichtversicherung finanzieren können. Inwieweit tatsächlich eine Entlastung eintritt, hängt von den Verträgen zwischen den betroffenen Berufsverbänden der Hebammen und dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Spitzenverband) ab. 4. Vereinbarkeit der Übernahme von Haftpflichtprämien mit den §§ 299a ff. StGB Zu der konkreten Frage, inwieweit die Übernahme von Haftpflichtprämien mit den §§ 299a ff. StGB zu vereinbaren ist, gibt es bisher weder (höchstrichterliche) Rechtsprechung noch einschlägige Literatur. Deshalb kann diese Frage nur mit Hilfe der Auslegung beantwortet werden. 63 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 21. Februar 2017 (BGBl. I S. 258), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/BJNR001950896.html, sowie auf Englisch unter: https://www.gesetzeim -internet.de/englisch_bgb/englisch_bgb.html (Abrufdatum: 6. April 2017). 64 Weitere Informationen: WD, Daten zur Haftpflichtversicherung von Hebammen unter Berücksichtigung von Beleghebammen in Krankenhäusern, 11. November 2015, WD 9-3000-085/15; WD, Aktuelle Informationen zur Berufshaftpflichtversicherung der freiberuflich tätigen Hebammen, 30. Oktober 2015, WD 9-3000-088/15. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 036/17 Seite 16 4.1. Gesetzesbegründung Explizit wird in der Gesetzesbegründung65 nicht thematisiert, ob die Korruptionsvorschriften eine Übernahme der Haftpflichtprämien verbieten. Allerdings wird allgemein der Frage nachgegangen , ob und wann Verdienstmöglichkeiten, welche im Rahmen von beruflicher Zusammenarbeit eingeräumt werden, den Tatbestand von §§ 299a, b StGB erfüllen können:66 Zunächst wird betont, dass die berufliche Zusammenarbeit gesundheitspolitisch grundsätzlich gewollt sei und auch im Interesse der Patienten liege. So sei beispielsweise vom Gesetzgeber gewollt , dass eine berufliche Zusammenarbeit bei der Durchführung von vor- und nachstationären Behandlungen (§ 115a SGB V), bei ambulanter Behandlungen (§ 115b SGB V) und bei der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (§ 116b SGB V) erfolge. Ferner sei eine Zusammenarbeit bei der in den §§ 140a ff. SGB V geregelten sektorenübergreifenden Versorgungsform (integrierte Versorgung) erwünscht, bei der Leistungserbringer aus verschiedenen Versorgungsbereichen (beispielsweise Arzt und Krankenhaus) bei der Behandlung von Patienten miteinander kooperieren.67 Sofern die in diesem Rahmen gewährten Entgelte für die erbrachten heilberuflichen Leistungen angemessen seien, seien diese Verdienstmöglichkeiten zulässig.68 Dies gelte beispielsweise, wenn für eine ambulante Operation in einem Krankenhaus durch einen niedergelassenen Vertragsarzt nach § 115b Absatz 1 Satz 4 SGB V, der den Patienten dem Krankenhaus zuvor zugewiesen habe, ein angemessenes Entgelt gezahlt werde.69 Entscheidend sei die Schlussfolgerung, dass die Honorierung heilberuflicher Leistungen im Rahmen zulässiger beruflicher Zusammenarbeit alleine grundsätzlich nicht den Verdacht begründen könne, dass diese als Gegenleistung für die Zuweisung eines Patienten erfolge und eine Unrechtsvereinbarung vorliege.70 Erforderlich sei vielmehr das „Hinzutreten weiterer Umstände“.71 Etwas anderes soll gelten, wenn das Entgelt nicht entsprechend dem Wert der erbrachten heilberuflichen Leistung in wirtschaftlich angemessener Höhe nachvollziehbar festgelegt worden sei und es somit eine verdeckte „Zuweiserprämie“ enthalte . 65 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 21. Oktober 2015, Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen, BT-Drs. 18/6446. 66 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 21. Oktober 2015, Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen, BT-Drs. 18/6446, S. 18. 67 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 21. Oktober 2015, Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen, BT-Drs. 18/6446, S. 18. 68 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 21. Oktober 2015, Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen, BT-Drs. 18/6446, S. 18. 69 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 21. Oktober 2015, Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen, BT-Drs. 18/6446, S. 18. 70 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 21. Oktober 2015, Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen, BT-Drs. 18/6446, S. 18. 71 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 21. Oktober 2015, Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen, BT-Drs. 18/6446, S. 18. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 036/17 Seite 17 Sofern die anderen Tatbestandsvoraussetzungen bezüglich der Übernahme von Haftungsprämien im Einzelfall erfüllt sind, ist folglich ausschlaggebend, ob diese als Gegenleistung für die „Zuführung von Patienten“ im Sinne von §§ 299a, b Nr. 3 StGB einzuordnen ist und eine Unrechtsvereinbarung vorliegt. 4.2. „Zuführung von Patienten“ im Sinne von §§ 299a Nr. 3, 299b Nr. 3 StGB Der Begriff „Zuführung“ in den §§ 299a Nr. 3, 299b Nr. 3 StGB ist mit dem sozial- und berufsrechtlichen Zuweisungsbegriff (§ 73 Abs. 7 SGB V, § 31 Musterberufsordnung (MBO)72) gleichzusetzen und versteht sich als jede Einwirkung auf den Patienten mit der Absicht, dessen Auswahl eines Arztes oder eines anderen Leistungserbringers zu beeinflussen.73 Erfasst werden Zuweisungen und Überweisungen sowie Verweisungen und Empfehlungen.74 Die Wahl des Begriffs „Zuführung “ anstatt von „Zuweisung“ verdeutlicht, dass die Form der Einwirkung auf den Patienten unerheblich ist, also auch mündliche und unverbindliche Empfehlungen erfasst sind.75 Der Zuweisung an sich wohnt kein Unrechtsgehalt inne, sie ist vielmehr ein notwendiges Mittel zur effektiven Kooperation im Interesse des Patienten. Erst wenn die Zuweisung durch eine unlautere Bevorzugung beeinflusst wird, also nicht mehr allein die Interessen des Patienten entscheidend sind, wird die Handlung zu tatbestandlichem Unrecht. Erfasst werden sollen Kooperationen in Form der sog. „Einweiservergütung“, bei der Kliniken ihre Partner, zum Beispiel niedergelassene Ärzte, dafür vergüten, dass diese ihnen Patienten gezielt zuführen, anstatt sie neutral zu beraten.76 Dies stellt zudem einen Verstoß gegen § 31 MBO sowie § 73 Abs. 7 SGB V dar. Für die Abgrenzung dürfte auch hier entscheidend sein, ob die ausgetauschten Leistungen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Ist dies nicht der Fall, könnte der Verdacht einer verdeckten Zuweiserprämie aufkommen.77 72 (Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte – MBO-Ä 1997 – in der Fassung des Beschlusses des 118. Deutschen Ärztetages 2015 in Frankfurt am Main, Download unter: http://www.bundesaerztekammer .de/recht/berufsrecht/muster-berufsordnung-aerzte/muster-berufsordnung/ (Abrufdatum: 31. März 2017). 73 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 21. Oktober 2015, Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen, BT-Drs. 18/6446, S. 20. 74 Scholz, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 31 MBO, Rn. 3; BGH, Urteil vom 13. Januar 2011, I ZR 111/08, MedR 2011, S. 500 ff. (506). 75 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 21. Oktober 2015, Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen, BT-Drs. 18/6446, S. 20. 76 Kölbel, Ralf, Strafbarkeitsnahe vertragsärztliche Kooperationsformen, NStZ 2011, S. 195 ff. (197). 77 Vgl. Nebendahl, Mathias, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 73 SGB V, Rn. 20. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 036/17 Seite 18 4.3. Die Unrechtsvereinbarung bei der Übernahme von Haftpflichtprämien Wie oben bei der Beschreibung des Tatbestandes dargetan wurde, muss eine Unrechtsvereinbarung vorliegen. Fraglich ist, ob und inwieweit eine solche bei der Übernahme von Haftpflichtprämien festgestellt werden kann. Der Gesetzesbegründung zufolge müssen „weitere Umstände“ hinzutreten, die eine Unrechtsvereinbarung im Einzelfall belegen, wenn im Rahmen einer beruflichen Kooperation ein angemessenes Verhältnis zwischen Entgelt und Leistung gegeben ist (s. Punkt 4.1.). Eine genauere Beschreibung dieser Umstände erfolgt nicht. Gemeint sein könnten die in der Praxis bereits gängigen Kriterien : die Beziehung zwischen Vorteilsgeber und Vorteilsnehmer, die Höhe und das Ausmaß des Vorteils, die (In-)Transparenz der Vereinbarung, das Vorliegen einer plausiblen Alternativ-Erklärung , die eine unlautere Bevorzugung widerlegen sowie die Einhaltung vorgeschriebener Verfahren .78 Diese Kriterien müssten dann auf die Übernahme der Haftungsprämien im jeweiligen Einzelfall übertragen werden. Von Geiger wird vorgeschlagen, die Unrechtsvereinbarung zweistufig zu bestimmen: Erstens muss mindestens die Schwelle der Unlauterbarkeit im wettbewerbsrechtlichen Sinne überschritten werden und zweitens muss ein darüber hinausgehender „korruptionsspezifischer Unrechtsgehalt “ vorliegen.79 Um dem Vorwurf einer Unrechtsvereinbarung bei Kooperationen vorzubeugen, wird angeraten, folgende Grundregeln einzuhalten:80 1. Transparenz der Finanzflüsse: Verträge mit der Industrie sollten grundsätzlich dokumentiert und der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) oder Ärztekammer vorgelegt werden. Dies gilt auch für Kooperationen mit Kollegen, zum Beispiel im Rahmen einer Berufsausübungsgemeinschaft. 2. Dokumentation aller Formen der Zusammenarbeit: Kooperationsvereinbarungen sollten schriftlich und vollständig dokumentiert werden, um ordnungsgemäß vollzogene und rechtlich nicht zu beanstandende Geschäftsverbindungen jederzeit nachweisen zu können . 3. Trennung von ärztlicher Leistung und Zuwendung: Entgeltliche oder unentgeltliche Zuwendungen an Ärzte dürfen nicht mit dem Kauf von Waren oder dem Verordnungs- und Therapieverhalten gekoppelt sein und sind verboten, wenn dadurch die medizinische oder therapeutische Entscheidung des Arztes beeinflusst werden soll. 78 Dann/Scholz, NJW 2016, S. 2077 ff. (2078). 79 Geiger, Daniel, Das Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen und seine Auswirkungen auf Strafverfolgung und Healthcare-Compliance, CCZ 2016, S. 172 ff. (176). 80 Vasilikou, Thea / Grinblat, Roman, Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen und Compliance – Maßnahmen für Marktakteure, Medizinprodukterecht (MPR) 2016, S. 189 ff. (193); Halbe, MedR 2015, S. 168 ff. (175); Kassenärztliche Bundesvereinigung, Richtig Kooperieren – mit Praxisbeispielen und Informationen zum Antikorruptionsgesetz, S. 5, abrufbar unter: http://www.kbv.de/media/sp/Broschuere_Kooperation.pdf (Abrufdatum: 5. April 2017). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 036/17 Seite 19 4. Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung: Die ärztliche Leistung und die dafür erbrachte Gegenleistung sollten in einem angemessenen Verhältnis stehen. Zahlungen an Ärzte sollten das Entgelt für die Erfüllung von Verträgen darstellen, die ärztliche Leistungen zum Inhalt haben und nicht die Verordnungs- oder Therapieentscheidung beeinflussen . Was angemessen ist und welche Vergleichsgröße herangezogen werden soll, ist noch unklar. Diese Grundsätze sind auf die Übernahme der Haftpflichtprämie übertragbar. Es kommt also maßgebend auf den Einzelfall an. Was ein angemessenes Verhältnis von Leistung und Gegenleistung ist, ist bislang noch ungeklärt und könnte daher in der Praxis Probleme bereiten. Dennoch lässt sich generell festhalten, dass, wenn die dargelegten Regeln eingehalten werden, regelmäßig noch weitere Umstände hinzutreten müssten, die eine Unrechtsvereinbarung hinreichend belegen . 4.4. Bisherige Stellungnahmen zur Vereinbarkeit von Haftpflichtprämien Die Rechtsprechung musste bislang die Frage, inwieweit die Übernahme von Haftpflichtprämien mit den §§ 299a ff. StGB vereinbar ist, noch nicht entscheiden. Allerdings ist die Bundesregierung bereits mit dieser Frage befasst worden. Bereits vor der Einführung der §§ 299a ff. StGB hat sie in einer Antwort vom September 2012 darauf hingewiesen, dass es Krankenhäusern möglich sei, in der Geburtshilfe tätige Belegärztinnen und Belegärzten von Belastungen durch im Einzelfall besonders hohe Haftpflichtprämien ganz oder teilweise frei zu stellen.81 Folglich wurde jedenfalls zu diesem Zeitpunkt die Übernahme der Haftpflichtprämien als grundsätzlich unbedenklich erachtet. Auf eine schriftliche Anfrage des Abgeordneten Liebing, ob das Antikorruptionsrecht im Gesundheitswesen den Betreibern von Krankenhäusern verbiete, die Haftpflichtprämien für Hebammen und Belegärzte in der Geburtshilfe zu übernehmen, hebt das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) in seiner Antwort82 zunächst die Unrechtsvereinbarung als zentrales Element der Korruptionstatbestände hervor. Anschließend wird in Bezug auf die Kooperationsmodelle umfassend auf die Gesetzesbegründung83 verwiesen. Darauf aufbauend hält das BMJV in Bezug auf die Übernahme der Haftpflichtprämien fest, dass diese, wie auch die Vergütung, grundsätzlich kein Anhaltspunkt für das Vorliegen einer Unrechtsvereinbarung sein könnten, vorausgesetzt sie stellen ein angemessenes Entgelt dar. Anders verhalte es sich, wenn mit der Übernahme der Haftpflichtprämie die Zuweisung eines Patienten an das Krankenhaus selbst vergütet werden soll. In diesem Fall wäre eine Unrechtsvereinbarung 81 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Diana Golze, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE vom 10. September 2012, BT-Drs. 17/10513, S. 7. 82 Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Christian Lange vom 15. März 2017 auf die schriftliche Frage des Abgeordneten Ingbert Liebing, Frage Nr. 27, BT-Drs. 18/11553, 26. 83 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 21. Oktober 2015, Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen, BT-Drs. 18/6446. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 036/17 Seite 20 gegeben. Eine entsprechende Beurteilung des Falles könne jedoch nur unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände erfolgen. Die Ansicht der Bundesregierung stimmt folglich mit dem unter Punkt 4.1.-4.3. Erarbeiteten überein . 5. Fragen des Abrechnungsbetruges bei Abrechnungen durch Belegärzte Zu klären bleibt die weitere in der Einleitung genannte Frage, ob die Belegärzte sich wegen Betruges nach § 263 StGB strafbar machen, wenn sie die von angestellten Krankenhausärzten erbrachten Leistungen selbst abrechnen. Ob ein solcher Abrechnungsbetrug vorliegt, hängt davon ab, ob die Abrechnung dieser Leistungen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 263 Abs. 1 StGB erfüllt. Dann müssten die Belegärzte, indem sie die von angestellten Krankenhausärzten erbrachten Leistungen selbst abrechnen, einen Dritten täuschen und dadurch bei diesem einen Irrtum erregen. Durch diesen müsste der Dritte dann zu einer Vermögensverfügung veranlasst werden, mit der Folge, dass ein entsprechender Schaden entsteht. Diese Tathandlungen müssen vorsätzlich und mit Bereicherungsabsicht vorgenommen werden. Ob die objektiven Tatbestandsmerkmale erfüllt sind, hängt davon ab, wie die Verträge zwischen dem einzelnen Belegarzt und den Krankenhäusern ausgestaltet sind. Außerdem hängt die Beantwortung der Frage davon ab, welche Abrechnungsmodalitäten das Sozialrecht überhaupt zulässt. Da der bearbeitende Fachbereich für das Sozialrecht nicht zuständig ist, kann diese Frage nicht abschließend bewertet werden. Sofern die Verträge zwischen Belegarzt und Krankenhaus und das Sozialrecht es zulassen, dass der Belegarzt die Leistung eines angestellten Arztes als eigene abrechnet, fehlt es bereits an der Darstellung falscher Tatsachen und damit an der Täuschung, sodass auch kein Irrtum vorliegt. Ist es dagegen nicht vorgesehen84, dass der Belegarzt die Leistung eines angestellten Arztes als eigene abrechnen kann, wird eine falsche Tatsache vorgespiegelt , also eine Täuschung verübt, durch die auch ein Irrtum erregt wird. Die entsprechende Vermögensverfügung liegt dann in der rechtsgrundlosen Bezahlung der ärztlichen Leistung. Soweit es um den erlittenen Schaden geht, werden unterschiedliche Positionen vertreten. Die Rechtsprechung vertritt eine streng formale Betrachtungsweise und stellt allein auf die zu Unrecht gezahlte 84 Die Frage, ob ein Belegarzt die Arbeit eines angestellten Krankenhausarztes selbst abrechnen darf, wurde auch an die Kassenärztliche Vereinigung Berlin herangetragen. Diese antwortete, dass eine solche Abrechnung in der Regel nicht möglich sei, denn auch belegärztliche Leistungen seien persönlich zu erbringen. Allerdings könne ein Belegarzt sich vertreten lassen, wenn ein Vertretungsgrund vorlege. Als Beispiel nannte sie den Fall, dass der Belegarzt nach einer belegärztlichen Operation einen Autounfall habe, sich durch einen Krankenhausarzt vertreten lasse und dies auch der Kassenärztlichen Vereinigung anzeige. Diese Leistungen würden dann über den Belegarzt abgerechnet, sodass der Krankenhausarzt sein Geld vom Belegarzt erhielte. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 036/17 Seite 21 Versicherungsleistung ab, ohne Berücksichtigung der tatsächlich erfolgten ärztlichen Leistung.85 Dagegen halten Stimmen in der Literatur den Wert der Leistung für maßgeblich.86 Auf jeden Fall ist der Betrugstatbestand erfüllt, wenn eine doppelte Abrechnung erfolgt, wenn also die ärztliche Behandlung des angestellten Arztes sowohl über den Belegarzt als auch über das Krankenhaus abgerechnet wird. *** 85 BGH, Beschluss vom 25. Januar 2012, 1 StR 45/11, NJW 2012, S. 1377 ff. (1383, Rn. 77 ff.); BGH, Beschluss vom 28. September 1994, 4 StR 280/94, NStZ 1995, S. 85 ff. (86). 86 Beukelmann, Beck'scher Online Kommentar StGB, v. Heintschel-Heinegg, 33. Edition, Stand: 01.12.2016, § 263, Rn. 132; Forkel, Hans-Walter, Vermögensschaden, Rechtsgüterschutz und Normbefehl: Zu Abrechnungsbetrug und Abrechnungsuntreue von Kassenärzten, PharmR 2011, S. 189 ff. (191); Volk, Klaus, Zum Schaden beim Abrechnungsbetrug - Das Verhältnis von Strafrecht und Sozialversicherungsrecht, NJW 2000, S. 3385 ff. (3387, 3388).