Die Veröffentlichung von Antwortbriefen von Bundestagsabgeordneten im Internet Rechtlicher Rahmen und Zulässigkeit - Ausarbeitung - © 2009 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 035/09 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser: Die Veröffentlichung von Antwortbriefen von Bundestagsabgeordneten im Internet Rechtlicher Rahmen und Zulässigkeit Sachstand WD 7 - 3000 - 035/09 Abschluss der Arbeit: 22. September 2009 Fachbereich WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W. Inhalt 1. Einleitung 4 2. Urheberrechtliche Bewertung 4 3. Allgemeine persönlichkeitsrechtliche Bewertung 5 4. Möglichkeit eines Veröffentlichungsverbotes durch Vertrag 6 5. Fazit 7 - 4 - 1. Einleitung Die stetig steigende Internet-Nutzung in Deutschland1 eröffnet vermehrt auch die Möglichkeit , Mitteilungen im Internet zu verbreiten. Nicht selten veröffentlichen Bürger, die mit einem Anliegen an Abgeordnete des Deutschen Bundestages herangetreten sind, die erhaltenen Antwortbriefe oder zumindest Teile daraus auf Homepages oder in Internetforen . Die rechtliche Zulässigkeit einer solchen Veröffentlichung wird im Folgenden summarisch erörtert. 2. Urheberrechtliche Bewertung Einer Veröffentlichung durch den Adressaten des Briefes könnten zunächst Urheberrechte des Abgeordneten entgegenstehen. Nach § 12 Absatz 1 Urheberrechtsgesetz (UrhG)2 darf grundsätzlich allein der Urheber bestimmen, ob und wie sein Werk veröffentlicht wird. Dies setzt allerdings voraus, dass das Urheberrechtsgesetz überhaupt anwendbar ist. Das ist dann der Fall, wenn ein Werk im Sinne des § 2 Absatz 2 UrhG vorliegt, also eine persönliche geistige Schöpfung. Erforderlich ist hierfür ein individueller geistiger Gehalt und eine gewisse Gestaltungshöhe.3 Briefe sind deshalb nur schützbar, wenn sie über alltägliche Mitteilungen hinausgehen,4 also nicht lediglich der Kommunikation dienen, sondern „intellektuell anspruchsvoll und inhaltlich reflektierend “ sind.5 Inwieweit dies der Fall ist, kann letztlich nur im konkreten Einzelfall beurteilt werden. In der Regel dürften Antwortbriefe von Abgeordneten aber eher prosaisch auf konkrete Sachfragen der Bürger oder Verbände eingehen und gerade nicht mit künstlerischen oder literarischen Werken vergleichbar sein. Erfahrungsgemäß werden Abgeordnetenschreiben zudem nicht selten unter Einbeziehung der Position der jeweiligen Fraktion abgestimmt und von Mitarbeitern und/oder Fraktionsreferenten mitverfasst oder unter Inanspruchnahme von Musterschreiben erstellt. Bürgerbriefen von Abgeordneten dürfte es deshalb in der Regel an der erforderlichen Gestaltungshöhe fehlen, womit – mangels Anwendbarkeit des Urheberrechtsgesetzes – keine Mög- 1 Dem Statistischen Bundesamt zufolge nutzten 68% der Bevölkerung ab zehn Jahren in Deutschland im ersten Quartal 2007 das Internet (www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/ Presse/pm/2007/11/PD07__486__63931,templateId=renderPrint.psml). 2 Urheberrechtsgesetz (UrhG) vom 9. September 1965 (BGBl. I S. 1273), zuletzt geändert durch Artikel 83 des Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz - FGG-RG) vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586). 3 Schmid/Wirth, Urheberrechtsgesetz, Handkommentar, 1. Auflage 2004, § 2 Rn. 4. 4 Schulze, in Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz, Urheberrechtswahrnehmungsgesetz, Kunsturhebergesetz , Kommentar, 2. Auflage 2006, § 2 Rn. 89. 5 LG Berlin, Urteil vom 10. Januar 1995, Az. 16 O 788/94, NJW 1995, S. 881; KG Berlin, Urteil vom 21. April 1995, Az. 5 U 1007/95, NJW 1995, S. 3392 f. - 5 - lichkeit bestünde, die Veröffentlichung gestützt auf das Urheberrechtsgesetz zu verbieten . Sollte ein Antwortbrief eines Abgeordneten dagegen die notwendige Gestaltungshöhe aufweisen, käme ein urheberrechtlich basiertes Veröffentlichungsverbot des jeweiligen Urhebers grundsätzlich in Betracht, zumal eine anderweitige Privilegierung der Veröffentlichung in Gestalt einer erlaubnisfreien Veröffentlichbarkeit ebenfalls nicht ersichtlich ist: Der Abgeordnetenbrief stellt insbesondere kein dienstliches Werk im Sinne von § 43 UrhG dar, da Abgeordnete in keinem Dienstverhältnis stehen, sondern gemäß Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz (GG)6 an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen sind. Weiterhin käme auch eine erlaubnisfreie auszugsweise Veröffentlichung nach § 51 UrhG nicht in Betracht, da dies eine vorherige Veröffentlichung des zu zitierenden Werkes voraussetzte – was bei persönlichen Bürgerbriefen grundsätzlich nicht der Fall sein dürfte.7 3. Allgemeine persönlichkeitsrechtliche Bewertung Mangels Anwendbarkeit des Urheberrechtsgesetzes könnte sich ein Veröffentlichungsverbot aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nach Artikel 2 Absatz 1 i.V.m. Artikel 1 Absatz 1 GG ergeben, welches der Bundesgerichtshof (BGH)8 1954 entwickelt und dessen Bedeutung das Bundesverfassungsgericht (BVerfG)9 in der Folgezeit herausgestellt hat. Der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann eine Unterteilung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in verschiedene Sphären entnommen werden (sog. Sphärentheorie). Danach wird zwischen der Intimsphäre, der Privat- oder Geheimsphäre und der Öffentlichkeitssphäre unterschieden. Vorgängen aus dem Intimbereich wird dabei der stärkste Schutz zuteil, während die Vorgänge aus dem Öffentlichkeitsbereich den schwächsten Schutz genießen.10 6 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 (BGBl. I S. 1), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2248). 7 Dreier, in Dreier/Schulze (Fn. 4), § 51 Rn. 2. 8 BGH, Urteil vom 25. Mai 1954, Az. I ZR 211/53, NJW 1954, S. 1404 f. 9 BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 1970, Az. 1 BvR 13/68, BVerfGE 27, 344, 351; Beschluss vom 8. März 1972, Az. 2 BvR 28/71, BVerfGE 32, 373, 379; Beschluss vom 19. Juli 1972, Az. 2 BvL 7/71, BVerfGE 33, 367, 376 f.; Beschluss vom 31. Januar 1973, Az. 2 BvR 454/71, BVerfGE 34, 238, 245 f.; Beschluss vom 11. April 1973, Az. 2 BvR 701/72, BVerfGE 35, 35, 39; Urteil vom 5. Juni 1973, Az. 1 BvR 536/72, BVerfGE 35, 202, 220; Beschluss vom 24. Mai 1977, Az. 2 BvR 988/75, BVerfGE 44, 353, 372 f.; Beschluss vom 14. September 1989, Az. 2 BvR 1062/87, BVerf GE 80, 367, 373 ff.; Beschluss vom 4. 4. 2000, Az. 1 BvR 1505/99, NJW 2000, S. 2189. 10 Härtling/Redlich, in Kommunikation und Recht (K & R) 2007, S. 551. - 6 - Die Zulässigkeit der Veröffentlichung von Briefen hängt bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe vor allem davon ab, ob sich aus dem Inhalt ein erkennbares persönliches Geheimhaltungsinteresse ergibt11 – was letztlich wiederum nur im Einzelfall beurteilt werden kann. Antwortbriefe von Bundestagsabgeordneten dürften jedoch grundsätzlich eine Ausübung des Mandats darstellen und weder der Intim- noch der Privat- oder Geheimsphäre zuzuordnen sein. Gemäß Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 GG sind die Abgeordneten Vertreter des ganzen Volkes, mit der Folge, dass sie auch dem gesamten Volk gegenüber verantwortlich sind.12 Daraus lässt sich ein legitimes Interesse der Öffentlichkeit am – mandatsbezogenen – Handeln der Abgeordneten herleiten, weshalb von ihnen verfasste Antworten auf Bürgerbriefe grundsätzlich der Öffentlichkeitssphäre zuzuordnen sein dürften, wenn sie keinen ausschließlich privaten Inhalt aufweisen. Diese Einordnung wird weiterhin gestützt durch die Erwägung, dass sich auch das berufliche Wirken anderer Menschen in der Regel nicht „im Geheimen“ vollzieht , sondern ebenfalls regelmäßig der öffentlichen Kritik ausgesetzt ist.13 So hat etwa der Bundesgerichtshof 1961 festgestellt, dass derjenige, der „aktiv handelnd im Wirtschaftsleben steht, (…) sich in einem demokratischen Gemeinwesen auch der Kritik seiner Betätigung“ aussetzt, „der er nicht unter Berufung auf einen persönlichen Geheimbereich ausweichen kann.“14 4. Möglichkeit eines Veröffentlichungsverbotes durch Vertrag Für den Fall, dass der entsprechende Antwortbrief nicht dem Urheberrechtsgesetz unterfällt und auch das Geheimhaltungsinteresse des Abgeordneten nicht überwiegt, scheidet ein einseitiges Veröffentlichungsverbot aus, zumal Abgeordnete dem Bürger gegenüber nicht weisungsbefugt sind. In Betracht käme allenfalls eine Vereinbarung zwischen dem Abgeordneten und dem Bürger mit dem Inhalt, eine Veröffentlichung vertraglich auszuschließen . Ein solcher Vertrag würde aber bereits mangels entsprechender Einigung nicht zustande kommen, wenn der Abgeordnete das Veröffentlichungsverbot zusammen mit seinem Antwortbrief erstmals übersendet; denn die Entgegennahme des Briefes durch den Adressaten wäre als bloßer Realakt keine Annahme des Angebots des Abgeordneten auf Abschluss einer Vertraulichkeitsvereinbarung. 11 Härtling/Redlich (Fn. 10), S. 552. 12 Pieroth, in Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 9. Auflage 2009, Art. 38 Rn. 24. 13 Härtling/Redlich (Fn. 10), S. 552. 14 BGH, Urteil vom 24.10.1961, Az. VI ZR 204/60, BGHZ 36, 77, 80. - 7 - 5. Fazit Grundsätzlich dürfte das Veröffentlichen von Antwortbriefen von Abgeordneten auf Bürgeranfragen durch den jeweiligen Adressaten im Internet rechtlich erlaubt sein: Insofern, als die Briefe der Öffentlichkeitssphäre zuzuordnen sind, besteht kein persönlichkeitsrechtlicher Schutz vor Indiskretion.15 Auch das Urheberrecht dürfte einer Veröffentlichung regelmäßig nicht entgegenstehen, da die entsprechenden Schreiben zumeist keine Gestaltungshöhe im Sinne des Urheberrechtsgesetzes aufweisen dürften. 15 Härtling/Redlich (Fn. 10), S. 552.