© 2021 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 034/21 Einzelfragen zur Ausgestaltung von Gebührenordnungen nach § 6a Abs. 5a StVG Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 034/21 Seite 2 Einzelfragen zur Ausgestaltung von Gebührenordnungen nach § 6a Abs. 5a StVG Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 034/21 Abschluss der Arbeit: 13. April 2021 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 034/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Auslegung des § 6a Abs. 5a StVG 5 3. Andere (grund-)gesetzlichen Grundlagen 9 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 034/21 Seite 4 1. Einleitung In § 6a des Straßenverkehrsgesetzes (StVG)1 wurde durch Art. 2 des Achten Gesetzes zur Änderung des Bundesfernstraßengesetzes und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 29. Juni 20202 ein neuer Absatz 5a eingefügt. Nach § 6a Abs. 5a Satz 1 können die nach Landesrecht zuständigen Behörden für das Ausstellen von Parkausweisen für Bewohner städtischer Quartiere mit erheblichem Parkraummangel Gebühren erheben. Für die Festsetzung der Gebühren werden die Landesregierungen gemäß § 6a Abs. 5a Satz 2 StVG ermächtigt, Gebührenordnungen zu erlassen. Nach § 6a Abs. 5a Satz 3 StVG können in den Gebührenordnungen auch die Bedeutung der Parkmöglichkeiten , deren wirtschaftlicher Wert oder der sonstige Nutzen der Parkmöglichkeiten für die Bewohner angemessen berücksichtigt werden. Gemäß § 6a Abs. 5a Satz 4 StVG kann auch ein Höchstsatz in den Gebührenordnungen festgelegt werden. Die Ermächtigung kann gemäß § 6a Abs. 5a Satz 5 StVG durch Rechtsverordnung weiter übertragen werden. Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages sind in diesem Zusammenhang um Beantwortung folgender sinngemäß wiedergegebener Fragen gebeten worden: Ist nach § 6a Abs. 5a StVG eine Staffelung der Gebühren für Bewohner städtischer Quartiere mit hohem Parkdruck nach ökologischen Kriterien, wie der Leermasse des Fahrzeugs, der CO2-Emission oder der Fahrzeuglänge oder -breite in einer vom jeweiligen Bundesland zu erlassenden Gebührenordnung möglich (Frage 1)? Kann aufgrund des § 6a Abs. 5a StVG eine Staffelung nach tatsächlich vom Fahrzeug beanspruchter Fläche erfolgen (Frage 2)? Ist die Einführung einer Härtefallklausel für einkommensarme Personen aufgrund des § 6a Abs. 5a StVG möglich (Frage 3)? Können solche Vorschriften – falls eine Regelung auf der Grundlage des § 6a Abs. 5a StVG nicht möglich ist – auf Basis einer anderen gesetzlichen Grundlage geschaffen werden (Frage 4)? Diesbezüglich teilte die zuständige Fachabteilung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) auf Anfrage mit: „Mit der Ergänzung des § 6a des Straßenverkehrsgesetzes […] um einen neuen Absatz 5a erhielten die Länder und Kommunen eine Ermächtigungsgrundlage, um die Gebührensätze für das Ausstellen von Parkausweisen für Bewohner städtischer Quartiere mit erheblichem Parkraummangel eigenständig zu regeln. 1 Straßenverkehrsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 2003 (BGBl. I S. 310, 919), das zuletzt durch Artikel 6 Absatz 2 des Gesetzes vom 15. Januar 2021 (BGBl. I S. 530) geändert worden ist. 2 Achtes Gesetzes zur Änderung des Bundesfernstraßengesetzes und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 29. Juni 2020 (BGBl. I S. 1528), abrufbar unter https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger _BGBl&start=//*[@attr_id=%27bgbl120s1528.pdf%27]#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl120s 1528.pdf%27%5D__1618228730803, letzter Abruf – auch für alle weiteren Internetlinks – 13.04.2021. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 034/21 Seite 5 Dies umfasst sowohl die reinen Verwaltungskosten als auch den wirtschaftlichen Wert oder den sonstigen Nutzen von Parkmöglichkeiten für Bewohner. Den Ländern und Kommunen sollten bei der Festlegung von Gebühren für das Bewohnerparken größtmögliche Freiheiten eingeräumt werden. Zum einen steht es ihnen also frei, ob sie überhaupt von dieser Ermächtigungsgrundlage Gebrauch machen wollen oder davon absehen. Zum anderen wurden, um den Ländern bzw. Kommunen einen ortsangemessenen Gestaltungsspielraum zu schaffen, bewusst keine über den Wortlaut des § 6a Absatz 5a StVG hinausgehende Tatbestandsmerkmale für darauf beruhende Gebührenordnungen festgelegt. Die hier angesprochenen Einzelaspekte kann das BMVI daher nicht bewerten. Dem BMVI liegen auch keine Informationen zu den durch die Fragesteller aufgeworfenen Fragen vor.“3 In Bezug auf die aufgeworfenen Fragen konnte nur bedingt weiteres relevantes Material recherchiert werden. Ergänzend wird hinsichtlich der Fragen 1 bis 3 lediglich auf folgende Überlegungen in Bezug auf eine mögliche Auslegung des § 6a Abs. 5a StVG (Gliederungspunkt 2) sowie auf einige weitere Ausführungen zur Frage 4 (Gliederungspunkt 3) verwiesen. 2. Auslegung des § 6a Abs. 5a StVG In der Begründung zu Art. 2 Nr. 1 des Entwurfs eines Achten Gesetzes zur Änderung des Bundesfernstraßengesetzes im Bericht des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur wurde im Zusammenhang mit der Wahl der Formulierung „auch […] angemessen berücksichtigt“ in § 6a Abs. 5a Satz 3 StVG festgestellt, „dass neben den Personal- und Sachkosten als Verwaltungsaufwand auch4 der wirtschaftliche Wert für den Gebührenschuldner berücksichtigt wird“.5 Auch in der Kommentarliteratur finden sich Ausführungen dahingehend, dass durch § 6a Abs. 5a StVG nunmehr der Erlass von Gebührenordnungen ermöglicht wird, „die sowohl die reinen Verwaltungskosten einerseits als auch6 die Bedeutung der Parkmöglichkeiten, deren wirtschaftlichen Wert oder den sonstigen Nutzen von Parkmöglichkeiten für Bewohner andererseits berücksichtigen “.7 Insoweit könnte man argumentieren, dass sich das Wort „auch“ in § 6a Abs. 5a Satz 3 StVG auf den Verwaltungsaufwand bzw. die Verwaltungskosten beziehe und es sich bei den weiteren in der Vorschrift explizit genannten berücksichtigungsfähigen Aspekten um eine abschließende Aufzählung handele, was zu einem Ausschluss einer Staffelung der Gebühren nach ökologischen Aspekten in der Gebührenordnung führen könnte. 3 Stellungnahme der zuständigen Fachabteilung des BMVI, übermittelt als Anhang zur E-Mail vom 31.03.2021. 4 Die Fettung erfolgte durch den Verfasser des Sachstands. 5 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur (15. Ausschuss) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung – Drucksache 19/17290 – Entwurf eines Achten Gesetzes zur Änderung des Bundesfernstraßengesetzes, Bundestags-Drucksache 19/19132, S. 13, abrufbar unter https://dip21.bundestag .de/dip21/btd/19/191/1919132.pdf. 6 Die Fettung erfolgte durch den Verfasser des Sachstands. 7 Trésoret, in: Freymann/Wellner (Hrsg.), jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Auflage, § 6a StVG (Stand: 29.03.2021) Rn. 67.1. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 034/21 Seite 6 Auf der anderen Seite spricht für die Möglichkeit einer solchen Staffelung nach ökologischen Kriterien im Rahmen einer Gebührenordnung nach § 6a Abs. 5a Satz 2 StVG, dass die Vorschrift des § 6a Abs. 5a Satz 3 StVG die Berücksichtigung weiterer Aspekte zumindest nicht ausdrücklich ausschließt. Insoweit könnte man vertreten, das Wort „auch“ in § 6a Abs. 5a Satz 3 StVG beziehe sich nicht ausschließlich auf den Verwaltungsaufwand bzw. die Verwaltungskosten, sondern weise gerade darauf hin, dass außer den in der Vorschrift genannten Aspekten noch weitere Kriterien berücksichtigt werden können. § 6a Abs. 5a Satz 3 StVG enthielte nach dieser Interpretation lediglich eine beispielhafte Aufzählung berücksichtigungsfähiger Aspekte. Dafür spricht auch, dass – wie bereits in der Stellungnahme des BMVI ausgeführt – den Ländern und Kommunen „bei der Festlegung von Gebühren für das Bewohnerparken größtmögliche Freiheiten eingeräumt werden“ sollten.8 Weiterhin ist der Umweltschutz als Staatszielbestimmung in Art. 20a des Grundgesetzes (GG) verankert,9 weshalb auch aus diesem Grund erwogen werden kann, § 6a Abs. 5a StVG dahingehend auszulegen, dass beim Erlass der Gebührenordnung eine Staffelung nach ökologischen Aspekten möglich ist. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch eine Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshof (BayVerfGH), welche sich allerdings auf eine Regelung in einer nach § 6a Abs. 6 StVG erlassenen (§ 6a Abs. 6 soll grundsätzlich lediglich das zeitlich befristete (Besucher-)Parken betreffen )10 gemeindlichen Parkgebührenverordnung bezog.11 Nach § 6a Abs. 6 Satz 1 StVG können in Ortsdurchfahrten die Gemeinden, im Übrigen die Träger der Straßenbaulast, für das Parken auf öffentlichen Wegen und Plätzen, Gebühren erheben. § 6a Abs. 6 Satz 2 StVG enthält eine Ermächtigung zum Erlass von Gebührenordnungen durch die Landesregierungen, die gemäß § 6a Abs. 6 Satz 4 StVG durch Rechtsverordnung weiter übertragen werden kann. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof (BayVerfGH) hatte eine Gebührenstaffelung nach Personen mit und ohne Kurkarte in der Parkgebührenverordnung nicht für mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 118 Abs. 1 der Bayerischen Verfassung (BV) unvereinbar gehalten.12 Art. 118 Abs. 1 BV soll Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG)13 entsprechen.14 Im Rahmen der Begründung führte der BayVerfGH unter anderem aus: 8 9 Huster/Rux, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar Grundgesetz, 46. Edition, Stand: 15.02.2021, Art. 20a, vor Rn. 1. 10 Trésoret, in: Freymann/Wellner (Hrsg.), jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Auflage 2016 (Werksstand), § 6a StVG (Stand: 29.03.2021) Rn. 69.1; vgl. auch Bericht des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur (15. Ausschuss ) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung – Bundestags-Drucksache 19/17290 – Entwurf eines Achten Gesetzes zur Änderung des Bundesfernstraßengesetzes, Bundestags-Drucksache 19/19132, S. 12. 11 BayVerfGH, Entscheidung vom 27.08.2018, Az. Vf. 11-VII-16, BeckRS 2018, 22002 Rn. 1, 26. 12 BayVerfGH, Entscheidung vom 27.08.2018, Az. Vf. 11-VII-16, BeckRS 2018, 22002 Rn. 18 ff. 13 Holzner, PdK Bay A-3, Art. 118 BV Rn. 8, 11. 14 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100- 1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 u. 2 Satz 2 des Gesetzes vom 29. September 2020 (BGBl. I S. 2048) geändert worden ist. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 034/21 Seite 7 „Zudem entspricht es verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung, dass der Gebührengesetzgeber einen weiten Ermessens- und Gestaltungsspielraum hat, welche individuell zurechenbaren öffentlichen Leistungen er einer Gebührenpflicht unterwirft, welche Gebührenmaßstäbe und Gebührensätze er hierfür aufstellt und welche über die Kostendeckung hinausreichenden Zwecke, etwa des Vorteilsausgleichs, der Verhaltenslenkung oder soziale Zwecke, er mit einer Gebührenregelung anstreben will (vgl. BVerfGE 50, 217/226 f.; 144, 369 Rn. 64 m. w. N.). […] Aus dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz folgt jedoch, dass Gebühren nicht völlig unabhängig von den Kosten der gebührenpflichtigen Leistung festgesetzt werden dürfen und die Verknüpfung zwischen den Kosten der Leistung und den dafür auferlegten Gebühren sich nicht in einer Weise gestaltet, die, bezogen auf den Zweck der gänzlichen oder teilweisen Kostendeckung, sich unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt als sachgemäß erweist. Darüber hinaus gebietet der Gleichheitsgrundsatz, bei gleichartig beschaffenen Leistungen, die rechnerisch und finanziell in Leistungseinheiten erfasst werden können, die Gebührenmaßstäbe und Gebührensätze in den Grenzen der Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit so zu wählen und zu staffeln, dass sie unterschiedlichen Ausmaßen in der erbrachten Leistung Rechnung tragen, damit die verhältnismäßige Gleichheit unter den Gebührenschuldnern gewahrt bleibt (vgl. BVerfGE 50, 217/227).“15 Insoweit könnte argumentiert werden, dass eine Auslegung, die dem „Gebührengesetzgeber“ einen weiten Ermessens- und Gestaltungsspielraum bezüglich der zu verfolgenden Zwecke einräumt , wohl zumindest grundsätzlich verfassungsrechtlich möglich wäre. Ob der Wortlaut und der Sinn und Zweck der Vorschrift des § 6a Abs. 5a StVG eine solche Auslegung allerdings auch im Rahmen dieser Vorschrift zulässt, bleibt fraglich und kann vorliegend nicht abschließend entschieden werden. Sofern man davon ausgeht, dass § 6a Abs. 5a Satz 3 StVG lediglich eine beispielhafte Aufzählung berücksichtigungsfähiger Aspekte enthält, dürfte eine Staffelung der Gebühren nach ökölogischen Aspekten grundsätzlich in Betracht kommen. Eine Staffelung nach CO2-Emissionen, Leermasse des Fahrzeugs, Fahrzeuglänge oder -breite bzw. nach tatsächlich vom Fahrzeug beanspruchter Fläche (Länge mal Breite des Fahrzeugs könnte dann wohl grundsätzlich möglich sein, sofern nach der konkreten Ausgestaltung der Regelungen im Einzelfall die oben genannten verfassungsrechtlichen Maßstäbe eingehalten werden. Für den Fall der Differenzierung nach Fahrzeuglänge oder -breite bzw. nach tatsächlich vom Fahrzeug beanspruchter Fläche könnte auch erwogen werden, ob hier nicht bereits die Verwaltungskosten, die Bedeutung der Parkmöglichkeiten , der wirtschaftliche Wert oder der sonstige Nutzen der Parkmöglichkeiten für die Bewohner betroffen sind, da Bewohner mit längeren oder breiteren Fahrzeugen im Falle einer Erteilung eines Parkausweises zumeist mehr Parkraum in Anspruch nehmen und insoweit eine höhere „Gegenleistung“ bzw. einen größeren „Nutzen“ gegenüber Bewohnern mit kürzeren oder schmaleren Fahrzeugen erlangen dürften. Sofern man davon ausgeht, dass § 6a Abs. 5a Satz 3 StVG lediglich eine beispielhafte Aufzählung berücksichtigungsfähiger Aspekte enthält, dürfte auch die Einführung einer Härtefallklausel für einkommensarme Personen in der Gebührenordnung nach § 6a Abs. 5a Satz 2 StVG bereits aus diesem Grund in Betracht kommen. Unabhängig davon könnte für eine Möglichkeit der Einfüh- 15 BayVerfGH, Entscheidung vom 27.08.2018, Az. Vf. 11-VII-16, BeckRS 2018, 22002 Rn. 27, 28. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 034/21 Seite 8 rung einer Härtefallklausel sprechen, dass sich staatliche Maßnahmen am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz messen lassen müssen, wonach die Maßnahmen bezogen auf den verfolgten Zweck „nicht über das erforderliche und geeignete Maß hinaus unangemessen in Rechtspositionen des Bürgers eingreifen“ dürfen.16 Dem Verordnungsgeber steht im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit regelmäßig ein breiter (Einschätzungs- bzw. Entscheidungs-)Spielraum zu.17 Je nach Ausgestaltung der Härtefallklausel könnte eine solche möglicherweise dazu beitragen, dass einkommensschwache Personen nicht unangemessen (wohl in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG)18 belastet werden. In der Begründung des Gesetzesentwurfs zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes wurde im Hinblick auf die Vorschrift des § 6a Abs. 6 StVG ausgeführt, dass „den Gemeinden bzw. den Straßenbaulastträgern die Entscheidungsbefugnis zustehe, ob gebührenpflichtiges, gebührenfreies oder gebührenfreies Parken mit einer Beschränkung der Höchstparkdauer eingeführt wird. Die Festsetzung und Erhebung von Parkgebühren soll […] völlig eigenverantwortlich nach den örtlichen Verhältnissen je nach Parkdruck erfolgen, wobei auch eine räumliche und zeitliche Staffelung vorgesehen oder von einer Gebührenerhebung zum Beispiel in der ersten halben Stunde abgesehen werden kann“.19 Bei den CO²-Emissionen dürfte es sich wohl um ein ökologisches Kriterium handeln. In Bezug auf eine Differenzierung nach der Leermasse des Fahrzeugs sowie der Fahrzeuglänge oder -breite ist zu berücksichtigen, dass eine größere Leermasse, Fahrzeuglänge oder Fahrzeugbreite zwar häufig, aber wohl nicht immer (beispielsweise im Falle von Elektroautos), mit einer höheren Umweltbelastung einhergehen dürfte. Weiterhin könnte für den Fall der Differenzierung nach Fahrzeuglänge oder -breite erwogen werden, ob hier nicht bereits die Verwaltungskosten, die Bedeutung der Parkmöglichkeiten, der wirtschaftliche Wert oder der sonstige Nutzen der Parkmöglichkeiten für die Bewohner betroffen sind, da Bewohner mit längeren oder breiteren Fahrzeugen im Falle einer Erteilung eines Parkausweises zumeist mehr Parkraum in Anspruch nehmen und insoweit eine höhere „Gegenleistung“ bzw. einen größeren „Nutzen“ gegenüber Bewohnern mit kürzeren oder schmaleren Fahrzeugen erlangen dürften. Eine Staffelung nach tatsächlich vom Fahrzeug beanspruchter Fläche (Länge mal Breite des Fahrzeugs) dürfte insoweit wohl nicht anders zu beurteilen sein, wobei in einem solchen Fall zu beachten wäre, dass dann unter Umständen eine Kompensation einer besonders ausgeprägten Fahrzeuglänge durch eine besonders geringe Fahrzeugbreite (oder andersherum) möglich wäre. 16 Vgl. in Bezug auf die Ausführungen zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz: Voßkuhle, Grundwissen - Öffentliches Recht: Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, JuS 2007, 429, 430. 17 Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Werkstand: 92. EL August 2020, Art. 20, VII. Art. 20 und die allgemeine Rechtsstaatlichkeit Rn. 122; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, 3. Auflage 2015, Art. 20 (Rechtsstaat) [Verfassungsprinzipien; Widerstandsrecht] Rn. 190, vgl. dort insbesondere auch Fn. 875. 18 Jarass, in: Jarass/Pieroth , Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 16. Auflage 2020, Art. 2 Rn. 27a. 19 Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes, Bundestags-Drucksache 15/1496, S. 6, abrufbar unter … . Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 034/21 Seite 9 3. Andere (grund-)gesetzlichen Grundlagen Ob die erörterten Regelungen – sofern man davon ausgeht, dass ihre Verankerung in einer Gebührenordnung nach § 6a Abs. 5a StVG nicht möglich ist – auf Basis einer anderen gesetzlichen Grundlage geschaffen werden können, bleibt ebenfalls fraglich. Führen die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus, so regeln sie gemäß Art. 84 Abs. 1 Satz 1 GG die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren. Wenn Bundesgesetze etwas anderes bestimmen, können die Länder nach Art. 84 Abs. 1 Satz 2 GG davon abweichende Regelungen treffen. Im Bereich der Straßenverkehrsordnung (StVO) führen die Länder wohl Bundesrecht als eigene Angelegenheit aus.20 In einem vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) am 26. Juni 2014 entschiedenen Fall. § 3 Abs. 4 des Niedersächsischen Verwaltungskostengesetzes (NVwKostG) in der Fassung vom 25. April 2007 eröffnet in Niedersachsen die Möglichkeit, in bestimmten Fällen in einer Gebührenordnung eine vom Bundesrecht abweichende Regelung zu treffen, was im vom BVerwG entschiedenen Fall auch hinsichtlich der Gebühren Nr. 263 und 264 der Anlage zu § 1 GebOSt für den Fall einer Entscheidung über eine Erlaubnis für eine übermäßige Straßenbenutzung nach § 29 Abs. 3 StVO und für die Entscheidung über die Genehmigung einer Ausnahme von den Vorschriften über Höhe, Länge oder Breite von Fahrzeug oder Ladung (§ 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StVO), geschehen war.21 Das BVerwG ging davon aus, dass es sich bei der Verordnungsermächtigung des § 3 Abs. 4 Satz 1 NVwKostG sowie der unter Berufung auf unter anderem diese Vorschrift erlassenen Gebührenordnung um Regelungen des Verwaltungsverfahrens gemäß Art. 84 Abs. 1 GG handele.22 Zur Begründung führte es unter anderem aus, dass jedenfalls solche gesetzlichen Bestimmungen umfasst seien, „die die Art und Weise der Ausführung des Gesetzes, einschließlich der Handlungsformen der Verwaltung, die Form der behördlichen Willensbildung, die Art der Prüfung und Vorbereitung der Entscheidung, deren Zustandekommen und Durchsetzung sowie verwaltungsinterne Mitwirkungs- und Kontrollvorgänge in ihrem Ablauf regeln“.23 Hierzu zähle auch die Befugnis, Vorschriften zur Erhebung von Verwaltungsgebühren zu schaffen .24 Insoweit könnte erwogen werden, diese Rechtsprechung auf Gebühren für gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG i.V.m. § 45 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2a StVO25 erteilte Bewohnerparkausweise zu übertragen und eine Abweichung von Nr. 265 der Anlage zu § 1 GebOSt (Gebühr für das Ausstellen eines Parkausweises für Bewohner) bzw. den Vorgaben des § 6a Abs. 5a StVO für zulässig zu erachten . Ob eine solche Übertragung der Rechtsprechung zulässig ist, ist jedoch gerichtlich soweit ersichtlich noch nicht entschieden. Weiterhin ist zu beachten, dass sofern eine Regelung in einer Landesverordnung erfolgen soll, zunächst eine Verordnungsermächtigung in einem Landesgesetz geschaffen werden muss (vgl. beispielsweise Art. 70 der Verfassung für das Land Nordrhein- 20 BVerwG, Urteil vom 26.06.2014, Az. 3 CN 1/13, NVwZ 2014, 1516, 1517 Rn. 10. 21 BVerwG, Urteil vom 26.06.2014, Az. 3 CN 1/13, NVwZ 2014, 1516. 22 BVerwG, Urteil vom 26.06.2014, Az. 3 CN 1/13, NVwZ 2014, 1516, 1518 Rn. 22. 23 BVerwG, Urteil vom 26.06.2014, Az. 3 CN 1/13, NVwZ 2014, 1516, 1518 Rn. 23. 24 BVerwG, Urteil vom 26.06.2014, Az. 3 CN 1/13, NVwZ 2014, 1516, 1518, 1519 Rn. 23. 25 VGH München, Beschluss vom 25.05.2020, Az. 11 ZB 19.693, BeckRS 2020, 14568 Rn. 15; vgl. auch Ziffer X Nr. 7 zu § 45 Abs. 1 bis 1e) der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) vom 26. Januar 2001 in der Fassung vom 22. Mai 2017 (BAnz AT 29.05.2017 B8). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 034/21 Seite 10 Westfalen26, Art. 80 der Verfassung des Landes Brandenburg27). Weitere bundesrechtliche Vorschriften , die es den Ländern ermöglichen, die in der Einleitung genannten Regelungen zu treffen , sind nicht ersichtlich. *** 26 Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen vom 28. Juni 1950, abrufbar unter https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_text_anzeigen?v_id=2320020927105939563. 27 Verfassung des Landes Brandenburg vom 20. August 1992 (GVBl.I/92, S.298), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. Mai 2019 (GVBl.I/19, [Nr. 16]), abrufbar unter https://bravors.brandenburg.de/de/gesetze-212792.