© 2016 Deutscher Bundestag WD 7 – 3000 – 034/16 Rechtliche Stellung minderjähriger Ehegatten Sachstand Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 – 3000 – 034/16 Seite 2 Rechtliche Stellung minderjähriger Ehegatten Aktenzeichen: WD 7 – 3000 – 034/16 Abschluss der Arbeit: 25. Februar 2016 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 – 3000 – 034/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Angaben des Statistischen Bundesamtes zu Ehen von Minderjährigen in Deutschland 4 2.1. Angaben zu Verfahren auf Befreiung vom Volljährigkeitserfordernis 4 2.2. Angaben zu Eheschließenden nach dem Alter der Eheschließenden 4 3. Rechtliche Stellung minderjähriger Ehegatten 5 3.1. Geschäftsfähigkeit 5 3.2. Elterliche Sorge 5 3.2.1. Personensorge 6 3.2.2. Vermögenssorge 6 3.3. Umgangsrecht der Eltern 7 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 – 3000 – 034/16 Seite 4 1. Einleitung Nach geltendem Recht ist eine Eheschließung, an der mindestens ein minderjähriger Ehegatte beteiligt ist, sog. Kinderehe oder Frühehe1, nach Maßgabe der Regelungen in § 1303 BGB nur möglich , wenn einer der künftigen Ehegatten volljährig ist und der andere das 16. Lebensjahr vollendet hat und durch das Familiengericht vom Erfordernis der Volljährigkeit befreit wurde. Vor diesem Hintergrund befasst sich vorliegender Sachstand mit folgenden konkreten Fragen: - Wie viele Frühehen werden derzeit jährlich in Deutschland geschlossen? - Welche Rechtsfolgen haben diese Ehen unter anderem für die Geschäftsfähigkeit? 2. Angaben des Statistischen Bundesamtes zu Ehen von Minderjährigen in Deutschland 2.1. Angaben zu Verfahren auf Befreiung vom Volljährigkeitserfordernis Ein Zugang zur Anzahl an Frühehen in Deutschland ließe sich bei den vom Statistischen Bundesamts veröffentlichten Daten über Geschäftsanfall und -erledigung von Familiensachen in der Statistik „Familiengerichte – Fachserie 10 Reihe 2.2“2 suchen. Jedoch werden dort Angaben zu den Antragsverfahren vor den Familiengerichten, welche die Befreiung vom Volljährigkeitserfordernis des § 1303 Abs.1 BGB zum Gegenstand haben, nicht erfasst.3 2.2. Angaben zu Eheschließenden nach dem Alter der Eheschließenden Besserer Zugang zur Anzahl der in Deutschland geschlossenen Frühehen ergibt sich jedoch aus der vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen Fachserie 1, Reihe 1.1. „Bevölkerung und Erwerbstätigkeit – Natürliche Bevölkerungsbewegung“ 4. Dort werden in der Rubrik „ Eheschließungen “ Zahlen zu Eheschließenden nach dem Alter und bisherigem Familienstand bzw. nach dem Alter der Eheschließenden und dem Altersabstand ausgewiesen. 1 Vgl. die Definition von “Child marriage” und “Early marriage” im Bericht “Preventing and eliminating child, early and forced marriage” des Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights vom 2. April 2014, UN-Dok. A/HRC/26/22, S. 3; im Internet abrufbar unter: http://www.ohchr.org/EN/HRBodies/HRC/Regular Sessions/Session26/Pages/ListReports.aspx (Letzter Abruf: 25.2.2016) 2 https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Rechtspflege/GerichtePersonal/Familiengerichte.html 3 So schon Antwort der Bundesregierung vom 25. Juni 2010 auf die Kleine Anfrage der SPD-Fraktion zum Thema „Ehemündigkeitsalter“, Bundestagdrucksache 17/2293, S. 3. 4 Statistisches Bundesamt, Fachserie 1, Reihe 1.1. (Abschnitte 4.1 und 4.3), abrufbar unter: https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Bevoelkerung/Bevoelkerungsbewegung/Bevoelkerungsbewegung .html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 – 3000 – 034/16 Seite 5 Aus den zuletzt veröffentlichten Fachberichten für die Jahre 2010 bis 2013 lassen sich im Hinblick auf die Anzahl von Frühehen folgende Daten herauslesen: 2013: Eheschließungen: 114 (Minderjährige Ehemänner: 7; minderjährige Ehefrauen: 107) 2012: Eheschließungen: 139 (Minderjährige Ehemänner: 7; minderjährige Ehefrauen: 132) 2011: Eheschließungen: 130 (Minderjährige Ehemänner: 5; minderjährige Ehefrauen: 125) 2010: Eheschließungen: 146 (Minderjährige Ehemänner: 11; minderjährige Ehefrauen: 135) Eine Aufschlüsselung nach der Nationalität der minderjährigen Eheschließenden oder deren Ehepartnern enthalten die Fachberichte nicht. 3. Rechtliche Stellung minderjähriger Ehegatten 3.1. Geschäftsfähigkeit Minderjährige Ehegatten bleiben bis zum 18. Lebensjahr den Beschränkungen der Geschäftsfähigkeit gemäß §§ 107 ff. BGB unterworfen. 3.2. Elterliche Sorge Gemäß § 1626 Abs.1 BGB haben Eltern, solange das Kind minderjährig ist, für dieses die elterliche Sorge, welche sowohl die Personensorge im Sinne des § 1631 BGB als auch die Vermögenssorge umfasst. Unter „Personensorge“ werden die Pflege und Erziehung des Kindes, die Beaufsichtigung sowie dessen Aufenthaltsbestimmung verstanden.5 Das Recht und die Pflicht, für das Vermögen des Kindes zu sorgen, schließt hingegen alle tatsächlichen und rechtlichen Maßnahmen ein, welche 5 Barbara Veit, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), Beck‘scher Onlinekommentar zum BGB (BeckOK BGB), § 1631, Rn. 3. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 – 3000 – 034/16 Seite 6 darauf gerichtet sind, das Kindesvermögen zu erhalten, zu verwerten und zu vermehren.6 Hierbei umfasst die Vertretung des Kindes in Angelegenheiten der Vermögenssorge alle Bereiche, in denen im Rahmen der Vermögenssorge rechtsgeschäftliche oder prozessuale Handlungen erforderlich sind.7 Allerdings sieht das Gesetz bezüglich der elterlichen Sorge für ein minderjähriges verheiratetes Kind Abweichungen vor, um den Schutz des Ehepaars vor störenden erzieherischen Maßnahmen zu gewährleisten. 3.2.1. Personensorge Gem. § 1633 BGB beschränkt sich die Personensorge der Eltern für minderjährige Ehegatten auf die Vertretung in den persönlichen Angelegenheiten. Die elterliche Sorge dauert zwar trotz der Eheschließung grundsätzlich bis zur Volljährigkeit fort, jedoch bedeutet das nicht, dass durch die Heirat die Mündigkeit des Kindes hergestellt wird.8 Allerdings bleibt das aus §§ 1631 Abs.1, 1632 BGB resultierende tatsächliche Personensorgerecht der Eltern nicht bei diesen oder geht auf den volljährigen Ehegatten über, sondern es erlischt.9 Die Eltern des minderjährigen Ehegatten bleiben aber zur gerichtlichen wie außergerichtlichen Vertretung des Minderjährigen in persönlichen Angelegenheiten berechtigt.10 Soweit es sich um eine Ehesache handelt, ist der Minderjährige jedoch gem. § 125 FamFG selbst prozessfähig. 3.2.2. Vermögenssorge Grundsätzlich steht den Eltern die Vermögenssorge auch nach der Eheschließung weiter in vollem Umfang zu. An der beschränkten Geschäftsfähigkeit des Kindes ändert sich durch die Heirat nichts. Zu Rechtsgeschäften, die nicht lediglich rechtlich vorteilhaft sind, bedarf der Minderjährige also gem. § 107 Abs.1 BGB der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters. In der Zustimmung der Eltern zur Eheschließung gem. § 1303 Abs.3 BGB liegt nicht von vornherein eine Zustimmung zu den Rechtsgeschäften, die der Minderjährige während der Ehe tätigt.11 Mit der Eheschließung ihres Kindes verlieren die Eltern allerdings nach § 1649 Abs.2 S.2 BGB das Recht, Einkünfte aus dem Kindesvermögen für den Familienunterhalt zu verwenden. 6 Peter Huber, in: Münchener Kommentar zum BGB (MüKoBGB), § 1626, Rn. 55. 7 Peter Huber, MüKoBGB, § 1626 Rn. 58. 8 Barbara Veit, BeckOK BGB, § 1633 Rn. 2. 9 OLG Hamm, Urteil vom 1.12.1972 – Az. 15 W 193/72. 10 Barbara Veit, BeckOK BGB, § 1633 Rn. 2. 11 Barbara Veit, BeckOK BGB, § 1633 Rn. 3. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 – 3000 – 034/16 Seite 7 Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Minderjährigen und seinen Eltern sowie bei gemischten Angelegenheiten, d.h. bei Angelegenheiten, die sowohl die Person als auch das Vermögen des Kindes betreffen, gilt § 1630 Abs.2 BGB analog – die Entscheidung obliegt dem zuständigen Familiengericht.12 3.3. Umgangsrecht der Eltern Die Eltern behalten auch das aus § 1684 BGB resultierende Umgangsrecht, sind allerdings bei der Ausübung dieses Rechts nach § 1618a BGB zur Rücksichtnahme auf die Ehe des Kindes verpflichtet .13 - Ende der Bearbeitung - 12 Ebenda. 13 Peter Huber, MüKoBGB, § 1633 Rn. 1.