© 2021 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 033/21 Gewährleistung beim Kauf lebender Tiere Rechtslage in ausgewählten europäischen Staaten Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Di enste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 033/21 Seite 2 Gewährleistung beim Kauf lebender Tiere Rechtslage in ausgewählten europäischen Staaten Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 033/21 Abschluss der Arbeit: 23. April 2021 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 033/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Belgien 5 2.1. Status quo 5 2.2. Ausblick 5 3. Frankreich 6 3.1. Status quo 6 3.2. Ausblick 7 4. Italien 7 4.1. Status quo 7 4.2. Ausblick 8 5. Österreich 9 5.1. Status quo 9 5.2. Ausblick 10 6. Schweden 10 6.1. Status quo 10 6.2. Ausblick 10 7. Zusammenfassung 11 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 033/21 Seite 4 1. Einleitung Der Kauf lebender Tiere wird in Deutschland zivilrechtlich nach den allgemeinen kaufrechtlichen Regelungen beurteilt, auch hinsichtlich der Sachmängelgewährleistung.1 Damit finden unter den allgemeinen Voraussetzungen potentiell auch die Regelungen über den Verbrauchsgüterkauf (§§ 474 ff. BGB2) auf den Tierkauf Anwendung, insbesondere auch die Mangelvermutung (§ 477 BGB): Zeigt sich innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang ein Sachmangel, wird demnach grundsätzlich vermutet, dass das Tier bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war – es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar. Ein Ausschluss der Vermutung kommt bei Tieren im Wesentlichen nur im Falle von äußeren Verletzungen , die einem Käufer zum Zeitpunkt der Übergabe nicht verborgen bleiben können, sowie bei Infektionskrankheiten in Betracht.3 Derzeit wird in Deutschland die Umsetzung der Warenkaufrichtlinie4 vorbereitet, deren Artikel 11 für die Mangelvermutung zukünftig eine Mindestfrist von einem Jahr vorsieht. Ein von der Bundesregierung im Februar 2021 veröffentlichter Gesetzentwurf sieht dem entsprechend vor, die Frist für die Mangelvermutung in § 477 BGB auf ein Jahr zu verlängern.5 In diesem Kontext wird von verschiedenen Interessenvereinigungen im Besonderen hinsichtlich des Pferdekaufs kritisiert, eine solche Mangelvermutung werde den spezifischen Umständen des Kaufs lebender Tiere nicht gerecht.6 Es wird deshalb gefordert, Deutschland solle von der in Artikel 3 Absatz 5 lit. b der Warenkaufrichtlinie vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch machen, den 1 Vgl. vertiefend Wertenbruch, Die Besonderheiten des Tierkaufs bei der Sachmängelgewährleistung , NJW 2012, 2065; Bemmann et al., Die Tiere im Verbrauchsgüterkauf — ein Spannungsfeld zwischen Tierwohl und Verbraucherschutz , Eine Stellungnahme und Empfehlung zur Umsetzung RL 771/2019/EU in nationales Recht, AUR 2020, 171. 2 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch Artikel 10 des Gesetzes vom 30. März 2021 (BGBl. I S. 607) geändert worden ist . 3 Wertenbruch, Die Besonderheiten des Tierkaufs bei der Sachmängelgewährleistung , NJW 2012, 2065, 2069. 4 Richtlinie (EU) 2019/771 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2019 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenkaufs, zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/2394 und der Richtlinie 2009/22/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 1999/44/EG. 5 Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Verkaufs von Sachen mit digitalen Elementen und anderer Aspekte des Kaufvertrags vom 10. Februar 2021, abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren /Dokumente/RegE_Warenkaufrichtlinie.pdf (Stand dieser und sämtlicher nachfolgender Internet-Quellen: 23.04.2021). 6 Vgl. etwa Stellungnahme der Deutschen Reiterlichen Vereinigung e.V. (FN) vom 07.01.2021, abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Stellungnahmen/2021/Downloads/0125_Stellungnahme _DRV_RefE_Warenkaufrichtlinie.pdf;jsessionid =3D785FA6FAA311EC44E178035084571A.2_cid297?__blob=publicationFile&v=2; Schreiben des Ausschusses für Tierzucht-, Tierschutz- und Tierseuchenrecht vom 07.01.2021, abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Stellungnahmen/2021/Downloads/0125_Stellungnahme _AT_RefE_Warenkaufrichtlinie.pdf;jsessionid =3D785FA6FAA311EC44E178035084571A.2_cid297?__blob=publicationFile&v=2. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 033/21 Seite 5 Tierkauf vom Anwendungsbereich der in Umsetzung der Richtlinie zu erlassenden Bestimmungen auszunehmen. Vor diesem Hintergrund soll vorliegend summarisch dargestellt werden, wie diese Thematik in ausgewählten anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union geregelt ist bzw. dort gegebenenfalls in Umsetzung der Warenkaufrichtlinie geregelt werden soll.7 2. Belgien 2.1. Status quo Im belgischen Zivilrecht werden Tiere als bewegliche Sachen (bien meubles) eingestuft.8 Gesonderte Regelungen für einzelne Tierarten existieren nicht. Wenn der Verkäufer ein gewerblicher Verkäufer ist, findet infolgedessen auf den Tierkauf das Gesetz über den Schutz von Verbrauchern beim Verbrauchsgüterkauf Anwendung.9 Nach diesem Gesetz hat der Verkäufer in einen Zeitraum von zwei Jahren die vertragsgemäße Beschaffenheit der Sache bzw. des Tieres zu gewährleisten . Tritt ein Mangel innerhalb der ersten sechs Monate auf, wird vermutet, dass er auf der nicht vertragsgemäßen Beschaffenheit der Sache basiert. Tritt der Mangel innerhalb der nachfolgenden 18 Monate auf, muss der Verbraucher beweisen, dass eine nicht vertragsgemäße Beschaffenheit vorliegt. 2.2. Ausblick Gegenwärtig wird erwogen, im Rahmen der Umsetzung der Warenkaufrichtlinie ein separates Kapitel für den Tierkauf einzuführen. So hat die belgische Regierung erklärt, anzuerkennen, dass eine 1:1-Anwendung der Regelungen der Warenkaufrichtlinie auf den Tierkauf ebenso wenig adäquat sei wie eine komplette Herausnahme des Tierkaufs aus dem Anwendungsbereich, weshalb spezifische Regelungen erlassen werden sollten.10 Hiermit entspreche sie einer einschlägigen Stellungnahme der belgischen Kommission für Verbraucherfragen.11 7 Die Ausführungen zu den einzelnen Staaten basieren überwiegend auf Auskünften der jeweiligen Parlamentsverwaltungen . 8 Artikel 528 Code Civil belge (Gesetzestext abrufbar unter http://www.ejustice .just.fgov.be/img_l/pdf/1804/03/21/1804032151_F.pdf). 9 Loi relative à la protection des consommateurs en cas de vente de biens de consommation, abrufbar unter http://www.ejustice.just.fgov.be/eli/loi/2004/09/01/2004011364/justel . 10 Vgl. Garantie sur les animaux: la ministre Muylle exécute l’avis de la CCS «Consommation», 22.01.2020, abrufbar unter https://www.ccecrb.fgov.be/p/fr/716/garantie-sur-les-animaux-la-ministre-muylle-execute-l-avis-de-laccs -consommation-. 11 Stellungnahme CCE 2019-1660 vom 03.09.2019 zur Umsetzung von europäischen Richtlinien betreffend den Verbrauchsgüterkauf sowie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen, abrufbar unter https://www.ccecrb.fgov.be/dpics/fichiers/2019-09-19-03-21- 55_CCE20191660transpositiondirectives..pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 033/21 Seite 6 3. Frankreich 3.1. Status quo Im französischen Recht kann die Gewährleistung beim Tierkauf unterschiedlichen Regelungsquellen unterfallen, namentlich dem allgemeinen Zivilrecht, geregelt im Zivilgesetzbuch (Code civil12), sowie dem Agrargesetzbuch (Code rural13). Der Code civil regelt insofern potentiell die Gewährleistung für versteckte Mängel (vices cachés), der Code rural die Gewährleistung für allgemeine Sachmängel (vices rédhibitoires). Während die einschlägigen Regelungen des Code civil grundsätzlich günstiger für den Käufer sind – etwa hinsichtlich der Gewährleistungsfrist –, unterliegt der Tierkauf in der Regel dem für den Käufer restriktiveren Regelungsregime des Code rural – es sei denn, die Vertragsparteien vereinbaren ausdrücklich die Anwendung der Regelungen des Code civil anstelle derjenigen des Code rural. Den somit in der Regel auf den Tierkauf anwendbaren Regelungen des Code rural zufolge steht dem Käufer eine Frist von grundsätzlich zehn Tagen ab Lieferung des Tieres zur Verfügung, um durch Verlangen der Benennung von Gutachtern die Mangelhaftigkeit des Tieres vorzubringen. Neben den Regelungen des Code rural können, wenn es sich beim Käufer um einen Verbraucher handelt, auf den Tierkauf auch Bestimmungen des Verbrauchsgesetzbuchs (Code de la consommation 14) Anwendung finden, die als öffentlich-rechtlich qualifiziert werden und nicht individualvertraglich abdingbar sind. Nach dem Code de la consommation hat der gewerbliche Verkäufer für die Dauer von 24 Monaten ab Lieferung der Sache für deren vertragsgemäßen Zustand zu haften . Zudem wird gemäß Artikel 217-7 Code de la consommation beim Auftreten von Mängeln innerhalb dieser 24 Monate vermutet, dass die Mängel bereits bei Lieferung der Sache vorlagen. Die Regelungen des Code de la consommation können im Ergebnis dazu führen, dass entgegen der grundsätzlichen Systematik eine Haftung trotz grundsätzlichen Vorrangs des Code rural vor dem Code civil insbesondere auch für vices cachés greift.15 Eine Ausnahme von der Anwendbarkeit der Regelungen des Code de la consommation beim Tierkauf gilt jedoch ausdrücklich hinsichtlich der in Artikel 217-7 Code de la consommation enthaltenen Mangelvermutung: Artikel L 213-1 Code rural schließt deren Geltung für den Tierkauf 12 Abrufbar unter https://www.legifrance.gouv.fr/codes/texte_lc/LEGITEXT000006070721/2021-04-15/. 13 Abrufbar unter https://www.legifrance.gouv.fr/codes/id/LEGITEXT000006071367/. 14 Abrufbar unter https://www.legifrance.gouv.fr/codes/id/LEGITEXT000006069565/. 15 Die Anwendbarkeit der einschlägigen Regelungen des Code de la consommation auf den Kauf von Tieren, die zivilrechtlich als bewegliche Sachen klassifiziert werden, basiert auf der Verordnung der Regierung vom 17.02.2005 zur Umsetzung der Richtlinie 1999/44/EG (Ordonnance n° 2005-136 du 17 février 2005 relative à la garantie de la conformité du bien au contrat due par le vendeur au consommateur, abrufbar unter https://www.legifrance.gouv.fr/jorf/id/JORFTEXT000000257818). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 033/21 Seite 7 bei zahmen Tieren (animaux domestiques) ausdrücklich aus. Pferde gelten einer entsprechenden Verordnung zufolge offenbar als animaux domestiques in diesem Sinne.16 3.2. Ausblick Die Regelungen zur Umsetzung der Warenkaufrichtlinie sind vom französischen Parlament bereits verabschiedet worden.17 Eine Änderung der im vorstehenden Gliederungspunkt dargestellten Gewährleistungsregelungen – insbesondere auch hinsichtlich der Mangelvermutung – ist hierbei nicht erfolgt. Im entsprechenden Ausschussbericht wurde ausdrücklich auf die durch Artikel 3 Absatz 5 lit. b der Richtlinie eröffnete Möglichkeit hingewiesen, den Tierkauf von den zur Umsetzung der Richtlinie erlassenen Gesetzen auszunehmen.18 Die in Gestalt von Artikel 213-1 Code rural bereits im geltenden französischen Recht hinsichtlich der Mangelvermutung bestehende Ausnahmeregelung für Tierkäufe könne daher unverändert fortbestehen.19 4. Italien 4.1. Status quo Das italienische Zivilgesetzbuch (Codice Civile, Cc20) verweist in Artikel 1496 zur Gewährleistung für Mängel beim Tierkauf in erster Linie auf sondergesetzliche Regelungen, in Ermangelung solcher auf lokale Bräuche und erklärt erst bei Nichtvorliegen entsprechender Regelungen die einschlägigen Vorschriften des Zivilgesetzbuchs nachrangig für anwendbar: Artikel 1496 Cc Kauf von Tieren Beim Kauf von Tieren wird die Gewährleistung wegen Mängeln von den Sondergesetzen oder, wenn solche fehlen, von den örtlichen Gebräuchen geregelt. Wenn auch diese nichts bestimmen , sind die vorhergehenden Vorschriften zu beachten. 16 Arrêté du 11 août 2006 fixant la liste des espèces, races ou variétés d’animaux domestiques, abrufbar unter https://www.legifrance.gouv.fr/download/pdf?id=R3ss-_7F9C5MsvA5vo0TQcLA4aKVsI0JBXEqZiC2ilk. 17 LOI n° 2020-1508 du 3 décembre 2020 portant diverses dispositions d'adaptation au droit de l'Union eu ropéenne en matière économique et financière, abrufbar unter https://www.legifrance .gouv.fr/jorf/id/JORFTEXT000042607095. Überblick über das Gesetzgebungsverfahren unter http://www.senat.fr/dossier-legislatif/pjl19-314.html. 18 Rapport n° 3382 de Mme Valéria Faure-Muntian, fait au nom de la commission des affaires économiques, déposé le 30 septembre 2020, S. 12 (abrufbar unter https://www.assemblee-nationale.fr/dyn/15/rapports/cioneco /l15b3382-tii_rapport-fond). 19 Rapport n° 3382 de Mme Valéria Faure-Muntian, fait au nom de la commission des affaires économiques, déposé le 30 septembre 2020, S. 12. 20 Deutsche Übersetzung abrufbar unter http://www.provinz.bz.it/politik-recht-aussenbeziehungen/recht/downloads /ZGB_ita_deu_Okt2020.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 033/21 Seite 8 Insofern greifen auch für den Tierkauf potentiell die in den Artikeln 1490 ff. Cc enthaltenen Regelungen zur Gewährleistung für Sachen. Hinsichtlich der Gewährleistungsfristen bestimmt insofern Artikel 1495 Cc: Artikel 1495 Cc Fristen und Bedingungen für die Klage Der Käufer verwirkt das Recht auf Gewährleistung, wenn er nicht innerhalb von acht Tagen ab der Entdeckung dem Verkäufer die Mängel anzeigt, vorbehaltlich einer anderen von den Parteien oder vom Gesetz festgesetzten Frist. Die Anzeige ist nicht erforderlich, wenn der Verkäufer das Vorhandensein des Mangels anerkannt oder diesen verheimlicht hat. Der Klageanspruch verjährt in jedem Fall in einem Jahr ab der Übergabe, doch kann der Käufer , gegen den auf Durchführung des Vertrags geklagt wird, die Gewährleistung immer geltend machen, sofern der Mangel der Sache innerhalb von acht Tagen ab der Entdeckung und vor Ablauf eines Jahres ab der Übergabe angezeigt worden ist. Durch die höchstrichterliche italienische Rechtsprechung wurde zum Tierkauf festgestellt, dass dieser den Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf unterfalle, wenn der Käufer das Tier für persönliche Zwecke außerhalb von gewerblicher oder beruflicher Tätigkeit erwerbe und der Verkäufer als Händler oder in Ausübung eines anderen Geschäftstätigkeit handelte.21 In der Folge fänden die einschlägigen Bestimmungen des italienischen Verbrauchergesetzbuchs über den Verbrauchsgüterkauf vorrangig Anwendung und verdrängten insofern die allgemeinen Bestimmungen der Artikel 1490 ff. Cc.22 Hiernach gilt gemäß Artikel 132 Nr. 2 Verbrauchergesetzbuch (Codice del consumo23) statt der Acht-Tage-Frist des Artikel 1496 Cc eine Frist von zwei Monaten für die Mangelanzeige. Gemäß Artikel 132 Nr. 3 Codice del consumo wird zudem vermutet, dass ein innerhalb von sechs Monaten nach Lieferung auftretender Mangel bereits bei Lieferung vorlag, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Natur der gelieferten Sache oder dem aufgetretenen Fehler unvereinbar. 4.2. Ausblick Die Umsetzung der Warenkaufrichtlinie ist zurzeit Gegenstand eines entsprechenden Gesetzgebungsvorhabens . In einem ersten Schritt soll hierzu ein „europäisches Delegationsgesetz 2019- 2020“24 verabschiedet werden, in einem zweiten Schritt gefolgt von einem Legislativdekret, das 21 Kassationsgerichtshof, Entscheidung Nr. 22728 vom 25.09.2018, abrufbar unter https://www.webgiuridico .it/sentenze2018/22728-2018.htm. 22 Vgl. Facciolo, Italienische Corte di Cassazione zur Anwendbarkeit der Bestimmungen über den Verbrauchsgüterkauf (Richtlinie 1999/44/EG) auf den Kauf von Tieren, Anmerkung zu Cassazione civile, II. Senat, Urteil vom 25.9.2018, Nr. 22728, GPR 2019, 23. 23 Abrufbar unter https://www.normattiva.it/uri-res/N2Ls?urn:nir:stato:decreto.legislativo:2005-09-06;206!vig. 24 Text abrufbar unter http://www.senato.it/leg/18/BGT/Schede/Ddliter/testi/53883_testi.htm. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 033/21 Seite 9 die materielle Ausgestaltung der Umsetzung im Einzelnen vornimmt. Das europäische Delegationsgesetz 2019-2020 befindet sich zurzeit in der parlamentarischen Beratung.25 In Ermangelung eines veröffentlichten Entwurfs des einschlägigen Legislativdekrets ist dessen Inhalt derzeit noch ungewiss. Insbesondere lässt sich nicht vorhersagen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang von dem durch die Richtlinie eröffneten Spielraum, den Verkauf lebender Tiere aus dem Anwendungsbereich der Umsetzungsgesetzgebung auszunehmen, Gebrauch gemacht werden wird. 5. Österreich 5.1. Status quo Auf den Kauf lebender Tiere sind in Österreich die gewährleistungsrechtlichen Bestimmungen des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs (ABGB)26 anzuwenden. Der Verkäufer leistet Gewähr dafür, dass das Tier die bedungenen oder gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften hat, dass es seiner „Beschreibung, einer Probe oder einem Muster entspricht“ und dass es der Natur des Geschäfts oder der getroffenen Verabredung gemäß verwendet werden kann (§ 922 ABGB). Bei Mangelhaftigkeit zum Zeitpunkt der Übergabe kann der Übernehmer primär Verbesserung oder Austausch und sekundär Preisminderung oder Wandlung (Vertragsauflösung) fordern (§ 932 ABGB). Für den Tierkauf enthält das ABGB Sonderbestimmungen zu Beweislastumkehr und Gewährleistungsfrist . Gemäß § 925 ABGB wird durch Verordnung bestimmt, inwiefern die Vermutung eintritt , dass ein Tier schon vor der Übergabe krank gewesen ist, wenn innerhalb bestimmter Fristen gewisse Krankheiten und Mängel hervorkommen.27 Für Tiermängel, die nicht von § 925 ABGB umfasst sind, gilt die allgemeine Beweislastumkehr nach § 924 ABGB: Die Mangelhaftigkeit der Sache zum Zeitpunkt der Übergabe wird bei Hervorkommen des Mangels binnen sechs Monaten vermutet – es sei denn, diese Vermutung ist nicht mit der Art der Sache oder des Mangels vereinbar , was bei Tierkrankheiten (abhängig von der Inkubationszeit) häufig der Fall sein wird. Die Vermutungsfristen kommen nur dann zum Tragen, wenn der Erwerber seiner Mangelrügeobliegenheit nach § 926 ABGB nachkommt. Die Gewährleistungsfrist für Viehmängel beträgt sechs Wochen ab Übergabe bzw. ab Ablauf der Vermutungsfrist, wenn eine solche besteht. Nach der Rechtsprechung sind als „Vieh“ im Sinne dieser Bestimmung nur Nutztiere zu verstehen. Für Mängel bei anderen Tieren gilt demnach die Gewährleistungsfrist von zwei Jahren nach § 933 Absatz 1 ABGB. 25 Stand des Gesetzgebungsverfahrens abrufbar unter http://www.senato.it/leg/18/BGT/Schede/Ddliter/53883.htm. 26 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch für die gesammten deutschen Erbländer der Oesterreichischen Monarchie , Fassung vom 16.04.2021, abrufbar unter https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen &Gesetzesnummer=10001622. 27 Für Pferde gilt aufgrund der Anlage der Verordnung des Bundesministers für Justiz vom 28. November 1972 über die Vermutungsfristen bei Tiermängeln bei Auftreten der dort genannten Krankheiten innerhalb von 14 bzw. sieben Tagen die Vermutung, dass die Krankheit schon vor der Übergabe vorlag (Dä mpfigkeit, Dummkoller und Aufsetzkoppen binnen 14 Tagen, Freikoppen, Kehlkopfpfeifen und Innere Augenentzündung binnen sieben Tagen). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 033/21 Seite 10 Die Sonderbestimmungen für Tier- bzw. Viehmängel (§§ 925, 926 und 933 Absatz 2 ABGB) sind nach § 9 Absatz 2 Konsumentenschutzgesetz (KSchG)28 auf Verbrauchergeschäfte ausdrücklich nicht anwendbar. Es gilt dort also grundsätzlich die sechsmonatige Beweislastumkehr, welche jedoch bei Tiermängeln aufgrund der Art der Sache oder des Mangels häufig nicht anwendbar sein wird. Die Beurteilung dieser Frage obliegt der unabhängigen Rechtsprechung im jeweiligen Einzelfall. 5.2. Ausblick Im Zuge der Umsetzungsarbeiten zur Warenkaufrichtlinie wird gegenwärtig erwogen, von der Ausnahmemöglichkeit nach Artikel 3 Absatz 5 der Richtlinie Gebrauch zu machen und Verträge über den Kauf lebender Tiere vom Anwendungsbereich der Umsetzungsbestimmungen auszunehmen . Dementsprechend könnte etwa § 9 Absatz 2 KSchG aufzuheben sein, womit die Sonderbestimmungen des ABGB zum Tierkauf auch auf Verbrauchergeschäfte anwendbar wären. Eine abschließende Aussage hierzu kann aufgrund des noch andauernden politischen Entscheidungsprozesses aber nicht getroffen werden. 6. Schweden 6.1. Status quo Besondere Vorschriften für den Tierkauf existieren im schwedischen Recht nicht. Der Kauf lebender Tiere und gegebenenfalls die Sachmängelgewährleistung richten sich daher nach den allgemeinen Bestimmungen zum Kauf beweglicher Sachen und sind dem Kaufgesetz29 sowie, im Falle von Verbrauchergeschäften, dem Verbraucherkaufgesetz30 zu entnehmen. § 20a Verbraucherkaufgesetz enthält die insofern gegebenenfalls auch beim Tierkauf anwendbare Mangelvermutung: Treten Mängel innerhalb der ersten sechs Monate auf, wird vermutet, dass sie schon im Zeitpunkt der Übergabe vorlagen. Wenn ein Mangel auftritt, obliegt es dem Käufer, den Verkäufer innerhalb von zwei Monaten davon in Kenntnis zu setzen. Die gesetzliche Gewährleistungsfrist beträgt gemäß § 23 Verbraucherkaufgesetz drei Jahre. 6.2. Ausblick Aktuell wird in Schweden geprüft, wie die Warenkaufrichtlinie umgesetzt werden soll. Vertieft befasste sich mit dieser Frage ein auf Beschluss der Regierung erstellter Bericht vom September 28 Bundesgesetz vom 08.03.1979, mit dem Bestimmungen zum Schutz der Verbraucher getroffen werden (Konsumentenschutzgesetz – KSchG), Fassung vom 16.04.2021, abrufbar unter https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung .wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10002462. 29 Köplagen (1990:931), abrufbar unter https://lagen.nu/1990:931. 30 Konsumentköplagen (1990:932), abrufbar unter https://lagen.nu/1990:932. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 033/21 Seite 11 2020.31 Ausgehend davon, dass verschiedene Organisationen vorgebracht haben, dass die Regelung über die Mangelvermutung in § 20a Verbraucherkaufgesetzes für den Tierkauf unpassend und problematisch sei, wird in dem Bericht auch die Frage behandelt, ob der Kauf von Tieren einer separaten Regelung zugeführt werden sollte. Der Bericht kommt insofern zu dem Schluss, dass als Ergebnis einer Abwägung dieser besonderen Umstände mit den Interessen der Verbraucher die Richtlinie mittels eines neuen Gesetzes zum Verbraucherschutz bei Käufen und bestimmten anderen Verträgen in schwedisches Recht umgesetzt werden sollte, das spezifische Regelungen für Tierkäufe enthalten soll. So wird eine Bestimmung vorgeschlagen, die, wenn der Kaufpreis eine bestimmte Höhe überschreitet, die Untersuchung eines lebenden Tieres vor dem Kauf vorsieht. Hat der Käufer das Tier vor dem Kauf untersucht oder aber ohne besonderen Grund auf die Möglichkeit der Untersuchung verzichtet, soll es ihm verwehrt sein, sich auf einen nicht vertragsgemäßen Zustand des Tieres zu berufen, der bei einer Untersuchung hätte festgestellt werden können – es sei denn, der Verkäufer hat arglistig gehandelt. Zusätzlich soll es den Vertragsparteien ermöglicht werden, die Regel zur Mangelvermutung abzubedingen. Die schwedische Regierung beabsichtigt, dem Parlament einen Entwurf für ein neues Verbraucherkaufgesetz bis zum Mai 2021 vorzulegen, so dass eine parlamentarische Beratung nach dem Sommer erfolgen können soll. 7. Zusammenfassung Die kursorische Betrachtung der für Tierkäufe relevanten Regelungen in den verschiedenen Staaten hat ergeben, dass in Belgien, Schweden und Deutschland keine spezifischen Regelungen für Tierkäufe bestehen, während dies in Frankreich, Italien und Österreich der Fall ist. Mit Ausnahme von Frankreich treten die speziellen, für Tierkäufe geltenden Regelungen in diesen Staaten jedoch insgesamt hinter die einschlägigen Vorschriften zum Verbraucherkauf zurück, soweit deren Anwendungsbereich eröffnet ist. In Frankreich gilt insoweit zwar grundsätzlich auch ein Vorrang der Vorschriften zum Verbraucherkauf, die – mit 24 Monaten besonders weit reichende – Mangelvermutung ist hiervon jedoch ausdrücklich ausgenommen, so dass sie auch bei Tierkäufen durch Verbraucher nicht greift. Im Ergebnis findet damit die im Verbraucherrecht fußende Mangelvermutung innerhalb der ersten sechs Monate ab Lieferung derzeit in sämtlichen betrachteten Staaten mit Ausnahme Frankreichs auch beim Tierkauf potentiell Anwendung. Dieser Befund könnte sich im Zuge der Umsetzung der Warenkaufrichtlinie jedoch ändern: Während Frankreich an der ohnehin bereits bestehenden Ausnahme festhält, wird in Belgien, Österreich und Schweden derzeit offenbar erwogen, von der Abweichungsbefugnis nach Artikel 3 Absatz 5 lit. b Warenkaufrichtlinie Gebrauch zu machen. * * * 31 Ein neues Gesetz zum Verbraucherschutz bei Kauf- und bestimmten anderen Verträgen – Bericht über die Untersuchung der neuen Regeln für den Verkauf an Verbraucher, SOU 2020:51, abrufbar unter https://data.riksdagen .se/dokument/H8B351.html.