© 2017 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 032/17 Ramm-Attacken mit Kraftfahrzeugen Haftungsrechtliche Implikationen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 032/17 Seite 2 Ramm-Attacken mit Kraftfahrzeugen Haftungsrechtliche Implikationen Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 032/17 Abschluss der Arbeit: 4. April 2017 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 032/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Ansprüche gegen die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung bzw. den Entschädigungsfonds für Schäden aus Kraftfahrzeugunfällen 4 2.1. Schadensersatzansprüche nach dem Straßenverkehrsgesetz (StVG) 4 2.2. Ansprüche gegen den Entschädigungsfonds 6 2.3. Anspruch gegen die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung 7 3. Ansprüche gegen Veranstalter 8 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 032/17 Seite 4 1. Einleitung Durch islamistisch motivierte Terroristen wurden seit 2006 wiederholt Anschläge dergestalt begangen , dass mit Kraftfahrzeugen gezielt Passanten angefahren bzw. überfahren wurden – so genannte „vehicle ramming attacks“1 bzw. „Ramm-Attacken“2. Überwiegend geschah dies im allgemeinen öffentlichen Straßenraum, zum Teil auch auf räumlich abgegrenzten Veranstaltungsflächen , etwa bei Straßenfesten. Das Geltendmachen zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche verletzter Passanten gegen den jeweiligen Täter persönlich dürfte in der Praxis regelmäßig kaum zu einer hinreichenden materiellen Kompensation der erlittenen Schäden führen, sei es, weil der Täter verstorben ist, sei es, weil er nicht über die für den Schadensausgleich mutmaßlich erforderlichen erheblichen Vermögenswerte verfügt. Vorliegend soll deshalb summarisch beleuchtet werden, welche zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche den Opfern derartiger Angriffe gegen die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung (KHV) oder gegen Veranstalter grundsätzlich zustehen können.3 2. Ansprüche gegen die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung bzw. den Entschädigungsfonds für Schäden aus Kraftfahrzeugunfällen 2.1. Schadensersatzansprüche nach dem Straßenverkehrsgesetz (StVG) § 7 Absatz 1 StVG4 sieht eine strikte Haftung des Halters für Schäden vor, die durch den Betrieb eines Kfz verursacht werden: „Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs oder eines Anhängers, der dazu bestimmt ist, von einem Kraftfahrzeug mitgeführt zu werden, ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.“ Gemäß § 18 Absatz 1 StVG haftet im Falle eines Verschuldens auch der Fahrer eines Kfz: „In den Fällen des § 7 Absatz 1 ist auch der Führer des Kraftfahrzeugs oder des Anhängers zum Ersatz des Schadens nach den Vorschriften der §§ 8 bis 15 verpflichtet. Die Ersatzpflicht 1 https://en.wikipedia.org/wiki/Vehicle-ramming_attack#cite_note-slate1-6. Dort ist auch eine Liste entsprechender Anschläge abrufbar. 2 Vgl. etwa Röpcke, „ISIS ruft zu Ramm-Attacken zu Thanksgiving auf“, in: Bild-Zeitung v. 14.11.2016 (abrufbar unter http://www.bild.de/politik/ausland/isis/isis-thanksgiving-48749968.bild.html). 3 Die Betrachtung geht hierbei von einer Tatbegehung im Inland aus und legt die Anwendung deutschen Rechts zugrunde. 4 Straßenverkehrsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 2003 (BGBl. I S. 310, 919), das durch Artikel 3 des Gesetzes vom 6. März 2017 (BGBl. I S. 399) geändert worden ist. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 032/17 Seite 5 ist ausgeschlossen, wenn der Schaden nicht durch ein Verschulden des Führers verursacht ist.“ Der Anspruchsinhalt wird in den §§ 10 ff. StVG näher bestimmt. Gemäß § 10 StVG ist der Schadensersatz im Fall der Tötung durch Ersatz der Kosten einer versuchten Heilung sowie des Vermögensnachteils zu leisten, den der Getötete dadurch erlitten hat, dass während der Krankheit seine Erwerbsfähigkeit aufgehoben oder gemindert oder eine Vermehrung seiner Bedürfnisse eingetreten war. Der Ersatzpflichtige hat außerdem die Kosten der Beerdigung demjenigen zu ersetzen , dem die Verpflichtung obliegt, diese Kosten zu tragen. Im Fall der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit ist der Schadensersatz gemäß § 11 StVG durch Ersatz der Kosten der Heilung sowie des Vermögensnachteils zu leisten, den der Verletzte dadurch erleidet, dass infolge der Verletzung zeitweise oder dauernd seine Erwerbsfähigkeit aufgehoben oder gemindert oder eine Vermehrung seiner Bedürfnisse eingetreten ist. Wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann auch eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden. In § 12 StVG werden für die Haftung Höchstbeträge normiert: Der Ersatzpflichtige haftet danach – im Fall der Tötung oder Verletzung eines oder mehrerer Menschen durch dasselbe Ereignis bis zu einem Betrag von insgesamt fünf Millionen Euro; – im Fall der Sachbeschädigung, auch wenn durch dasselbe Ereignis mehrere Sachen beschädigt werden, bis zu einem Betrag von insgesamt einer Million Euro. Übersteigen die Entschädigungen, die mehreren auf Grund desselben Ereignisses zu leisten sind, insgesamt die vorbenannten Höchstbeträge, so verringern sich die einzelnen Entschädigungen in dem Verhältnis, in welchem ihr Gesamtbetrag zu dem Höchstbetrag steht (§ 12 Absatz 2 StVG). Für die Frage, ob und in welchem Maße die KHV oder der Entschädigungsfonds für Schäden aus Kraftfahrzeugunfällen wegen dieser möglichen Schadensersatzansprüche einem Dritten gegenüber leistungspflichtig ist, ist in der vorliegenden Fallkonstellation danach zu differenzieren, ob der Fahrer zugleich Halter des benutzten Kraftfahrzeugs ist und, wenn dies nicht der Fall ist, unter welchen Umständen er das Kraftfahrzeug erlangt hat.5 5 Vgl. überblicksartig Tews, Amokfahrten und Terroranschläge – eine Bedrohung auch für die KH-Versicherung? In: GenRe Newsletter Kfz-Versicherung, Oktober 2016 (abrufbar unter http://media .genre.com/documents/kfz1610-de.pdf). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 032/17 Seite 6 2.2. Ansprüche gegen den Entschädigungsfonds Ist der Täter zugleich Halter des Kraftfahrzeugs, ist nach herrschender Auffassung ein direkter Anspruch der Opfer gegen die KHV aufgrund von § 103 VVG6 – also wegen vorsätzlicher und widerrechtlicher Herbeiführung des Schadens – ausgeschlossen.7 In diesem Fall kann ein Anspruch jedoch gegen den bei dem Verkehrsopferhilfe e. V.8 angesiedelten Entschädigungsfonds für Schäden aus Kraftfahrzeugunfällen gemäß § 12 PflVG9 gegeben sein: „§ 12 (1) Wird durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeugs oder eines Anhängers im Geltungsbereich dieses Gesetzes ein Personen- oder Sachschaden verursacht, so kann derjenige, dem wegen dieser Schäden Ersatzansprüche gegen den Halter, den Eigentümer oder den Fahrer des Fahrzeugs zustehen, diese Ersatzansprüche auch gegen den "Entschädigungsfonds für Schäden aus Kraftfahrzeugunfällen" (Entschädigungsfonds) geltend machen, (…) 3. wenn für den Schaden, der durch den Gebrauch des ermittelten oder nicht ermittelten Fahrzeugs verursacht worden ist, eine Haftpflichtversicherung deswegen keine Deckung gewährt oder gewähren würde, weil der Ersatzpflichtige den Eintritt der Tatsache, für die er dem Ersatzberechtigten verantwortlich ist, vorsätzlich und widerrechtlich herbeigeführt hat (…)“ Auch dann, wenn der Fahrer nicht zugleich Halter ist und er das Fahrzeug ohne Wissen und Willen des Fahrzeughalters in Gebrauch genommen hat, ohne dass letzterer dies durch sein Verschulden ermöglicht hat – namentlich etwa durch Diebstahl eines ordnungsgemäß gesicherten Kfz –, scheidet ein Direktanspruch gegen die KHV aus, da nach § 7 Absatz 3 StVG bereits keine Halterhaftung vorliegt. Auch hier kann deshalb Schadensersatz nur gemäß § 12 PflVG bei der Verkehrsunfallhilfe e. V. erlangt werden.10 6 Versicherungsvertragsgesetz vom 23. November 2007 (BGBl. I S. 2631), das zuletzt durch Artikel 20 Absatz 3 des Gesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234) geändert worden ist. 7 BGH, Urteil vom 18.12.2012, Az. VI ZR 55/12 m.w.N. In Teilen der Literatur wird diese Auffassung – zum Teil unter Hinweis auf europarechtliche Regelungen – kritisiert, vgl. etwa Franck, Richtlinienkonforme Auslegung der Vorschriften über die vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls in der Kfz-Pflichtversicherung, VersR 2014, 13. 8 http://www.verkehrsopferhilfe.de/de/. 9 Pflichtversicherungsgesetz vom 5. April 1965 (BGBl. I S. 213), das zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 6. Februar 2017 (BGBl. I S. 147) geändert worden ist. 10 So auch UE – Unfallregulierung effektiv, Ausgabe 12/2009, S. 15 (abrufbar unter http://www.iww.de/ue/archiv /vorsatz-statt-fahrlaessigkeit-keine-eintrittspflicht-des-kfz-versicherers-bei-suizid-des-unfallverursachersf 18848); Tews, Amokfahrten und Terroranschläge – eine Bedrohung auch für die KH-Versicherung? In: GenRe Newsletter Kfz-Versicherung, Oktober 2016 (abrufbar unter http://media.genre.com/documents/kfz1610-de.pdf). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 032/17 Seite 7 Der Umfang des Anspruchs entspricht dem eines im Innenverhältnis leistungsfreien Versicherers .11 Gemäß § 117 Absatz 3 VVG besteht eine Haftung damit im Rahmen der vorgeschriebenen Mindestversicherungssummen. Diese sind für den Betrieb von Kfz in der Anlage12 zum PflVG wie folgt festgelegt: „Mindestversicherungssummen 1. Die Mindesthöhe der Versicherungssumme beträgt bei Kraftfahrzeugen einschließlich der Anhänger je Schadensfall a) für Personenschäden siebeneinhalb Millionen Euro, b) für Sachschäden 1.220.000 Euro, c) für die weder mittelbar noch unmittelbar mit einem Personen- oder Sachschaden zusammenhängenden Vermögensschäden (reine Vermögensschäden) 50.000 Euro. (…) 3. Bei Anhängern entspricht die Mindesthöhe der Versicherungssumme für Schäden, die nicht mit dem Betrieb des Kraftfahrzeugs im Sinne des § 7 des Straßenverkehrsgesetzes im Zusammenhang stehen, und für die den Insassen des Anhängers zugefügten Schäden den in Nummer 1, bei Personenanhängern mit mehr als neun Plätzen den in Nummern 1 und 2 genannten Beträgen 4. Zu welcher dieser Gruppen das Fahrzeug gehört, richtet sich nach der Eintragung im Kraftfahrzeug - oder Anhängerbrief.“ 2.3. Anspruch gegen die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung Ist der Fahrer nicht der Halter, wurde ihm das Fahrzeug jedoch vom Halter zum Gebrauch überlassen , liegt weder ein Haftungsausschluss nach § 7 Absatz 3 StVG noch ein solcher nach § 103 11 Baroch Castellvi, in: Rüffer/Halbach/Schimikowski (Hrsg.), Versicherungsvertragsgesetz, 3. Auflage 2015, § 12 PflVG Rdn. 6. 12 Anlage zuletzt geändert mit Wirkung vom 11. 6. 2016 durch VO vom 6. 2. 2017 (BGBl. I S. 147). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 032/17 Seite 8 VVG vor, da in diesem Fall nicht der Halter als Versicherungsnehmer vorsätzlich handelt, sondern ein Dritter, dessen Vorsatz dem Halter nicht zugerechnet wird.13 Ein Opfer kann Schadensersatzansprüche mithin aufgrund von § 115 VVG direkt gegen die KHV erheben.14 Das Gleiche gilt, wenn der Fahrer, der nicht Halter ist, das Fahrzeug zwar ohne Wissen und Willen des Halters in Betrieb genommen hat, den Halter hieran aber ein Verschulden trifft – etwa dadurch, dass er das Fahrzeug nicht hinreichend gegen Wegnahme gesichert abgestellt hat. Der Umfang des Anspruchs besteht gemäß § 115 Absatz 1 Satz 2 VVG im Rahmen der Leistungspflicht des Versicherers aus dem Versicherungsverhältnis. Es bleibt dabei den Parteien des Versicherungsvertrages überlassen, ob sie lediglich die Absicherung der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestversicherungssumme oder einen darüber hinausgehenden Versicherungsschutz vereinbaren .15 3. Ansprüche gegen Veranstalter Schadensersatzansprüche gegen Veranstalter wegen auf der Veranstaltung erlittener Verletzungen von Leib und Leben können sich grundsätzlich aus einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht des Veranstalters aus § 823 Absatz 1 BGB16 ergeben. Voraussetzung für eine Haftung des Veranstalters ist danach, dass er durch Unterlassen vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt hat. Die Bestimmung der jeweiligen Verkehrssicherungspflichten eines Veranstalters als Unterfall der Verkehrspflichten kann nur konkret im jeweiligen Einzelfall unter Einbeziehung sämtlicher relevanter Umstände erfolgen.17 Als maßgeblich für die Abgrenzung von allgemeinem Lebensrisiko und vorwerfbarem Unterlassen werden folgende Feststellungen getroffen: „Verkehrspflichten werden von einer bestimmten Gefahr ausgelöst. Größe und Ausmaß der Gefahr bestimmen den Umfang und die Intensität der Verkehrspflichten. Da das Leben bereits als solches gefährlich ist, wäre es eine utopische Forderung, die Verkehrspflichten etwa so zu verstehen, dass jedermann verpflichtet wäre, für eine absolute Gefahrlosigkeit einzustehen. Andererseits setzen die Verkehrspflichten nicht etwa erst dann ein, wenn ein Rechtsgut von 13 BGH, Urteil vom 18.12.2012, Az. VI ZR 55/12. 14 Vgl. auch UE – Unfallregulierung effektiv, Ausgabe 12/2009, S. 15 (abrufbar unter http://www.iww.de/ue/archiv /vorsatz-statt-fahrlaessigkeit-keine-eintrittspflicht-des-kfz-versicherers-bei-suizid-des-unfallverursachersf 18848). 15 W.-T. Schneider, in: Langheid/Wandt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz, Band 2, 2. Auflage 2017, § 117 Rn. 28. 16 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 21. Februar 2017 (BGBl. I S. 258) geändert worden ist. 17 Wellner, in: Geigel (Hrsg.), Haftpflichtprozess, 27. Auflage 2015, 14. Kapitel Rn. 3, 17. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 032/17 Seite 9 einer konkreten Gefahr bedroht wird. Schon eine abstrakte Gefahrenlage begründet Verkehrspflichten , sobald ein verständiger und umsichtiger Mensch davon ausgehen muss, dass ein bestimmter Gefahrenherd von Dritten nicht mehr gemeistert werden kann, die normale Gefährlichkeit , mit der jeder rechnen muss, sich gesteigert hat und damit die Möglichkeit einer Rechtsgutverletzung in einen nahe liegenden und greifbaren Bereich gerückt ist (vgl. grundlegend bereits v. Bar aaO S. 112 ff.).“18 „Erst solche Gefährdungen lösen eine Haftung aus, die die Möglichkeit einer Verletzung für den Sachkundigen nahe legen. Dabei liegt der Zeitpunkt, zu dem Abwehrmaßnahmen zum Schutze von Rechtsgütern dritter Personen verlangt werden, bei der Gefährdung von Leib und Leben früher als bei einer Gefährdung von Sachwerten (vgl. BGHZ 58, 149, 156). Das Haftpflichtrecht soll Unrechtschäden ausgleichen, nicht bloße Unglücksfälle . Verwirklicht sich das allgemeine Lebensrisiko, so kann dies nicht über die Deliktshaftung auf Dritte abgewälzt werden. Das allgemeine Lebensrisiko ist deshalb ein ebenso wichtiges Abgrenzungsmerkmal gegenüber einer Haftung wegen Verletzung von Verkehrspflichten wie gegenüber einer Gefährdungshaftung wegen der Betriebsgefahr eines Kfz (vgl. BGH Urt. v. 26.2.2013 – VI ZR 116/12, NJW 2013, 1679). Dementsprechend kann der Grundstückseigentümer nicht für Schäden haftbar gemacht werden, die durch Naturereignisse entstehen , sich zwar über das Grundstück vollziehen, aber gerade nicht darauf zurückzuführen sind, dass er durch irgendwelche Eingriffe die Gefahr erhöht oder kanalisiert hätte (BGH NJW 1985, 1773; VersR 1989, 207).“19 Speziell im Falle vorsätzlich rechtsbrecherisch handelnder Dritter wird ausgeführt: „Handelt es sich bei dem Dritten im Einzelfall (…) um einen vorsätzlich handelnden Rechtsbrecher , so kann die Haftung des in Anspruch genommenen Schädigers trotzdem gegeben sein, wenn dieser mit solchen Rechtsbrüchen rechnen muss. Das gilt insbesondere für jemanden , der beispielsweise einen Massenverkehr organisiert und beherrscht oder sonst wie ohne weiteres Gegenmaßnahmen treffen kann (BGH VersR 1980, 87). Maßgeblich sind insoweit die Möglichkeiten und Erwartungen der Gefahrbewältigung (vgl. Steffen RWS-Skript Nr. 54 S. 6; RGRK-Steffen § 823 Rn. 148 ff., BGH VersR 1990, 211 mAnm Gaisbauer VersR 1990, 756 sowie LG Hamburg NJW 1998, 1411 zur Haftung des Organisators einer Rave-Party für Verletzung von Rechtsgütern Dritter durch Teilnehmer).“20 Vor diesem Hintergrund erscheint es – unbeschadet der Tatsache, dass eine Beurteilung wie gesehen valide nur im Einzelfall möglich ist – grundsätzlich fraglich, einen Veranstalter wegen einer seitens eines Dritten durchgeführten Rammattacke unter Annahme eines sorgfaltswidrigen Verstoßes gegen Verkehrs(sicherungs)pflichten in Haftung zu nehmen. Es ist Rammattacken gerade immanent, dass sie zu nahezu jeder Zeit und an nahezu jedem mit Kfz erreichbaren Ort ohne spezielle Vorbereitungen und Kenntnisse durchgeführt werden können, ohne dass sich dies eine nennenswerte Zeit zuvor nach außen hin absehbar manifestierte. Opfer von entsprechenden terroristischen Angriffen zu werden, dürfte mithin grundsätzlich eher zum – wenn auch wenig wahrscheinlichen – allgemeinen Lebensrisiko zählen. 18 Wellner, in: Geigel (Hrsg.), Haftpflichtprozess, 27. Auflage 2015, 14. Kapitel Rn. 11. 19 Wellner, in: Geigel (Hrsg.), Haftpflichtprozess, 27. Auflage 2015, 14. Kapitel Rn. 19. 20 Wellner, in: Geigel (Hrsg.), Haftpflichtprozess, 27. Auflage 2015, 14. Kapitel Rn. 26. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 032/17 Seite 10 Etwas anderes könnte etwa dann gelten, wenn konkret in Bezug auf eine Veranstaltung oder einen Ort eine direkte Bedrohung absehbar ist, etwa durch eine individuelle Bombendrohung oder aufgrund konkreter Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden. In einem solchen Fall könnten sich die Sorgfaltspflichten eines Veranstalters gegebenenfalls dahingehend erhöhen, dass spezielle, über das im allgemeinen notwendige Maß hinausgehende Sicherungsmaßnahmen indiziert sind oder dass im Extremfall etwa eine Veranstaltung abzusagen und/oder eine Örtlichkeit zu räumen ist. Maßgeblich gegen eine haftungsbegründende Übertragbarkeit der o.g. Rechtsprechung21 zur Haftung eines Veranstalters für rechtswidrige Taten Dritter spricht schließlich, dass in den der Judikatur zugrundeliegenden Konstellationen die Taten gerade von Veranstaltungsteilnehmern selbst ausgingen und Dritten außerhalb der Veranstaltung Schäden zugefügt wurden, wodurch sich ein vom Veranstalter mit der Veranstaltung geschaffenes Risiko realisierte – während dies bei Rammattacken von außen auf eine Veranstaltung gerade nicht der Fall ist. * * * 21 Siehe oben bei Fn. 20.