© 2015 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 031/15 Tätigkeitsverbot bei sexuellen Übergriffen gegen Minderjährige Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 031/15 Seite 2 Tätigkeitsverbot bei sexuellen Übergriffen gegen Minderjährige Verfasser: Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 031/15 Abschluss der Arbeit: 26. Februar 2015 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 031/15 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Überblick über das System der Strafrechtlichen Sanktionen in Deutschland 4 3. Die Rechtslage in Österreich 8 4. Das Tätigkeitsverbot des österreichischen Strafgesetzbuchs 9 4.1. Wesentlicher Regelungsgehalt des § 220b öStGB 10 4.2. Die europarechtlichen Implikationen des § 220b öStGB 12 5. Wesentlicher Regelungsgehalt des § 70 StGB 14 6. Umsetzungsdefizite bzgl. Art. 10 der Richtlinie 2011/93/EU? 17 6.1. Vorschriften, die einen Tätigkeitsausschluss ermöglichen 18 6.1.1. § 72a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch i.V.m. dem sog. erweiterten Führungszeugnis 19 6.1.2. Verbot der Beschäftigung durch bestimmte Personen, § 25 Jugendarbeitsschutzgesetz 21 6.1.3. Tätigkeitsverbietende Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht 22 6.2. Verstoß des Art. 10 der Richtlinie 2011/93/EU gegen primäres Unionsrecht? 22 6.3. Zwischenergebnis 23 7. Verfassungsrechtliche Anforderungen an ein strafbewehrtes Tätigkeitsverbot nach österreichischem Vorbild 23 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 031/15 Seite 4 1. Einleitung Die Ausarbeitung will einen Überblick über das in § 220b des österreichischen Strafgesetzbuches (öStGB)1 geregelte Tätigkeitsverbot liefern. Dieses ist für Täter vorgesehen, die eine strafbare Handlung gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung einer minderjährigen Person begangen haben. Hintergrund ist die Frage nach der Möglichkeit, eine entsprechende Regelung im deutschen Strafgesetzbuch zu kodifizieren. Hierzu soll die grundlegende Dogmatik der strafrechtlichen Sanktionen in Deutschland und Österreich unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Anforderungen analysiert werden, um sodann der Frage nachzugehen, inwiefern ein Tätigkeitsverbot im Sinne des § 220b öStGB mit der deutschen Rechtsordnung harmoniert. 2. Überblick über das System der Strafrechtlichen Sanktionen in Deutschland Das strafrechtliche Rechtsfolgeninstrumentarium in Deutschland wird in der rechtswissenschaftlichen Literatur häufig mit dem Begriff der Zweispurigkeit beschrieben.2 Hiermit ist eine idealtypische Trennung von Strafen einerseits und Maßregeln der Besserung und Sicherung andererseits gemeint. Wesentliches Abgrenzungskriterium beider sanktionsrechtlichen Spuren ist die Rolle der Schuld des Täters bezogen auf die jeweilige rechtswidrige Tat.3 Strafen als repressive staatliche Reaktionen setzen dementsprechend eine schuldhafte Begehung der rechtswidrigen Tat voraus (sog. Strafbegründungsschuld) und ihre konkrete Zumessung erfolgt gemäß § 46 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB)4 auf Grundlage der in der Tat zum Ausdruck gekommenen und quantifizierbaren Vorwerfbarkeit (sog. Strafzumessungsschuld).5 Das ist die Quintessenz des sog. Schuldgrundsatzes , der, auch wenn er im Grundgesetz nicht ausdrücklich erwähnt wird, nach allgemeiner 1 Das österreichische Strafgesetzbuch ist abrufbar unter: http://www.jusline.at/Strafgesetzbuch_(StGB).html# [Stand: 24. Februar 2015]. 2 Hassemer/Neumann, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch, 4. Auflage 2013, Vorbemerkungen § 1 Rn. 264; Fischer, StGB, 61. Auflage 2014, Vorbemerkungen § 38 Rn. 4. Der Täter-Opfer-Ausgleich gem. § 46a StGB, der gelegentlich als dritte Spur bezeichnet wird (bspw. von Heintschel-Heinegg, in: Beck’scher Onlinekommentar zum StGB, 25. Edition 2014, § 38 Rn. 1), kann für den vorliegenden Problembereich außer Betracht bleiben. 3 Es ist eine der wesentlichen Errungenschaften eines rechtsstaatlichen Strafrechts, dass die Schuld des Täters im Grundsatz nur in Bezug auf die konkrete Tat relevant wird (sog. Tatstrafrecht), und nicht auf eine irgendwie geartete „Lebensführungs“-Schuld (sog. Täterstrafrecht). Das Institut eines Täterstrafrechts kann insbesondere in totalitären Diktaturen zum Mittel der sozialen Kontrolle und Repression werden, s. Wolf, HFR [Humboldt Forum Recht] 1996, S. 52 (60); Meier, Strafrechtliche Sanktionen, 4. Auflage 2015, S. 186 f; s.a. BGH, Beschl. v. 17. 9. 2009 – 5 StR 325/09 - Juris. 4 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 21. Januar 2015, abrufbar unter: http://www.gesetze-im-internet .de/stgb/BJNR001270871.html [Stand: 24. Februar 2015]. 5 Radtke, in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Auflage 2012, Vorbemerkungen §§ 38 ff. Rn. 69; zu den Begriffen der Strafbegründungs- und Strafzumessungsschuld s. Meier, Strafrechtliche Sanktionen, 4. Auflage 2015, S. 185 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 031/15 Seite 5 Auffassung Verfassungsrang besitzt.6 Trotz der nach wie vor kontrovers geführten Frage nach dem Zweck der Strafe,7 ist der Aspekt des repressiven Schuldausgleichs wesentlich.8 Die Strafe bzw. das sie aussprechende Urteil beinhaltet nach einer viel zitierten Formel ein sozialethisches Unwerturteil, das sich der Täter durch die von ihm schuldhaft begangene Rechtsgutsverletzung vorwerfen lassen muss.9 Mit der der freiheitlichen Grundordnung des Grundgesetzes geschuldeten Selbstbeschränkung der staatlichen Strafgewalt kann jedoch einhergehen, dass eine schuldangemessene Strafe nicht ausreicht, um den berechtigten Sicherungsinteressen der Allgemeinheit gegenüber gefährlichen Tätern gerecht zu werden.10 Hieraus lässt sich die Existenz der Maßregeln der Besserung und Sicherung erklären, die in Abgrenzung zu den Strafen ausschließlich zukunftsorientiert sind und dem präventiven Rechtsgüterschutz bei besonders gefährlichen Tätern dienen.11 Sie enthalten dementsprechend kein intendiertes (retrospektives) Unwerturteil über die Tat bzw. den Täter.12 Die Maßregeln haben ihren Anwendungsbereich bei schuldunfähigen Tätern und solchen, die auch nach Vollstreckung einer Kriminalstrafe rückfallgefährdet sind.13 Während somit für die Bemessung der Strafe die Schuld des Täters das maßgebliche Beurteilungskriterium darstellt, geht es bei der Anordnung von Maßregeln maßgeblich um die Gefährlichkeit des Täters.14 Als häufig auch in den Medien präsentes Beispiel kann hier die Sicherungsverwahrung gemäß § 66 StGB genannt werden. Obgleich die rechtstaatliche Legitimität der Maßregelsanktionen, gerade auch wenn sie auf das Erfordernis einer schuldhaften Tatbestandsverwirklichung verzichten, im Grundsatz unzweifelhaft ist,15 sind 6 BVerfG, NJW [Neue Juristische Wochenschrift] 1992, 2947 (2948); NJW 1997, 929 (932); NJW 1977, 1525 (1532); NJW 1976, 413; BGH, NJW 2005, 1440 (1442); NStZ [Neue Zeitschrift für Strafrecht] 1994, 77 (78), NStZ 1987, 127 (128); Eisele, in: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 29. Auflage 2014, Vorbemerkungen §§ 13 ff Rn. 103/104; Miebach, in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Auflage 2012, § 46 Rn. 17 f. 7 Ausf. zu den Straftheorien Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil / Band I, 4. Auflage 2006, § 3 (passim) mit weiteren Nachweisen; Bock, Kriminologie, 4. Auflage 2013, Rn. 10 ff. 8 BVerfG, NJW 2011, 1931 (1938); NJW 2004, 739 (745); NJW 1992, 2947 (2959); NJW 1977, 1525 (1531); Streng, Strafrechtliche Sanktionen, 3. Auflage 2012, Rn. 334. 9 BVerfG, NJW 1998, 443; BGH, NStZ-RR [Neue Zeitschrift für Strafrecht Rechtsprechungs-Report] 2013, 204 (205); Jeschek/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, 5. Auflage 1996, S. 65; Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht Allgemeiner Teil, 44. Auflage 2014, Rn. 4. 10 BVerfGE 91, 1 (31 f); Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil / Band I, 4. Auflage 2006, § 3 Rn. 56; Jeschek/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, 5. Auflage 1996, S. 803. 11 BVerfG, NJW 2011, 1931 (1938); Radtke, in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Auflage 2012, Vorbemerkungen §§ 38 ff. Rn. 83. 12 BVerfG, NJW 2004, 739 (744); Meier, Strafrechtliche Sanktionen, 4. Auflage 2015, S. 269; Schöch, in: Leipziger Kommentar Strafgesetzbuch, Band 3, 12. Auflage 2008, Vorbemerkungen § 61 Rn. 29. 13 Villmow, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch, 4. Auflage 2013, Vorbemerkungen §§ 38 ff Rn. 14. 14 Müller-Dietz, NStZ 1983, 145 (148). 15 Bae, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Maßregelrecht des StGB, 1985, S. 117; Streng, Strafrechtliche Sanktionen, 3. Auflage 2012, Rn. 336. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 031/15 Seite 6 sie doch verfassungsrechtlichen Anforderungen wie dem Resozialisierungsanspruch des Täters16 und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (§ 62 StGB),17 unterworfen, die es bei der konkreten gesetzlichen Ausgestaltung zu beachten gilt.18 Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist nicht nur bei der Anordnung der Maßregel zu berücksichtigen, sondern bereits bei der Auslegung der einzelnen Anordnungsvoraussetzungen.19 Zusammenfassend und generalisierend lässt sich für alle Maßregeln der deutschen Rechtsordnung sagen, dass sie der der öffentlichen Sicherheit zu dienen bestimmt sind und somit spezialpräventive Zwecke verfolgen.20 Der Zweck, künftige Straftaten des gefährlichen Täters zu verhindern , ist der einzig verfassungsrechtlich legitime und nur insofern ist der Täter verpflichtet, den in der Maßregel liegenden Eingriff in seine Grundrechte zu erdulden.21 Auch wenn die Bezeichnung als „Maßregeln der Besserung und Sicherung“ (siehe. § 61 StGB) darauf hinzudeuten vermag, dass primäres Anliegen dieser Sanktionen die Besserung der gefährlichen Täter ist, so muss diese Vermutung aus verfassungsrechtlichen Gründen als Trugschluss zurück gewiesen werden.22 Denn der freiheitliche Staat hat nicht das Recht eines ausschließlich moralisierenden Zugriffs auf seine Bürger.23 Aber er hat die Pflicht, seine Bürger vor Gefahren wie tatgeneigten Personen zu schützen.24 Insofern lässt sich die Sicherungsverwahrung zugunsten der Allgemeinheit und zulasten des Täters rechtfertigen.25 Die Strafrechtsordnung realisiert folglich mit den Maßregeln der Besserung und Sicherung eine Güterabwägung in einem mehrpoligen Grundrechtsverhältnis, in dem die Freiheitsinteressen des gefährlichen Täters mit den Sicherungsinteressen der Allgemeinheit kollidieren.26 Die Rechtspositionen des gefährlichen Täters 16 Dieser bestimmt nicht nur den Vollzug der Haftstrafe sondern auch der Sicherungsverwahrung, s. BVerfG, NStZ 2011, 450 (452); BVerfG, NJW 2004, 739 (740). 17 Fischer, StGB, 61. Auflage 2014, § 62 Rn. 1; für die Sicherungsverwahrung s. BVerfG, NStZ 2011, 450; allg. zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz s. Sachs, in: ders., Grundgesetz Kommentar, 7. Auflage 2014, Art. 20 Rn. 145 ff. 18 BVerfG, NJW 2011, 1931 (1938). 19 S. Meier, Strafrechtliche Sanktionen, 4. Auflage 2015, S. 274, der als Beispiel den in den §§ 63, 64, 66 StGB verwendeten Begriff der „Erheblichkeit“ nennt. 20 Schöch, in: Leipziger Kommentar Strafgesetzbuch, Band 3, 12. Auflage 2008, Vorbemerkungen § 61 Rn. 29. 21 BVerfGE 22, 180; Jeschek/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, 5. Auflage 1996, S. 803; v. Gemmeren, in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Auflage 2012, § 61 Rn. 1, 2. 22 Vgl. Bae, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Maßregelrecht des StGB, 1985, S. 98. 23 BGH, Beschl. v. 18. 3. 2008 – 4 StR 6/08 Rn 6; vgl. auch BVerfGE 22, 180 (181, 219 f.). 24 Vgl. BVerfGE 39, 1 (47); BVerfG, NStZ 2011, 450 (452), Meier, Strafrechtliche Sanktionen, 4. Auflage 2015, S. 273. 25 Ausf. Radtke, NStZ 2010, 537 (543); Jeschek/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, 5. Auflage 1996, S. 86. 26 Radtke, NStZ 2010, 537 (543); Meier, Strafrechtliche Sanktionen, 4. Auflage 2015, S. 273. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 031/15 Seite 7 müssen dabei zurücktreten, wenn überwiegende Interessen der Allgemeinheit dies erfordern.27 Für die Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung ist stets notwendig, dass sich die Gefährlichkeit des Täters bereits in einer begangenen rechtswidrigen Tat (sogenannte Anlasstat ) manifestiert hat und eine vom Gericht vorzunehmende Prognose der Täterpersönlichkeit weitere sozialschädliche Verhaltensweisen erwarten lässt. Das mag auf den ersten Blick nicht einleuchten , wäre es doch eigentlich konsequent, wenn das Maßregelrecht bereits auf Verhinderung der ersten rechtswidrigen Tat des gefährlichen Täters gerichtet wäre. Gerade diese starke Akzentuierung des Sicherheitsgedankens ist einer der klassischen Kritikpunkte der spezialpräventiven Straftheorie.28 Zur Sicherung der Freiheitssphäre des Einzelnen gegenüber den Bedürfnissen der Gesellschaft entspricht es daher einer der wesentlichen Folgen eines rechtstaatlichen Strafrechts, dass jede Sanktion eine rechtswidrige Tat des Täters voraussetzt, dass der staatliche Zugriff auf den Täter im Rahmen des Maßregelrechts also durch die auf Grund einer Anlasstat indizierte Gefährlichkeit des Täters legitimiert sein muss.29 Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sichert dabei stets, dass die angeordnete Maßregel in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere der Anlasstat , zur Bedeutung der prognostizierten Taten und zur Gefährlichkeit des Täters steht.30 Mit dem Vorgenannten ist zwar präjudiziert, dass bezüglich der Anordnung einer Maßregel der spezialpräventive Zweck der Sicherung ausschlaggebend ist, allerdings lässt sich auf der Ebene der Vollstreckung und des Vollzugs eine partielle Bedeutungsverschiebung hin zur Akzentuierung der Besserung ausmachen,31 vorausgesetzt eine Rehabilitierungsmaßnahme erscheint unter Berücksichtigung der konkreten Maßregel und Täterpersönlichkeit überhaupt aussichtsreich.32 Es ergibt sich somit eine Differenzierung zwischen dem Zweck der Maßregeln und dem hierfür eingeschlagenen Weg. Diese Unterscheidung führt bei den einzelnen Maßregeln zu abweichenden Gewichtungen.33 Das belegt beispielhaft die Regelung des § 64 Satz 2 StGB, der die Möglichkeit der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an eine konkrete Heilungsmöglichkeit und somit Besserung des Täters knüpft. Ohne die Chance eines Therapieerfolges gibt es keine Rechtfertigung für den in der Anordnung und dem Vollzug liegenden Eingriff in das 27 v. Gemmeren, in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Auflage 2012, § 61 StGB Rn. 2. 28 Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil / Band I, 4. Auflage 2006, § 3 Rn. 16. 29 Vgl. BVerfG, NJW 1986, 767; ausf. Bae, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Maßregelrecht des StGB, 1985, S. 156 f; v. Gemmeren, in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Auflage 2012, § 61 StGB Rn. 3; s.a. Dessecker , Gefährlichkeit und Verhältnismäßigkeit, 2004, S. 132. 30 Ziegler, in: Beck’scher Onlinekommentar zum StGB, 25. Edition 2014, § 62 Rn. 1; Murswiek, in: Sachs, Grundgesetz Kommentar, 7. Auflage 2014, Art. 2 Rn. 247a. 31 Bae, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Maßregelrecht des StGB, 1985, S. 98; Meier, Strafrechtliche Sanktionen, 4. Auflage 2015, S. 272. 32 Müller-Dietz, NStZ 1983, 145 (148). 33 Dessecker, Gefährlichkeit und Verhältnismäßigkeit, 2004, S. 202. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 031/15 Seite 8 Grundrecht des Täters aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz (GG)34.35 Demgegenüber muss im Rahmen der Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB) auf Grund des gefährlichen Täterkreises der Fokus auf der Sicherung liegen.36 Die Möglichkeit der Besserung ist somit keine Anordnungsvoraussetzung ,37 jedoch Ziel des Vollzuges, um den Täter eine Resozialisierung zumindest zu ermöglichen .38 Die Besserung kann folglich nur dort Teil der praktischen Ausgestaltung der jeweiligen Maßregel sein, wo sie nicht mit dem Zweck der Sicherung kollidiert.39 Diesen Grundsatz gilt es auch für die Diskussion um ein Tätigkeitsverbot zu berücksichtigen. 3. Die Rechtslage in Österreich Auch das österreichische Sanktionensystem kennt das Prinzip der Zweispurigkeit und trennt bereits gesetzessystematisch die Strafen von den vorbeugenden Maßnahmen (§§ 21 – 23 öStGB),40 die die österreichische Entsprechung der Maßregeln der Besserung und Sicherung darstellen. Auch die dortige Rechtsordnung ist von der Erkenntnis geleitet, dass eine schuldangemessene Strafe der Verwirklichung spezialpräventiver Ziele, namentlich der Sicherung der Allgemeinheit vor dem gefährlichen Täter, entgegenstehen kann.41 Mit der Strafe wird daher auch in Österreich die schuldhaft begangene Tat dem Täter persönlich vorgeworfen, während die vorbeugenden Maßnahmen ihren Grund und Zumessungsfaktor in der Gefährlichkeit des Täters haben.42 Die Maßnahmen sind nicht intendiert mit einem sozialen Tadel verbunden, mag dieser auch faktisch gegeben sein.43 Das Recht der vorbeugenden Maßnahmen in Österreich geht somit im Wesentlichen von den gleichen rechtsdogmatischen Prämissen aus wie in Deutschland.44 Insbesondere 34 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100- 1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 23. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2438), abrufbar unter: http://www.gesetze-im-internet.de/gg/BJNR000010949.html [Stand: 24. Februar 2015]. 35 BVerfGE 91, 1 (30 f); BGH NStZ 2009, 442. 36 BVerfG, NJW 2004, 739 (746); Schöch, in: Leipziger Kommentar Strafgesetzbuch, Band 3, 12. Auflage 2008, Vorbemerkungen § 61 Rn. 33. 37 Dessecker, Gefährlichkeit und Verhältnismäßigkeit, 2004, S. 202. 38 BVerfG NStZ 2011, 450 (452); Ullenbruch/Drenkhahn/Morgenstern, in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Auflage 2012, § 66 Rn. 261 ff. 39 Vgl. BVerfG, NJW 2004, 739 (744). 40 Siehe die amtliche Überschrift des Dritten Abschnitts des Allgemeinen Teils des öStGB „Strafen Verfall und vorbeugende Maßnahmen“. 41 Triffterer, Österreichisches Strafrecht Allgemeiner Teil, 1. Auflage 1985, S. 467. 42 Fuchs, Österreichisches Strafrecht Allgemeiner Teil I, 6. Auflage 2004, Kap. 2 Rn. 41; Triffterer, Österreichisches Strafrecht Allgemeiner Teil, 1. Auflage 1985, S. 468. 43 Kienapfel/Höpfel, Strafrecht Allgemeiner Teil, 9. Auflage 2001, Kap. Z 2 Rn. 16. 44 Meier, Strafrechtliche Sanktionen, 4. Auflage 2015, S. 271. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 031/15 Seite 9 setzt die Anordnung einer vorbeugenden Maßnahme eine Anlasstat des Täters und eine Gefährlichkeitsprognose seiner Persönlichkeit voraus.45 Hieraus ergibt sich, dass die rechtliche und praktische Ausgestaltung von Maßnahme und Strafe wie in Deutschland divergieren muss46, insbesondere um den Schuldgrundsatz nicht zu unterwandern. Anderenfalls läge ein unzulässiger „Etikettenschwindel“ vor.47 4. Das Tätigkeitsverbot des österreichischen Strafgesetzbuchs § 220b öStGB ist eine Vorschrift, die es in dieser Form und mit diesem Inhalt (bisher) in der deutschen Rechtsordnung nicht gibt. Sie unterscheidet sich insbesondere in wesentlichen Teilen von der Anordnung des Berufsverbotes in § 70 StGB. § 220b öStGB lautet wie folgt: § 220b StGB Tätigkeitsverbot (1) Hat der Täter eine strafbare Handlung gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung einer minderjährigen Person begangen und im Tatzeitpunkt eine Erwerbstätigkeit oder sonstige Tätigkeit in einem Verein oder einer anderen Einrichtung ausgeübt oder auszuüben beabsichtigt, welche die Erziehung, Ausbildung oder Beaufsichtigung Minderjähriger oder sonst intensive Kontakte mit Minderjährigen einschließt, so ist ihm für eine Dauer von mindestens einem und höchstens fünf Jahren die Ausübung dieser und vergleichbarer Tätigkeiten zu untersagen, sofern die Gefahr besteht, dass er sonst unter Ausnützung einer ihm durch eine solche Tätigkeit gebotenen Gelegenheit eine weitere derartige strafbare Handlung mit nicht bloß leichten Folgen begehen werde. (2) Besteht die Gefahr, dass der Täter bei Ausübung der Tätigkeit strafbare Handlungen der in Abs. 1genannten Art mit schweren Folgen begehen werde, oder hat der Täter unter Ausnützung der ihm durch seine Tätigkeit gebotenen Gelegenheit eine strafbare Handlung der in Abs. 1 genannten Art begangen, obwohl ihm zum Zeitpunkt der Tat die Ausübung dieser Tätigkeit strafgerichtlich untersagt war, so ist das Verbot auf unbestimmte Zeit auszusprechen. (3) Wenn nachträglich Umstände eintreten oder bekannt werden, bei deren Vorliegen im Zeitpunkt des Urteils kein Tätigkeitsverbot ausgesprochen worden wäre, hat das Gericht das Tätigkeitsverbot aufzuheben. (4) Im Falle eines auf unbestimmte Zeit ausgesprochenen Tätigkeitsverbotes hat das Gericht mindestens alle fünf Jahre zu überprüfen, ob die Voraussetzungen nach Abs. 2 vorliegen . (5) Die Dauer des Tätigkeitsverbotes beginnt mit Rechtskraft der Entscheidung, mit der das Verbot ausgesprochen wird. Zeiten, in denen der Täter auf behördliche Anordnung angehalten wird, werden in diese Zeit nicht eingerechnet. (6) Wer einer Tätigkeit nachgeht, obwohl er weiß, dass ihm deren Ausübung nach den vorstehenden Bestimmungen untersagt wurde, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. 45 Fuchs, Österreichisches Strafrecht Allgemeiner Teil I, 6. Auflage 2004, Kap. 2 Rn. 43. 46 Vgl. Triffterer, Österreichisches Strafrecht Allgemeiner Teil, 1. Auflage 1985, S. 468 f. 47 Fuchs, Österreichisches Strafrecht Allgemeiner Teil I, 6. Auflage 2004, Kap. 2 Rn. 44; Triffterer, Österreichisches Strafrecht Allgemeiner Teil, 1. Auflage 1985, S. 470. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 031/15 Seite 10 4.1. Wesentlicher Regelungsgehalt des § 220b öStGB Die Regelung des § 220b (Abs. 1, 2) öStGB sieht vor, dass einem Täter, der ein Sexualdelikt zum Nachteil eines Minderjährigen verwirklicht hat, die Erwerbs- oder sonstige Tätigkeit in einem Verein oder einer anderen Einrichtung, welche die Erziehung, Ausbildung oder Beaufsichtigung Minderjähriger oder sonst intensive Kontakte mit Minderjährigen einschließt, zu untersagen ist. Bei dem Tätigkeitsverbot handelt es sich seiner Rechtsnatur nach um eine vorbeugende Maßnahme , wie § 435 Abs. 1 öStPO klarstellt.48 Nach der allgemeinen Dogmatik der vorbeugenden Maßnahmen bzw. der Maßregeln der Besserung und Sicherung stellt das entsprechende Sexualdelikt , das der Täter bereits begangen haben muss, die Anlasstat dar.49 § 220b öStGB setzt nicht voraus, dass die Anlasstat selbst in direktem Zusammenhang mit der beruflichen oder ehrenamtlichen Tätigkeit steht. Ein Tätigkeitsverbot kommt daher beispielsweise auch in Betracht, wenn sich der Täter privat an seinen Kindern vergeht.50 Die Absätze 1 und 2 des § 220b öStGB sind in einem Stufenverhältnis angeordnet und unterscheiden sich sowohl in ihren Voraussetzungen als auch bezüglich des möglichen zeitlichen Umfangs der Anordnung. § 220b Abs. 1 öStGB setzt die oben genannte Anlasstat sowie die Tätigkeit des Täters in einer der genannten Stellen voraus. Schließlich muss das Gericht im Rahmen einer vorzunehmenden Gefährlichkeitsprognose zu dem Schluss kommen, der Täter werde unter Ausnutzung der durch die Tätigkeit in den genannten Institutionen vermittelten Gelegenheit eine (!)51 weitere strafbare Handlung gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung einer minderjährigen Person mit nicht bloß leichter Folge begehen. Liegen diese Voraussetzungen vor, sieht § 220b Abs. 1 öStGB auf der Rechtsfolgenseite die Anordnung eines auf ein bis fünf Jahre befristeten Tätigkeitsverbotes vor. Besteht hingegen die Gefahr, dass der Täter mehrere, d.h. mindestens zwei52, der in § 220b Abs. 1 StGB genannten strafbaren Handlungen mit schweren Folgen begeht oder hat er ein Delikt gegen die sexuelle Selbstbestimmung eines Minderjährigen unter Ausnutzung seines Berufes oder einer ehrenamtlichen Tätigkeit begangen, obwohl ihm gegenüber bereits ein Tätigkeitsverbot ausgesprochen wurde, ist vom Gericht gemäß § 220b Abs. 2 StGB ein zeitlich unbeschränktes Tätigkeitsverbot anzuordnen. Da beide Absätze die Anlasstat mit „strafbarer Handlung“ beschreiben, stellt das Gesetz klar, dass der Täter diese schuldhaft verwirklicht haben muss.53 Auch die deutsche Rechtsordnung kennt Sanktionen der zweiten Spur, die eine 48 S.a. JAB (Justizausschussbericht) 106 BlgNr. (Beilage zu den stenographischen Berichten des Nationalrates) 24. GP, S. 2, 25 (abrufbar unter https://www.sbg.ac.at/ssk/bgbl/2009_i_40_jab106.pdf) [Stand: 24. Februar 2015]. 49 Fabrizy, StGB, 11. Auflage 2013, § 220b Rn. 1. 50 Fabrizy, StGB, 11. Auflage 2013, § 220b Rn. 1. 51 JAB 106 BlgNr. 24. GP [Fn. 48], S. 25. 52 OGH (Oberster Gerichtshof der Republik Österreich), Urt. v. 21.8.2013 – 15 Os 103/13f, S. 7; Urt. v. 5.3.2013 – 14 OS 107/12k, S. 20. 53 Maleczky, Strafrecht Allgemeiner Teil, Band II, 13. Auflage 2009, S. 84. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 031/15 Seite 11 schuldhafte Deliktsverwirklichung erfordern, um die Angemessenheit der Anordnung abzusichern (siehe § 66 Abs. 1 Nr. 1, 2 StGB).54 An der Rechtsnatur der jeweiligen Sanktion ändert das zusätzliche Erfordernis der schuldhaften Begehung jedoch nichts. Bemerkenswert an der Regelung ist, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des Abs. 1 oder 2 des § 220b öStGB dem Gericht über das „Ob“ des Tätigkeitsverbotes kein Ermessen eingeräumt wird, vielmehr stellt der Wortlaut der Norm klar, dass dem Täter die gefahrträchtige Tätigkeit zwingend zu untersagen ist.55 Im Anwendungsbereich des § 220b Abs. 1 öStGB besteht einzig eine Zumessungskompetenz des Gerichts hinsichtlich eines zeitlichen Rahmens von mindestens einem Jahr bis höchstens fünf Jahren. Unter den qualifizierten Bedingungen des § 220b Abs. 2 StGB ist sogar zwingend ein Tätigkeitsverbot auf unbestimmte Zeit auszusprechen. Dem österreichischen Gesetzgeber waren bei Schaffung des § 220b öStGB die mit diesem Automatismus verbundenen Spannungen mit den Grundrechtspositionen des Täters, namentlich beim zeitlich unbestimmten Tätigkeitsverbot, bewusst.56 Insbesondere wurde vom Justizausschuss des Nationalrates der Reformvorschlag abgelehnt, wonach § 220b öStGB als Rechtsfolge auf die entsprechenden Sexualdelikte gegen Minderjährige ein lebenslanges Tätigkeitsverbot vorsehen solle, da bei den entsprechenden Straftaten die „Fiktion „von dauerhafter Gefährlichkeit“ sachgerecht“ sei.57 Der Wortlaut des § 220b öStGB stellt zudem klar, dass dem Täter nur gefahrträchtige Tätigkeiten zu untersagen sind. Dem Grundgedanken der vorbeugenden Maßnahmen des öStGB entsprechend , wonach diese nur der Sicherung der Allgemeinheit zu dienen bestimmt sind, kann es notwendig sein, die Anordnung auf Teilaspekte der Tätigkeit zu beschränken. So lässt sich daran denken, einem entsprechend delinquenten Cateringbetreiber die Arbeit in den Räumen einer Schule, nicht jedoch den Betrieb einer Unternehmenskantine zu untersagen.58 Die Friktionen mit dem Resozialisierungsgedanken und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz versucht die Norm zudem mittels der Pflicht des Gerichts zu kompensieren, mindestens alle fünf Jahre zu überprüfen, ob die Voraussetzungen des § 220b Abs. 2 öStGB noch vorliegen (§ 220b 54 Vgl. BGH, NStZ 2003, 310 (311), wonach im Falle der erheblich verminderten Schuldfähigkeit die Unterbringung nach § 63 StGB der Sicherungsverwahrung vorzuziehen ist; s.a. Köhler, Strafrecht AT, 1997, S. 663 für die Maßregel des Berufsverbotes. 55 Fabrizy, StGB, 11. Auflage 2013, § 220b Rn. 2. 56 JAB 106 BlgNr 24. GP [Fn. 48], S. 25. 57 2091 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP, S. 1, abrufbar unter http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/I/I_02091/fname_278277.pdf) [Stand: 24. Februar 2015]. 58 Das Beispiel stammt aus der Regierungsvorlage zum Sexualstrafrechtsänderungsgesetz 2013, s. 2319 der Beilagen XXIV. GP - Regierungsvorlage – Erläuterungen, S. 19, abrufbar unter http://www.parlament .gv.at/PAKT/VHG/XXIV/I/I_02319/fname_303307.pdf [Stand: 24. Februar 2015]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 031/15 Seite 12 Abs. 4 öStGB).59 So ist denkbar, dass die Anordnungsvoraussetzung der Gefahr weiterer Straftaten durch eine Therapie ausgeräumt werden kann.60 Zudem sollen Restriktionen bereits auf Tatbestandsebene greifen, um eine verhältnismäßige Rechtsanwendung sicherzustellen. Für das Tätigkeitsverbot auf unbestimmte Zeit sprechen die Gesetzesmaterialien davon, dass „nur in besonders schweren Fällen, bei denen eine besonders hohe Gefahr besteht“, die Anwendbarkeit des § 220b Abs. 2 öStGB eröffnet sei.61 Erforderlich ist dementsprechend, dass die Urteilsgründe konkrete Feststellungen beinhalten, auf Grund derer sich „ein hohes Maß an Wahrscheinlichkeit für die Tatwiederholung“ nachvollziehen lässt.62 Ein Verstoß gegen diese Darlegungslast macht das Urteil revisibel.63 Der Verstoß gegen ein Tätigkeitsverbot ist gemäß § 220b Abs. 6 öStGB strafbewehrt. Nach der allgemeinen Dogmatik des österreichischen Strafrechts ist damit auch eine strafbare Beteiligung (vgl. § 12 öStGB) am Verstoß des Haupttäters möglich.64 Dass der Tatbestand des § 220b öStGB einen wissentlichen Verstoß gegen das Tätigkeitsverbot fordert, soll insbesondere potentiellen Beteiligten zu Gute kommen und einen „Kriminalisierungsschub“ verhindern, z.B. gegenüber Arbeitgebern und Jobvermittlern.65 4.2. Die europarechtlichen Implikationen des § 220b öStGB Das Tätigkeitsverbot des § 220b öStGB wurde durch das 2. Gewaltschutzgesetz 2009 in das österreichische Strafgesetzbuch aufgenommen.66 Ihre aktuelle Fassung erhielt die Regelung durch das Sexualstrafrechtsänderungsgesetz von 2013.67 Gemäß der Regierungsvorlage soll das Sexualstrafrechtsänderungsgesetz 2013 u.a. der Umsetzung der Richtlinie 2011/93/EU68 zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie dienen.69 Die Neufassung des § 220b öStGB soll insbesondere Art. 10 der Richtlinie 2011/93/EU 59 Vgl. JAB 106 BlgNr 24. GP [FN 48), S. 25. 60 Maleczky, Strafrecht Allgemeiner Teil, Band II, 13. Auflage 2009, S. 84. 61 JAB 106 BlgNr. 24. GP [Fn. 48], S. 25. 62 OGH, Urt. v. 5.3.2013 – 14 Os 107/12k, S. 21; s.a. OGH, Urt. v. 27.9.1983 – 10 Os 134/83. 63 Vgl. OGH, Urt. v. 21.8.2013 – 15 Os 103/13f, S. 7. 64 JAB 106 BlgNr. 24. GP [Fn. 48], S. 25. 65 JAB 106 BlgNr. 24. GP [Fn. 48], S. 25. 66 BGBl. (Österreich) 2009 I/40, abrufbar unter https://www.sbg.ac.at/ssk/bgbl/2009_i_40.pdf [Stand: 24. Februar 2015]. 67 BGBl. (Österreich) 2013 I/116, abrufbar unter https://www.sbg.ac.at/ssk/bgbl/2013_i_116.pdf [Stand: 24. Februar 2015]. 68 S. hierzu Haustein, ZIS [Zeitschrift für internationale Strafrechtsdogmatik] 2014, 348. 69 2319 der Beilagen XXIV. GP - Regierungsvorlage – Erläuterungen [Fn. 58], S. 1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 031/15 Seite 13 (EU-Kinderpornografie-BekämpfungsRL)70 geschuldet sein.71 Art. 10 der EU-Kinderpornografie- BekämpfungsRL verpflichtet die Mitgliedstaaten zu Maßnahmen, um sicherzustellen, dass ein Täter, der wegen einer Straftat i.S.d. Art. 3-7 der Richtlinie rechtskräftig verurteilt wurde, wenigstens vorübergehend von „zumindest beruflichen Tätigkeiten, bei denen es zu direkten und regelmäßigen Kontakten mit Kindern kommt, ausgeschlossen werden kann.“ Um diesen europarechtlichen Vorgaben gerecht zu werden, sieht die (schlussendlich Gesetz gewordene) Regierungsvorlage vor, den von einem möglichen Verbot umfassten Tätigkeitsbereich von der Erziehung, Ausbildung oder Beaufsichtigung Minderjähriger auszuweiten auf sämtliche berufliche, gewerbliche oder ehrenamtliche Tätigkeiten (in einem Verein bzw. einer ähnlichen Einrichtung), die „intensive Kontakte“72 zu Minderjährigen mit sich bringen. Die Richtlinie verzichtet gemäß ihres Erwägungsgrundes Nr. 40 bewusst auf eine Definition des Merkmals des „direkten und regelmäßigen Kontakts“ und will diese den Mitgliedstaaten überlassen. Nach der Regierungsvorlage setzt intensiver Kontakt voraus, dass dieser häufig erfolgt und sich nicht in oberflächlichen Interaktionen erschöpft; als Beispiele werden Schulkantinenbetreiber, Verkäufer in einem Spielwarengeschäft und Kinderärzte genannt. Entscheidend sei der „wesensimmanente Kontakt mit Kindern“, was beispielsweise nicht der Fall bei einem Kassierer in einem Supermarkt der Fall sein soll, der in der Nähe einer Schule gelegen ist.73 Der österreichische Umsetzungsakt geht damit über die Forderung des Art. 10 der Richtlinie 2011/93/EU hinaus, der sich nur auf „zumindest berufliche Tätigkeiten“ bezieht, während § 220b öStGB auch ehrenamtliche Tätigkeiten erfasst. Die Formulierung „zumindest“ belegt, dass die Richtlinie in diesem Zusammenhang nur eine Mindestharmonisierung anstrebt, während die Mitgliedstaaten über diese hinausgehen können, wozu sich auch der österreichische Gesetzgeber entschlossen hat.74 Hinsichtlich der Intention des österreichischen Gesetzgebers, mit § 220b öStGB europarechtliche Vorgaben umzusetzen, ist kritisch anzumerken, dass Art. 10 der EU-Kinderpornografie-Bekämpfungs RL nicht die mitgliedstaatliche Transformation mittels des strafrechtlichen Instrumentariums fordert. Die Richtlinie setzt nur solche Maßnahmen voraus, die erforderlich sind, um die entsprechenden Tätergruppen aus den einschlägigen Berufsfeldern auszuschließen. Auch eine Strafbewehrung dieses Ausschlusses, wie es in Österreich in § 220b Abs. 6 öStGB geregelt ist, 70 Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI des Rates, Amtsblatt der EU vom 17. Dezember 2011, L 335/1 ff., abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32011L0093&from=DE [Stand: 24. Februar 2015]. 71 2319 der Beilagen XXIV. GP - Regierungsvorlage – Erläuterungen [Fn. 58], S. 19. 72 Die Formulierung „intensive Kontakte“ i.S.d. § 220b öStGB soll der Formulierung des Art. 10 der Richtlinie 2011/93/EU entsprechen, der von „direkten und regelmäßigen Kontakten“ spricht, s. 2319 der Beilagen XXIV. GP - Regierungsvorlage – Erläuterungen [Fn. 58], S. 19. 73 2319 der Beilagen XXIV. GP - Regierungsvorlage – Erläuterungen[Fn. 58] , S. 19. 74 Siehe auch das (österreichische) Bundesministerium der Justiz in der Beantwortung einer Anfrage des Nationalrates vom 19.12.2012, 12648/AB XXIV. GP, abrufbar unter http://www.parlament .gv.at/PAKT/VHG/XXIV/AB/AB_12648/imfname_281084.pdf [Stand: 24. Februar]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 031/15 Seite 14 wird in Art. 10 der Richtlinie 2011/93/EU nicht gefordert. Das wird besonders deutlich, wenn man die Art. 3-7 der Richtlinie in den Blick nimmt, die belegen, dass der europäische Gesetzgeber ansonsten vor konkreten Straferwartungen nicht zurückschreckt. 5. Wesentlicher Regelungsgehalt des § 70 StGB Die in den §§ 70 - 70b StGB geregelte Maßregel des Berufsverbotes soll der vom Täter ausgehenden Gefährlichkeit bzw. dessen deliktischer Anfälligkeit im Zusammenhang mit seiner Berufsoder Gewerbeausübung entgegenwirken.75 Wie oben dargestellt, verfolgt § 70 StGB damit andere Ziele als eine Strafe, sodass das Berufsverbot selbständig neben eine solchen treten kann.76 Die Anordnung des Berufsverbotes ist ausschließlich auf Sicherung der Allgemeinheit angelegt und somit nicht an die Möglichkeit der Besserung des Täters gebunden.77 Die Regelung gilt nicht für Notare und Beamte, insofern enthalten die §§ 45 StGB, 49 Bundesnotarordnung (BnotO)78 Sondervorschriften .79 Das Berufsverbot setzt als Anlass eine rechtswidrige (§ 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB), nicht notwendig schuldhaft begangene Tat des Beschuldigten voraus. Diese muss in einem inneren Zusammenhang mit der Berufs- bzw. Gewerbeausübung stehen.80 Anders als § 220b öStGB bezieht sich § 70 StGB nicht nur auf Sexualdelikte zulasten Minderjähriger. Die deutsche Vorschrift ist insofern allgemeiner formuliert und kommt prinzipiell für alle Deliktsgruppen in Frage, solange der berufliche Zusammenhang gegeben ist, den wiederrum § 220b öStGB nicht voraussetzt. Das Gesetz bietet zur Umschreibung für diesen Zusammenhang zwischen Anlasstat und beruflicher Tätigkeit zwei Alternativen. So ist entweder erforderlich, dass die Anlasstat zugleich einen Missbrauch des Berufs bzw. Gewerbes durch den Täter darstellt oder dass die Anlasstat unter grober Verletzung der mit dem Beruf verbunden Pflichten begangen wurde. Beide Varianten lassen sich nicht deutlich voneinander abgrenzen, sie müssen für die konkrete Anordnung aber auch nicht kumulativ vorliegen.81 Entscheidend ist der unmittelbare Zusammenhang von (Anlass)-Tat und Berufsausübung .82 Das Tatbestandsmerkmal des beruflichen Zusammenhangs ist der augenscheinlichste Unterschied zu § 220b öStGB. Es war das erklärte Ziel des österreichischen Gesetzgebers auf eben 75 Streng, Strafrechtliche Sanktionen, 3. Auflage 2012, Rn. 360. 76 OLG Frankfurt a.M., NStZ-RR 2001, 16. 77 Dessecker, Gefährlichkeit und Verhältnismäßigkeit, 2004, S. 202. 78 Bundesnotarordnung in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 303-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 14 des Gesetzes vom 23. Juli 2013 (BGBl. I S. 2586), abrufbar unter: http://www.gesetze-im-internet.de/bnoto/BJNR001910937.html [Stand: 24. Februar 2015]. 79 Allg. Meinung, siehe BGH, NJW 1987, 2686 (2687); NStZ 2002, 198. 80 Köhler, Strafrecht AT, S. 662; zu den Begrifflichkeiten „Beruf“ und „Gewerbe“ s. Hanack, in: Leipziger Kommentar Strafgesetzbuch, Band 3, 12. Auflage 2008, § 70 Rn. 12 ff. 81 Athing/Bockemühl, in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Auflage 2012, § 70 Rn. 10; Pollähne, in: Kindhäuser /Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch, 4. Auflage 2013, § 70 Rn. 13. 82 BGHSt 22, 144. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 031/15 Seite 15 diese Restriktion zu verzichten.83 Für den Missbrauch des Berufs oder Gewerbes (§ 70 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 StGB) ist ein irgendwie gearteter Zusammenhang nicht ausreichend. Vielmehr muss der Täter seine Berufsausübung planmäßig, d.h. vorsätzlich84, zur Begehung der jeweiligen Straftat ausnutzen, sodass die Tat gleichsam als Indiz für die Unzuverlässigkeit des Täters in seinem Beruf taugt.85 Ein Beispielsfall hierfür ist der Diebstahl von Morphium durch eine Krankenschwester 86 oder die Veruntreuung von Mandantengeldern durch einen Rechtsanwalt.87 Die zweite Variante, nach der die Tat zugleich eine grobe Verletzung der berufsbezogenen Pflichten darstellt, kann auch fahrlässig verwirklicht werden.88 Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass das Gesetz explizit auch fahrlässiges Handeln unter Strafe gestellt hat (§ 15 StGB). Zudem bedarf es einer strengen Prüfung, ob die fahrlässige Deliktsverwirklichung tatsächlich einen groben Verstoß gegen berufsbezogene Pflichten darstellt und ein Berufsverbot erforderlich ist.89 Beispiel für eine grobe Verletzung einer berufsbezogenen Pflicht ist die betrügerische Abrechnung eines Arztes gegenüber einer Krankenversicherung.90 Wegen dieser Tat muss der Täter zudem verurteilt, oder nur deswegen nicht verurteilt worden sein, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen war. Die das Berufsverbot legitimierende Voraussetzung ist zuletzt die Gefahr, dass der Täter weitere erhebliche Straftaten im Zusammenhang mit der Berufsausübung begeht. Diese Gefahr muss sich aus einer Prognose auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung von Täterpersönlichkeit und Tat ergeben.91 Das Berufsverbot selbst wird im Urteil angeordnet; aus den Urteilsgründen müssen sich die Anordnungsvoraussetzungen ergeben (§ 267 Abs. 6 StPO). Der Urteilstenor muss die Reichweite der Anordnung exakt bezeichnen, § 260 Abs. 2 StPO. Dieses Erfordernis ist dem Gebot der Rechtsklarheit geschuldet und im Hinblick auf § 145c StGB essentiell . Denn der Verstoß gegen das Berufsverbot ist nach § 145c StGB strafbar. Der Tatbestand will die Allgemeinheit vor der Berufsausübung des Täters schützen, die im Rahmen des § 70 StGB als gefährlich identifiziert wurde.92 Des Weiteren soll die Autorität der Anordnung des § 70 StGB durch die Strafdrohung untermauert werden.93 Wegen Art. 103 Abs. 2 GG gewinnt die Reichweite 83 JAB 106 BlgNr. 24. GP [Fn. 48], S. 25. 84 OLG Hamburg NJW 1955, 1568 (1569); Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder Strafgesetzbuch, 29. Auflage 2014, § 70 Rn. 10. 85 Athing/Bockemühl, in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Auflage 2012, § 70 Rn. 9; Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl. 2014, § 70 Rn. 3. 86 OLG Hamburg, NJW 1955, 1568. 87 BGH, wistra [Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht] 1999, 297 88 Stoll, in: Beck’scher Onlinekommentar zum StGB, 25. Edition 2014, § 70 Rn. 5. 89 S. Schäfer/Sander/v. Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Auflage 2012, Rn. 529. 90 OLG Koblenz, wistra 1997, 280. 91 Zu den maßgeblichen Parametern bei der Erstellung der Prognose s. Athing/Bockemühl, in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Auflage 2012, § 70 Rn. 20-24. 92 S. Zopfs, in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Auflage 2012, § 145c Rn. 1. 93 Schild/Kretschmer, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch, 4. Auflage 2013, § 145c Rn. 3. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 031/15 Seite 16 des Berufsverbotes hinsichtlich § 145c StGB, der als Blanketttatbestand94 in seiner konkreten Anwendung vom Berufsverbot abhängig ist, anwendungseröffnende Bedeutung. Ein unbestimmtes Berufsverbot kann keine tatbestandsbegründende Wirkung entfalten, eine Strafbarkeit nach § 145c StGB muss ausscheiden.95 Weiterer bedeutender Unterschied des § 70 StGB gegenüber § 220b öStGB ist der Umstand, dass die Anordnung des Berufsverbotes nach dem gesetzlichen Wortlaut im Ermessen des Gerichts steht („kann“).96 Hinsichtlich der Dauer des Verbotes geht das Gesetz vom Grundsatz einer befristeten Anordnung für ein Jahr bis zu fünf Jahren aus. Das Gericht kann auch ein unbefristetes Verbot aussprechen, wenn es zu der Auffassung kommt, dass die vom Täter bzw. seiner Berufsausübung ausgehende Gefahr dies erfordert (§ 70 Abs. 1 Satz 2 StGB). Nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen muss das Gericht im Rahmen seiner Ermessensausübung die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme prüfen, also insbesondere klären, ob nicht weniger einschneidende Maßnahmen den gleichen Erfolg versprechen. Ein weniger gravierenden Eingriff stellt zum Beispiel die Führungsaufsicht i.S.d. §§ 68 ff. StGB dar.97 § 70 StGB ist aber wegen unterschiedlichen Zweckrichtungen unabhängig von Berufsverboten der Verwaltungsbehörden.98 Die Maßregel des Berufsverbotes kann sich nicht an einer großen Beliebtheit in der Strafrechtspflege erfreuen. Im Kalenderjahr 2013 wurde im Bundesgebiet nur 62 Mal eine entsprechende Anordnung getroffen.99 Grund hierfür sind u.a. dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz geschuldete Überlegungen. Denn das Berufsverbot stellt einen schwerwiegenden Eingriff in die Berufsfreiheit aus Art. 12 GG dar und kann im Einzelfall die beabsichtigte Lebensführung des Täters vollständig durchkreuzen.100 Damit einher geht nämlich die Gefahr, die Resozialisierung des Täters praktisch auszuschließen.101 Dennoch bestätigte das BVerfG bereits 1969 die Verfassungsmäßigkeit des zeitlich beschränkten Berufsverbotes zum Schutz eines überragenden Gemeinschaftsgutes, das der 94 Zopfs, in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Auflage 2012, § 145c Rn. 2. 95 OLG Karslruhe, NStZ 1995, 446 (in der zugrunde liegenden Entscheidung wurde dem Angeklagten „für immer untersagt, ein selbständiges Gewerbe auszuführen“); s.a. Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch , 29. Auflage 2014, § 145c Rn. 3. 96 Schäfer/Sander/v. Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Auflage 2012, Rn. 535. 97 Stoll, in: Beck’scher Onlinekommentar zum StGB, 25. Edition 2014, § 75 Rn. 8. 98 BGH, NJW 1991, 1069; Fischer, StGB, 61. Auflage 2014, § 70 Rn. 17. 99 Statistisches Bundesamt, Fachserie 10, Reihe 3 Strafverfolgung, 2013, S. 369. 100 Hanack, in: Leipziger Kommentar Strafgesetzbuch, Band 3, 12. Auflage 2008, § 70 Rn. 3. 101 Ausf. Wedekind, Die Reform des strafrechtlichen Berufsverbots, 2006, S. 31 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 031/15 Seite 17 Freiheit des Einzelnen vorgeht.102 Da es sich bei einem Berufsverbot nicht nur um eine Beschränkung der Berufsausübung, sondern um einen Eingriff in die Freiheit der Berufswahl handelt103, sind die Anforderungen an eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung dementsprechend höher.104 Als ein Berufsverbot (gegenüber einem Rechtsanwalt) rechtfertigendes Gemeinschaftsgut hat das BVerfG zum Beispiel die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege eingestuft.105 Die Gerichte sind dementsprechend bei der Anwendung des § 70 StGB zu einer der Bedeutung des Art. 12 GG entsprechenden Abwägung der entgegenstehenden Rechtsposition unter strikter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes verpflichtet.106 Dass das Berufsverbot selbst nur zur Sicherung der Gemeinschaft, nicht aber zur Besserung des Täters taugt, ändert für sich allein noch nichts an der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Maßregel, sondern vermag nur als Korrektiv im Rahmen der gerichtlichen Ermessensentscheidung zu dienen. Dieser Befund ist der unbestrittenen Legitimität der staatlichen Gefahrenabwehr geschuldet. Zusammenfassend bleibt somit festzuhalten, dass sich § 70 StGB als die wesentlich restriktivere Norm im Vergleich zu § 220b öStGB darstellt. Es handelt sich bei beiden Vorschriften zwar um eine Sanktion der zweiten Spur. Im Rahmen der Anordnungsvoraussetzungen setzt die deutsche Regelung jedoch eine berufsbezogene Anlasstat voraus, während sich die österreichische auch mit einem im privaten Bereich begangenen Delikt begnügt. Auf Rechtsfolgenseite ist zudem dem deutschen Richter ein Ermessensspielraum auch hinsichtlich des Ob der Maßnahme eingeräumt, während § 220b öStGB das Gericht insofern bindet. Diese Regelungsstruktur mag jedoch der punktuellen Zielrichtung des § 220b öStGB geschuldet sein, der speziell zum Schutz Minderjähriger vor Sexualdelikten geschaffen wurde und damit einen hochsensiblen Politikbereich betrifft .107 6. Umsetzungsdefizite bzgl. Art. 10 der Richtlinie 2011/93/EU? Wie bereits dargestellt, war es das Ziel des österreichischen Gesetzgebers, mit § 220b öStGB die Vorgaben des Art. 10 der Richtlinie 2011/93/EU umzusetzen. Zum grundlegenden Charakter der europarechtlichen Richtlinien, insbesondere hinsichtlich der Umsetzungspflicht der Mitgliedstaaten , muss an dieser Stelle nichts mehr ausgeführt werden.108 Deutschland hat erklärtermaßen mit dem Neunundvierzigsten Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches vom 21. Januar 2015109 102 BVerfGE 25, 88 (101). 103 BVerfGE 25, 88 (101). 104 Dies ist eine Konsequenz der klassischen Stufentheorie des BVerfG, s. hierzu statt aller Mann, in: Sachs, Grundgesetz Kommentar, 7. Auflage 2014, Art. 12 Rn. 125 ff. 105 Beschl. vom 25.09.2003 - 2 BvR 1580/03. 106 BVerfGE 66, 337 (353), s.a. LG Marburg, NStZ-RR 2007, 172. 107 Vgl. Ehrmann/Breitfeld, FPR [Familie Partnerschaft Recht] 2012, 418 (419); Wiesner, SGB VIII, 4. Auflage 2011, § 72a Rn. 4. 108 Allg. Streinz, Europarecht, 9. Auflage 2012, Rn. 478 ff. 109 BGBl 2015 I S. 10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 031/15 Seite 18 europäische Vorgaben zum Sexualstrafrecht umsetzen wollen. Neben der Richtlinie 2011/93/EU werden im Gesetzesentwurf auch das Übereinkommen des Europarats zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch (ETS 201 – Lanzarote-Konvention) und das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (ETS 210 – Istanbul-Konvention) genannt.110 Das Umsetzungsverfahren war von der Erkenntnis geleitet, dass die deutsche Rechtordnung bereits größtenteils den europäischen Anforderungen genügt.111 Insbesondere im Strafgesetzbuch seien jedoch einige Reformen notwendig.112 Allerdings wird in sämtlichen veröffentlichten Gesetzgebungsmaterialien kein Umsetzungsbedarf bezüglich Art. 10 der Richtlinie 2011/93/EU gesehen, genau genommen wird die Vorschrift nicht einmal in den parlamentarischen Erörterungen genannt.113 Da die deutsche Rechtsordnung ein Äquivalent des § 220b öStGB nicht kennt, stellt sich die Frage, ob in diesem Zusammenhang die Richtlinie 2011/93/EU in Deutschland nicht umfassend umgesetzt wurde. Hierzu muss auf das oben genannte Resümee verwiesen werden, dass die Richtlinie gerade keine Umsetzung des in Art. 10 geforderten Tätigkeitsausschlusses mit den Mitteln des Strafrechts verlangt . Mit der Formulierung „Um das Risiko der Wiederholung der Straftat zu vermeiden“ belegt Art. 10 der Richtlinie, dass primäre Ziel der Kriminalprävention. Der staatlichen Rechtsordnung stehen hierzu jedoch noch weitere Regulierungsmöglichkeiten offen, denn Prävention als kriminalpolitisches Konzept lässt sich auf vielfältige Art realisieren.114 Das Strafrecht als ultima ratio des Rechtsstaates sollte deshalb nicht zuerst in den Blick geraten.115 Das deutsche Recht hält einige Regelungen bereit, die der Prävention von Sexualstraftaten zulasten Minderjähriger dienen, jedoch nicht in ein förmliches Strafverfahren eingebunden sind. 6.1. Vorschriften, die einen Tätigkeitsausschluss ermöglichen Neben der strafrechtlichen Regelung des § 70 StGB existieren insbesondere im öffentlichen Recht weitere Regelungen zu Tätigkeitsverboten, die den Schutz Minderjähriger vor Sexualstraftaten im Blick haben. 110 Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom 23. September 2014, Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht, BT-Drs. 18/2601, S. 1. 111 BT-Drs. 18/2601 [Fn. 110], S. 1. 112 BT-Drs. 18/2601, [Fn. 110], S. 1 f; s.a. Ziemann/Ziethen, ZRP [Zeitschrift für Rechtspolitik] 2012, 168. 113 BT-Drs. 18/2601 [Fn. 110]; BT-PlPr 18/54 S. 4932 ff; BT-PlPr 18/67 S. 6337; BT-PlPr 18/67 S. 6351; BT.-Drucks. 18/3202 (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz). 114 Bock, Kriminologie, 4. Auflage 2013, Rn. 893 ff. 115 Vgl. Wiesner, SGB VIII, 4. Auflage 2011, § 72a Rn. 5, krit. auch Renzikowski, in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Auflage 2012, Vorbemerkungen §§174 ff Rn. 79 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 031/15 Seite 19 6.1.1. § 72a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch i.V.m. dem sog. erweiterten Führungszeugnis Die Regelung des § 72a Abs. 1 Satz 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch – Kinder und Jugendhilfe – (SGB VIII)116 sieht explizit vor, dass Personen, die rechtskräftig wegen einer der dort genannten Straftaten verurteilt wurden, nicht von den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe für Aufgaben in der Kinder- und Jugendhilfe beschäftigt oder vermittelt werden dürfen. Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sollen zudem durch Vereinbarungen mit Trägern der freien Jugendhilfe sicherstellen , dass auch diese die entsprechend verurteilten Personen nicht beschäftigen, § 72a Abs. 2 SGB VIII. Die Abs. 3 und 4 des § 72a SGB VIII sehen korrespondierende Regelungen für nebenund ehrenamtlich Tätige vor.117 Die Aufzählung der Delikte in § 72a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII umfasst auch den sexuellen Missbrauch von Kindern und die entsprechenden Qualifikationen (§§ 176 – 176b StGB), sowie die Straftaten bezüglich kinder- und jugendpornographische Schriften (§§ 184b, c StGB). Zu diesen Zweck sollen sich die entsprechenden Stellen sowohl vor der Vermittlung bzw. der Einstellung als auch in regelmäßigen Abständen während der Beschäftigung ein sog. erweitertes Führungszeugnis vorlegen lassen. Nach alter Rechtslage war mit dem regulären Führungszeugnis nicht unbedingt ein hinreichender Erkenntnisgewinn zur Vorgeschichte verbunden.118 Denn um die Resozialisierung der jeweiligen Person nicht über Gebühr zu beeinträchtigen, sind bestimmte Eintragungen des Zentralregisters nicht im (regulären) Führungszeugnis aufzunehmen, vgl. § 32 Abs. 2 Bundeszentralregistergesetz (BZRG)119.120 Um Kinder und Jugendliche vor tatgeneigten Personen zu schützen, insbesondere bei intensiven Kontakt mit Minderjährigen, wurde 2009 das sog. erweiterte Führungszeugnis eingeführt, 121 das nicht den Restriktionen des § 32 Abs. 2 BZRG unterliegt (siehe. § 32 Abs. 5 BZRG).122 §72a SGB VIII ermöglicht daher in Verbindung mit dem erweiterten Führungszeugnis eine besondere Eignungsprüfung für in der Jugendhilfe tätige Personen.123 Die verwaltungsrechtliche Regelung des § 72a SGB VII bietet im Ergebnis eine effektive Grundlage, um nicht geeignete Personen aus Tätigkeiten der 116 Achtes Buch Sozialgesetzbuch – Kinder und Jugendhilfe – in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. September 2012 (BGBl. I S. 2022), zuletzt geändert durch Artikel 2 Absatz 8 des Gesetzes vom 21. Januar 2015 (BGBl. I S. 10), abrufbar unter: http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_8/BJNR111630990.html [Stand: 24. Februar 2015]. 117 Ausführlich Weber/Wocken, JAmt [Das Jugendamt] 2012, 62. 118 Zur alten Rechtslage s. Hase, Bundeszentralregistergesetz, 2. Auflage 2014, § 30a Rn. 1. 119 Bundeszentralregistergesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. September 1984 (BGBl. I S. 1229, 1985 I S. 195), zuletzt geändert durch Artikel 2 Absatz 4 des Gesetzes vom 21. Januar 2015 (BGBl. I S. 10), abrufbar unter: http://www.gesetze-im-internet.de/bzrg/BJNR002430971.html [Stand: 24. Februar 2015]. 120 Pfeiffer, NJW 2010, 1109; zu diesem Spannungsfeld s.a. Gesetzentwurf der Bundesregierung vom Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes, BT-Drs. 16/12427, S. 7. 121 BGBl. I S. 1952. 122 Pfeiffer, NJW 2010, 1109. 123 BT.-Drucks. 16/12427[Fn. 120], S. 7; Hase, Bundeszentralregistergesetz, 2. Auflage 2014, § 30a Rn. 1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 031/15 Seite 20 Jugendhilfe auszuschließen.124 Man wird der Vorschrift wegen der indizierten Gefährlichkeit der Täter durch die Vorverurteilung auch nicht ihre Verhältnismäßigkeit absprechen können.125 Der Gesetzgeber hat sich bewusst dazu entschieden, auch Verurteilungen zu geringen Strafen wegen der in § 32 Abs. 5 BZRG genannten Delikte in das erweiterte Führungszeugnis mit einzubeziehen , um einen effektiven Jugendschutz zu ermöglichen. Dabei war auch die Überlegung maßgeblich , dass „bei diesen Tätern möglicherweise eine so schwere Störung vorliegt, dass weitere einschlägige Straftaten nicht auszuschließen sind.“126 Da die Vorschrift nicht voraussetzt, dass das entsprechende Sexualdelikt im beruflichen Kontext begangen wurde, ähnelt sie in ihrem Tatbestand § 220b öStGB. Der Ausschluss ist für Träger der öffentlichen Jugendhilfe zwingend („dürfen … keine Person beschäftigen“, § 72a Abs. 1 SGB VIII),127 für die privaten Träger gesetzliches Leitbild („sollen“, § 72a Abs. 2 SGB VIII.128 Der Anwendungsbereich ist jedoch auf eine Tätigkeit in der Jugendhilfe beschränkt. Das erweiterte Führungszeugnis soll aber nicht nur im Bereich der öffentlichen und freien Jugendhilfe zu einem Mittel der Kriminalitätsprävention werden, sondern generell für sämtliche berufliche oder ehrenamtliche Tätigkeiten, bei der Minderjährige beaufsichtigt, betreut, erzogen oder ausgebildet werden bzw. solche, bei denen typischerweise in vergleichbaren Umfang Kontakt zu Minderjährigen hergestellt wird, beispielsweise als Hausmeister an Schulen (vgl. (§ 30a Abs. 1 Nr. 2 lit. b, c BZRG).129 Nach der gesetzlichen Grundkonzeption des BZRG kann jede Person , die das 14. Lebensjahr vollendet hat, ein Führungszeugnis beantragen. Für das erweiterte Führungszeugnis, das wegen § 32 Abs. 5 BZRG einen schwereren Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Antragstellers bedeutet130, ist eine Erteilung nur in den in § 30a BZRG genannten Fällen vorgesehen und damit auch in dem Bereich, der regelmäßig mit intensiven Kontakt mit Minderjährigen einhergeht. Damit wird den entsprechenden Arbeitgebern die Befugnis vermittelt, von ihren (potentiellen) Arbeitnehmern das erweiterte Führungszeugnis verlangen und eine Eignungsprüfung vornehmen zu können.131 Der Gesetzgeber hat somit eine Möglichkeit geschaffen, dass sich Arbeitgeber über die Eignung ihrer Arbeitnehmer bzw. Bewerber mittels des erweiterten Führungszeugnisses informieren können. Das Regelungsgefüge hat folglich eine gesellschaftliche Selbstkontrolle zum Ausgangspunkt und unterscheidet sich daher diametral von § 220b öStGB, der letztendlich die gleichen Ziele verfolgt, hierfür aber auf einen staat- 124 So die Einschätzung von Weber/Wocken, JAmt 2012, 62 (66). 125 Wiesner, SGB VIII, 4. Auflage 2011, § 72a Rn. 6; Weber/Wocken, JAmt 2012, 62 (66). 126 BT.-Drucks. 16/12427[Fn. 120], S. 7. 127 Kößler, in: Schlegel/Voelzke, juris Praxiskommentar zum SGB VIII, § 72a Rn. 9. 128 Kößler, in: Schlegel/Voelzke, juris Praxiskommentar zum SGB VIII, § 72a Rn. 23 f. 129 BT.-Drucks. 16/12427 [Fn. 120], S. 8. 130 Vgl. LAG Hamm, Urt. v. 04.07.2014 - 10 Sa 171/14. 131 Ausf. Joussen, NZA [Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht] 2012, 776 (778 ff); zum Antragsverfahren s. Pfeiffer, NJW 2010, 1110. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 031/15 Seite 21 lichen, strafbewehrten Imperativ zurückgreift. Schon aus Eigeninteresse wird man davon auszugehen haben, dass die Arbeitnehmer die gesetzliche Möglichkeit der Arbeitnehmerkontrolle wahrnehmen.132 6.1.2. Verbot der Beschäftigung durch bestimmte Personen, § 25 Jugendarbeitsschutzgesetz § 25 Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG)133 verbietet es einem einschlägig rechtskräftig Vorbestraften (s. insbesondere § 25 Abs. 1 Nr. 3 JArbSchG) Jugendliche zu beschäftigen sowie im Rahmen eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 1 JArbSchG zu beaufsichtigen, anzuweisen, auszubilden und mit der Beaufsichtigung, Anweisung oder Ausbildung von Jugendlichen beauftragt zu werden. Das Gesetz geht von der Überlegung aus, dass eine Verurteilung wegen einer der in § 25 Abs. 1 JArbSchG genannten Delikte belegt, dass die entsprechenden Personen nicht zuverlässig genug sind, um Jugendliche zu betreuen.134 Der Verstoß gegen § 25 JArbSchG ist gem. § 58 Abs. 2 JArbSchG bußgeldbewehrt; unter der Voraussetzung des § 58 Abs. 5 JArbSchG liegt sogar eine Straftat vor. § 25 JArbSchG ist somit ebenfalls eine Norm, die präventive Anliegen verfolgt, in ihrem Anwendungsbereich aber hinter § 220b öStGB zurück bleibt, da sie nur im Rahmen von Beschäftigungsverhältnisse i.S.d. § 1 JArbSchG Anwendung findet. Das Verbot gilt für einen Zeitraum von 5 Jahren ab Rechtskraft der strafgerichtlichen Entscheidung, § 25 Abs. 1 S. 2 JArbSchG. Das Tätigkeitsverbot ist eine gemäß § 5 I Nr. 7 BZRG im Bundeszentralregister einzutragende Nebenfolge der Verurteilung135 und somit dem (regulären) Führungszeugnis zu entnehmen.136 Die §§ 72a SGB VIII, 25 JArbSchG verfolgen zwar die gleichen Ziele, ihre gesetzliche Ausgestaltung ist jedoch verschieden,137 insbesondere da § 25 JArbSchG nicht (zwingend) mit dem Institut des erweiterten Führungszeugnisses parallel läuft. Denn § 25 JArbSchG stellt keine Vorschrift im Sinne des § 30a Abs. 1 Nr. 1 BZRG dar und eröffnet demzufolge für sich nicht die Möglichkeit, ein erweitertes Führungszeugnis zu beantragen.138 Allerdings ist es unter den Voraussetzungen 132 Beispielhaft sei hier die Praxis des Diakonischen Werkes in Niedersachsen genannt. Entsprechend einer Rundverfügung dürfen im einschlägigen Tätigkeitsbereich nur Personen beschäftigt werden, die ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen und dieses keine relevanten Eintragungen enthält. S. file:///N:/GLW_wd7-gl/Elektronische %20Akten%20Jahr%202015/WD%207-3000-031-15/Anlage-7-erweiterte-Fuehrungszeugnisse-Info-18-05- 11%20(1).pdf [Stand: 24. Februar 2015]. 133 Jugendarbeitsschutzgesetz vom 12. April 1976 (BGBl. I S. 965), zuletzt geändert durch Artikel 2 Absatz 7 des Gesetzes vom 21. Januar 2015 (BGBl. I S. 10), http://www.gesetze-im-internet.de/jarbschg/BJNR009650976.html [Stand: 26. Februar 2015]. 134 Weyand, Jugendarbeitsschutzgesetz, 1. Auflage 2013, § 25 Rn. 1; s.a. VG Ansbach, GewArch [Das Gewerbearchiv ] 2007, 292. 135 OLG Karlsruhe, NStZ 1990, 396. 136 OLG Hamm, Beschl. v. 14.01.1988 – 1 VAs 89/87 - Juris. 137 Kößler, in: Schlegel/Voelzke, juris Praxiskommentar zum SGB VIII, § 72a Rn. 3. 138 LAG Hamm; Urt. v. 25.04.2014 • Az. 10 Sa 1718/13 - Juris. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 031/15 Seite 22 des § 30a Abs. 1 Nr. 2 BZRG möglich, ein erweitertes Führungszeugnis zu beantragen, in dem gemäß § 32 Abs. 5 BZRG das Beschäftigungsverbot vermerkt ist. 6.1.3. Tätigkeitsverbietende Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht Die Führungsaufsicht (§§ 68 ff StGB) ist eine Maßregel der Besserung und Sicherung, die einerseits den Täter überwachen und so kontrollieren, ihm andererseits aber auch mit Hilfe und Betreuung für die Wiedereingliederung zur Seite stehen will.139 Diese kann gem. § 181b i.V.m. § 68 StGB bei einer Verurteilung wegen einer Straftat nach §§ 174 bis 174c, 176 bis 180, 181a oder § 182 StGB angeordnet werden, insbesondere also bei den Missbrauchsdelikten. Mittel für das kriminalpolitische Ziel der Führungsaufsicht sind insbesondere die Weisungen gemäß § 68b Abs. 1 StGB. Ein Verstoß gegen diese ist gemäß § 145a StGB strafbar. § 68b Abs. 1 Nr. 4 StGB gibt dem Gericht die Befugnis, die verurteilte Person anzuweisen, „bestimmte Tätigkeiten nicht auszuüben , die sie nach den Umständen zu Straftaten missbrauchen kann“. Dementsprechend erscheint es möglich, einem Sportlehrer, der wegen eines Sexualdeliktes belangt wurde, die Betreuung von Jugendsportmannschaften zu untersagen.140 Die Weisung darf aber nicht so weit gehen, dass sie materiell einem Berufsverbot gemäß § 70 StGB gleichkommt. Anderenfalls würde über das Recht der Führungsaufsicht die Voraussetzungen des Berufsverbotes untergraben und dem Täter die Privilegierung des § 70a StGB abgeschnitten werden.141 Gegenstand einer Weisung gemäß § 68b Abs. 1 Nr. 4 StGB können daher nur außerberufliche Tätigkeiten sowie spezifische Teilaspekte der Berufsausübung sein.142 Da die Regelung eine große Variabilität bezüglich der Anforderungen des Einzelfalls bietet, erscheint es nicht ausgeschlossen, dass eine Weisung trotz der genannten Restriktionen effektive Prävention zu leisten vermag, obgleich die Praxis von § 68b Abs. 1 Nr. 4 StGB wenig Gebrauch macht.143 6.2. Verstoß des Art. 10 der Richtlinie 2011/93/EU gegen primäres Unionsrecht? Nur kurz soll noch auf die Stellungnahme des Deutschen Richterbundes (DRB) zum Vorschlag der Richtlinie 2011/93/EU hingewiesen werden, in der die Auffassung vertreten wird, die EU besitze für das in Art. 10 der Richtlinie 2011/93/EU vorgesehene Tätigkeitsverbot keine Kompetenzgrundlage , vielmehr schließe Art. 84 AEUV harmonisierende Maßnahmen auf dem Gebiet der 139 Meier, Strafrechtliche Sanktionen, 4. Auflage 2015, S. 292. 140 Das Beispiel stammt von Groß, in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Auflage 2012, § 68b Rn. 16; weitere Beispiele bei Ostendorf, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch, 4. Auflage 2013, § 68b Rn. 12. 141 OLG Frankfurt a.M., NStZ-RR 2011, 140; Ostendorf, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch, 4. Auflage 2013, § 68b Rn. 12. 142 OLG Dresden, NStZ 2008, 572 (573); Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder Strafgesetzbuch, 29. Auflage 2014, § 68b Rn. 8. 143 Groß, in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Auflage 2012, § 68b Rn. 16. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 031/15 Seite 23 Kriminalprävention ausdrücklich aus.144 Grund für die Regelung des Art. 84 AEUV ist die Überlegung , dass Kriminalprävention gerade keine ausdrückliche Strafrechtsmaterie ist, sondern mit vielerlei Optionen und mit unterschiedlichen Steuerungsmechanismen auf verschiedenen Rechtsgebieten realisiert werden kann.145 Zur Schonung der nationalen Kompetenzen hat die EU daher auf diesem Gebiet keine Harmonisierungszuständigkeit. 6.3. Zwischenergebnis Deutschland hat die Vorgaben des Art. 10 der Richtlinie 2011/93/EU zwar nicht in einer singulären Regelung umgesetzt. Allerdings bietet die hiesige Rechtsordnung unterschiedliche Instrumente , um einem vorbestraften Sexualstraftäter Tatmöglichkeiten vorzuenthalten und so Minderjährige vor entsprechenden Delikten zu schützen. Ein Umsetzungsdefizit ist insofern nicht zu erkennen , unabhängig von der Frage nach der Rechtsgültigkeit des Art. 10 der Richtlinie 2011/93/EU. 7. Verfassungsrechtliche Anforderungen an ein strafbewehrtes Tätigkeitsverbot nach österreichischem Vorbild Wie bereits ausgeführt, stellt ein Berufsverbot einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 GG dar. Im Sinne der Stufentheorie des BVerfG (vgl. Fn. 104) liegt in einem Berufsverbot gleich welcher Rechtsnatur eine objektive Zulassungsschranke und somit der denkbar schwerwiegendste Eingriff, der sich nur rechtfertigen lässt, wenn der Schutz eines überragend wichtigen Gemeinschaftsgutes vor nachweisbaren oder höchstwahrscheinlichen Gefahren Regelungsziel ist.146 Das BVerfG hat den Jugendschutz bereits mehrfach als Rechtsgut von hohem Rang anerkannt.147 Insbesondere da es vorliegend um den sensiblen Bereich der Prävention von Sexualstraftaten zulasten Minderjähriger geht, dürfte an sich eine den Eingriff in die Berufsfreiheit des Täters legitimierende Rechtsposition vorliegen. Um dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu genügen, müsste die entsprechende Regelung aber auch erforderlich und angemessen sein. Die Prüfung dieser Maßstäbe kann dabei naturgemäß nur an einer konkreten Regelung erfolgen. Ob eine Norm wie der § 220b öStGB tatsächlich verhältnismäßig ist, kann hier offen bleiben. Dennoch muss auf den tradierten Kritikpunkt an der Parallelität der zwei Sanktionsspuren hingewiesen werden, nachdem der Täter einen rechtsdogmatischen Unterschied zwischen Strafe und Maßregel regelmäßig nicht erkennt, eine Anordnung von Strafe einerseits und Tätigkeitsverbot andererseits für ihn also eine doppelte Härte darstellt.148 Auch stellt das Tätigkeitsverbot ein zusätzliches Stigma dar. Zuletzt erscheint der in § 220b öStGB vorgesehene Automatismus des Berufsverbotes kritikwürdig, kann dieser doch im Einzelfall den Blick vor anderen Maßnahmen wie einer Therapie verschließen, 144 Stellungnahme des DRB zum Vorschlag für Richtlinie zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern v. 17.3.2011 – zitiert nach juris. 145 Suhr, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Auflage 2011, Art. 84 AEUV Rn. 1 m.w.N; zur Vielschichtigkeit des Präventionsbegriffs s. Neubacher, Kriminologie, 2. Auflage 2014, 13. Kap. Rn. 1. 146 Scholz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 72. Ergänzungslieferung 2014, Art. 12 Rn. 378. 147 BVerfGE 47, 109 (116 ff.); s.a. BVerfGE 30, 336 (350 f.). 148 Wedekind, Die Reform des strafrechtlichen Berufsverbots, 2006, S. 32. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 031/15 Seite 24 die zwar mit empirischen Unsicherheiten zu kämpfen haben, aber stärker die Resozialisierung des Täters in den Blick nehmen.149 In Ergänzung dazu ist zu berücksichtigen, dass das BVerfG für den Bereich eines Berufsverbotes betont hat, dass über die Verhältnismäßigkeit der entsprechenden Regelung insbesondere ihre Anwendung im Einzelfall entscheidet.150 Das setzt denknotwendig einen Entscheidungsspielraum voraus. Ob hierfür eine Zumessungskompetenz genügt, während die Frage nach dem Ob normativ vorgegeben wird, ist fraglich. Problematisch ist hieran auch, dass es zu den gesicherten Erkenntnissen der Kriminologie gehört, dass es „den“ Sexualstraftäter nicht gibt, sondern vielmehr ganz unterschiedliche Tätertypen.151 Es liegt nahe, auf diese differenzierte Lebenswirklichkeit mit einem differenzierten Rechtsfolgeninstrumentarium zu antworten. Auch § 70 StGB, der die Anordnung des Berufsverbotes in das Ermessen des Gerichts stellt, hat allein wegen dieser Klausel einen strukturellen verfassungsrechtlichen Vorteil gegenüber § 220b öStGB, erlaubt er doch die Einzelfallprüfung, ob das Berufsverbot noch tatsächlich notwendig ist, oder andere Mechanismen bereits zum gleichen Ziel führen.152 Hinzu kommt, dass in Deutschland andere Maßnahmen eingeführt wurden (§ 72a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII, Verbot der Beschäftigung durch bestimmte Personen, § 25 JArbSchG), die in gleich effektiver Weise Jugendschutz ermöglichen, ohne dass die für den Täter einschneidenden Erfahrungen des Strafprozesses intensiviert werden müssten. 149 Vgl. Renzikowski, in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Auflage 2012, Vorbemerkungen §§174 ff Rn. 69 ff; zur konzeptionellen Schwäche eines Berufsverbotes bzgl. dem Resozialisierungsgedanken s. Wedekind, Die Reform des strafrechtlichen Berufsverbots, 2006, S. 32 ff¸s.a. Jäger, ZRP 2001, 28. 150 BVerfGE 66, 337 (355). 151 S. Neubacher, Kriminologie, 2. Auflage 2014, 25. Kap. Rn. 1; Renzikowski, in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Auflage 2012, Vorbemerkungen §§174 ff Rn. 72. 152 Schöch, in: Leipziger Kommentar Strafgesetzbuch, Band 3, 12. Auflage 2008, Vorbemerkungen § 61 Rn. 74 f.