© 2019 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 030/19 Zum Doppelbestrafungsverbot im Ordnungswidrigkeitenrecht Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Einleitung Die folgende Darstellung beleuchtet summarisch das Doppelbestrafungsverbot im Ordnungswidrigkeitenrecht unter besonderer Berücksichtigung des Verhältnisses von strafbaren Aufsichtspflichtverletzungen und Bußgeldtatbeständen nach der EG-FGV1 und dem StVG2. 2. Doppelbestrafungsverbot Ist eine Tat als Ordnungswidrigkeit durch rechtskräftigen Bußgeldbescheid geahndet oder über die Tat rechtskräftig durch ein Gericht entschieden worden, ist eine erneute Ahndung als Ordnungswidrigkeit unzulässig, § 84 Abs. 1 OWiG3. Die Norm überträgt damit das strafrechtliche Doppelbestrafungsverbot auf das Ordnungswidrigkeitenrecht. An der Garantie des Art. 103 Abs. 3 GG4 hat die Norm nicht teil, da diese lediglich eine mehrmalige Bestrafung „auf Grund der allgemeinen Strafgesetze” verbietet.5 Allein die Ahndung durch einen rechtskräftigen Bußgeldbescheid steht einer Verfolgung als Straftat jedoch nicht entgegen. § 84 Abs. 1 OWiG schließt nur die erneute Verfolgung als Ordnungswidrigkeit aus. § 84 Abs. 2 OWiG ordnet an, dass ein rechtskräftiges Urteil auch die Verfolgung als Straftat ausschließt. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass auch nachdem ein Bußgeldbescheid erlassen und rechtskräftig wurde, eine Strafverfolgung möglich bleibt.6 Zu beachten ist, dass strafrechtliche Sanktionen nur gegen natürliche Personen zulässig sind.7 Ist der Bußgeldbescheid gegen eine juristische Person verhängt worden, so kommt eine weitere Verfolgung auch nach § 84 Abs. 2 OWiG nicht mehr in Betracht. Ein gegen eine juristische Person verhängter rechtskräftiger Bußgeldbescheid schließt daher eine erneute Ahndung sowohl unter dem Gesichtspunkt von Straftaten wie von Ordnungswidrigkeiten aus. Voraussetzung für das Eingreifen des Doppelbestrafungsverbotes ist das Vorliegen „derselben Tat“. Dies meint hier das Vorliegen einer Tat im verfahrensrechtlichen Sinne, §§ 46 Abs. 1 1 EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung vom 3. Februar 2011 (BGBl. I S. 126), die zuletzt durch Artikel 7 der Verordnung vom 23. März 2017 (BGBl. I S. 522) geändert worden ist. 2 Straßenverkehrsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. März 2003 (BGBl. I S. 310, 919), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 4. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2251) geändert worden ist. 3 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Februar 1987 (BGBl. I S. 602), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 17. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2571) geändert worden ist. 4 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100- 1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 13. Juli 2017 (BGBl. I S. 2347) geändert worden ist. 5 BVerfG, Beschluss vom 9. 11. 1976, Aktenzeichen: 2 BvL 1/76; OLG Jena, Beschluss vom 5. 1. 2006, Aktenzeichen : 1 Ss 179/04. 6 Vgl. Lutz, in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Auflage 2018, § 84 Rn. 3. 7 Vgl. zur kriminalpolitischen Debatte um die Einführung eines „Unternehmensstrafrechts“ Beisheim/Jung, Unternehmensstrafrecht : Der neue Kölner Entwurf eines Verbandssanktionengesetzes (VerbSG-E), CCZ 2018, 63. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 030/19 Seite 5 OWiG, 264 Abs. 1 StPO8. Insoweit sind strafprozessuale Maßstäbe heranzuziehen.9 Dies ist nicht nur bei Vorliegen einer Tat im natürlichen Sinne,10 sondern auch bei einer natürlichen Handlungseinheit, einer Bewertungseinheit oder einer Dauerordnungswidrigkeit der Fall.11 Nicht entscheidend ist, ob die Lebensvorgänge materiell-rechtlich mehrere Taten bilden.12 Vom verfahrensrechtlichen Tatbegriff umfasst ist der gesamte geschichtliche Vorgang, innerhalb dessen die Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen wurden soll.13 Unzulässig ist eine unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs.14 Das Vorliegen derselben Tat ist stets eine Einzelfallentscheidung und setzt eine umfassende Prüfung des Lebenssachverhaltes voraus.15 Die Reichweite der Sperrwirkung eines rechtskräftigen Bußgeldbescheides kann daher nur im Einzelfall beurteilt werden. 3. Verhältnis von Straf- zu Bußgeldtatbeständen Für die Ermittlung, ob mehrere Taten im verfahrensrechtlichen Sinne vorliegen, ist es grundsätzlich irrelevant, ob ausschließlich entweder Straf- oder Bußgeldtatbestände oder Normen beider Bereiche im Raum stehen. Wird ein Bußgeldbescheid gemäß § 30 OWiG auf eine zurechenbare Straftat gestützt, bedeutet allein die Einstufung als Straftat nicht das Vorliegen einer Sperrwirkung gegenüber Ordnungswidrigkeiten als Bezugstaten des § 30 OWiG. Dies folgt bereits aus den Regelungszusammenhang der §§ 40 ff. OWiG, welche von der Möglichkeit einer Verfolgung einer Tat als Straftat und Ordnungswidrigkeit ausgehen. Eine Ahndung gemäß § 30 OWiG, welche auf Straftaten wie etwa Betrug (§ 263 StGB), ggf. in Verbindung mit von § 130 OWiG erfassten Aufsichtspflichtverletzungen, gestützt wird, schließt daher grundsätzlich nicht eine separate Ahndung von Verstößen gemäß § 37 EG-FGV (i. V. m. §§ 23, 24 StVG) aus. Ansatzpunkt sind im Falle des § 130 die bebußten Aufsichtspflichtverletzungen , nicht die begangenen Zuwiderhandlungen.16 8 Strafprozeßordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), die zuletzt durch Artikel 12 des Gesetzes vom 18. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2639) geändert worden ist. 9 OLG Jena, Beschluss vom 5. 1. 2006, Aktenzeichen: 1 Ss 179/04. 10 Norouzi, in: Münchener Kommentar zur StPO, Band 2, 1. Auflage 2016, § 264 Rn. 20. 11 Ganter, in: BeckOK OWiG, Stand: 1.1.2019, § 84 Rn. 7. 12 Eschelbach, in: BeckOK StPO, Stand: 1.1.2019, § 264 Rn. 5. 13 So für das Strafrecht BGH, Urteil vom 21. 12. 1983, Aktenzeichen: 2 StR 578/83; Eschelbach (oben Fußn. 10) § 264 Rn. 4; Norouzi ( oben Fußn. 8), § 264 Rn. 10. 14 Norouzi (oben Fußn. 8), § 264 Rn. 10. 15 Vgl. Ganter (oben Fußn. 9), § 84 Rn. 6. 16 Bohnert/Krenberger/Krumm, in: Krenberger/Krumm, Ordnungswidrigkeitengesetz, Kommentar, 5. Auflage 2018, § 130 Rn. 41. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 030/19 Seite 6 Entscheidend ist, ob im Einzelfall das Unrecht des Betruges das in § 37 EG-FGV normierte Verwaltungsunrecht mitumfasst. Die bloße Verwirklichung mehrerer Normen des Ordnungswidrigkeiten - oder Strafrechts begründet noch nicht das Vorliegen mehrerer Taten im verfahrensrechtlichen Sinne.17 Auch spricht der unterschiedliche Charakter von Strafvorschriften und solchen des Ordnungswidrigkeitenrechts nicht pauschal gegen eine Tat im verfahrensrechtliche Sinne.18 Liegt materiell-rechtlich Tatmehrheit vor, werden die Taten allerdings nicht schon dadurch zu einer Tat im verfahrensrechtlichen Sinne, dass der Handelnde sie in einen Gesamtplan aufnimmt.19 Im Rahmen einer funktionalen Betrachtung20 sprechen jedoch eine einheitliche Willensbildung im Rahmen eines Tatplans, eine sukzessive Tatausführung und das Erreichen eines bestimmten Endziels für eine Tat im verfahrensrechtlichen Sinne.21 Indizien gegen die Annahme einer einheitlichen Tat sind unterschiedlichen Angriffsrichtungen und die Verletzung unterschiedlicher Rechtsgüter.22 Dies ist auch eine Wertungsfrage.23 So schützt der Straftatbestand des Betrugs (§ 263 StGB) das Individualrechtsgut des Vermögens.24 Der Schutzweck von § 37 EG-FGV dagegen ist in Ansehung des europarechtlichen Rechtsrahmens zu bestimmen. Der von § 37 EG-FGV in Bezug genommene § 27 EG-FGV verweist auf die Richtlinie 2007/46/EG25, welche wiederum in Erwägungsgrund 20 und in Art. 46 i. V. m. Anhang 4 Teil ausdrücklich auf die Verordnung (EG) Nr. 715/200726 Bezug nimmt. Deren Ziel ist insbesondere , ein „hohes Umweltschutzniveau“ sicherzustellen (Erwägungsgrund 1).27 Entscheidend für die Beurteilung ist letztlich die genaue Beschreibung des rechtskräftig beurteilten Lebensvorgangs. Wenn sich die weitere Tat nach den Anschauungen des Lebens nicht von 17 Eschelbach (oben Fußn. 10) § 264 Rn. 5. 18 So aber wohl Klinger, Rechtsgutachten zur Festsetzung von Geldbußen gegenüber Kraftfahrzeugherstellern wegen der Verwendung illegaler Abschalteinrichtungen, 4. 7. 2018, S. 23 (https://www.duh.de/fileadmin/user_upload /download/Projektinformation/Verkehr/dieselgate/180718_PK_Billboards/Rechtsgutachten_Bußgelder _Klinger.pdf). 19 Eschelbach (oben Fußn. 10), § 264 Rn. 7. 20 Eschelbach (oben Fußn. 10), § 264 Rn. 7. 21 Eschelbach (oben Fußn. 10), § 264 Rn. 6. 22 BGH, Urteil vom 1.10. 1997, Aktenzeichen: 2StR 520/96; Eschelbach (oben Fußn. 10), § 264 Rn. 8. 23 So BGH, Urteil vom 1.10. 1997, Aktenzeichen: 2StR 520/96 für den Fall der Bewertungseinheit. 24 Hefendehl, in: Münchener Kommentar zum StGB, Band 5, 3. Auflage 2019, § 263 Rn. 1. 25 Richtlinie 2007/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. September 2007 zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge (Rahmenrichtlinie). 26 Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge. 27 Dazu auch Führ, NVwZ 2017, 265, 265. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 030/19 Seite 7 diesem Lebensvorgang abtrennen lässt, spricht dies dafür, dass eine Tat im verfahrensrechtlichen Sinne vorliegt. 4. Zuständigkeit Die Verfolgungszuständigkeit ist im Ordnungswidrigkeitenrecht auf die zuständige Verwaltungsbehörde und die Staatsanwaltschaft aufgeteilt. Ordnungswidrigkeiten werden durch die Verwaltungsbehörde verfolgt, § 35 Abs. 1 OWiG. Dies ist im Falle von Verstößen gegen §§ 23, 24 StVG die zuständige Landesbehörde (§ 26 Abs. 1 StVG), unter den Voraussetzungen des § 26 Abs. 2 StVG jedoch das Kraftfahrt-Bundesamt. Dieses muss nach § 26 Abs. 2 StVG für den Vollzug der bewehrten Vorschriften zuständig sein. Das Kraftfahrt-Bundesamt ist Genehmigungsbehörde gemäß § 2 Abs. 1 EG-FGV und für den Vollzug von Ordnungswidrigkeiten nach § 23 StVG (auch in Verbindung mit § 37 EG-FGV) zuständig.28 Die aus § 35 Abs. 1 OWiG folgende Zuständigkeit des Kraftfahrt-Bundesamtes könnte jedoch gemäß § 40 OWiG durch diejenige der Staatsanwaltschaft verdrängt sein. Demnach ist die Staatsanwaltschaft auch für die Verfolgung einer Straftat unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer Ordnungswidrigkeit zuständig. Ist ein Bußgeldbescheid der Staatsanwaltschaft auf Straftaten als Bezugstaten gestützt, so wäre sie auch für die Ahndung unter dem Aspekt von Ordnungswidrigkeiten zuständig. Insofern gilt aber hier wiederum die Begrenzung auf das Vorliegen derselben Tat.29 Die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft für die Verfolgung umfasst nicht auch die Zuständigkeit für die Ahndung der Ordnungswidrigkeit durch Bußgeld, wie aus der Regelung des § 35 Abs. 1 und 2 OWiG folgt.30 Sie kann allein auf eine solche Ahndung hinwirken,31 insbesondere Anklage vor Gericht erheben.32 Im Falle einer Ordnungswidrigkeit nach §130 OWiG, die an eine Straftat anknüpft, ist die Ahndungskompetenz der Staatsanwaltschaft dagegen faktisch akzeptiert, wenn auch nicht gerichtlich bestätigt.33 Dies folgt letztlich aus § 131 Abs. 3 OWiG.34 Infolge des Doppelbestrafungsverbots wäre eine eigenständige Ahndung von Ordnungswidrigkeiten neben einem bereits verhängten Bußgeldbescheid unzulässig. 28 Euler, in: BeckOK OWiG, Stand: 1. 1. 2019, StVG § 26 Rn. 3. 29 Inhofer, in: BeckOK OWiG, Stand: 1. 1. 2019, OWiG § 40 Rn. 3. Siehe oben Gliederungspunkt 3. 30 Inhofer (a. a. O.), § 40 Rn. 8. 31 Inhofer (a. a. O.), § 40 Rn. 8. 32 Inhofer (a. a. O.), § 45 Rn. 3. 33 Vgl. Meyberg (a. a. O.), § 30 Rn. 116. 34 Beck, (a. a. O.), § 131 Rn. 21; Ellbogen (oben Fußn. 6), § 130 Rn. 27; Bohnert/Krenberger/Krumm, (oben Fußn. 16), § 131 Rn. 19. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 030/19 Seite 8 Auch im Falle des Nichtvorliegens der Voraussetzungen des § 40 OWiG kann die Staatsanwaltschaft nach ihrem Ermessen35 die Verfolgung übernehmen, sofern zwischen Straftat und Ordnungswidrigkeit ein Zusammenhang dahingehend besteht, dass jemand sowohl einer Straftat als auch einer Ordnungswidrigkeit oder dass hinsichtlich derselben Tat eine Person einer Straftat und eine andere einer Ordnungswidrigkeit beschuldigt wird, § 42 Abs. 1 Satz 1, 2 OWiG. Auch bei prozessual verschiedenen Taten ist also eine Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft kraft Übernahme denkbar. An eine Einstellung des Verfahrens hinsichtlich der Ordnungswidrigkeit ist die Verwaltungsbehörde gebunden.36 Dies folgt allerdings nicht aus § 44 OWiG, sondern aus dem Aspekt des Vertrauensschutzes.37 Ob die Verwaltungsbehörde mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft das Verfahren wieder aufnehmen darf, ist strittig.38 Ebenfalls umstritten ist, ob die Verwaltungsbehörde bei Vorliegen neuer Tatsachen oder Beweise eigenständig das Verfahren wieder aufnehmen darf.39 Vorliegend ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Staatsanwaltschaft ausschließlich die Möglichkeit offensteht, die öffentliche Klage auf die Ordnungswidrigkeit zu erstrecken (§ 64 OWiG).40 Bei Verfahren gegen juristische Personen scheidet dies aus. In diesem Falle liegt eine Abgabe an die Verwaltungsbehörde gemäß § 43 OWiG nahe. In einem solchem Falle liegt die Übernahme gemäß § 42 OWiG dann eher fern. Freilich scheint auch im Bereich der Zuständigkeit kraft Übernahme die Staatsanwaltschaft zuweilen eine eigene Ahndungskompetenz anzunehmen.41 Wird also Tatidentität bejaht – mit der Folge der Geltung des Doppelbestrafungsverbotes –, so ist die Staatsanwaltschaft zuständig, im Übrigen das Kraftfahrt-Bundesamt, sofern nicht die Staatsanwaltschaft nach ihrem Ermessen die Verfolgung übernimmt. 5. Fazit Das Verbot der Doppelbestrafung gilt auch im Ordnungswidrigkeitenrecht. Für das Verhältnis einer Straftat zu einer Ordnungswidrigkeit gelten dieselben Grundsätze wie für Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten untereinander. Maßgeblich für die Reichweite des Doppelbestrafungsverbots ist der Begriff der Tat im verfahrensrechtlichen Sinne. Deren Bestimmung erfordert stets eine umfassende Beurteilung des konkreten Lebensvorgangs, welcher den Tatvorwürfen zu- 35 Inhofer (a. a. O.), § 42 Rn. 13. 36 Inhofer (a. a. O.), § 42 Rn. 23; Lampe (oben Fußn. 6), § 42 Rn. 21. 37 Inhofer (a. a. O.), § 42 Rn. 23. 38 Dafür Inhofer (a. a. O.), § 42 Rn. 23. Dagegen (Verfolgung nur durch die Staatsanwaltschaft) Bohnert/Krenberger /Krumm, (oben Fußn. 16), § 42 Rn. 10. 39 Dafür Inhofer (a. a. O.), § 42 Rn. 23. Dagegen Bohnert/Krenberger/Krumm(oben Fußn. 16), § 42 Rn. 10. Differenzierend (erst nach Abschluss des Strafverfahrens) Lampe (oben Fußn. 6), § 42 Rn. 21. 40 Inhofer (a. a. O.), § 42 Rn. 25. 41 Dazu Dörr, Die Haftung von Unternehmen nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, in: Kempf/Lüderssen /Volk (Hrsg.), Unternehmensstrafrecht, 2012, S. 23, 33. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 030/19 Seite 9 grunde liegt. Die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft und der Verwaltungsbehörde im Falle eines Nebeneinanders von Straftatbeständen und Ordnungswidrigkeiten ist im Einzelnen zu bestimmen . * * *