© 2020 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 029/20 Wohnungsbau und Wohnungsbauförderung durch den Bund Einzelfragen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 029/20 Seite 2 Wohnungsbau und Wohnungsbauförderung durch den Bund Einzelfragen Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 029/20 WD 4 - 3000 - 029/20 Abschluss der Arbeit: 26. März 2020 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 029/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Welche Kompetenzen für die Wohnungsbauförderung fallen dem Bund, welche den Ländern zu? 4 2. Unter welchen Bedingungen darf der Bund Miet- bzw. Sozialwohnungen bauen oder Wohnungen kaufen, um diese zu vermieten? 7 3. Auf welcher Rechtsgrundlage erfolgt der Erwerb von Belegungsbindungen für Wohnungen durch den Bund? 7 4. Auf welcher gesetzlichen Grundlage kann der Bund Förderprogramme, Subventionen oder Steuererleichterungen für den Bau, die Sanierung oder Modernisierung von Wohnungen sowie für den Aufkauf von Miet- oder Eigentumswohnungen durch Länder und Kommunen auflegen? 8 5. Können Bundesmittel nach Artikel 104 d GG vermittelt über ein eigenständiges Sondervermögen, eine Bundesstiftung oder eine Bundesanstalt öffentlichen Rechts nach dem Modell eines eigenständigen, revolvierenden Fonds als a) Darlehen für den sozialen Wohnungsbau oder b) entsprechende Zuschüsse vergeben werden? 8 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 029/20 Seite 4 1. Welche Kompetenzen für die Wohnungsbauförderung fallen dem Bund, welche den Ländern zu? Unter Wohnungsbauförderung sind gemäß § 1 WoFG1 „Maßnahmen zur Unterstützung von Haushalten bei der Versorgung mit Mietwohnraum, einschließlich genossenschaftlich genutzten Wohnraums, und bei der Bildung von selbst genutztem Wohneigentum“ zu verstehen. Synonym wird dies als „soziale Wohnraumförderung“ bezeichnet (§ 1 WoFG). Die Zuständigkeit für die soziale Wohnraumförderung liegt seit der Streichung der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für das „Wohnungswesen“ in Artikel 74 GG a. F.2 im Rahmen der Föderalismusreform I im Jahr 20063 bei den Ländern und den einzelnen Kommunen .4 Damit konform sieht auch der nach Artikel 125a Absatz 1 GG5 mangels Ersetzung durch Landesrecht als Bundesrecht fortgeltende § 3 WoFG vor, dass Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände bei der sozialen Wohnraumförderung zusammenwirken und die Länder die soziale Wohnraumförderung als eigene Aufgabe durchführen. Gemäß Artikel 74 Absatz 1 Nr. 18 GG hat der Bund im Bereich Wohnungsbau und Wohnungsbauförderung nur noch die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit über „den städtebaulichen Grundstücksverkehr, das Bodenrecht (ohne das Recht der Erschließungsbeiträge) und das Wohngeldrecht, das Altschuldenhilferecht, das Wohnungsbauprämienrecht, das Bergarbeiterwohnungsbaurecht und das Bergmannssiedlungsrecht“. 1 Wohnraumförderungsgesetz vom 13. September 2001 (BGBl. I S. 2376), das zuletzt durch Artikel 42 des Gesetzes vom 20. November 2019 (BGBl. I S. 1626) geändert worden ist. 2 Artikel 74 Absatz 1 Nr. 18 GG a. F. lautete: „18. den Grundstücksverkehr, das Bodenrecht (ohne das Recht der Erschließungsbeiträge) und das landwirtschaftliche Pachtwesen, das Wohnungswesen, das Siedlungs- und Heimstättenwesen;“ (Hervorhebung vom Verf.). 3 Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 22, 23, 33, 52, 72, 73, 74, 74a, 75, 84, 85, 87c, 91a, 91b, 93, 98, 104a, 104b, 105, 107, 109, 125a, 125b, 125c, 143c) vom 28. August 2006, BGBl. I S. 2034. 4 Seiler, in: BeckOK Grundgesetz, 42. Edition, Stand: 01.12.2019, Artikel 74 GG Rn. 67. Vgl. auch Wissenschaftliche Dienste, Einzelfragen zum Stand des sozialen Wohnungsbaus, WD 7-3000-019/20 vom 20.02.2020, S. 5 m. w. N. sowie die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Christian Kühn (Tübingen ), Daniela Wagner, Dr. Tobias Lindner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN – Drucksache 19/1822 – Bezahlbar Wohnen und Bauen in Deutschland, BT-Drs. 19/2316 vom 24.05.2018, S. 9. 5 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100- 1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 15. November 2019 (BGBl. I S. 1546) geändert worden ist. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 029/20 Seite 5 In die Zuständigkeit des Bundes fällt zudem, abgeleitet aus Artikel 33 Absatz 4 GG sowie § 78 BBG6, die Allgemeine Wohnungsfürsorge des Bundes für die Bundesbediensteten, die durch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) wahrgenommen wird.7 Aus finanzverfassungsrechtlicher Sicht ist zunächst auf den Konnexitätsgrundsatz nach Artikel 104a Absatz 1 GG hinzuweisen. Demnach tragen Bund und Länder gesondert die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben. Die Ausgabenlast folgt damit der Aufgabenzuständigkeit . In seiner zuständigkeitsabgrenzenden Funktion verbietet das Konnexitätsprinzip den Gebietskörperschaften, die Aufgabenlast der jeweils anderen zu finanzieren.8 Im Rahmen der bereits erwähnten Kompetenzübertragung an die Länder durch die Föderalismusreform I wurde die Finanzhilfe für den Kompetenztitel des sozialen Wohnungsbaus abgeschafft. Als Ausgleich für die Abschaffung der Finanzhilfe leistete der Bund gemäß Artikel 143c GG i. V. m. § 3 EntflechtG zunächst bis 2013 jährliche Kompensationszahlungen in Höhe von 518,2 Mio. €. Diese Mittel waren zweckgebunden für die Wohnraumförderung zu verwenden. Für die Jahre ab 2014 bis zum Auslaufen der Entflechtungsmittel im Jahr 2019 haben sich Bund und Länder darauf verständigt, die Mittel in unveränderter Höhe (518,2 Mio. €) fortzuführen. Seit 2014 müssen die Mittel nur noch für investive Zwecke eingesetzt werden.9 Mit Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. März 2019 wurde mit Artikel 104d GG ein neuer Finanzhilfetatbestand geschaffen. Auf dieser Grundlage kann der Bund den Ländern Finanzhilfen für gesamtstaatlich bedeutsame Investitionen der Länder und Gemeinden im Bereich des sozialen Wohnungsbaus gewähren, obwohl ihm insoweit keine Gesetzgebungskompetenz mehr zusteht. Der Begriff der Finanzhilfen in Artikel 104d S. 1 GG ist der gleiche wie in Artikel 104b Absatz 1 GG. Wenngleich der Finanzierungsbedarf im Fall des Artikel 104d GG zum Teil bei den Ländern und zum Teil bei den Kommunen anfällt, sind Empfänger der Finanzhilfen des Bundes auch hier ausschließlich die Länder (nicht die Kommunen, auch nicht Dritte), in deren Händen die Weitergabe der Bundesmittel an die Kommunen liegt.10 Die Finanzhilfen werden für gesamtstaatlich bedeutsame Investitionen der Länder und Gemeinden (Gemeindeverbände) im Bereich des sozialen Wohnungsbaus gewährt. Investitionen in diesem Sinne sind nur Investitionen in Sachanlagen, nicht dagegen Finanzinvestitionen. Es muss im 6 Bundesbeamtengesetz vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 160), das zuletzt durch Artikel 11 des Gesetzes vom 20. November 2019 (BGBl. I S. 1626) geändert worden ist. 7 Badenhausen-Fähnle, in: BeckOK Beamtenrecht Bund, 18. Edition, Stand: 01.01.2018, § 78 BBG Rn. 20. Vgl. auch § 2 Absatz 1 BImAG – Gesetz über die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3235), das durch Artikel 15 Absatz 83 des Gesetzes vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 160) geändert worden ist. 8 Maunz/Dürig/Schwarz, GG, Artikel 104a, Rn. 30. 9 Bundesministerium der Finanzen: Finanzbericht 2020, S. 148. 10 Kube, in: BeckOK Grundgesetz, 42. Edition, Stand: 01.12.2019, Artikel 104d, Rn. 2. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 029/20 Seite 6 Bereich des sozialen Wohnungsbaus investiert werden. Der Tatbestandsbegriff entspricht dem Begriff in Artikel 74 Absatz 1 Nr. 18 aF GG und im WoFG. Zudem müssen die Investitionen gesamtstaatlich bedeutsam sein. Nach dem Gesetzentwurf sind in diesem Bereich solche Investitionen gesamtstaatlich bedeutsam, „die in ihrer Gesamtheit von erheblichem Gewicht für die Gewährleistung eines ausreichenden Angebotes an bezahlbarem Wohnraum sind und von den Ländern und Gemeinden nicht allein finanziert werden können“.11 Ebenso wie bei Artikel 104b und 104c GG steht die Gewährung von Finanzhilfen im Ermessen des Bundes (keine Verpflichtung zur Gewährung). Hinsichtlich der Ausübung des Ermessens (Bemessung der Hilfe, Zulässigkeit von Bedingungen) und der Ermessensgrenzen (insbesondere föderale Gleichbehandlung) gilt grundsätzlich das Gleiche wie im Fall des Artikel 104b GG.12 Nach Artikel 104d S. 2 GG gelten Artikel 104b Absatz 2 S. 1–5 sowie Absatz 3 GG entsprechend. Demnach wird das Nähere durch zustimmungsbedürftiges Bundesgesetz oder aufgrund des Bundeshaushaltsgesetzes durch Verwaltungsvereinbarung geregelt. Das Gesetz oder die Verwaltungsvereinbarung kann Bestimmungen über die Ausgestaltung der Länderprogramme vorsehen; die Kriterien für die Ausgestaltung der Länderprogramme werden im Einvernehmen mit den betroffenen Ländern festgelegt (Artikel 104b Absatz 2 S. 2 und S. 3 GG). Anders als bei Artikel 104c GG wird auch hinsichtlich der Kontrollrechte des Bundes auf Artikel 104b Absatz 2 GG verwiesen. So kann die Bundesregierung zur Gewährleistung der zweckentsprechenden Mittelverwendung im Bereich des sozialen Wohnungsbaus Bericht und die Vorlage der Akten verlangen und Erhebungen bei allen Behörden durchführen (Artikel 104b Absatz 2 S. 4 GG). Gemäß Artikel 104d S. 2 GG i.V.m. Artikel 104b Absatz 2 S. 5 GG stehen auch die Finanzhilfen des Bundes nach Artikel 104d GG unter der 2019 in Artikel 104b GG eingefügten ausdrücklichen Voraussetzung der Zusätzlichkeit im Verhältnis zu entsprechend eingesetzten Landesmitteln.13 Ausdrücklich nicht verwiesen wird dagegen auf die in Artikel 104b Absatz 2 S. 6 und S. 7 GG geregelten Anforderungen der Befristung der Finanzhilfen, der regelmäßigen Überprüfung ihrer Verwendung und der degressiven Ausgestaltung. In der Gesetzesbegründung wird auf die dadurch eröffnete Möglichkeit des Bundes hingewiesen, „nach Maßgabe des Haushaltsgesetzes mit Finanzhilfen zu einer langfristigen Verstetigung des sozialen Wohnungsbaus in Deutschland“ beitragen zu können.14 11 BT-Drs. 19/3440, S. 10. 12 Kube, in: BeckOK Grundgesetz, 42. Edition, Stand: 01.12.2019, Artikel 104d, Rn. 4. 13 Kube, in: BeckOK Grundgesetz, 42. Edition, Stand: 01.12.2019, Artikel 104d, Rn. 7. 14 BT-Drs. 19/3440, S. 11. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 029/20 Seite 7 Nach Artikel 104d S. 2 GG i.V.m. Artikel 104b Absatz 3 GG sind Bundestag, Bundesregierung und Bundesrat auf Verlangen über die Durchführung der Maßnahmen und die erzielten Verbesserungen zu unterrichten. Die den Ländern zu gewährenden Finanzhilfen für den sozialen Wohnungsbau sollen auf Grundlage von Artikel 104d GG i.V.m. Artikel 104b Absatz 2 S. 1–3 GG in einer Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern ausgestaltet werden. Die Hilfe soll ab 2020 geleistet werden. Für den Zeitraum 2020–2021 sind dafür nach derzeitigem Stand 2 Mrd. EUR eingeplant.15 2. Unter welchen Bedingungen darf der Bund Miet- bzw. Sozialwohnungen bauen oder Wohnungen kaufen, um diese zu vermieten? Soweit der Bund hoheitlich handelt, gilt gemäß den Ausführungen zu Frage 1, dass er im Rahmen der Wohnungsfürsorge für Bundesbedienstete tätig werden kann, nicht jedoch allgemein im Bereich des Wohnungsbaus. Diese Beschränkung gilt zwar grundsätzlich dann nicht, wenn der Bund nicht hoheitlich handelt, sondern sich allgemein wirtschaftlich betätigt.16 Ob dieser Grundsatz aber auch im hypothetischen Fall von allgemeinen oder sozialen Wohnungsbauvorhaben griffe, kann pauschal und abstrakt nicht beurteilt werden. So erscheint es insbesondere nicht von vornherein ausgeschlossen, dass in einem solchen Vorgehen ein Konflikt mit der o. g. föderalen Zuständigkeitsallokation im Bereich des Wohnungswesens erblickt werden könnte. Bei der Durchführung von Projekten der Wohnungsfürsorge des Bundes können grundsätzlich auch soziale Kriterien in die Förderkonditionen bzw. -vereinbarungen einfließen. 3. Auf welcher Rechtsgrundlage erfolgt der Erwerb von Belegungsbindungen für Wohnungen durch den Bund? Hinsichtlich konkreter Einzelfälle liegen den Wissenschaftlichen Diensten keine Erkenntnisse vor. Im Allgemeinen dürften Belegungsbindungen als Teil einer entsprechenden Fördervereinbarung konsensual vereinbart werden.17 Die gesetzliche Grundlage für die Zuständigkeit der BImA dürfte sich regelmäßig aus § 2 BImAG ergeben, wonach zu ihren Aufgaben die Wohnungsfürsorge des Bundes zählt. 15 Kube, in: BeckOK Grundgesetz, 42. Edition, Stand: 01.12.2019, Artikel 104d, Rn. 10. 16 Vgl. nur Bundeskartellamt, Der Staat als Unternehmer, 2014, S. 10 m. w. N. (abrufbar unter https://www.bundeskartellamt .de/SharedDocs/Publikation/DE/Diskussions_Hintergrundpapier/Bundeskartellamt%20- %20Der%20Staat%20als%20Unternehmer.pdf?__blob=publicationFile&v=2). 17 Vgl. etwa die in einem Beschluss des BVerfG geschilderte Konstellation: Ein Bauherr erhielt von der Bundesrepublik Deutschland zur Errichtung zweier Wohnhäuser mit zwölf Wohnungen, für die dem Bund ein Besetzungsrecht eingeräumt wurde, aus Wohnungsfürsorgemitteln ein Darlehen (BVerfG, Beschluss vom 13. Mai 1986 – 1 BvR 99/85). Vertiefend hinsichtlich der Situation und Mechanismen im sozialen Wohnungsbau vgl. Wissenschaftliche Dienste, Grundbuchrechtliche Sicherung von Fördermitteln für den sozialen Wohnungsbau, WD 7-3000-186/16 vom 05.01.2016, Gliederungspunkte 3.3 und 4 (abrufbar unter https://www.bundestag.de/resource /blob/494460/d19817aac1c70b0f84fb87f094c6c2ae/WD-7-186-16-pdf-data.pdf). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 029/20 Seite 8 4. Auf welcher gesetzlichen Grundlage kann der Bund Förderprogramme, Subventionen oder Steuererleichterungen für den Bau, die Sanierung oder Modernisierung von Wohnungen sowie für den Aufkauf von Miet- oder Eigentumswohnungen durch Länder und Kommunen auflegen? Die rechtlichen Rahmenbedingungen für Maßnahmen des Bundes zugunsten von Ländern und Gemeinden wurden unter Frage 1 dargestellt. Ergänzend kann auf folgende Maßnahmen des Bundes verwiesen werden: Mit der Änderung des Entflechtungsgesetzes durch Artikel 12 des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20. Oktober 201518 erhöhte der Bund die den Ländern zugewiesenen Kompensationsmittel in den Jahren 2016 bis 2019 um jeweils 500 Mio. € auf 1.018,2 Mio. € p. a. Der Betrag unterliegt weiterhin nur einer investiven Zweckbindung. Die Länder haben allerdings zugestimmt , diese Mittel zweckgebunden für den sozialen Wohnungsbau zu verwenden. Mit dem Gesetz zur Beteiligung des Bundes an den Kosten der Integration und zur weiteren Entlastung der Länder und Kommunen vom 1. Dezember 201619 wurden die Kompensationsmittel für die Jahre 2017 und 2018 nochmals um weitere 500 Mio. € auf jeweils 1.518,2 Mio. € angehoben . Im Haushalt 2019 werden die Länder nochmals mit Kompensationsmitteln in Höhe von 1.518,2 Mio. € unterstützt. Grundlage hierfür ist Artikel 7 des Gesetzes zur fortgesetzten Beteiligung des Bundes an den Integrationskosten der Länder und Kommunen und zur Regelung der Folgen der Abfinanzierung des Fonds „Deutsche Einheit“ vom 17. Dezember 201820. Die am 14. Oktober 2016 von Bund und Ländern erzielte Verständigung auf Eckpunkte für eine Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen ab 2020 sieht vor, dass die Kompensationszahlungen für die 2006 abgeschafften Mischfinanzierungen – wie im Grundgesetz vorgesehen – auslaufen und den Ländern zusätzliche Umsatzsteuermittel zur Verfügung gestellt werden. Die Umsatzsteuermittel stellen originäre Einnahmen der Länder dar. Die Länder entscheiden in eigener Verantwortung, wie sie diese Einnahmen zur Erfüllung ihrer Aufgaben, zu denen auch die soziale Wohnraumförderung gehört, nutzen. 5. Können Bundesmittel nach Artikel 104 d GG vermittelt über ein eigenständiges Sondervermögen , eine Bundesstiftung oder eine Bundesanstalt öffentlichen Rechts nach dem Modell eines eigenständigen, revolvierenden Fonds als a) Darlehen für den sozialen Wohnungsbau oder b) entsprechende Zuschüsse vergeben werden? Bei den durch den Fragesteller genannten Bundesmitteln handelt es sich um Finanzhilfen nach Artikel 104d GG. Die rechtlichen Rahmenbedingungen wurden bereits unter Frage 1 erläutert. In Bezug auf die rechtliche Organisationsform zur Mittelverausgabung an die Länder soll geprüft 18 BGBl. I S. 1722. 19 BGBl. I S. 2755. 20 BGBl. I S. 2522. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 029/20 Seite 9 werden, ob die Finanzhilfen über ein eigenständiges Sondervermögen, eine Bundesstiftung oder eine Bundesanstalt öffentlichen Rechts an die Bundesländer gegeben werden können. Die rechtliche Organisationsform zur Mittelweitergabe darf jedoch den Charakter der Finanzhilfe nicht beeinträchtigen. Die Finanzhilfen dürfen im Besonderen nicht von Einvernehmens-, Zustimmungs - oder Genehmigungsvorbehalten oder auch Einspruchsrechten im Einzelfall abhängig gemacht werden. Ebenso wenig ermächtigt Artikel 104b GG den Bund, in eigener Regie Investitionspläne aufzustellen und bei der Auswahl von Einzelprojekten mitzuwirken.21 Folglich soll der Bund bei Finanzhilfen lediglich die Länder finanziell bei einer gewichtigen Aufgabenwahrnehmung unterstützen. Für die Organisation der Bundesverwaltung, wozu auch die Errichtung neuer Verwaltungsstellen gehört, stellen die Artikel 86 ff. GG bestimmte Voraussetzungen auf. Gemäß Artikel 87 Absatz 3 GG können für Angelegenheiten, für die dem Bund die Gesetzgebung zusteht, selbständige Bundesbehörden und neue bundesunmittelbare Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts durch Bundesgesetz errichtet werden. Da dem Bund bei den Finanzhilfen nach Artikel 104d GG nicht die Gesetzgebungskompetenz zusteht, kommt eine Errichtung einer Anstalt öffentlichen Rechts nicht in Betracht. Folglich kommt auch eine Bundesstiftung nicht in Frage. Davon abgesehen steht die Gewährung von Finanzhilfen unter dem Vorbehalt der Mittelbewilligung in jährlichen Haushaltsgesetzen (Haushaltsvorbehalt gemäß Artikel 104d S. 2 i.V.m. Artikel 104b Absatz 2 S. 1 GG). Eine im Sinne der Fragestellung erforderliche Ausstattung einer Anstalt bzw. Bundesstiftung mit entsprechender Kreditermächtigung würde daher dem Haushaltsvorbehalt zuwiderlaufen. Sondervermögen des Bundes sind abgesonderte Teile des Bundesvermögens, die ausschließlich zur Erfüllung einzelner begrenzter Aufgaben des Bundes bestimmt sind und daher von dem sonstigen Bundesvermögen getrennt verwaltet werden22. Da sie einer eigenständigen Wirtschafts- und Rechnungsführung bedürfen, sind Sondervermögen zwangsläufig außerhalb des Bundeshaushalts zu bewirtschaften23. Ihre Einnahmen und Ausgaben sind zwar solche des Bundes, werden aber außerhalb des Bundeshaushalts bewirtschaftet. Nach Artikel 104d GG sollen Finanzhilfen durch den Bund für den sozialen Wohnungsbau ermöglicht werden. Mit der grundgesetzlich normierten Aufgabe des sozialen Wohnungsbaus wäre die Voraussetzung einer einzelnen begrenzten Aufgabe zur Errichtung eines Sondervermögens gegeben. Auch Finanzhilfen nach Artikel 104c GG werden als Sondervermögen an die Bundesländer verausgabt (Sondervermögen „Digitale Infrastruktur“). Nach Artikel 110 Absatz 1 S. 1 Hs. 2 GG bezieht sich bei Sondervermögen das Budgetrecht des Parlaments auf die Zuführungen vom oder die Ablieferungen an den Bundeshaushalt. Nur diese sind in den Bundeshaushalt einzustellen . Folglich wäre der Einfluss des Haushaltsgesetzgebers bei einem Sondervermögen gewahrt . Auch kann über ein Sondervermögen dem Haushaltsvorbehalt nach Artikel 104b Absatz 2 21 Kube, in: BeckOK Grundgesetz, 42. Edition, Stand: 01.12.2019, Artikel 104d, Rn. 16. 22 Nebel, in: Piduch, Bundeshaushaltsrecht (43. EL, Dez. 2008), § 113 BHO Rn. 1. 23 Gröpl, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Artikel 110 Rn. 99; Nebel, in: Piduch, Bundeshaushaltsrecht (43. EL, Dez. 2008), § 113 BHO Rn. 1. Ein Sondervermögen hat stets einen eigenen Haushalt, §§ 26 Absatz 2, 113 Satz 1 BHO. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 029/20 Seite 10 S. 1 GG Rechnung getragen werden. Eine Kreditermächtigung zugunsten eines solchen Sondervermögens ist hingegen seit der Einführung der Neuverschuldungsregelung nach Artikel 115 GG nicht mehr zulässig. * * *