© 2020 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 028/20 Maßnahmen gegen häusliche Gewalt Die aktuelle Lage in der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 2020 Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 028/20 Seite 2 Maßnahmen gegen häusliche Gewalt Die aktuelle Lage in der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 2020 Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 028/20 Abschluss der Arbeit: 21. Februar 2020 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 028/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Häusliche Gewalt 4 3. Strafbarkeit nach dem Strafgesetzbuch (StGB) 4 4. Regelungen nach dem Gewaltschutzgesetz (GewSchG) 5 5. Weitere Schutzmaßnahmen für das Opfer 5 6. Fördern der Verhaltensänderung von Tätern 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 028/20 Seite 4 1. Einleitung Nachfolgend soll ein kurzer Überblick über die in der Bundesrepublik Deutschland anwendbaren Maßnahmen und Sanktionsmöglichkeiten gegen häusliche Gewalt gegeben werden. Darüber hinaus werden die rechtlichen Rahmenbedingungen skizziert, die eine Verhaltensänderung der Täter unterstützen sollen um dadurch weitere Gewalttätigkeiten zu verhindern. 2. Häusliche Gewalt Für häusliche Gewalt existiert in der Bundesrepublik Deutschland keine Legaldefinition. Die polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) 1 spricht insoweit zusammenfassend nur von „Partnerschaftsgewalt “. In der PKS wurden im Bereich Partnerschaftsgewalt im Berichtjahr 2018 unter den Straftaten (-gruppen) Mord und Totschlag, Körperverletzung, Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, Bedrohung , Stalking, Nötigung, Freiheitsberaubung, Zuhälterei und Zwangsprostitution insgesamt 140.755 Opfer von vollendeten und versuchten Delikten registriert.2 Vor dem Hintergrund, dass es sich bei den Daten der PKS ausschließlich um sog. Hellfelddaten handelt, ist jedoch von einer erheblichen Dunkelziffer auszugehen. Nach der PKS für das Berichtsjahr 2018 waren die Opfer von Partnerschaftsgewalt zu über 81 % Frauen.3 3. Strafbarkeit nach dem Strafgesetzbuch (StGB) 4 Durch Kriminalität im häuslichen Umfeld können verschiedene Straftatbestände nach dem StGB erfüllt sein, wobei der bloßen Begehung im häuslichen bzw. familiären Umfeld kein strafschärfender Charakter zukommt.5 Anknüpfend an den oben unter Ziffer 2 aufgezählten Katalog des Bundeskriminalamts kommt danach im häuslichen Umfeld zuvörderst eine Strafbarkeit wegen der Deliktgruppen Mord und Totschlag (§§ 211, 212 StGB), Körperverletzung (§§ 223 ff. StGB), Vergewaltigung und sexuelle Nötigung (§ 177 f. StGB), Nötigung und Bedrohung (§§ 240 f.), Nachstellung (§ 238 StGB), Freiheitsberaubung (§ 239 StGB), Zuhälterei (§ 181a StGB) und Zwangsprostitution (§ 232a StGB) in Betracht. Der jeweils einschlägige Strafrahmen reicht von Geldstrafe bis hin zu lebenslanger Haft. Sachlich zuständig ist jeweils das Strafgericht. 1 Kriminalstatistische Auswertung des Bundeskriminalamts zur Partnerschaftsgewalt (Berichtsjahr 2018), abrufbar unter: https://www.bka.de/DE/AktuelleInformationen/StatistikenLagebilder/Lagebilder/Partnerschaftsgewalt /partnerschaftsgewalt_node.html (letzter Abruf: 21.02.2020). 2 a.a.O., S. 4. 3 a.a.O., S. 5. 4 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.11.1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch Artikel 62 des Gesetzes vom 20. November 2019 (BGBl. I S. 1626), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet .de/stgb/ (letzter Abruf: 21.02.2020). 5 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages (Hrsg.), Aktenzeichen WD 7 – 3000 – 032/14, Sachstand, Häusliche Gewalt in der Gesetzgebung sowie Aktenzeichen WD 7 – 3000 – 073/19, Sachstand, Geschlechterspezifische Kriminalität und häusliche Gewalt. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 028/20 Seite 5 4. Regelungen nach dem Gewaltschutzgesetz (GewSchG)6 Die oben unter Ziffer 3 dargestellten strafrechtlichen Vorschriften flankierend, soll mit dem Gew SchG der zivilrechtliche Schutz bei Gewalttaten und bei bestimmten unzumutbaren Belästigungen , insbesondere in Fällen häuslicher Gewalt, verbessert werden. Dies gilt vor allem für Gewalttaten , die sich im sozialen Umfeld des Opfers ereignen. 7 Das Gewaltschutzgesetz enthält dabei vornehmlich ergänzende Regelungen zur Durchsetzung bürgerlich-rechtlicher Schutzansprüche in Bezug auf Gewalttaten und bestimmte unzumutbare Belästigungen.8 Das aus insgesamt vier Paragraphen bestehende Gewaltschutzgesetz regelt in § 1 die Befugnis der Zivilgerichte, bei der vorsätzlichen und widerrechtlichen Verletzung des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit einer Person die zur Abwendung weiterer Verletzungen erforderlichen Maßnahmen (sog. „Schutzanordnungen“) zu treffen. § 2 schafft den Anspruch des Opfers auf Überlassung der mit dem Täter gemeinsam genutzten Wohnung, wenn es um Gewalttaten im häuslichen Bereich geht. § 4 sieht die Strafbewehrung des Verstoßes gegen eine gerichtliche Schutzanordnung nach § 1 GewSchG vor.9 Sachlich zuständig ist, das Familiengericht das eine besondere Abteilung des Amtsgerichts ist. 5. Weitere Schutzmaßnahmen für das Opfer In der Bundesrepublik Deutschland gibt es darüber hinaus zahlreiche staatliche und nicht-staatliche Institutionen, die häuslicher Gewalt unter anderem durch die Einrichtung von Kooperationsund Interventionsprojekten entgegenwirken wollen.10 So wurde etwa auf Grundlage des Gesetzes zur Einrichtung und zum Betrieb eines bundesweiten Hilfetelefons (HilfetelefonG)11 ein Hilfetelefon für Opfer häuslicher Gewalt eingerichtet, welches kostenfrei und rund um die Uhr erreichbar ist. Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ startete im März 2013 und ist das erste 24-Stunden- 6 Gesetz zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen in der Fassung vom 11.12.2001 (BGBl. I S. 3513), zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen vom 01.03.2017 (BGBl. I S. 386), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/gewschg /BJNR351310001.html (letzter Abruf: 21.02.2020). 7 Freytag, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 224. Ergänzungslieferung, Stand 02.2019, GewSchG, vor § 1, Rn. 1. 8 a.a.O., Rn. 5. 9 a.a.O., Rn. 4. 10 Bundeministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Hintergrundmeldung „Häusliche Gewalt – Frauen vor Gewalt schützen“ vom 25.11.2019, abrufbar unter: https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/gleichstellung /frauen-vor-gewalt-schuetzen/haeusliche-gewalt/haeusliche-gewalt/80642 (letzter Abruf: 21.02.2020). 11 Gesetz zur Einrichtung und zum Betrieb eines bundesweiten Hilfetelefons „Gewalt gegen Frauen” (Hilfetelefon G) vom 7. März 2012 (BGBl. I S. 448), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/hilfetelefong/Hilfetelefon G.pdf (letzter Abruf: 21.02.2020). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 028/20 Seite 6 Beratungsangebot für Deutschland, das telefonisch und per Online-Beratung vertraulich und kostenfrei Hilfe und Unterstützung bietet – an 365 Tagen, rund um die Uhr, anonym, mehrsprachig und barrierefrei.12 Darüber hinaus existieren in der Bundesrepublik Deutschland zudem zahlreiche sog. Frauenhäuser , also Einrichtungen die Frauen und ihren Kindern im Falle von häuslicher Gewalt Hilfe, Beratung und vorübergehend Unterkunft anbieten. Die aktuelle Anzahl der Frauenhäuser in Deutschland ist nicht offiziell erfasst. In dem Frauenhaus-Koordinierung e.V., welcher einen Großteil des nationalen Hilfe- und Unterstützungssystems vertritt, sind aber aktuell ca. 260 Frauenhäuser und 230 Fachberatungsstellen in Deutschland organisiert.13 6. Fördern der Verhaltensänderung von Tätern In Deutschland gibt es verschiedene Einrichtungen, die für Täter häuslicher Gewalt sogenannte soziale Trainingskurse anbieten, um eine Verhaltensänderung zu bewirken und dadurch weitere Gewalttätigkeiten zu verhindern. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit Häusliche Gewalt e.V. ist ein Dachverband für diese Täterarbeitseinrichtungen und hält Eckpunkte sowie Qualitätsstandards für die Arbeit mit Tätern häuslicher Gewalt fest.14 Neben der Möglichkeit, sich als (potenzieller) Täter häuslicher Gewalt freiwillig für einen entsprechenden Kurs anzumelden, kann die Justiz auf verschiedene Weise die Pflicht zur Teilnahme an einem sozialen Trainingskurs begründen: – Die Staatsanwaltschaft kann eine Weisung zur Teilnahme erteilen, wenn sie gemäß § 153a Absatz 1 S. 2 Nr. 6 der Strafprozessordnung (StPO)15 das Verfahren gegen den Beschuldigten vorläufig einstellt. – Das Gericht kann nach § 59 Absatz 1 StGB den Täter für schuldig sprechen, ihn verwarnen und sich die Verurteilung zu einer bereits bestimmten Strafe für die Dauer einer Bewährungszeit vorbehalten. Gemäß § 59a Absatz 2 Nr. 5 StGB kann das Gericht diese Verwarnung mit der Weisung zur Teilnahme an einem sozialen Trainingskurs verbinden. 12 Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben, abrufbar unter: https://www.hilfetelefon.de/dashilfetelefon /angebot-im-ueberblick.html (letzter Abruf: 21.02.2020). 13 Frauenhaus-Koordinierung e.V., abrufbar unter: https://www.frauenhauskoordinierung.de/ueber-uns/ (letzter Abruf: 21.02.2020). 14 Vgl. Broschüre „Arbeit mit Tätern in Fällen häuslicher Gewalt“, Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit Häusliche Gewalt e. V., herausgegeben vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, abrufbar unter https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/publikationen/arbeit-mit-taetern-in-faellen-haeuslicher-gewalt /80734 (letzter Abruf: 21.02.2020). 15 Strafprozeßordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 07.04. 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), zuletzt geändert durch Artikel 15 des Gesetzes vom 12.12.2019 (BGBl. I S. 2652), abrufbar unter: https://www.gesetze-iminternet .de/stpo/ (letzter Abruf: 21.02.2020). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 028/20 Seite 7 – Wird der Täter zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, deren Vollstreckung gemäß § 56 StGB zur Bewährung ausgesetzt ist, kann das Gericht nach § 56c StGB ebenfalls die Weisung erteilen, an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen.16 Die Ausgestaltung des Strafvollzugs fällt in den Kompetenzbereich der einzelnen Bundesländer. Daher können keine Aussagen darüber getroffen werden, ob entsprechende Kurse auch in den Justizvollzugsanstalten für inhaftierte Täter angeboten werden. Wird im Falle häuslicher Gewalt die Scheidung beantragt, regelt § 1361b Absatz 2 S. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB)17, dass für die Zeit des Getrenntlebens – bis zur endgültigen Scheidung – die eheliche Wohnung demjenigen Ehepartner, der Opfer der häuslichen Gewalt wurde, in der Regel zur alleinigen Benutzung zu überlassen ist. Nur wenn keine Wiederholungsgefahr besteht, kann der Anspruch auf Wohnungsüberlassung ausgeschlossen sein (vgl. § 1361b Absatz 2 S. 2 BGB). *** 16 Vgl. Groß, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2016, § 56c StGB, Rn. 35. 17 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 02.01.2002 (BGBl. I S. 42, ber. S. 2909 und 2003 I S. 738), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes zur Verlängerung des Betrachtungszeitraums für die ortsübliche Vergleichsmiete vom 21.12.2019, abrufbar unter https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/ (letzter Abruf 21.02.2020).