WD 7 - 3000 - 026/19 (05.03.2019) © 2019 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Im Rahmen der deutschen Wiedervereinigung stellte sich die Frage, wie mit Strafurteilen der DDR-Justiz verfahren werden sollte. Artikel 17 Satz 1 des Einigungsvertrags stellte hierzu fest: „Die Vertragsparteien bekräftigen ihre Absicht, daß unverzüglich eine gesetzliche Grundlage dafür geschaffen wird, daß alle Personen rehabilitiert werden können, die Opfer einer politisch motivierten Strafverfolgungsmaßnahme oder sonst einer rechtsstaats- und verfassungswidrigen gerichtlichen Entscheidung geworden sind.“ Der bundesdeutsche Gesetzgeber hat in Umsetzung dieses Handlungsauftrags (BT-Drs. 12/1608, S. 2) unter anderem das Erste Gesetz zur Bereinigung von SED-Unrecht (Erstes SED-Unrechtsbereinigungsgesetz vom 29. Oktober 1992, BGBl. I, 1814) erlassen, dessen Bestandteil als Artikel 1 das Gesetz über die Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern rechtsstaatswidriger Strafverfolgungsmaßnahmen im Beitrittsgebiet (Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz - StrRehaG) war (aktuell geltende Fassung abrufbar unter https://www.gesetze-im-internet .de/strrehag/). Das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz sieht vor, dass die strafrechtliche Entscheidung eines staatlichen deutschen Gerichts im Beitrittsgebiet aus der Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 2. Oktober 1990 auf Antrag für rechtsstaatswidrig zu erklären und aufzuheben ist, soweit sie mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar ist (§ 1 StrRehaG). Dem Gesetz liegt damit die Grundsatzentscheidung zugrunde, Strafurteile des „Unrechtsregimes der SED“ (BT-Drs. 12/1608, S. 13) nicht pauschal aufzuheben, sondern nur im jeweiligen Einzelfall unter der formalen Voraussetzung, dass ein entsprechender Antrag gestellt wird, und der materiellen , von einem Gericht zu beurteilenden Voraussetzung, dass die Entscheidung sich als mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar erweist. Im Umkehrschluss ergibt sich daraus, dass DDR-Strafurteile, hinsichtlich welcher bereits kein Rehabilitierungsantrag gestellt wurde, Bestand haben – und zwar selbst dann, wenn das jeweilige Urteil bei einer rehabilitierungsrechtlichen Beurteilung durch ein Gericht mutmaßlich als mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar anzusehen wäre. Wie sich aus § 8 Absatz 1 Satz 2 StrRehaG ergibt, gilt dieser allgemeine Grundsatz auch für Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Zum rechtlichen Status von Strafurteilen der DDR-Justiz Kurzinformation Zum rechtlichen Status von Strafurteilen der DDR- Justiz Fachbereich WD 7 (Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Bau und Stadtentwicklung) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 erstinstanzliche Strafurteile des Obersten Gerichts der DDR (vgl. zu letzterem Rath, Oberstes Gericht der DDR: Erste und letzte Instanz, Legal Tribune Online, 03.10.2013, https://www.lto.de/persistent/a_id/9730/). Ein Antrag auf Rehabilitierung kann noch bis zum 31.12.2019 von dem durch die Entscheidung unmittelbar in seinen Rechten Betroffenen sowie in dem Fall, dass jener verstorben ist, von seinem Ehegatten, seinen Verwandten in gerader Linie, seinen Geschwistern oder von Personen, die ein berechtigtes Interesse an der Rehabilitierung des von der rechtsstaatswidrigen Entscheidung Betroffenen haben, gestellt werden (§ 7 Absatz 1 Nr. 1 u. 2 StrRehaG). Auch die Staatsanwaltschaft kann einen entsprechenden Antrag stellen, soweit der unmittelbar in seinen Rechten Betroffene nicht widersprochen hat (§ 7 Absatz 1 Nr. 3 StrRehaG). Unmittelbar einschlägige Judikate zu der Frage, inwieweit eine Person, die durch ein nicht aufgehobenes Strafurteil eines DDR-Gerichts verurteilt wurde, heute – gegebenenfalls ohne klarstellende Hinweise zum besonderen Urteilskontext – als „verurteilter Straftäter“ bezeichnet werden darf, sind den einschlägigen Rechtsprechungsdatenbanken aktuell nicht zu entnehmen. Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Entscheidung zur im öffentlichen Meinungsstreit erfolgenden kritischen Auseinandersetzung mit der auf die DDR-Strafjustiz bezogenen bundesdeutschen Rehabilitierungspraxis betont, dass zumindest bei einer auch politischen Auseinandersetzung im Rahmen der Abwägung zwischen dem Grundrecht der Meinungsfreiheit gemäß Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 Grundgesetz des sich zulasten eines in der DDR Verurteilten Äußernden einerseits und dem postmortalen Persönlichkeitsrecht des – durch Hinrichtung in der DDR verstorbenen – Verurteilten andererseits der politische Kontext der Äußerung zugunsten des Äußernden hinreichend zu berücksichtigen sei (BVerfG, Beschluss vom 24.01.2018 – 1 BvR 2465/13, Rn. 23 f.). * * *