© 2020 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 025/20 Nachbesserung bestandskräftiger Planfeststellungsbeschlüsse Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 025/20 Seite 2 Nachbesserung bestandskräftiger Planfeststellungsbeschlüsse Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 025/20 Abschluss der Arbeit: 18. März 2020 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 025/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Das Planfeststellungsverfahren 4 3. Ablauf des Verfahrens 5 4. Wirkungen des Planfeststellungsbeschlusses 6 4.1. Genehmigungswirkung 6 4.2. Konzentrationswirkung 6 4.3. Gestaltungswirkung 7 4.4. Duldungswirkung, Prinzip der Planstabilität 8 5. Anfechtung, Änderung und Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses 8 5.1. Anfechtung des Planfeststellungsbeschlusses 8 5.2. Änderung des Planfeststellungsbeschlusses und Grundsatz der Planerhaltung 9 5.3. Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses 11 6. Anwendbarkeit der §§ 48, 49 VwVfG auf bestandskräftige Planfeststellungsbeschlüsse 12 6.1. Zur Anwendung von § 48 VwVfG 13 6.2. Zur Anwendung von § 49 VwVfG 15 7. Fazit 17 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 025/20 Seite 4 1. Einleitung Planfeststellungsbeschlüsse gelten wegen ihrer erhöhten Bestandskraft für Gerichte und weite Teile der Literatur als nahezu „sakrosankt“, so dass eine Rücknahme oder ein Widerruf regelmäßig nicht in Betracht kommt. Jedoch hat beispielsweise der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden- Württemberg in seinem Urteil vom 04.07.20181 entschieden, dass Änderungen von Planfeststellungsbeschlüssen durchaus möglich sind, wenn sich Gesetze nachträglich ändern und der Planfeststellungsbeschluss so nicht hätte ergehen dürfen. Vor diesem Hintergrund und der Verschärfung von immissionsrechtlichen Regelungen stellt sich die Frage, ob bestandskräftige Planfeststellungsbeschlüsse aufgrund der neueren Entwicklungen in der Rechtsprechung nach den §§ 48 ff. VwVfG2 nachgebessert, also ergänzt, geändert oder neu erlassen werden können. Unter Ziffer 2. und 3. wird deshalb zunächst das Planfeststellungsverfahren und dessen zeitlicher Ablauf vorgestellt, um anschließend die unterschiedlichen Rechtswirkungen eines Planfeststellungsbeschlusses vorzustellen (Ziffer 4.). Anschließend erfolgen Ausführungen zur Anfechtung, Änderung und Aufhebung von Planfeststellungsbeschlüssen (Ziffer 5.). Schließlich wird unter Ziffer 6. ein Überblick über die Anwendbarkeit der §§ 48, 49 VwVfG auf bestandskräftige Planfeststellungsbeschlüsse vermittelt. 2. Das Planfeststellungsverfahren Die Planfeststellung ist ein in der Bundesrepublik Deutschland in den gesetzlich angeordneten Fällen durchzuführendes besonderes Verwaltungsverfahren über die Zulässigkeit raumbedeutsamer Vorhaben und Infrastrukturmaßnahmen. Ziel des Verfahrens ist das Herbeiführen einer behördlichen Entscheidung über die Zulassung komplexer raumbezogener Anlagen eines Vorhabenträgers (z.B. Verkehrswege oder Eisenbahntrassen), des sogenannten Planfeststellungsbeschlusses . Da die erfassten Anlagen weiträumige und schwer überschaubare Auswirkungen auf die Umwelt haben und eine Vielzahl paralleler, sich kreuzender oder widersprechender (öffentlicher und privater ) Interessenlagen berühren, hat das Planfeststellungsverfahren eine besondere Ausgestaltung in den §§ 72 bis 78 VwVfG gefunden.3 Die Berücksichtigung und Austarierung der verschiedenen Interessenlagen erfordert die Einbeziehung der betroffenen Öffentlichkeit, der Naturschutz- und Umweltverbände und der in ihrem Aufgabenbereich berührten Behörden (§ 73 VwVfG), aber 1 VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 04. Juli 2018 – 5 S 2117/16 –, Datenbank juris. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23.1.2003 (BGBl. I S. 102), zuletzt geändert durch Art. 5 Abs. 25 des Gesetzes vom 21.6.2019 (BGBl. I S. 846). 3 Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, Kommentar zum VwVfG, 20. Auflage 2019, § 72 Rn. 1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 025/20 Seite 5 auch prozessähnliche Absicherungen von Verfahrensrechten. Dies kann nur durch das stark formalisierte Verfahren der Planfeststellung erreicht werden. 3. Ablauf des Verfahrens Kern des Verfahrens ist das in § 73 VwVfG ausführlich geregelte Anhörungsverfahren. Es dient sowohl der Gewährung rechtlichen Gehörs für die Betroffenen, als auch der Sammlung des Abwägungsmaterials zur Entscheidungsfindung in Anbetracht der verschiedenen Interessenslagen.4 Das Verfahren wird durch den Antrag des Vorhabenträgers eingeleitet, indem er seinen Plan, bestehend aus Zeichnungen und Erläuterungen, bei der zuständigen Anhörungsbehörde zur Durchführung des Anhörungsverfahrens einreicht. Dieser Antrag zieht sodann ein Vielfaches an Erörterungen der zuständigen Behörden, Beachtung der jeweils einschlägigen Gesetze sowie die Berücksichtigung von möglicherweise eingebrachten Einwendungen von öffentlicher als auch privater Seite nach sich.5 Der Planfeststellungsbeschluss schließt das Feststellungsverfahren ab (§ 74 Abs. 1 Satz 1 VwVfG) und enthält gegenüber dem Vorhabenträger die unter Umständen mit Auflagen verbundene Genehmigung seines Vorhabens. Drittbetroffenen wird gegebenenfalls eine Duldungspflicht auferlegt . Der Beschluss ist seiner Rechtsnatur nach eine besondere Art der Allgemeinverfügung und damit ein Verwaltungsakt im Sinne von § 35 VwVfG.6 Die getroffene Regelung entfaltet umfassende Wirkung gegenüber dem Träger des Vorhabens, öffentlichen Rechtsträgern und den durch den Plan beziehungsweise das geplante Vorhaben jeweils Betroffenen. Der zuständigen Behörde ist bei der Planfeststellung ein echtes Planungsermessen (planerischer [Mit-] Gestaltungsspielraum) eingeräumt. So soll die Behörde die ihr übertragene Gestaltungs- und Optimierungsaufgabe erfüllen und die verschiedenen Interessen und Belange in Ausgleich bringen können.7 Dabei muss sie sicherstellen, dass durch den Beschluss die Rechte Dritter nicht beeinträchtigt werden (§ 74 Abs. 2 S. 2 VwVfG), ansonsten aber jedenfalls eine Entschädigung in Geld erfolgt (§ 74 Abs. 2 S. 3 VwVfG). 4 Kämper, in: Beck ’scher Onlinekommentar (BeckOK) zum VwVfG, 46. Ed. 1.1.2020, VwVfG § 73 Rn. 1-1d. 5 Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, Kommentar zum VwVfG, 20. Auflage 2019, § 72 Rn. 1. 6 Pietzcker, in: Schoch/Schneider/Bier/Pietzcker, 37. EL Juli 2019, VwGO § 42 Abs. 1 Rn. 69. 7 Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, Kommentar zum VwVfG, 20. Auflage 2019, § 74 Rn. 15. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 025/20 Seite 6 4. Wirkungen des Planfeststellungsbeschlusses Die wesentlichen Rechtswirkungen des Planfeststellungsbeschlusses sind in § 75 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 VwVfG geregelt. Diese werden typischerweise mit der Genehmigungswirkung, der Konzentrationswirkung , der Gestaltungswirkung und der Duldungswirkung8 beziehungsweise dem „Prinzip der Planstabilität“9 umschrieben. 4.1. Genehmigungswirkung Ist ein Vorhaben planfeststellungspflichtig, so beinhaltet diese normierte Pflicht auch immer das Verbot, die damit verbundenen baulichen Anlagen ohne die erforderliche Planfeststellung zu errichten , zu ändern oder zu betreiben (sog. präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt).10 Mit Wirksamwerden des Planfeststellungsbeschlusses wird dieses Verbot aufgehoben und die Zulässigkeit der Anlegung und in der Regel auch des Betriebs des planfeststellungspflichtigen Vorhabens im Hinblick auf alle von ihm berührten öffentlichen Belange festgestellt. Die Genehmigungswirkung erfasst zunächst das Vorhaben als solches sowie alle baulichen und sonstigen Anlagen, die zum Vorhaben gehören. Durch den Planfeststellungsbeschluss wird die Zulässigkeit dieser Vorhaben in jeder rechtlichen Hinsicht – also auch für öffentlich-rechtliche Genehmigungserfordernisse außerhalb des Fachplanungsrechts – verbindlich festgestellt. Zudem umfasst die Genehmigungswirkung auch den späteren bestimmungsmäßigen Betrieb der genehmigten Anlagen sowie die zur Verwirklichung des Vorhabens erforderlichen Baumaßnahmen.11 Eine Verpflichtung zur Realisierung des Vorhabens ist mit der Planfeststellung nicht verbunden. Neben der Vorhabenzulassung beinhaltet die Planfeststellung regelmäßig auch eine verbindliche Raumnutzungsentscheidung, mit der abschließend über die raumplanerische Zulässigkeit der Bodeninanspruchnahme befunden wird. Mit dem Zeitpunkt der Zustellung des Planfeststellungsbeschlusses tritt die Genehmigungswirkung gem. § 74 Abs. 4, 5 VwVfG ein. 4.2. Konzentrationswirkung Andere behördliche Entscheidungen sind neben der Planfeststellung grundsätzlich nicht erforderlich (sog. Konzentrationswirkung). Der Planfeststellungsbeschluss umfasst alle anderen zur Durchführung des Vorhabens erforderlichen behördlichen Entscheidungen, insbesondere öffentlich -rechtliche Genehmigungen, Verleihungen, Erlaubnisse, Bewilligungen, Zustimmungen und 8 Kämper, in: BeckOK zum VwVfG, 46. Ed. 1.1.2020, VwVfG § 75; Masing/Schiller, in: Obermayer/Funke-Kaiser, Kommentar zum VwVfG, § 75 Rn. 2 ff. 9 Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, Kommentar zum VwVfG, 20. Auflage 2019, § 75 Rn. 1. 10 Kämper, in: BeckOK zum VwVfG, 46. Ed. 1.1.2020, VwVfG § 75 Rn. 2; Masing/Schiller, in: Obermayer/Funke- Kaiser, Kommentar zum VwVfG, § 75 Rn. 2; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, Kommentar zum VwVfG, 20. Auflage 2019, § 75 Rn. 8. 11 Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, Kommentar zum VwVfG, 20. Auflage 2019, § 75 Rn. 8, 9; Kämper, in: BeckOK zum VwVfG, 46. Ed. 1.1.2020, VwVfG § 75 Rn 2. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 025/20 Seite 7 Planfeststellungen (§ 75 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz VwVfG).12 Darunter fallen nicht nur Verwaltungsakte , sondern auch verwaltungsinterne Mitwirkungsakte.13 4.3. Gestaltungswirkung Gemäß § 75 Abs. 1 Satz 2 VwVfG regelt der Planfeststellungsbeschluss rechtsgestaltend alle öffentlich -rechtlichen Beziehungen zwischen dem Vorhabenträger und den durch den Plan in ihren Rechten betroffenen Dritten. Entsprechend werden alle diese Rechtsbeziehungen neu gestaltet und richten sich dabei grundsätzlich ausschließlich nach dem Planfeststellungsbeschluss.14 Der Planfeststellungsbeschluss gewährt dem Vorhabenträger durch die Feststellung der Zulässigkeit des Vorhabens und die Ersetzung anderer öffentlich-rechtlicher Entscheidungen eine Begünstigung . Gleichzeitig wird ihm durch die Verpflichtung, die einzelnen Voraussetzungen des Planfeststellungsbeschlusses zu befolgen, etwaige Schutzauflagen zu erfüllen und gegebenenfalls eine festgesetzte Geldentschädigung zu zahlen, eine Belastung auferlegt.15 Hält sich der Vorhabenträger im Rahmen des Beschlusses, muss er keine behördlichen Einwände erwarten. Drittbetroffene haben die Auswirkungen des Vorhabens zu dulden, ihnen werden jedoch gegebenenfalls durch die Anordnung von Schutzauflagen oder die Festsetzung einer Geldentschädigung auch Begünstigungen gewährt. Diese Gestaltungswirkung tritt gegenüber Privaten unabhängig von ihrer Beteiligung im Planfeststellungsverfahren ein.16 Die Gestaltungswirkung tritt bereits mit der Zustellung beziehungsweise mit der Fiktion der Zustellung nach § 74 Abs. 4 Satz 3 VwVfG ein, eine Unanfechtbarkeit des Beschlusses ist für den Eintritt der Wirkung also nicht erforderlich.17 12 Kämper, in: BeckOK zum VwVfG, 46. Ed. 1.1.2020, VwVfG § 75 Rn. 5; Masing/Schiller, in: Obermayer/Funke- Kaiser, Kommentar zum VwVfG, § 75 Rn. 2. 13 So die herrschende Meinung, vgl. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, Kommentar zum VwVfG, 20. Auflage 2019, § 75 Rn. 12c¸ Kämper, in: BeckOK zum VwVfG, 46. Ed. 1.1.2020, VwVfG § 75 Rn. 5. Wickel, in: Fehling/Kastner /Störmer, Handkommentar zum Verwaltungsrecht, 4. Auflage 2016, § 75 VwVfG, Rn. 23; BVerwG, Beschluss vom 13.12.2006 - 4 B 73/06 (VGH München) NVwZ 2007, 459 (460). BVerwG, Beschluss vom 13.12.2006 - 4 B 73/06 (VGH München), NVwZ 2007, 459 (460); BVerwG, Urteil vom 16.3.2006 - 4 A 1075/04, BVerwGE 125, 116 [278] = NVwZ Beil. I 8/2006, 1. 14 Wysk, in: Kopp/Ramsauer, Kommentar zum VwVfG, 20. Auflage 2019, § 75 Rn. 17; Masing/Schiller, in: Obermayer /Funke-Kaiser, Kommentar zum VwVfG, § 75 Rn. 8. 15 Masing/Schiller, in: Obermayer/Funke-Kaiser, Kommentar zum VwVfG, § 75 Rn. 2 und 8. ; Wickel, in: Fehling /Kastner/Störmer, Handkommentar zum Verwaltungsrecht, 4. Auflage 2016, § 75 VwVfG, Rn. 26. 16 Masing/Schiller, in: Obermayer/Funke-Kaiser, Kommentar zum VwVfG, § 75 Rn. 8; Wysk, in: Kopp/Ramsauer, Kommentar zum VwVfG, 20. Auflage 2019, § 75 Rn. 17; vgl. auch BGH, Urt. v. 24.10.2003 – V ZR 424/02, NVwZ 2004, 377, (378); Neumann/Külpmann in: Stelkens/Bonk/Sachs, Kommentar zum VwVfG, 9. Auflage 2018, § 75 Rn. 62. 17 Wysk, in: Kopp/Ramsauer, Kommentar zum VwVfG, 20. Auflage 2019, § 75 Rn. 18a. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 025/20 Seite 8 4.4. Duldungswirkung, Prinzip der Planstabilität Eine weitere Wirkung des Planfeststellungsbeschlusses ist der Ausschluss sämtlicher geschriebener oder ungeschriebener Abwehransprüche auf öffentlich-rechtlicher Grundlage, die sich auf Anfechtung oder Unterlassung richten, § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG. Diese eng mit der Gestaltungswirkung zusammenhängende sogenannte Ausschluss- und Duldungswirkung gilt sowohl gegenüber Privaten als auch gegenüber Behörden. Zudem ist die Planfeststellung in ihrer Wirkung insofern auch privatrechtsgestaltend, da sie auch nach bürgerlichem Recht in Betracht kommende Unterlassungs- Änderungs- und Beseitigungsansprüche (insb. gem. §§ 823, 861 f., 906, 907, 1004 BGB18) umfasst und ausschließt.19 Im Gegensatz zur Gestaltungswirkung tritt die Duldungswirkung nach dem Wortlaut des § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG erst mit der Unanfechtbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses ein. Auch die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit eines Planfeststellungsbeschlusses nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO reicht daher nicht aus, um die Duldungswirkung herbeizuführen.20 5. Anfechtung, Änderung und Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses Modifikationen des Planfeststellungsbeschlusses können grundsätzlich nur nach den §§ 72 ff. VwVfG im Wege der Anfechtung, Änderung oder Aufhebung herbeigeführt werden. Im Einzelnen wird dies unter den nachfolgenden Ziffern 5.1 bis 5.3 dargestellt. 5.1. Anfechtung des Planfeststellungsbeschlusses Für förmliche Rechtsbehelfe gilt grundsätzlich die Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)21. Gegen einen Planfeststellungsbeschluss kann daher aufgrund seiner Rechtsnatur als Verwaltungsakt bis zur Bestandskraft mittels einer Anfechtungsklage vorgegangen werden. Eines Vorverfahrens vor Klageerhebung bedarf es dabei nicht (§§ 74 Abs. 1 Satz 2, 70 VwVfG, § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO). 18 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 21. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2911) geändert worden ist. 19 BVerwG, Urteil vom 19.12.2007 - 9 A 22/06 NVwZ 2008, 561 Rn. 14; Wysk, in: Kopp/Ramsauer, Kommentar zum VwVfG, 20. Auflage 2019, § 75 Rn. 38; Neumann/ Külpmann in: Stelkens/Bonk/Sachs, Kommentar zum VwVfG, 9. Auflage 2018, § 75 Rn. 62; vgl. auch BGH, Urt. V. 24.10.2003 – V ZR 424/02, NVwZ 2004, 377, (378); Neumann/ Külpmann in: Stelkens/Bonk/Sachs, Kommentar zum VwVfG, 9. Auflage 2018, § 75 Rn. 62. 20 Wickel, in: Fehling/Kastner/Störmer, Handkommentar zum Verwaltungsrecht, 4. Auflage 2016, § 75 VwVfG, Rn. 32; Wysk, in: Kopp/Ramsauer, Kommentar zum VwVfG, 20. Auflage 2019, § 75 Rn. 39. 21 Verwaltungsgerichtsordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.3.1991 (BGBl. I S. 686), zuletzt geändert durch Art. 56 des Gesetzes vom 12.12.2019 (BGBl. I S. 2652). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 025/20 Seite 9 Aufgrund der Regelungen in § 74 Abs. 4, 5 VwVfG kann der Planfeststellungsbeschluss gegenüber den Betroffenen zu unterschiedlichen Zeitpunkten, nämlich je nach Bekanntgabe, unanfechtbar werden.22 Diese jeweils möglichen, unterschiedlichen Zeitpunkte sind von Bedeutung, da der Erfolg einer Klage grundsätzlich nur subjektiv-rechtliche Wirkung für den jeweiligen Kläger entfaltet.23 Das kann dazu führen, dass ein Beschluss von einem Kläger erfolgreich angefochten wurde und dieser Beschluss mit seinen Inhalten gegenüber diesem keine Wirkung entfaltet, während andere Planbetroffene aufgrund unterschiedlicher Bekanntgabezeitpunkte und der ihnen gegenüber schon eingetretenen Unanfechtbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses mit dessen Wirkungen konfrontiert werden (sog. relative Unanfechtbarkeit).24 5.2. Änderung des Planfeststellungsbeschlusses und Grundsatz der Planerhaltung In § 75 Abs. 1a VwVfG soll ebenfalls der Grundsatz der Planerhaltung zum Ausdruck kommen. Nicht alle (formellen oder materiellen) Fehler sollen zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses führen, da dies zur Folge hätte, dass ein erneutes zeit- und ressourcenaufwendiges Planfeststellungsverfahren durchzuführen wäre.25 Die Vorschrift hat folgenden Wortlaut: „(1a) Mängel bei der Abwägung der von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange sind nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. Erhebliche Mängel bei der Abwägung oder eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften führen nur dann zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses oder der Plangenehmigung, wenn sie nicht durch Planergänzung oder durch ein ergänzendes Verfahren behoben werden können; die §§ 45 und 46 bleiben unberührt.“ Satz 1 beschränkt die Erheblichkeit von Abwägungsmängeln dem Grunde nach, Satz 2 die Rechtsfolgen von erheblichen Mängeln: Erhebliche Mängel führen nur dann zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, wenn sie nicht auf dem Wege des ergänzenden Verfahrens oder 22 Wysk, in: Kopp/Ramsauer, Kommentar zum VwVfG, 20. Auflage 2019, § 75 Rn. 67; Neumann/ Külpmann in: Stelkens/Bonk/Sachs, Kommentar zum VwVfG, 9. Auflage 2018, § 75 Rn. 59. 23 BVerwG, Urteil vom 30.05.1984 - 4 C 58/81 (VG München), NVwZ 1984, 718. 24 Neumann/ Külpmann in: Stelkens/Bonk/Sachs, Kommentar zum VwVfG, 9. Auflage 2018, § 75 Rn. 59; Masing/Schiller, in: Obermayer/Funke-Kaiser, Kommentar zum VwVfG, § 75 Rn. 21¸ BVerwG, Urteil vom 30.05.1984 - 4 C 58/81 (VG München), NVwZ 1984, 718. 25 Masing/Schiller, in: Obermayer/Funke-Kaiser, Kommentar zum VwVfG, § 75 Rn. 11. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 025/20 Seite 10 durch Planergänzung beseitigt werden können. Für die Praxis hat die Vorschrift erhebliche Bedeutung und steht in der Mehrzahl der Fälle einer Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses entgegen, auch wenn dieser an einem rechtlichen Mangel leidet.26 § 75 Abs. 1a Satz 1 VwVfG bestimmt, dass Fehler in der Abwägung nur erheblich sind, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. Einfluss auf das Abwägungsergebnis haben materielle Fehler dann, wenn nach den Umständen des Einzelfalls die konkrete Möglichkeit besteht, dass die Entscheidung ohne den Mangel anders ausgefallen wäre.27 Mit der Rechtsprechung des BVerwG und des BVerfG kann die Ergebnisrelevanz nur verneint werden, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Planfeststellungsbehörde auch im Falle einer ordnungsgemäßen Abwägung die gleiche Entscheidung getroffen hätte.28 Insofern liegt die Darlegungslast bei der Behörde. Erhebliche Mängel bei der Abwägung oder eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften können gemäß § 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG dann zur Aufhebung eines Planfeststellungsbeschlusses oder der Plangenehmigung führen, wenn diese Mängel nicht durch Planergänzung oder ein ergänzendes Verfahren behoben werden können. Kommt ein Gericht aufgrund der Klage eines Drittbetroffenen zu dem Ergebnis, dass ein erheblicher Mangel vorliegt, so hat es den Planfeststellungsbeschluss für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären.29 Im Anschluss an diese gerichtliche Entscheidung kann die Planfeststellungsbehörde bis zur Rechtskraft eines Urteils nach eigenem Ermessen entscheiden, ob sie von der Möglichkeit der Planergänzung beziehungsweise das ergänzenden Verfahrens Gebrauch macht. Möglich ist es ihr auch, von der Planung gänzlich Abstand zu nehmen oder ein neues Verfahren einzuleiten. Diese Befugnis zur Fehlerheilung begründet sich in der fachgesetzlich eingeräumten Entscheidungskompetenz der Planungsbehörde.30 Dabei kommt das ergänzende Verfahren vor allem dann zum Einsatz, wenn die Planfeststellungsbehörde bei ihrer Entscheidungsfindung einzelne abwägungsrechtliche Belange nicht miteinbezogen , falsch oder unvollständig ermittelt oder fehlerhaft gewichtet hat. Auch bei Missachtung 26 Neumann/ Külpmann in: Stelkens/Bonk/Sachs, Kommentar zum VwVfG, 9. Auflage 2018, § 75 Rn. 35; Wysk, in: Kopp/Ramsauer, Kommentar zum VwVfG, 20. Auflage 2019, § 75 Rn. 28; BVerwG, Urt. v. 14.09.1992 – 4 C 34-38/89 –, BVerwGE 91, juris Rn. 21. 27 BVerwG, Urt. v. 24.11.2011 − 9 A 23/10, NVwZ 2012, 557 (565). 28 BVerfG, Beschl. v. 16.12.2015 – 1 BvR 685/12, NVwZ 2016, 524 (526); BVerwG, Urt. V. 10.2.2016 – 9 A 1/15,BVerwGE 154, 153-163 (162). 29 Masing/Schiller, in: Obermayer/Funke-Kaiser, Kommentar zum VwVfG, § 75 Rn. 15; Wysk, in: Kopp/Ramsauer, Kommentar zum VwVfG, 20. Auflage 2019, § 75 Rn. 28. 30 Wysk, in: Kopp/Ramsauer, Kommentar zum VwVfG, 20. Auflage 2019, § 75 Rn. 28; Masing/Schiller, in: Obermayer /Funke-Kaiser, Kommentar zum VwVfG, § 75 Rn. 15. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 025/20 Seite 11 zwingender einfachgesetzlicher Vorschriften oder Form- und Verfahrensfehlern kommt dieses Verfahren in Betracht.31 Die Planergänzung bietet sich vor allem dort an, wo im Planfeststellungsbeschluss Anordnungen fehlen. Sie wird in ihrem Hauptanwendungsfall vor allem dazu genutzt, um im Planfeststellungsbeschluss nach § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG erforderliche Schutzauflagen zu ergänzen.32 5.3. Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses Ansprüche auf Unterlassung des Vorhabens, auf Beseitigung des Vorhabens, auf Beseitigung oder Änderung der Anlagen oder auf Unterlassung ihrer Benutzung sind nach der Unanfechtbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses bereits aufgrund der Genehmigungs-, Konzentrations-, Gestaltungs - und Duldungswirkung des Beschlusses ausgeschlossen (vgl. § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG). Nach der Unanfechtbarkeit können deshalb seitens der Betroffenen allenfalls Vorkehrungen gegen nicht voraussehbare nachteilige Auswirkungen des Vorhabens oder eine Entschädigung in Geld verlangt werden (§ 75 Abs. 2 VwVfG). Die Vorschrift hat folgenden Wortlaut: „(2) Ist der Planfeststellungsbeschluss unanfechtbar geworden, so sind Ansprüche auf Unterlassung des Vorhabens, auf Beseitigung oder Änderung der Anlagen oder auf Unterlassung ihrer Benutzung ausgeschlossen. Treten nicht voraussehbare Wirkungen des Vorhabens oder der dem festgestellten Plan entsprechenden Anlagen auf das Recht eines anderen erst nach Unanfechtbarkeit des Plans auf, so kann der Betroffene Vorkehrungen oder die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen verlangen, welche die nachteiligen Wirkungen ausschließen. Sie sind dem Träger des Vorhabens durch Beschluss der Planfeststellungsbehörde aufzuerlegen. Sind solche Vorkehrungen oder Anlagen untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar, so richtet sich der Anspruch auf angemessene Entschädigung in Geld. Werden Vorkehrungen oder Anlagen im Sinne des Satzes 2 notwendig , weil nach Abschluss des Planfeststellungsverfahrens auf einem benachbarten Grundstück Veränderungen eingetreten sind, so hat die hierdurch entstehenden Kosten der Eigentümer des benachbarten Grundstücks zu tragen, es sei denn, dass die Veränderungen durch natürliche Ereignisse oder höhere Gewalt verursacht worden sind; Satz 4 ist nicht anzuwenden.“ Mit der Durchführung des Plans muss innerhalb einer Frist von fünf Jahren nach Eintritt der Unanfechtbarkeit begonnen werden. Ansonsten tritt der Plan außer Kraft (§ 75 Abs. 4 VwVfG). Soll vor Fertigstellung des Vorhabens der festgestellte Plan geändert werden, bedarf es eines neuen Planfeststellungsverfahrens (§ 76 VwVfG). Wird ein Vorhaben, mit dessen Durchführung begon- 31 Masing/Schiller, in: Obermayer/Funke-Kaiser, Kommentar zum VwVfG, § 75 Rn. 16; Wysk, in: Kopp/Ramsauer, Kommentar zum VwVfG, 20. Auflage 2019, § 75 Rn. 34; Neumann/ Külpmann in: Stelkens/Bonk/Sachs, Kommentar zum VwVfG, 9. Auflage 2018, § 75 Rn. 49 ff. 32 Neumann/ Külpmann in: Stelkens/Bonk/Sachs, Kommentar zum VwVfG, 9. Auflage 2018, § 75 Rn. 46; Wysk, in: Kopp/Ramsauer, Kommentar zum VwVfG, 20. Auflage 2019, § 75 Rn. 31; Masing/Schiller, in: Obermayer /Funke-Kaiser, Kommentar zum VwVfG, § 75 Rn. 18. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 025/20 Seite 12 nen worden ist, endgültig aufgegeben, so hat die Planfeststellungsbehörde den Planfeststellungsbeschluss aufzuheben. Wurde mit der Durchführung bereits begonnen, muss der Vorhabenträger den früheren Zustand der beanspruchten Fläche wiederherstellen (§ 77 VwVfG). 6. Anwendbarkeit der §§ 48, 49 VwVfG auf bestandskräftige Planfeststellungsbeschlüsse Umstritten ist, ob die in den §§ 48, 49 VwVfG normierten allgemeinen Rücknahme- und Widerrufsregeln auch auf den Planfeststellungsbeschluss anwendbar sind. Verwaltungsakte erlangen mit ihrer Bekanntgabe an die Betroffenen (§ 41 VwVfG) Wirksamkeit (§ 43 VwVfG) und werden mit Ablauf der Rechtsbehelfsfristen auch unanfechtbar. Die aus der Unanfechtbarkeit resultierende Bestandskraft dient dem Interesse der Rechtssicherheit, dem Rechtsfrieden sowie dem Rechtsschutz der Betroffenen.33 Unter bestimmten Voraussetzungen lassen die §§ 48 ff. VwVfG jedoch aus Gründen des öffentlichen Interesses und zur Wahrung von Rechten Betroffener eine Durchbrechung der Wirksamkeit beziehungsweise der Bestandskraft eines Verwaltungsaktes zu. Die zuständigen Behörden werden durch die Paragraphen zur nachträglichen Aufhebung beziehungsweise Abänderung eines bereits erlassenen und unter Umständen sogar unanfechtbar gewordenen Verwaltungsaktes ermächtigt , im Einzelfall sogar verpflichtet.34 Bei der Anwendbarkeit der §§ 48, 49 VwVfG auf Planfeststellungsbeschlüsse geht es um die Frage, ob die Planbetroffenen die Rücknahme oder den Widerruf eines solchen Beschlusses erzwingen , also einen subjektiv-öffentlichen Anspruch darauf geltend machen können, wenn nach Bestandskraft (Unanfechtbarkeit) eines Planfeststellungsbeschlusses unvorhersehbare Veränderungen eintreten, die eine Gefahr für ihre Rechtsgüter bedeuten. Die ältere Rechtsprechung hat zunächst angeführt, dass für diese Fälle allein die Norm des § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG heranzuziehen sei.35 Demgegenüber hat das Bundesverwaltungsgericht nun angenommen, dass sowohl § 48 VwVfG als auch § 49 VwVfG grundsätzlich auf einen Planfeststellungsbeschluss anwendbar seien.36 Als Begründung werden vor allem zwei Argumente ins Feld geführt: Zum einen sei die Anwendung der §§ 48, 49 VwVfG nicht ausdrücklich ausgeschlossen , da schon der Umkehrschluss aus § 72 Abs. 1 2. Halbsatz VwVfG nahelege, dass Rücknahme und Widerruf grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden. Zum anderen lasse sich aus den §§ 72 ff. VwVfG nicht folgern, dass die Schutzauflagen nach § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG das 33 Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, Kommentar zum VwVfG, 20. Auflage 2019, § 43 Rn. 29 ff. 34 Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, Kommentar zum VwVfG, 20. Auflage 2019, § 48 Rn. 1. 35 Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. V. 12.9.1996 – 8 S 1511/96, NVwZ-RR 1997, 682 f. 36 Zuletzt BVerwG, Urt. v. 19.12.2017 – 3 A 8/15, NVwZ 2018, 501; BVerwG, Urt. v. 31.7.2012 – 4 A 7001/11, 4 A 7002/11, 4 A 7003/11, NVwZ 2013, 297 (298); so auch die herrschende Ansicht in der Literatur, vgl. nur Wysk, in: Kopp/Ramsauer, Kommentar zum VwVfG, 20. Auflage 2019, § 72 Rn. 28; Kämper, in: BeckOK zum VwVfG, 46. Ed. 1.1.2020, VwVfG § 72 Rn. 43. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 025/20 Seite 13 ausschließliche Instrumentarium zur Beseitigung von Rechtsgutverletzungen Dritter nach Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses darstellen sollen.37 Vor dem Hintergrund der grundsätzlichen Anwendbarkeit dieser Vorschriften stellt sich die Frage, wie ein konkreter Rückgriff auf diese Normen erfolgt und welche Wirkungen sie hinsichtlich der Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses entfalten können. 6.1. Zur Anwendung von § 48 VwVfG Im Falle anfänglicher Rechtswidrigkeit eines bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses ist ein Rückgriff auf § 48 VwVfG grundsätzlich möglich, da die §§ 72 ff. VwVfG auch hier keine vorrangige Regelung enthalten. Eine Anwendung des § 48 Abs. 1 VwVfG kommt aber nur infrage, wenn der Planfeststellungsbeschluss von Anfang an rechtswidrig war. Zu beachten ist auch, dass in der Praxis nicht ohne weiteres eine Rücknahme eines Planfeststellungsbeschlusses anhand der Norm erfolgen kann. Oft sind zunächst andere Normen anzuwenden, bevor auf § 48 VwVfG subsidiär zurückgegriffen werden kann. So finden zunächst die Einschränkungen des § 75 Abs. 1a VwVfG Anwendung, wenn die Rechtswidrigkeit auf einem Abwägungsmangel beruht (vgl. oben, Ziffer 5.2).38 Nach der Vorschrift führen auch erhebliche Abwägungsmängel des Planfeststellungsbeschlusses nur dann zu seiner Aufhebung , wenn sie nicht durch Planergänzung oder ein ergänzendes Verfahren behoben werden können. Die Vorschrift schränkt zwar unmittelbar nur den gerichtlich geltend gemachten Aufhebungsanspruch des planbetroffenen Dritten ein, ist aber Ausdruck des allgemeinen Grundsatzes der Planerhaltung (s.o., Ziffer 5.2.). Kann ein Mangel des Planfeststellungsbeschlusses etwa durch eine Planergänzung behoben werden, scheidet eine auf diesen Mangel gestützte vollständige Rücknahme des Planfeststellungsbeschlusses nach § 48 VwVfG schon deshalb aus. Zwar lässt die Rechtsprechung gelegentlich, namentlich bei Dauerverwaltungsakten, die Rücknahme eines Verwaltungsakts nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG zu, wenn dieser nachträglich rechtswidrig geworden ist.39 Jedoch ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für die Beurteilung sowohl der planerischen Rechtfertigung als auch für die planerische Abwägung eines Planfeststellungsbeschlusses diejenige Sach- und Rechtslage entscheidend , die für die planerische Abwägung zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Plan relevant war.40 37 BVerwG, Urt. v. 28.4.2016 – 4 A 2/15, NVwZ 2016, 1325; BVerwG, Urt. v. 31.7.2012 – 4 A 7001/11, 4 A 7002/11, 4 A 7003/11, NVwZ 2013, 297 (298).BVerwG, Urt. v. 19.12.2017 – 3 A 8/15, NVwZ 2018, 501; Masing/Schiller, in: Obermayer/Funke-Kaiser, Kommentar zum VwVfG, § 72 Rn. 32. 38 Sowie ergänzend: Masing/Schiller, in: Obermayer/Funke-Kaiser, Kommentar zum VwVfG, § 72 Rn. 33; Neumann/Külpmann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Kommentar zum VwVfG, 9. Auflage 2018, § 72 Rn. 117. 39 BVerwG, Urteil vom 26.5.1989 - 8 C 87/87 (VG Hamburg), NVwZ 1990, 70; BVerwG, Urteil vom 26.5.1989 - 8 C 87/87 (VG Hamburg), NVwZ 1990, 70, Rn. 43. 40 vgl. zuletzt BVerwG, Urt. v. 19.12.2017 – 3 A 8/15, NVwZ 2018, 501; sowie BVerwG, Urt. v. 28.04.2016 – 4 A 2/15, NVwZ 2016, 1325. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 025/20 Seite 14 § 48 Abs. 1 und 2 VwVfG hat folgenden Wortlaut: „(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden. (2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er 1. den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat; 2. den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren; 3. die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.“ Auf eine wegen Änderung der Sach- und Rechtslage nachträglich eingetretene Rechtswidrigkeit kann sich ein Planbetroffener nicht berufen. Dies wird seitens der Rechtsprechung damit begründet , dass es einem Dritten auch im Anfechtungsprozess gegen einen Planfeststellungsbeschluss versagt ist, die Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses unter Hinweis auf Veränderungen der Sach- und Rechtslage nach Erlass dieses Beschlusses geltend zu machen. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) wäre es deshalb widersprüchlich, wenn der Kläger dann aber unter Hinweis auf solche Veränderungen nun einen Anspruch auf Rücknahme oder ermessensfehlerfreie Entscheidung zugesprochen bekäme.41 Daher könne auch bei der Entscheidung über eine Rücknahme nur die Sach- und Rechtslage, wie sie zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Plan vorlag, berücksichtigt werden. Vor diesem Hintergrund erscheint auch die Rücknahme eines bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses als problematisch. Geänderte Gesetze und Entwicklungen, die – hätten sie zum Zeitpunkt des Beschlusses existiert – möglicherweise zu dessen Rechtswidrigkeit geführt hätten, dürften bei der Entscheidungsfindung insofern nicht berücksichtigt werden. Des Weiteren wäre 41 BVerwG, Urt. v. 28.4.2016 – 4 A 2/15, NVwZ 2016, 1325 Rn. 28; BVerwG, Urteil vom 13.12.2007 - 4 C 9/06 (VGH München), NVwZ 2008, 563 Rn. 68; BVerwG, Beschl. v. 22.6.2015 – 4 B 61/14, BeckRS 2015, 48852 Rn. 5. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 025/20 Seite 15 zu beachten, dass auch der im Rahmen von § 48 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 VwVfG zu beachtende Vertrauensschutz im Einzelfall einer Rücknahme entgegenstehen kann. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Gewährung eines Ausgleichs nach § 48 Abs. 3 VwVfG nicht ausreicht, um die Nachteile für den Betroffenen der Rücknahme auszugleichen. Auch wird ein Anspruch Dritter auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Rücknahme in der Regel nicht zum Erfolg führen können, wenn dem berechtigten Interesse des Dritten durch nachträgliche Anordnungen nach § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG hinreichend Rechnung getragen werden kann.42 Selbst wenn man schließlich zur Möglichkeit der Rücknahme nach § 48 VwVfG kommt, kann der Anspruch auf Rücknahme eines Planfeststellungsbeschlusses nicht weitergehen als der Aufhebungsanspruch bei fristgemäßer Anfechtung. Der Rücknahmeanspruch wird insofern durch die Planerhaltungsvorschriften modifiziert: Mängel bei der Abwägung und Verletzung von Verfahrens - und Formvorschriften, die gemäß §§ 45, 46 VwVfG im Anfechtungsverfahren weder zur Aufhebung noch zur Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nachvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses führen, können daher weder einen Anspruch auf Rücknahme noch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Rücknahme des Planfeststellungsbeschlusses begründen. Aufgrund des Vorrangs der planfeststellungsrechtlichen Vorschriften muss ein Rückgriff auf §§ 48, 49 VwVfG in den Spezialkonstellationen der §§ 76, 77 VwVfG zudem unterbleiben.43 6.2. Zur Anwendung von § 49 VwVfG Der Planfeststellungsbeschluss genießt nach § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG eine erhöhte Bestandskraft . Ein Widerruf eines bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses wird daher nur verlangt werden können, wenn die Anordnung nachträglicher Schutzauflagen (§ 75 Abs. 2 Satz 2-5 VwVfG) keine Abhilfe schaffen kann. Kann dem mit dem Widerruf verfolgten berechtigten Interesse durch nachträgliche Anordnungen hinreichend Rechnung getragen werden, so kommt ein Widerruf nach § 49 VwVfG nicht in Betracht. 44 § 49 Abs. 1 und 2 VwVfG hat folgenden Wortlaut: (1) Ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden , außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist. (2) Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt darf, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden, 1. wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist; 42 Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, Kommentar zum VwVfG, 20. Auflage 2019, § 48 Rn. 42. 43 Masing/Schiller, in: Obermayer/Funke-Kaiser, Kommentar zum VwVfG, § 72 Rn. 33. 44 Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, Kommentar zum VwVfG, 20. Auflage 2019, § 49 Rn. 19a. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 025/20 Seite 16 2. wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat; 3. wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde; 4. wenn die Behörde auf Grund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, soweit der Begünstigte von der Vergünstigung noch keinen Gebrauch gemacht oder auf Grund des Verwaltungsaktes noch keine Leistungen empfangen hat, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde; 5. um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen. § 48 Abs. 4 gilt entsprechend. Das Bundesverwaltungsgericht hat insofern betont, dass der Widerruf eines Planfeststellungsbeschlusses gemäß § 49 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG in Betracht komme, wenn Auflagen nach § 75 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG nicht ausreichten, um auf die veränderten Verhältnisse zu reagieren und Gefahren für die grundrechtlich geschützten Rechtsgüter Drittbetroffener zu beseitigen. Nur wenn die aufgrund von § 75 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG getroffenen Schutzauflagen nicht ausreichen, komme – entsprechend dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – als ultima ratio ein Widerruf nach § 49 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG in Betracht.45 Hier ist des Weiteren zu berücksichtigen, dass ein solcher Widerruf nach § 49 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG, insbesondere auch in Bezug auf einen Planfeststellungsbeschluss, sehr hohen Anforderungen unterliegt. Das Bundesverwaltungsgericht hat dies in seinem Beschluss vom 27.5.2015 zum Widerruf bestandskräftiger Planfeststellungsbeschlüsse ausdrücklich dargestellt46: „Die Vorschrift des § 49 II 1 Nr. 5 VwVfG stellt mit der Verhütung oder Beseitigung von schweren Nachteilen für das Gemeinwohl besonders strenge Anforderungen an den Widerrufsgrund, ist jedoch ansonsten voraussetzungslos; insbesondere fordert sie keine Veränderung der Sach- oder Rechtslage und lässt damit ohne weiteres die Durchbrechung der Bestandskraft zu. Angesichts dessen liegt es auf der Hand, dass mit schweren Nachteilen für das Gemeinwohl zwar nicht ausschließlich Allgemeininteressen, sondern auch individuelle Träger von Rechtsgütern geschützt sein können (vgl. BVerwGE 105, 6 [15] = NVwZ 1998, 281), deren verletztes Recht aber einen Rang aufweisen muss, der es zum Gemeinwohlbelang erhebt und dessen Verletzung zudem so gravierend sein muss, dass sie auch und gerade im Interesse der Allgemeinheit nicht hingenommen werden oder aufrechterhalten bleiben kann. Ausgehend davon drängt es sich auf, dass die Beeinträchtigung des Eigentums Einzelner durch einen Planfeststellungsbeschluss grundsätzlich nicht die strengen Anforderungen des § 49 II 1 Nr. 5 VwVfG erfüllt. Anders als für das Leben und die Gesundheit individueller Rechtsträger, die 45 BVerwG, Urt. v. 28.4.2016 – 4 A 2/15, NVwZ 2016, 1325. 46 BVerwG, Beschl. v. 27.5.2015 – 3 B 5/15 (VGH Mannheim), NVwZ 2016, 323. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 025/20 Seite 17 das BVerwG als vom Schutz der Norm erfasst sieht, gibt es – worauf der VGH zu Recht hinweist – für verlorenes oder beeinträchtigtes Eigentum die Möglichkeit der Ersatzbeschaffung. Im Übrigen darf nicht aus den Augen verloren werden, dass Planfeststellungsbeschlüsse mit enteignenden Vorwirkungen keineswegs Ausnahmeerscheinungen sind. Vielmehr liegt es in der Natur der Sache , dass planfeststellungsbedürftige Vorhaben, insbesondere solche der Verkehrsinfrastruktur, oftmals mit der Inanspruchnahme fremden Eigentums einhergehen. Gäbe man den Betroffenen in all diesen Fällen mit der Behauptung der untragbaren Nachteile des bestandskräftig vorentschiedenen Zugriffs auf ihr Eigentum die Möglichkeit einer erneuten Verfahrenseröffnung, verlöre die Bestandskraft solcher Entscheidungen weitgehend ihre Bedeutung. Dies widerspräche der Zielrichtung der einschlägigen Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes, die Planfeststellungsbeschlüssen wegen ihrer gestalterischen Wirkung eine erhöhte Bestandskraft verleihen und daher einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Planfeststellungsverfahrens ausschließen (vgl. § 72 I iVm § 51 VwVfG). Der Widerruf eines Planfeststellungsbeschlusses kommt daher, wenn nachträgliche Schutzauflagen nach § 75 II VwVfG nicht ausreichen, um Gefahren für grundrechtlich geschützte Rechtsgüter abzuwehren, nur als Ultima Ratio in Betracht (BVerwGE 105, 6 [13] = NVwZ 1998, 281; BVerwG, NVwZ 2004, 97 [98]; NVwZ 2004, 865 [867], und NVwZ 2004, 869; Neumann in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 72 Rn. 115) und jedenfalls grundsätzlich nicht schon dann, wenn Einzelne in ihren Eigentumsrechten betroffen sind. Dies ist offenkundig und bedarf zur Klärung nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens .“47 7. Fazit Abschließend lässt sich festhalten, dass ein bestandskräftiger Planfeststellungsbeschluss auf Antrag eines betroffenen Dritten unter den Voraussetzungen der §§ 48, 49 VwVfG grundsätzlich geändert werden kann. Der Dritte muss sich aber zum einen die Rechtskraft eines insoweit abweichend ergangenen Anfechtungsurteils entgegenhalten lassen. Zum anderen stehen Widerruf und Rücknahme grundsätzlich im Ermessen der zuständigen Behörde, die dabei auch das Bestandsinteresse des Vorhabenträgers und ein möglicherweise bestehendes öffentliches Interesse an dem Vorhaben sowie die Schwierigkeiten einer Rückabwicklung berücksichtigen muss. Hinzu kommt, dass zumindest bei der Rücknahme die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Beschlussfassung als Bewertungsgrundlage dient. Ein Widerruf nach § 49 VwVfG ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der wohl herrschenden Kommentarliteratur nur ultima ratio und kommt nur in Betracht, wenn alle anderen rechtlichen Möglichkeiten, allen voran die Anordnung nachträglicher Schutzauflagen nach § 72 Abs. 2 Satz 2-5 VwVfG, ausgeschöpft wurden. Außerdem kann ein Aufhebungsanspruch nicht weiter gehen als der durch den Planerhaltungsgrundsatz modifizierte Aufhebungsanspruch bei fristgerechter Anfechtung.48 Vorrangig sind daher die planfeststellungspezifischen Möglichkeiten (nachträgliche Anordnungen , ergänzendes Verfahren usw.) hinsichtlich der Einflussnahme auf einen Planfeststellungsbe- 47 BVerwG, Beschl. v. 27.5.2015 – 3 B 5/15 (VGH Mannheim), NVwZ 2016, 323 (326). 48 Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, Kommentar zum VwVfG, 20. Auflage 2019, § 72 Rn. 28. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 025/20 Seite 18 schluss zu prüfen, da diese eine deutlich höhere Erfolgsaussicht versprechen. Nach der bisherigen restriktiven Rechtsprechung des BVerwG dürften die §§ 48, 49 VwVfG nur in singulären Ausnahmefällen auf bestandskräftige Planfeststellungsbeschlüsse Anwendung finden. ***