© 2015 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 025/15 Rechtsdogmatische Möglichkeiten zur Regelung der Suizidbeihilfe Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 025/15 Seite 2 Rechtsdogmatische Möglichkeiten zur Regelung der Suizidbeihilfe Verfasser: Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 025/15 Abschluss der Arbeit: 5. Februar 2015 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutz, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 025/15 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Die Arbeitsweise der Sterbehilfevereine mit Sitz in Deutschland 5 2.1. Voraussetzungen und Durchführung der Suizidbegleitung durch Sterbehilfe Deutschland e.V. (StHD) 6 2.2. Finanzierung des Vereins nach der Satzung vom 26. Januar 2014 8 3. Begriffsklärung: Organisierte, geschäftsmäßige oder gewerbsmäßige Suizidbeihilfe 9 3.1. Organisierte Sterbehilfe 9 3.2. Geschäftsmäßige Sterbehilfe 11 3.3. Gewerbsmäßige Sterbehilfe 12 4. Sterbehilfevereine als gemeinnützige Vereine 13 4.1. Förderung der Allgemeinheit 13 4.2. Gemeinnützige Zwecke 13 4.3. Selbstlose Förderung 14 5. Gesetzgeberischer Änderungsmöglichkeiten im Vereinsrecht, im Strafrecht oder im Zivilrecht, um Sterbehilfevereine zu verbieten oder ihnen bestimmte klarere Regelungen vorzuschreiben 15 5.1. Gesetzgeberischer Änderungsbedarf im Vereinsrecht 15 5.2. Gesetzgeberischer Änderungsbedarf im Zivilrecht – Verankerung des ärztlich assistierten Suizids 16 5.3. Gesetzgeberischer Änderungsbedarf im Strafrecht 18 6. Schaffung eines eigenständigen Gesetzes in Anlehnung an das SchKG 19 7. Klärung weiterer rechtlicher Fragen 23 7.1. Änderungen im BtMG und AMG 23 7.2. Einordung ärztlicher Hilfeleistungen 24 7.3. Haftungsfragen 25 8. Schlussbetrachtung 25 9. Anlage: §§ 2, 5 und 12 der StHD-Satzung vom 26. Januar 2014 27 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 025/15 Seite 4 1. Einleitung Von Mitgliedern des Deutschen Bundestages wurden verschiedene Positionspapiere zum Themenkomplex Sterbehilfe erarbeitet1. Einigkeit besteht darüber, die Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland zu verbessern. Überwiegend sprechen sich die Positionspapiere auch gegen die organisierte, geschäftsmäßige oder gewerbliche Sterbehilfe aus. Das Thesenpapier „Mehr Fürsorge statt mehr Strafrecht / Gegen eine Strafbarkeit der Beihilfe zum Suizid“2 unterscheidet sich insoweit von den anderen Positionspapieren, als dessen wesentliches Anliegen darin besteht, die Beihilfe zur Selbsttötung weiterhin straffrei zu belassen. Straffrei soll nicht nur die Beihilfe durch einzelne Personen (z.B. Familienangehörige, Ärzte), sondern auch durch nichtkommerzielle Sterbehilfevereine bleiben. Gefordert wird allerdings, für die Arbeit der Sterbehilfevereine einen klareren Rahmen zu setzen: „Schon heute ist klar, dass sie (gemeint sind die Sterbehilfevereine) sich bei ihrer Tätigkeit an das geltende Recht halten müssen. Denkbar ist aber zukünftig ausdrücklich zu regeln, dass sie aus der Beihilfe zum Freitod kein Kapital schlagen dürfen und Transparenzregeln einzuhalten sind. Nichtkommerzielle Vereine, die Beihilfe zur Selbsttötung anbieten, sollten aber weiterhin gestattet bleiben. Als Gesetzgeber müssen wir sie dazu verpflichten, sich auf eine Kostenerstattung zu beschränken, jeden Fall genau zu dokumentieren und ihnen genaue Kriterien und Mindeststandards für Begutachtungen vorgeben. Dazu gehören insbesondere die Feststellung 1 Positionspapier Griese, Kerstin / Högl, Eva, In Würde leben, in Würde sterben – Positionspapier zu Sterbehilfe (im Folgenden: Positionspapier Griese/Högl), abrufbar unter: http://kerstin-griese.de/PositionierungSterbehilfe _GrieseHoegl.pdf [Stand: 5. Februar 2015]. Positionspapier Hintze, Peter / Reimann, Carola / Lauterbauch, Karl / Lischka, Burkhard / Reiche, Katharina / Wöhrl, Dagmar, Sterben in Würde – Rechtssicherheit für Patienten und Ärzte (im Folgenden: Positionspapier Hintze/Reimann/Lauterbauch/Lischka/Reiche/Wöhrl), abrufbar unter: http://www.peter-hintze.de/uploads/media /2014-10-16_Sterbehilfe_Positionspapier_end.pdf [Stand: 5. Februar 2015]. Positionspapier Lücking-Michel, Claudia / Brand, Michael / Frieser, Michael, Begleiten statt Beenden – Schutz der Würde am Ende des Lebens (im Folgenden: Positionspapier Lücking-Michel/Brand/Frieser), abrufbar unter: http://www.kfd-bundesverband.de/fileadmin/Bilder/Projekte/Leben_bis_zuletzt/Sterbehilfe_Luecking-Michel .pdf [Stand: 5. Februar 2015]. Autorenpapier Scharfenberg, Elisabeth / Terpe, Harald, Vorschlag für eine moderate strafrechtliche Regelung der Suizidbeihilfe (im Folgenden: Positionspapier Scharfenberg/Terpe), S. 2, abrufbar unter: http://www.gruene-bundestag.de/fraktion/fraktion-aktuell/suizidbeihilfe/vorschlag-fuer-eine-moderate-strafrechtliche -regelung-der-suizidbeihilfe_ID_4393282.html [Stand: 5. Februar 2015]. Erklärung zur Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland, Gröhe, Hermann / Widmann- Mauz, Annette / Spahn, Jens / Zeulner, Emmi / Lauterbach, Karl / Mattheis, Hilde, Verbesserung der Hospizund Palliativversorgung in Deutschland, 10. November 2014 (im Folgenden: Positionspapier Gröhe/Widmann- Mauz), abrufbar unter: http://www.bmg.bund.de/fileadmin/dateien/Downloads/H/Verbesserung_hospiz-palliativversorgung _101114.pdf [Stand: 5. Februar 2015]. 2 Thesenpapier von Künast, Renate / Sitte, Petra / Gehring, Kai, Mehr Fürsorge statt mehr Strafrecht: Gegen eine Strafbarkeit der Beihilfe beim Suizid (im Folgenden: Thesenpapier Künast/Sitte/Gehring), abrufbar unter: https://www.gruene-bundestag.de/fileadmin/media/gruenebundestag_de/fraktion/Positionspapier-Sterbehilfe .pdf [Stand: 5. Februar 2015]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 025/15 Seite 5 der freien selbstbestimmten Entscheidung, das Vorhandensein einer Patientenverfügung und ein Vier-Augen-Prinzip bei der Begutachtung.“ 3 Die Debatte sowie auch die Thesenpapiere um die assistierte Sterbehilfe drehen sich vor allem um drei Aspekte: um die Form der Sterbehilfe, ob sie also „organisiert“, „geschäftsmäßig“ oder „gewerblich “ erfolgen darf, darum, inwieweit in Deutschland Sterbehilfevereine tätig werden dürfen, um eine Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland. Mit Blick auf die Debatte darüber, ob die Arbeit von nichtkommerziellen Sterbehilfevereinen in Deutschland weiterhin zuzulassen ist, wird im Folgenden zunächst die Arbeitsweise der Sterbehilfevereine mit Sitz in Deutschland vorgestellt. Anschließend geht es darum, wie die Begriffe „organisiert“, „geschäftsmäßig“ oder „gewerblich“ mit Blick auf die assistierte Sterbehilfe zu verstehen sind. Außerdem sollen auch die finanziellen Aspekte der Sterbehilfevereine beleuchtet werden. Abschließend wird untersucht, inwieweit Beschränkungen und Verbote der assistierten Sterbehilfe oder Auflagen für die assistierte Sterbehilfe gesetzlicher Veränderungen bedürfen und ob sich diese Veränderungen dogmatisch in bereits bestehenden Gesetzen verankern lassen oder nicht. 2. Die Arbeitsweise der Sterbehilfevereine mit Sitz in Deutschland Es gibt bisher zwei Sterbehilfevereine, die ihren Sitz in Deutschland haben: „DIGNITAS - Menschenwürdig leben - Menschenwürdig sterben (Sektion Deutschland) e.V.“ (DIGNITAS-Deutschland e.V.) - Der Verein wurde 2006 in Hannover gegründet und ist mit dem Schweizer DIGNITAS-Verein lediglich vertraglich verbunden.4 DIGNITAS- Deutschland bezweckt die Erforschung, Entwicklung und Verwirklichung der verfassungsrechtlich gewährleisteten Selbstbestimmung des Menschen im Rahmen der durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) und durch den Bundesgerichtshof (BGH) entwickelten Rechtsgrundsätze , hilft jedoch seinen Mitgliedern anders als DIGNITAS Schweiz nicht beim begleiteten Suizid.5 3 Thesenpapier Künast/Sitte/Gehring, Gliederungspunkt V. 4 Siehe die Angaben auf der Homepage von DIGNITAS Deutschland, abrufbar unter: http://www.dignitatedeutschland .de/ (Stand: 5. Februar 2015) sowie die Angaben auf der Homepage von DIGNITAS – Menschenwürdig leben – Menschenwürdig sterben, abrufbar unter: http://www.dignitas.ch/index.php?option=com_content &view=article&id=61&Itemid=42&lang=de (Stand: 5. Februar 2015). 5 Siehe die Angaben auf der Homepage von DIGNITAS – Menschenwürdig leben – Menschenwürdig sterben. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 025/15 Seite 6 „Sterbehilfe Deutschland e.V.“ (StHD) – Der Verein hat seinen Sitz bei Hamburg und besteht seit Ende 2009. Im Gegensatz zu DIGNITAS-Deutschland e.V leistet StHD auch Sterbehilfe 6. StHD hat einen weiteren Verein in der Schweiz gegründet, um für den Fall vorzusorgen , in dem der Deutsche Bundestag die Sterbehilfe durch Sterbehilfevereine verbietet . StHD hält ein solches Verbot für verfassungswidrig und geht davon aus, dass das BVerfG ein entsprechendes Gesetz für nichtig erklären würde. Für diesen Fall könnte StHD durch den Schweizer Verein handlungsfähig bleiben.7 StHD ist der einzige in Deutschland ansässige Verein, der Sterbehilfe leistet. Deshalb soll im Folgenden seine Arbeitsweise vorgestellt werden. 2.1. Voraussetzungen und Durchführung der Suizidbegleitung durch Sterbehilfe Deutschland e.V. (StHD) Gemäß § 2 Abs. 1 der Satzung8 bezweckt StHD, das Recht jedes Menschen auf Selbstbestimmung in Deutschland nach Schweizer Vorbild zu verankern und seine Mitglieder bei der Durchsetzung dieses Rechts zu unterstützen. Darüber hinaus will der Verein unter anderem seine Mitglieder hinsichtlich der Frage einer menschenwürdigen Beendigung ihres Lebens beraten, für jedes seiner Mitglieder eine individuelle Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung erstellen und vor allem seinen Mitgliedern Suizidhilfe gewähren, soweit diese im Einklang mit dem deutschen geltenden Recht steht, § 2 Abs. 2 bis 4 der Satzung. Ferner möchte StHD auch die flächendeckende Palliativmedizin und die Betreuungsangebote von Hospizen in Deutschland fördern, § 2 Abs. 5 der Satzung. Nach Angaben des Vereins leistet er Sterbehilfe gemäß seinen Ethischen Grundsätzen9: Nach Ziffer 15 werden die Voraussetzungen der Suizidbegleitung erst geprüft, wenn ein vollständig ausgefüllter Fragebogen und die endgültige Patientenverfügung vorliegen. Der Verein teilt dem Mitglied die definitive Entscheidung mit, beim Suizid zu assistieren, wenn die Prüfung ergibt, dass alle Voraussetzungen gegeben sind.10 Nach den Angaben 6 Siehe die Angaben auf der Homepage von StHD, abrufbar unter: http://www.sterbehilfedeutschland.de/cgibin /sbgl.pl?id=2048&lang [Stand: 5. Februar 2015). 7 Siehe dazu die Angaben auf der Homepage von StHD, abrufbar unter: http://www.sterbehilfedeutschland .de/cgi-bin/sbgl.pl?id=2048&lang [Stand: 5. Februar 2015) sowie Hardenberg/Mütze, Überdruss – kein Grund zu sterben, Süddeutsche Zeitung vom 22. Januar 2015, S. 6; Kamann, Die fragwürdige Sterbehilfe-Bilanz des Roger Kusch, Die Welt vom 22. Januar 2015, abrufbar unter: http://www.welt.de/politik/deutschland/article 136631380/Die-fragwuerdige-Sterbehilfe-Bilanz-des-Roger-Kusch.html [Stand: 5. Februar 2015]. 8 Die §§ 2, 5 und 12 der Satzung von StHD befinden sich im Anhang unter Gliederungspunkt 12. Die gesamte StHD-Satzung vom 26. Januar 2014 ist einsehbar auf der Homepage von StHD und abrufbar unter: http://www.sterbehilfedeutschland.de/sbgl/files/PDF/2014-x-Satzung.pdf (Stand: 5. Februar 2015). 9 Die Ethischen Grundsätze vom 6. Dezember 2013 sind einsehbar auf der Homepage von StHD und abrufbar unter : http://www.sterbehilfedeutschland.de/sbgl/files/PDF/W_2013-12_Eth.Grundsaetze.pdf (Stand: 5. Februar 2015). 10 Siehe Angaben zum „Grünen Licht“ auf der Homepage von StHD; abrufbar unter: http://www.sterbehilfedeutschland .de/cgi-bin/sbgl.pl?id=1671&lang (Stand: 5. Februar 2015). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 025/15 Seite 7 von StHD dauert die Prüfung der Voraussetzungen der Ethischen Grundsätze in der Regel zwei bis vier Monate; in Einzelfällen erfolgt sie schneller.11 Ziffer 16 setzt für die Suizidbeihilfe die Einsichts- und Willensfähigkeit des Sterbewilligen ohne jede Einschränkung und ein entsprechendes ärztliches Gutachten voraus. Zudem sind nach den Ziffern 14 bis 22 die Voraussetzungen der Suizidbegleitung schriftlich oder durch Videoaufzeichnung eines Gesprächs mit dem Sterbewilligen zu dokumentieren . Einen Katalog von Krankheiten, bei denen die Sterbehilfe praktiziert wird, enthalten die Ethischen Grundsätze nicht. StHD weist vielmehr auf seiner Homepage darauf hin, dass auch unheilbar psychisch Kranke nicht ausgeschlossen sind.12 Der Verein leistet in Deutschland die Sterbehilfe üblicherweise in der Wohnung des Mitgliedes .13 Als Suizidbegleiter kommen nach Ziffer 31 Angehörige oder StHD-Mitarbeiter in Betracht. Ziffer 32 regelt die Durchführung der Sterbehilfe durch Angehörige: Diese werden vom Verein ausführlich über alle medizinischen und organisatorischen Aspekte, über die aktuelle Rechtslage sowie über die rechtlichen Risiken für Sterbehelfer informiert. Leisten die Angehörigen selbst die Sterbehilfe, bedarf es keines Mitarbeiters des Vereins. Steht jedoch kein Angehöriger zur Suizidbegleitung zur Verfügung, sucht ein StHD-Mitarbeiter den Sterbewilligen zum vereinbarten Termin auf, wobei dann in der Wohnung keine weiteren Personen anwesend sein dürfen, Ziffer 33. Nach Ziffer 34 ist eine Anwesenheit eines Arztes nicht erforderlich, es sei denn, der körperliche Zustand des Sterbewilligen oder die beabsichtigte Suizidmethode erfordert im Einzelfall ärztliches Handeln. Für den Fall, dass eine orale Einnahme der Suizidmittel unmöglich ist oder eine erhöhte Erbrechensgefahr besteht, steht ein Injektionsautomat zur Verfügung, bei dem das Mitglied den Auslöseschalter selber betätigen muss.14 Im Jahr 2014 hat StHD 44 Menschen bei der Selbsttötung unterstützt; im Jahr 2013 wurde bei 41 Personen Sterbehilfe geleistet15. 11 Siehe Angaben zur Zeit auf der Homepage von StHD, abrufbar unter: http://www.sterbehilfedeutschland.de/cgibin /sbgl.pl?id=1671&lang (Stand: 5. Februar 2015). 12 Siehe Angaben zur Krankheit auf der Homepage von StHD; abrufbar unter: http://www.sterbehilfedeutschland .de/cgi-bin/sbgl.pl?id=1671&lang (Stand: 5. Februar 2015). 13 Siehe Angaben zum Ort auf der Homepage von StHD, abrufbar unter: http://www.sterbehilfedeutschland.de/cgibin /sbgl.pl?id=1671&lang (Stand: 5. Februar 2015). 14 Siehe Angaben zum Injektionsautomat auf der Homepage von StHD, abrufbar unter: http://www.sterbehilfedeutschland .de/cgi-bin/sbgl.pl?id=1671&lang (Stand: 5. Februar 2015). 15 Hardenberg/Mütze, Überdruss – kein Grund zu sterben, Süddeutsche Zeitung vom 22. Januar 2015, S. 6; Kamann, Die fragwürdige Sterbehilfe-Bilanz des Roger Kusch, Die Welt vom 22. Januar 2015, abrufbar unter: http://www.welt.de/politik/deutschland/article136631380/Die-fragwuerdige-Sterbehilfe-Bilanz-des-Roger- Kusch.html [Stand: 5. Februar 2015]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 025/15 Seite 8 2.2. Finanzierung des Vereins nach der Satzung vom 26. Januar 2014 Nach § 2 Abs. 7 der Satzung sowie gemäß Ziffer 37 der Ethischen Grundsätze hat der Verein keinerlei wirtschaftliche oder gewerbliche Zielsetzung. Zudem üben nach Ziffer 39 die Vorstandsmitglieder ihre Tätigkeit ehrenamtlich aus und erhalten keine Vergütung oder sonstige Aufwendungs - oder Auslagenpauschale. Ziffer 39 regelt außerdem, dass StHD-Mitarbeiter weder im Einzelfall noch generell verpflichtet sind, Suizide zu begleiten. Soweit die Geschäftsführer, Angestellten oder freien Mitarbeiter Vergütungen erhalten, beziehen sich diese nicht auf Suizidbegleitungen , sondern ausschließlich auf die übrigen Tätigkeiten für den Verein. Nach Ziffer 16 setzt Sterbehilfe ein ärztliches Gutachten zur Einsichts- und Willensfähigkeit voraus . Für den Fall, dass kein Arzt aus dem Umfeld des Sterbewilligen zur Gutachtenerstellung bereit ist, vermittelt StHD Gutachter.16 Der Mitgliederbeitrag ergibt sich aus § 5 der Satzung. Es lassen sich vier Gruppen von Mitgliedern ausmachen, bei denen jeweils folgender Zusammenhang zwischen dem gezahlten Betrag und der Hilfe zur Selbsttötung feststellbar ist: Bei der Mitgliedschaft M werden jährlich 50 Euro gezahlt; eine Suizidbegleitung findet dafür nicht statt, § 5 Abs. 4 Satz 1 der Satzung. Das Mitglied kann sich nur zu Fragen hinsichtlich der Patientenverfügung beraten lassen.17 Bei der Mitgliedschaft V (Vollmitgliedschaft) werden jährlich 200 Euro gezahlt. Eine Suizidbegleitung findet in den ersten drei Jahren der Mitgliedschaft nicht statt, § 5 Abs. 4 Satz 2 der Satzung.18 Bei der Mitgliedschaft L (Lebensmitgliedschaft) wird zu Beginn der Mitgliedschaft ein einmaliger Mitgliederbeitrag in Höhe von 2.000 Euro fällig. Nach einem Jahr Wartefrist kann die Suizidbegleitung stattfinden, § 5 Abs. 4 Satz 3 der Satzung. Bei der Mitgliedschaft S (Lebensmitgliedschaft mit Sonderbeitrag) wird zu Beginn der Mitgliedschaft einmalig ein Betrag von 7.000 Euro gezahlt. Bei der Mitgliedschaft S entfällt die Wartefrist; hier bemüht sich der Verein, die Voraussetzungen der Ethischen Grundsätze besonders zügig zu klären, § 5 Abs. 4 Satz 4 der Satzung. 16 Zur Bezahlung der Gutachter, siehe Angaben zu Finanzielles auf der Homepage von StHD; abrufbar unter: http://www.sterbehilfedeutschland.de/cgi-bin/sbgl.pl?id=1671&lang (Stand: 5. Februar 2015). 17 Siehe den Artikel „Verein streicht Geld-zurück-Garantie bei Suizid“ auf der Homepage von DIE WELT, 04. Februar 2014; abrufbar unter: http://www.welt.de/politik/deutschland/article124499264/Verein-streicht-Geld-zurueck -Garantie-bei-Suizid.html (Stand: 5. Februar 2015). 18 Siehe § 5 Absatz 1 und § 5 Absatz 4 Satz 2 der Satzung von StHD, abgedruckt unter Gliederungspunkt 12. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 025/15 Seite 9 Nach § 5 Abs. 5 der Satzung werden bei Beendigung der Mitgliedschaft Mitgliederbeiträge nicht zurückerstattet19. 3. Begriffsklärung: Organisierte, geschäftsmäßige oder gewerbsmäßige Suizidbeihilfe Begriffe, die in der Diskussion zur Sterbehilfe der Erläuterung bedürfen, sind „organisiert“, „geschäftsmäßig “ und „gewerbsmäßig“. 3.1. Organisierte Sterbehilfe Eine verbindliche Definition des Begriffes „organisierte Sterbehilfe“ hat sich bisher nicht durchgesetzt . Im allgemeinen Sprachgebrauch kann das Wort „organisiert“ zwei Bedeutungen haben. Es kann im Sinne von „sorgfältig und systematisch vorbereitet“ verstanden werden20. Es bedeutet aber auch, in einer „Organisation, einem Verband oder Ähnlichem vereint, zu einem bestimmten Zweck“21. Im juristischen Kontext wird das Adjektiv „organisiert“ beispielsweise im Zusammenhang mit der organisierten Kriminalität verwendet, die zwar bisher ebenfalls keine Legaldefinition erfahren hat, aber in den „Gemeinsamen Richtlinien der Justizminister/-senatoren und der Innenminister/-senatoren der Länder über die Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaft und Polizei bei der Verfolgung der Organisierten Kriminalität“ bestimmt wird. Danach ist organisierte Kriminalität „die von Gewinn- oder Machtstreben bestimmte planmäßige Begehung von Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung sind, wenn mehr als zwei Beteiligte auf längere oder unbestimmte Dauer arbeitsteilig a) unter Verwendung gewerblicher oder geschäftsähnlicher Strukturen , b) unter Anwendung von Gewalt oder anderer zur Einschüchterung geeigneter Mittel oder c) unter Einflussnahme auf Politik, Massenmedien, öffentliche Verwaltung, Justiz oder Wirtschaft zusammenwirken.“22 Diese Definition kann hier als Orientierungshilfe dienen. Einige der angeführten Punkte können verallgemeinert und so auch auf den Begriff der organisierten Sterbehilfe übertragen werden. Von 19 Mit der Regelung der aktuellen Satzung, wonach die Mitgliedsbeiträge nicht zurückgezahlt werden, hat der Verein StHD eine erst im September 2012 beschlossene Satzungsregelung aufgehoben, wonach sämtliche Vereinsbeiträge eines Mitglieds an dessen Angehörige zurückbezahlt wurden, wenn diese Person durch eine vom Verein organisierte Selbsttötung aus dem Leben scheidet, siehe dazu den Artikel „Verein streicht Geld-zurück-Garantie bei Suizid“, DIE WELT, 04. Februar 2014; abrufbar unter: http://www.welt.de/politik/deutschland/article 124499264/Verein-streicht-Geld-zurueck-Garantie-bei-Suizid.html (Stand: 5. Februar 2015). 20 Vgl. Munziger, Duden, Fremdwörterbuch, Stichwort „organisiert“. 21 Vgl. Munziger, Duden, Fremdwörterbuch, Stichwort „organisiert“. 22 Gemeinsame Richtlinien der Justizminister/-senatoren und der Innenminister/-senatoren der Länder über die Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaft und Polizei bei der Verfolgung der Organisierten Kriminalität In: Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren Anhang E Nr. 2.1. Stand: 2008 (Hervorhebung durch die Verfasser). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 025/15 Seite 10 einem organisierten Vorgehen ist demnach dann auszugehen, wenn Prozesse unter Mitwirkung von mindestens zwei Personen23 in Arbeitsteilung erfolgen und auf längere Dauer angelegt sind. Sterbehilfevereine arbeiten organisiert in dem oben genannten Sinne. Denn für die Eintragung eines Vereines sind mindestens sieben24 Mitglieder erforderlich, § 56 Bürgerliches Gesetzbuch25 (BGB), so dass ein Verein damit die Mindestzahl an Personen, die für ein organisiertes Vorgehen erforderlich sind, erfüllt. Außerdem beruht ein Verein regelmäßig auf dem Prinzip der Arbeitsteilung und ist auf längere Zeit angelegt, so dass auch insoweit die Voraussetzungen für ein organisiertes Handeln vorliegen. Diejenigen, die eine organisierte Sterbehilfe ablehnen, befürchten, diese Vorgehensweise berge die Gefahr einer Massenabfertigung und habe daher im ethisch und moralisch sensiblen Bereich der Sterbehilfe keinen Platz.26 Weiter wird vorgetragen, ein „organisiertes Angebot“ könne geschwächte und verzweifelte Menschen in ihrer Entscheidung zum Suizid befördern oder gar ein Druckmittel in diese Richtung entstehen lassen.27 Zu beachten ist, dass das Positionspapier der Abgeordneten Griese und Högl „In Würde leben, in Würde sterben – Positionierung zu Sterbehilfe“ auch im Zusammenhang von Einzelpersonen von einer organisierten Sterbehilfe spricht28. Dieses Positionspapier scheint den Begriff „organisiert“ demnach eher in der oben beschriebenen allgemeinen Bedeutung im Sinne von „sorgfältig und systematisch vorbereitet“ zu verstehen. 23 Positionspapier Griese/Högl, das auch im Zusammenhang mit Einzelpersonen von einer organisierten Tätigkeit spricht, vgl. S. 3 f. 24 Fällt die Mitgliederzahl nach Aufnahme der Vereinstätigkeit unter drei, so hat das Amtsgericht auf Antrag des Vorstands und, wenn der Antrag nicht binnen drei Monaten gestellt wird, von Amts wegen nach Anhörung des Vorstands dem Verein die Rechtsfähigkeit zu entziehen (§ 73 BGB). 25 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, ber. S. 2909 und BGBl. 2003 I S. 738), zuletzt geändert durch Art. 1 G zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr und zur Änd. des EEG17 vom 22. 7. 2014 (BGBl. I S. 1218), abrufbar unter: http://www.gesetzeim -internet.de/bgb/BJNR001950896.html [Stand: 5. Februar 2015]. 26 Siehe dazu das Positionspapier Griese/Högl, S. 4: „Das Ende des Lebens soll unter Einbeziehung der Menschen aus dem Umfeld des Sterbenden, der Ärzte/Ärztinnen und Pfleger/-innen unter ethischen Gesichtspunkten individuell gestaltet werden, nicht durch die Sterbehilfe eines Vereins.“ (Hervorhebung wie dort). 27 Positionspapier Lücking-Michel/Brand/Frieser, S. 1. 28 Positionspapier Griese/Högl, S. 3 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 025/15 Seite 11 3.2. Geschäftsmäßige Sterbehilfe Für den Begriff der Geschäftsmäßigkeit existiert keine Legaldefinition im besonderen Zusammenhang mit der Sterbehilfe. Allerdings lag dem Bundesrat im Jahre 2006 ein von den Ländern Saarland , Thüringen und Hessen eingereichter Gesetzentwurf zum Thema Sterbehilfe29 vor, in dessen Begründung auch auf den Begriff der „Geschäftsmäßigkeit“ eingegangen wird. Demnach handelt geschäftsmäßig im Sinne der vorgeschlagenen Vorschrift, „wer die Wiederholung gleichartiger Taten zum Gegenstand seiner Beschäftigung macht, und zwar auch dann, wenn er dabei ohne Erwerbsabsicht handelt. Daher steht auch die nicht entgeltliche Hilfeleistung oder die Hilfeleistung aus ideellen Motiven unter der Strafandrohung, soweit sie in organisierter oder gleichartig wiederkehrender Form erfolgt.“30 Der Begriff „geschäftsmäßig“ findet auch in bestehenden Gesetzen Erwähnung, so z.B. im Straftatbestand der Verletzung des Post- und Fernmeldegeheimnisses, § 206 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB)31. Zum Täterkreis des § 206 StGB gehört, wer geschäftsmäßig Post- und Telekommunikationsdienste erbringt. Gemäß § 3 Nr. 10 Telekommunikationsgesetz (TKG)32 ist unter dem geschäftsmäßigen Erbringen von Telekommunikationsdiensten „das nachhaltige Angebot von Telekommunikation für Dritte mit oder ohne Gewinnerzielungsabsicht“ zu verstehen. Diese Legaldefinition entspricht sowohl der in diesem Zusammenhang in der strafrechtlichen Literatur33 verwendeten Definition als auch der des oben dargestellten Gesetzentwurfs: Nachhaltig kann nur arbeiten, wer seine Tätigkeit mit Wiederholungs(-absicht) verfolgt; nicht erforderlich ist dabei, dass zugleich eine Erwerbsabsicht vorliegt. Diesem Verständnis folgen auch die Positionspapiere der Abgeordneten zur Sterbehilfethematik, soweit sie den Begriff „geschäftsmäßig“ verwenden34. In Abgrenzung zum Begriff der Organisation setzt Geschäftsmäßigkeit folglich nicht voraus, dass mindestens zwei Personen an dem Vorgang beteiligt sind, vielmehr kann auch ein Einzelner geschäftsmäßig handeln. 29 Gesetzesantrag der Länder Saarland, Thüringen und Hessen vom 27. März 2006, Entwurf eines Gesetzes zum Verbot der geschäftsmäßigen Vermittlung von Gelegenheiten zur Selbsttötung (... StrRÄndG)Entwurf eines Gesetzes zum Verbot der geschäftsmäßigen Vermittlung von Gelegenheiten zur Selbsttötung ,BR-Drs. 230/06. 30 Gesetzesantrag der Länder Saarland, Thüringen und Hessen vom 27. März 2006, siehe Fn. 56, S. 4. 31 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 23. April 2014 (BGBl. I S. 410), abrufbar unter: http://www.gesetze-im-internet .de/stgb/BJNR001270871.html [Stand: 5. Februar 2015]. 32 Telekommunikationsgesetz vom 22. Juni 2004 (BGBl. I S. 1190), zuletzt geändert durch Artikel 22 des Gesetzes vom 25. Juli 2014 (BGBl. I S. 1266), abrufbar unter: http://www.gesetze-im-internet .de/tkg_2004/BJNR119000004.html [Stand: 5. Februar 2015]. 33 Vgl. Altenhain, in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Auflage, München 2012, § 206 Rn 15 („Darunter ist … das nachhaltige Betreiben (der Beförderung von Postsendungen) oder Anbieten (von Telekommunikation) gegenüber Dritten mit oder ohne Gewinnerzielungsabsicht zu verstehen.“) m.w.N. 34 Positionspapier Lücking-Michel/Brand/Frieser, S. 3; Positionspapier Scharfenberg/Terpe, S. 2. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 025/15 Seite 12 Sterbehilfevereine sind als Anlaufstellen für all jene gedacht, die sich bei der Planung und Durchführung ihres Suizids unterstützen lassen wollen. Diese Vereine handeln nachhaltig; sie machen damit die Wiederholung dieser Unterstützungshandlungen zum Gegenstand ihrer Beschäftigung und handeln folglich auch geschäftsmäßig im Sinne der oben aufgeführten Definition . Ebenso wie bei der organisierten Sterbehilfe wird auch bei einem geschäftsmäßig agierenden Sterbehilfeverein befürchtet, dies könne zu einer „Normalisierung“ des Angebots der Sterbehilfe führen und so schleichend eine Werteverschiebung befördern.35 3.3. Gewerbsmäßige Sterbehilfe Das Merkmal der „Gewerbsmäßigkeit“ ist nicht legal definiert. Der Begriff wird aber in der Gewerbeordnung (GewO)36 vorausgesetzt und in zahlreichen bestehenden Gesetzestexten verwendet , so z.B. im Straftatbestand „Gewerbsmäßige Hehlerei, Bandenhehlerei“ (§ 260 StGB) und in zahlreichen strafrechtlichen Nebengesetzen, z.B „Gewerbsmäßiger, gewaltsamer und bandenmäßiger Schmuggel“, § 373 Abgabenordnung (AO)37. Nach der einheitlichen Auslegung von Literatur und Rechtsprechung liegt „Gewerbsmäßigkeit“ vor, wenn jemand in der Absicht handelt, sich durch wiederholte Handlungen eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen.38 Ein Gesetzentwurf, der im Jahr 2012 von der Bundesregierung zum Thema Sterbehilfe eingereicht wurde, folgt ebenfalls diesem Verständnis39. Verglichen mit dem Begriff der „Geschäftsmäßigkeit“ ist der Begriff der „Gewerbsmäßigkeit“ also enger, da er eine Gewinnerzielungsabsicht voraussetzt. Im Unterschied zur Organisation kann auch ein Einzelner gewerbsmäßig handeln. Insoweit besteht eine Gemeinsamkeit zum geschäftsmäßigen Handeln. Um als „gewerbsmäßig“ handelnd zu gelten, müssten Sterbehilfevereine beabsichtigen, sich mit ihren Unterstützungshandlungen eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen. Dies wäre dann der Fall, wenn sie sich für ihre Tätigkeiten entloh- 35 Vgl. Positionspapier Lücking-Michel/Brand/Frieser S.3. 36 Gewerbeordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Februar 1999 (BGBl. I S. 202), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 28. November 2014 (BGBl. I S. 1802), abrufbar unter: http://www.gesetze-iminternet .de/gewo/BJNR002450869.html [Stand: 5. Februar 2015]. 37 Abgabenordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Oktober 2002 (BGBl. I S. 3866; 2003 I S. 61), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 22. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2417), abrufbar unter: http://www.gesetze-im-internet.de/ao_1977/BJNR006130976.html [Stand: 5. Februar 2015]. 38 Maier, in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Auflage 2012, § 260 Rn 4 m.w.N. und statt vieler: Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 04.07.2007 – 5 StR 132/07 - juris; BGH, Urteil vom 11.10.1994 – 1 StR 522/94 - juris . 39 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 22. Oktober 2012, Entwurf eines Gesetzes zur Strafbarkeit der gewerbsmäßigen Förderung der Selbsttötung, BT-Drs. 17/11126, S. 9. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 025/15 Seite 13 nen ließen und mit dieser Entlohnung nicht ausschließlich kostendeckend arbeiteten. Ein etwaiger Überschuss dürfte unter diesem Gesichtspunkt nicht dem Verein zugutekommen, sondern wäre regelmäßig abzuführen. 4. Sterbehilfevereine als gemeinnützige Vereine Ein Verein verfolgt gemäß § 52 AO gemeinnützige Zwecke, wenn seine Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. 4.1. Förderung der Allgemeinheit Eine Förderung der Allgemeinheit setzt voraus, dass nicht nur ein fest abgeschlossener Personenkreis gefördert wird, etwa Zugehörigkeit zu einer Familie oder der Belegschaft eines Unternehmens (vgl. § 52 Abs. 1 Satz 2 AO). An diesem Merkmal muss die Gemeinnützigkeit für die Sterbehilfevereine nicht scheitern, sofern sie allen Suizidwilligen offen stünden und damit nicht nur einem fest abgeschlossenen Personenkreis. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass nach dem Anwendungserlass zur AO (AEAO) 40 in den Fällen, in denen durch hohe Aufnahmegebühren oder Mitgliedsbeiträge der Kreis der Mitglieder klein gehalten wird, keine Förderung der Allgemeinheit mehr vorliegt.41 4.2. Gemeinnützige Zwecke Hinsichtlich der drei – gemeinnützigen - Zweckbereiche, in denen eine Förderung stattfinden kann, gibt § 52 Abs. 2 Satz 1 AO eine grundsätzlich abgeschlossene Aufzählung der anerkannten Zwecke.42 Weitere Zwecke können nur dann gemeinnützig sein, wenn sie von der zuständigen Finanzbehörde als solche anerkannt worden sind.43 Die Sterbehilfe selbst wird in dem Katalog des § 52 Abs. 2 Satz 1 AO nicht aufgeführt. Fraglich ist, ob sie sich einem der bereits bestehenden Zwecke zuordnen lässt, etwa unter dem Gesichtspunkt der allgemeinen Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens und der öffentlichen Gesundheitspflege, § 52 Absatz 2 Satz 1, Nr. 3 AO. 40 Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO); Neubekanntmachung des AEAO vom 31. Januar 2014, abrufbar unter: http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/BMF_Schreiben/Weitere_Steuerthemen /Abgabenordnung/AO-Anwendungserlass/2014-01-31-Neubekanntmachung-AEAO.pdf?__blob=publication File&v=2 [Stand: 5. Februar 2015]. 41 Bei einem Verein, dessen Tätigkeit in erster Linie seinen Mitgliedern zugutekommt, ist nach dem AEAO eine Förderung der Allgemeinheit im Sinne des § 52 Abs. 1 anzunehmen, wenn die Mitgliedsbeiträge und Mitgliedsumlagen zusammen im Durchschnitt 1.023 EUR je Mitglied und Jahr und die Aufnahmegebühren für die im Jahr aufgenommenen Mitglieder im Durchschnitt 1.534 EUR nicht übersteigen. 42 Gersch, in: Klein, Abgabenordnung, 12. Auflage, München 2014, § 52 Rn 1. 43 Gersch, in: Klein, § 52 Rn 1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 025/15 Seite 14 Hierbei ist jedoch festzuhalten, dass im Ergebnis nur eine allgemeine Beratung zur Sterbehilfe, insbesondere zur Aufklärung von Suizidprävention und Palliativmedizin darunter fallen kann. Denn zur Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens gehören alle Tätigkeiten, die der Gesundheit der Bürger dienen, insbesondere die Bekämpfung von akuten und übertragbaren Krankheiten .44 Sterbehilfevereine unterstützen ihre Mitglieder jedoch bei der Beendigung ihres Lebens, sodass sie im völligen Gegensatz zur Gesundheitsförderung stehen, welche lebensverlängernde oder lebenserhaltende Maßnahmen fördern und erweitern will. Alternativ bliebe noch die Möglichkeit der Anerkennung durch die zuständige Finanzbehörde gemäß § 52 Abs. 2 Satz 2 und 3 AO: Fällt der von der Körperschaft verfolgte Zweck nicht unter den in § 52 Abs. 1 AO aufgelisteten Katalog, kann dieser Zweck für gemeinnützig erklärt werden, wenn die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem und sittlichem Gebiet entsprechend selbstlos gefördert wird. Eine Förderung auf materiellem Gebiet liegt vor, wenn die finanzielle Ausstattung von Hilfebedürftigen gefördert wird45. Dies scheidet bei den Sterbehilfevereinen aus. Von einer Förderung auf geistigem Gebiet ist dann auszugehen, wenn sich die Förderung auf das denkende , erkennende Bewusstsein des Menschen bezieht und insbesondere dessen Erkenntnisfähigkeit verbessert wird46. Auch diese Variante wird bei Sterbehilfevereinen in der Regel ausfallen , vor allem, wenn ihr Handeln vorrangig auf Suizidbegleitung ausgerichtet ist. Etwas anderes ist allenfalls denkbar, wenn sich Vereine auf die Beratung beschränken. Eine Förderung auf sittlichem Gebiet liegt vor, wenn die Förderung ethisch-moralische Wertbegriffe der Bevölkerung in Bezug auf Verhalten und Gesinnung des Einzelnen betrifft. Hierzu gehört z.B. die Förderung der Religion47. Diese Variante erfüllen die Sterbehilfevereine, deren Zweck darauf gerichtet ist, Beihilfe zum Suizid zu leisten, ebenfalls nicht. Nach aktueller Rechtslage würde die Eintragung eines Sterbehilfevereines als gemeinnützig schon daran scheitern, dass es an einer Förderung auf geistigem, materiellem oder sittlichen Gebiet im Sinne des § 52 Abs. 1 Satz 1 AO fehlt. 4.3. Selbstlose Förderung Das dritte und letzte Merkmal des § 52 Abs. 1 Satz 1 AO, die selbstlose Förderung, ist erfüllt, wenn der Verein ohne Gewinnerzielungsabsicht arbeitet.48 Insoweit kann auf die Ausführungen zum Merkmal der „Gewerbsmäßigkeit“ verwiesen werden. 44 Koenig, in: Koenig, Abgabenordnung, §§ 1 bis 368, 3. Auflage, München 2014, § 52 Rn. 36. 45 Koenig, in: Koenig, § 52 Rn. 9. 46 Koenig, in: Koenig, § 52 Rn. 9. 47 Koenig, in: Koenig, § 52 Rn. 9. 48 Gersch, in: Klein, § 55 Rn 2. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 025/15 Seite 15 Insgesamt ergibt sich daher, dass Sterbehilfevereine, deren Zweck darauf ausgerichtet ist, Beihilfe zum Suizid zu leisten, die Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit nach derzeitiger Rechtslage nicht erfüllen. Anzumerken ist, dass dagegen die seelische Begleitung Schwerstkranker (z.B. Hospizhilfe) unter die Förderung des Wohlfahrtswesens gemäß § 52 Absatz 2, Satz 1 Nr. 9 AO fällt.49 Wohlfahrtspflege ist die planmäßige, zum Wohle der Allgemeinheit und nicht des Erwerbs wegen ausgeübte Sorge für notleidende oder gefährdete Mitmenschen. Die Sorge kann sich auf das gesundheitliche , sittliche, erzieherische oder wirtschaftliche Wohl erstrecken und Vorbeugung oder Abhilfe bezwecken (vgl. § 66 Absatz 2 AO). 5. Gesetzgeberischer Änderungsmöglichkeiten im Vereinsrecht, im Strafrecht oder im Zivilrecht , um Sterbehilfevereine zu verbieten oder ihnen bestimmte klarere Regelungen vorzuschreiben In der Debatte um die Sterbehilfe gibt es Überlegungen, ob im Vereinsrecht, im Strafrecht und im Zivilrecht ein Verbot verankert werden könnte, um die assistierte Sterbehilfe zu verbieten, sofern sie organisiert, geschäftsmäßig oder gewerblich oder auch über einen Sterbehilfeverein erfolgt. Diejenigen, die die Arbeit der Sterbehilfevereine weiterhin zulassen wollen, ihnen aber bestimmte klarere Regeln, insbesondere Beratungs- und Dokumentationspflichten, aufgeben wollen, suchen ebenfalls nach geeigneten gesetzlichen Standorten. 5.1. Gesetzgeberischer Änderungsbedarf im Vereinsrecht Das Vereinsrecht ist in den §§ 21-79 BGB und im Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz)50 geregelt. In den §§ 21-79 BGB geht es um die zivilrechtliche Organisation des Vereins, seine Gründung, die Erlangung der Rechtsfähigkeit, die Vereinssatzung, den Vorstand und die Vertretung des Vereins , die Haftung, die Mitglieder, deren Stimmrecht sowie um die Auflösung des Vereins. Diese Vorschriften gelten für alle Vereine; sie sind also allgemeiner Natur. Das Gesetz unterscheidet lediglich danach, ob es sich um einen Verein handelt, dessen Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist oder nicht, §§ 21, 22 BGB. Die Regelungen der §§ 21 ff. BGB beschäftigen sich allerdings nicht damit, welche konkreten Zwecke mit dem Verein verfolgt werden, ob es sich also um einen Sportverein, eine Gewerkschaft, einen politischen Verein oder um einen religiösen Verein handelt. Die §§ 21 ff. BGB eignen sich daher nicht dafür, um für bestimmte Vereine konkrete Regelungen vorzugeben. Deshalb wäre es systemfremd, innerhalb der §§ 21 ff. BGB Beratungs - und Dokumentationspflichten für Sterbehilfevereine zu verankern. 49 Koenig, in: Koenig, § 52 Rn. 36. 50 Vereinsgesetz vom 5. August 1964 (BGBl. I S. 593), zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 21. Dezember 2007 (BGBl. I S. 3198), abrufbar unter: http://www.gesetze-im-internet.de/vereinsg /BJNR005930964.html [Stand: 5. Februar 2015]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 025/15 Seite 16 Ein Verbot, durch das einem Verein die organisierte Beihilfe zum Suizid verboten würde, kann ebenfalls nicht in den §§ 21 bis 79 BGB verankert werden, weil die genannten Vorschriften dem Privatrecht angehören. Ein solches Verbot wäre öffentlich-rechtlicher Natur und sollte deshalb auch nur in ein öffentlich-rechtliches Gesetz, zum Beispiel in das StGB, aufgenommen werden. Ein solches öffentlich-rechtliches Gesetz ist auch das Vereinsgesetz. Allerdings ist die Bildung von Vereinen im Hinblick auf Art. 9 Abs. 1 Grundgesetz (GG) 51, § 1 Vereinsgesetz frei. Ein Verein darf daher erst verboten werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, dass seine Zwecke oder Tätigkeiten den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder dass er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet, Art. 9 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 Vereinsgesetz. Die Anwendung des Vereinsgesetzes setzt also voraus, dass ein Strafgesetz bestimmte Tätigkeiten oder Zwecke, denen sich ein Verein widmet, verbietet. Erst dann kann aufgrund des Vereinsgesetzes gegen einen solchen Verein vorgegangen werden. Das Vereinsgesetz ist dagegen nicht der Standort, um die Tätigkeit eines bestimmten Vereins gesetzlich zu verbieten. Will man die organisierte Beihilfe zum Suizid verbieten, so müsste man ein solches Verbot im StGB verankern, um dann anschließend entsprechende Vereine mit dem Instrumentarium des Vereinsgesetzes verbieten zu können. Die Ausführungen machen deutlich, dass es sich auch bei dem Vereinsgesetz um ein Gesetz allgemeinerer Natur handelt. Es ist daher ebenfalls nicht dazu geeignet, bestimmte Beratungs- und Dokumentationspflichten für Sterbehilfevereine aufzunehmen. 5.2. Gesetzgeberischer Änderungsbedarf im Zivilrecht – Verankerung des ärztlich assistierten Suizids Wie gesehen, sind die §§ 21 ff. BGB kein geeigneter Standort, um für Sterbehilfevereine ein Verbot oder Beratungs- und Dokumentationspflichten gesetzlich zu verankern. Für derartige Vorhaben gibt es innerhalb des BGB auch keinen anderen Platz. In der neueren Debatte um die Sterbehilfe wurde unter anderem vorgeschlagen, im Strafrecht ein Verbot organisierter Suizid-Assistenz zu verankern. Im betreuungsrechtlichen Teil des BGB soll dann eine Regelung hinzukommen, wonach ausschließlich Ärzte Hilfe zur Selbsttötung leisten dürfen52. Nach der neuen Regelung soll es todkranken Patienten ausdrücklich erlaubt werden, bei 51 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100- 1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 23. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2438), abrufbar unter: http://www.gesetze-im-internet.de/gg/BJNR000010949.html [Stand: 5. Februar 2015]. 52 Positionspapier Hintze/Reimann/Lauterbauch/Lischka/Reiche/Wöhrl. Dazu vgl. folgende Presseartikel: Sterbehilfe für Unheilbare bald legal, Antrag aus Reihen von SPD und CDU – Sterbehilfevereine vor dem Aus, Die Welt, 1. Oktober 2014, S. 5, abrufbar unter: http://www.welt.de/print/die_welt/politik/article 132795517/Sterbehilfe-fuer-Unheilbare-bald-legal.html [Stand: 5. Februar 2015]. Hintze und SPD wollen Sterbehilfe zivilrechtlich regeln, Handelsblatt, 28. September 2014, abrufbar unter: http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/erlaubnis-im-bgb-hinze-und-spd-wollen-sterbehilfe-zivilrechtlich -regeln/10765354.html [Stand: 5. Februar 2015]. Kamann, Verbot von organisierter Sterbehilfe rückt näher / Eine liberale Gruppe um Peter Hintze gibt Widerstand gegen verschärftes Strafrecht auf. Ärzten soll Suizid-Assistenz erlaubt sein, Die Welt, 17. Oktober 2014. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 025/15 Seite 17 schwerer unheilbarer Krankheit mithilfe eines Arztes aus dem Leben zu scheiden. Dabei ist vorgesehen , diese Regelung „im Umfeld“ des § 1901a BGB anzusiedeln53. Damit liegt also der Vorschlag , den ärztlich assistierten Suizid bürgerlich-rechtlich zu regeln, vor. Es muss allerdings bezweifelt werden, dass die Regelungen der §§1901a BGB ein geeigneter Standort sind, um den ärztlich assistierten Suizid zu erlauben54, wie folgende Überlegungen zeigen: Die §§ 1901a ff. BGB wurden vom Gesetzgeber durch das am 1. September 2009 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts55 geschaffen, um das bereits durch die Rechtsprechung anerkannte Rechtsinstitut der Patientenverfügung zu verankern und um damit in diesem Bereich für die Beteiligten mehr Rechtssicherheit zu schaffen. Den Regelungen der Patientenverfügung liegt eine Situation zugrunde, in der der Patient aufgrund von Bewusstlosigkeit einwilligungsunfähig ist. Das ist aber eine ganz andere Situation als die, die einem ärztlich assistierten Suizid zugrunde liegt, sofern dieser sich innerhalb der Grenzen des Strafrechts bewegen soll. Denn Beihilfe zum Suizid ist nach der einschlägigen Rechtsprechung des BGH nur dann straffrei, wenn der Sterbewillige bis zum Schluss die Tatherrschaft behält. Dies setzt voraus, dass der Sterbewillige zur Zeit seiner Selbsttötung nicht bewusstlos ist und damit auch einwilligungsfähig ist. Damit wird deutlich, dass eine Regelung, die den ärztlich assistierten Suizid unter bestimmten gesetzlich genau beschriebenen Voraussetzungen erlaubt, nicht innerhalb der §§ 1901a BGB angesiedelt werden sollte. Denkbar ist nämlich, dass im Laufe der Zeit eine solche Regelung im Wege der systematischen Auslegung auf Einwilligungsunfähige erweitert werden könnte. Damit würde dann aber die Grenze aufgehoben, die das Strafrecht bisher zur Sterbehilfe gezogen hat: Denn eine Beihilfe zur Selbsttötung ist nur dann straflos, wenn der Betroffene bis zum Schluss die Tatherrschaft über seine Selbsttötung behält, er also auch jederzeit den Vorgang stoppen kann. Eine Ausdehnung der neu zu schaffenden Regelung im Wege der systematischen Auslegung auf einwilligungsunfähige Personen liefe daher darauf hinaus, aktive Sterbehilfe zuzulassen. Denn bei der Handlung der Ärzte ginge es dann nach strafrechtlichem Verständnis nicht mehr um eine Beihilfehandlung im Sinne von § 27 StGB, sondern um aktive Sterbehilfe und damit um eine Straftat, die nach den §§ 211 ff, 216 StGB zu bewerten wäre. Deshalb sind die §§ 1901a ff. BGB kein geeigneter Standort für eine Regelung, wonach Ärzte Beihilfe zum Suizid leisten dürfen. 53 So die Darstellung der geplanten Regelung unter: Hintze und SPD wollen Sterbehilfe zivilrechtlich regeln, Handelsblatt , 28. September 2014; abrufbar unter: http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/erlaubnis-imbgb -hinze-und-spd-wollen-sterbehilfe-zivilrechtlich-regeln/10765354.html [Stand: 5. Februar 2015]. 54 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Allgemeine gesetzliche Regelung zum ärztlich assistierten Suizid – Mögliche Standorte für eine Regelung, Verfasserin: Ausarbeitung, WD 7-3000- 225/14, Stand: 23. Oktober 2014. 55 Drittes Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts vom 29. Juli 2009 (BGBl. I, S. 2286). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 025/15 Seite 18 5.3. Gesetzgeberischer Änderungsbedarf im Strafrecht In das StGB könnten Straftatbestände aufgenommen werden, die bestimmte Formen der Hilfestellung zum Suizid unter Strafe stellen. In der Diskussion über die Sterbehilfe wurde zum Beispiel von den Ländern Saarland, Thüringen und Hessen 2006 vorgeschlagen, ein die geschäftsmäßige Vermittlung von Gelegenheiten zu Selbsttötung unter Strafe zu stellen56. Denkbar sind beispielsweise auch folgende Konstellationen: Die gewerbsmäßige oder die organisierte Hilfe zur Selbsttötung wird mit Strafe bedroht, und/oder die Vermittlung einer Hilfe zur Selbsttötung wird unter Strafe gestellt, und/oder die Werbung für eine Selbsttötung wird mit Strafe bedroht. Soweit es konkret um die Ausgestaltung von Beratungs- und Dokumentationspflichten im StGB geht, ist zunächst auf die Vorschriften für den Schwangerschaftsabbruch zu verweisen, wo in § 219 StGB geregelt ist, dass eine Beratung der Schwangeren und Dokumentation über die Beratung zu erfolgen hat. Wie die Beratung im Einzelnen erfolgt und wer sie vornimmt, welche Dokumentationspflichten bestehen, ist dagegen in einem eigenständigen Gesetz, dem Gesetz zu Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten (Schwangerschaftskonfliktgesetz – SchKG)57 geregelt. Die Situation beim Schwangerschaftskonflikt weist verschiedene Ähnlichkeiten mit der Lage auf, in der sich ein Mensch befindet, der eine Selbsttötung beabsichtigt: Es stehen sich jeweils die Pflicht des Staates, das Leben zu schützen, und das Recht auf Selbstbestimmung gegenüber, wobei anders als bei der Selbsttötung beim Schwangerschaftskonflikt ein anderer, nämlich der Fötus, betroffen ist. In beiden Situationen soll möglichst ein Weg gefunden werden, das Leben zu erhalten. Deshalb ist es in beiden Situationen wichtig, Hilfen anzubieten, die dem Betroffenen die Entscheidung erleichtern, das Leben zu erhalten. Es soll Missbräuchen vorgebeugt werden. In beiden Situationen sollte Transparenz hinsichtlich des jeweiligen Vorgehens bestehen. Angesichts dieser Übereinstimmungen liegt es nahe, auf die Erfahrungen, die bei der Regelung des Schwangerschaftsabbruchs gemacht wurden, zurückzugreifen und insbesondere das SchKG als Vorbild für ein Gesetz heranzuziehen, das hilft, Konflikte im Hinblick auf Tod und Sterben zu lösen. 56 Gesetzesantrag der Länder Saarland, Thüringen, Hessen vom 27. März 2006, Entwurf eines Gesetzes zum Verbot der geschäftsmäßigen Vermittlung von Gelegenheiten zur Selbsttötung (… StrRÄndG), BR-Drs. 230/06. 57 Schwangerschaftskonfliktgesetz vom 27. Juli 1992 (BGBl. I S. 1398), zuletzt geändert durch Artikel 7 des Gesetzes vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3458), abrufbar unter: http://www.gesetze-im-internet.de/beratungsg /BJNR113980992.html [Stand: 5. Februar 2015]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 025/15 Seite 19 6. Schaffung eines eigenständigen Gesetzes in Anlehnung an das SchKG Wie gesehen, bietet sich das SchKG als Vorbild an, wenn es gilt, für die (organisierte) assistierte Sterbehilfe Beratungs- und Dokumentationspflichten gesetzlich zu verankern. Dabei sind Grundsatz und Grenzen der Auftragserledigung durch die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages zu berücksichtigen. Diese unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit mit aktuellen und parlamentsbezogenen Informationen in Form von Ausarbeitungen, Sachständen, Dokumentationen, Kurzinformationen und sogenannten „Aktiven Informationen“. Dagegen ist es nach Nr. 1.1.1, Satz 2 des Leitfadens für die Unterabteilung Wissenschaftliche Dienste den Fachbereichen verwehrt, Plenarvorlagen, Gesetzentwürfe oder politische Konzeptionen zu fertigen. Deshalb werden im Folgenden nur die gemeinsamen Schnittmengen zwischen dem SchKG und einem neu zu schaffenden Gesetz (NG) aufgezeigt. Ob und wie die Regelungen im Einzelnen zu fassen sind, muss dem Gesetzgeber überlassen bleiben . Deshalb sind die folgenden Vorschläge auch nicht dahingehend zu verstehen, den Gesetzgeber zu einem entsprechenden Gesetz zu veranlassen. Vielmehr sind die Vorschläge der Erkenntnis geschuldet, dass es ansonsten keine dogmatisch geeigneten anderweitigen Standorte gibt, um Beratungs- und Dokumentationspflichten zu verankern. Als Vorbild für ein für ein neu zu schaffendes Gesetz eignen sich besonders die Abschnitte 1 bis 4 des SchKG an. Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG) Neu zu schaffendes Gesetz (NG) Abschnitt 1 Aufklärung, Verhütung, Familienplanung und Beratung , §§ 1-4 In den §§ 1-4 geht es um eine allgemeine, aber umfassende Aufklärung und Beratung. Dabei weist § 1 der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung eine umfassende Aufklärungspflicht zu, die nicht nur die Situation des Schwangerschaftskonflikts betrifft. Diese Aufklärungspflicht korrespondiert mit einem umfassenden Recht von Frauen und Männern auf Beratung. In das NG könnten ebenfalls allgemeine, umfassende Aufklärungs- und Beratungsregeln aufgenommen werden58. Eine umfassende Aufklärung und Beratung könnte alle Fragen zum Themenkomplex Tod und Sterben erfassen, wäre also nicht allein auf die Situation der Selbsttötung ausgerichtet . Eine solche umfassende Aufklärung und Beratung würde dem Anliegen aller Thesenpapiere Rechnung tragen, die Palliativ- und Hospizbewegung stärker in den Fokus zu nehmen. Denn will man Selbsttötungen vermeiden, so gilt es zunächst, die 58 Im Positionspapier Gröhe/Widmann-Mauz wird ebenfalls eine Etablierung eines regelhaften Beratungsangebots zur individuellen gesundheitlichen Vorausplanung am Lebensende vorgeschlagen, dort Gliederungspunkt 6. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 025/15 Seite 20 Beim SchKG hat der Gesetzgeber die Bundeszentrale für die gesundheitliche Aufklärung mit der Aufklärung betraut. Für die Beratung haben nach § 3 SchKG die Länder ein ausreichendes Angebot wohnortnaher Beratungsstellen sicher zu stellen. Betroffenen über alle anderen Möglichkeiten, insbesondere auch über die Palliativmedizin und die Hospizbewegung, aufzuklären. Außerdem drängt es sich angesichts einer immer älter werdenden Gesellschaft geradezu auf, diese umfassend über das Ende des Lebens und die Möglichkeiten , diese Lebensphase zu bewältigen, zu informieren. Neben biologischen und medizinischen Informationen könnten auch Informationen über Vorsorgevollmachten, Patiententestamente, besondere Hilfen im Alter oder bei Krankheit sowie über sonstige Aspekte, die für Menschen am Lebensende besonders bedeutsam sind, gegeben werden. Der Vorteil einer solchen Aufklärung und Beratung läge darin, dass über alle Hilfsmaßnahmen zentral aufgeklärt werden könnte und für den Einzelnen eine Anlaufstelle bestünde, bei der er sich über das Bündel aller Hilfsmaßnahmen kundig machen könnte. Es bleibt dem Gesetzgeber überlassen, ob er die Bundeszentrale für die gesundheitliche Aufklärung oder eine andere Institution mit der Aufklärung nach dem NG beauftragen möchte. Entsprechendes ließe sich auch im NG regeln. Abschnitt 2 Schwangerschaftskonfliktberatung, §§ 5-11 SchKG Die §§ 5-11 regeln die eigentliche Schwangerschaftskonfliktberatung , die nur von besonderen anerkannten Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen vorgenommen werden darf, vgl. §§ 8, 9. Die Schwangerschaftskonfliktberatung ist die Beratung , die nach § 219 StGB notwendig ist, um einen nach § 218a StGB straffreien Schwangerschaftsabbruch durchführen zu können. Im NG ließe sich eine besondere Beratung für diejenigen verankern, die erwägen, sich selbst zu töten . Ebenso wie im SchKG geschehen, könnten im NG Inhalt und Durchführung der Beratung geregelt und, falls vom Gesetzgeber gewollt, sogar eine Beratungsbescheinigung vorgesehen werden. Auch Dokumentationspflichten könnten festgelegt werden . Außerdem ließen sich im NG die Anforderungen an entsprechende Beratungsstellen, deren Anerkennung sowie entsprechende Berichtspflichten und die Überprüfung der Beratungsstellen regeln. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 025/15 Seite 21 Abschnitt 3 Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen, §§ 12- 14 SchKG Im Abschnitt über die Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen ist geregelt, dass niemand verpflichtet ist, an einem Schwangerschaftsabbruch mitzuwirken. Außerdem dürfen nach § 13 Schwangerschaftsabbrüche nur in einer Einrichtung vorgenommen werden, in der auch die notwendige Nachbehandlung gewährleistet ist. § 14 enthält verschiedene Bußgeldvorschriften. Beim Schwangerschaftsabbruch gilt das Prinzip der Trennung zwischen Beratung und Durchführung des Schwangerschaftsabbruchs. Dies ergibt sich nur mittelbar aus dem SchKG; ausdrücklich ist es in § 219 Abs. 2 Satz 3 StGB festgelegt. Ähnlich wie im SchKG könnte auch im NG verfahren werden. Obwohl eigentlich selbstverständlich ist, dass niemand an einer Selbsttötung teilnehmen muss, würde eine entsprechende Regelung dieser Selbstverständlichkeit noch einmal Nachdruck verleihen. Sollte der Gesetzgeber die organisierte Sterbehilfe nicht verbieten, würde es sich anbieten , festzulegen, welchen Anforderungen Einrichtungen genügen müssen, in denen Menschen einen assistierten Suizid vornehmen wollen. Der Gesetzgeber kann im NG festlegen, dass Verstöße gegen Regelungen im NG mit einem Bußgeld oder einer Strafe sanktioniert werden. Im NG könnte auch geregelt werden, dass die Beratung über eine Suizidmöglichkeit und die Hilfe bei der Durchführung des Suizids nicht von derselben Person oder derselben Organisation durchgeführt werden darf. Denn nur eine Trennung zwischen Beratung und Durchführung garantiert Transparenz und Kontrolle. Abschnitt 4 Bundesstatistik über Schwangerschaftsabbrüche, §§ 15-18 SchKG Im Abschnitt 4 wird festgelegt, dass über Schwangerschaftsabbrüche eine Statistik geführt wird. Die Erhebungsmerkmale, die Berichtszeit und die Periodizität hat der Gesetzgeber in § 16 geregelt. Gemäß § 18 besteht eine Auskunftspflicht für diejenigen , in deren Einrichtung oder Praxis ein Schwangerschaftsabbruch durchgeführt wurde. Auch im NG könnte eine Bundesstatistik über assistierte Suizide verankert werden. Ebenso könnte für diejenigen eine Auskunftspflicht vorgesehen werden, die bei einer Selbsttötung mitwirken. §§ 218a-219b StGB Nicht im SchKG, sondern in den §§ 218a-219b StGB sind Aspekte geregelt, die ebenfalls für die assistierte Selbsttötung von Bedeutung sind: In § 218a StGB sind die Fristen und Indikationsgründe genannt, die erfüllt sein müssen, damit ein Schwangerschaftsabbruch straffrei bleibt. Es ist also nicht jeder Schwangerschaftsabbruch straffrei. Ob Aspekte, die in den §§ 218a-219b StGB für den Schwangerschaftsabbruch geregelt sind, für die Sterbehilfe im NG oder im StGB normiert werden, sollte im Wesentlichen davon abhängen, ob und inwieweit der assistierte und insbesondere auch der organisierte assistierte Suizid unter Strafe gestellt wird. Sollte der Gesetzgeber sich für eine Strafbarkeit entscheiden, so liegt es nahe, die Regelungen , die den §§ 218a-219b StGB entsprechen, auch für den assistierten Suizid im StGB aufzunehmen . Ansonsten ließen sich diese Gesichtspunkte auch im NG regeln. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 025/15 Seite 22 § 218b StGB stellt sicher, dass die Voraussetzungen für eine Indikation von einem Arzt festgestellt werden und dass der Arzt, der die Schwangerschaft abbricht, nicht selbst diese Indikationsgründe festgestellt hat. Über §218c StGB werden ärztliche Pflichtverletzungen bei einem Schwangerschaftsabbruch geahndet . §§ 219a und 219b StGB stellen das Werben für den Abbruch der Schwangerschaft und das Inverkehrbringen von Mitteln zum Abbruch der Schwangerschaft unter Strafe. Ebenso wie in § 218a StGB könnte der Gesetzgeber im NG oder im StGB festlegen, unter welchen Voraussetzungen überhaupt eine organisierte assistierte Selbsttötung möglich sein soll. Dies betrifft äußerst sensible Fragen. Bisher ist die öffentliche Diskussion, soweit es um organisierte Sterbehilfe geht, immer davon ausgegangen, dass es sich um lebensbedrohlich erkrankte Personen handelt, die sterben möchten. In Betracht kommt daher, im Einzelnen festzulegen, welche Voraussetzungen konkret erfüllt sein müssen, damit ein organisiert assistierter Suizid straffrei bleibt. Dabei sind nicht nur Überlegungen zum Krankheitsbild, sondern z.B. auch zum Zeitpunkt der möglichen Hilfeleistung angebracht. Denn vielfach dürften Sterbehilfevereine bereits zu einem Zeitpunkt die Beihilfe zur Selbsttötung leisten, in der die Sterbephase noch nicht begonnen hat. Im NG oder im StGB ließe sich für den organisiert assistierten Suizid Entsprechendes regeln, also das Vier-Augen-Prinzip und die ärztliche Feststellung, dass der Sterbewillige tatsächlich lebensbedrohlich erkrankt ist. Entsprechendes ließe sich auch für den organisiert ärztlich assistierten Suizid regeln. Auf die Möglichkeit, ein strafbewehrtes Werbeverbot für die assistierte Selbsttötung im StGB zu verankern , wurde bereits hingewiesen. Dass ein Bedürfnis besteht, das Inverkehrbringen von Mitteln zur Selbsttötung unter Strafe zu stellen, ist auf den ersten Blick nicht ersichtlich. Tödliche Substanzen oder Werkzeuge werden häufig schon durch andere Gesetze erfasst, z.B. BtMG, Waffengesetz (WaffG)59. 59 Waffengesetz vom 11. Oktober 2002 (BGBl. I S. 3970, 4592; 2003 I S. 1957), zuletzt geändert durch Artikel 4 Absatz 65 des Gesetzes vom 7. August 2013 (BGBl. I S. 3154); abrufbar unter: http://www.gesetze-im-internet .de/waffg_2002/BJNR397010002.html [Stand: 5. Februar 2015]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 025/15 Seite 23 Die tabellarische Übersicht zeigt, dass in einem neu zu schaffenden Gesetz geregelt werden könnte, welche Auflagen und Verpflichtungen Sterbehilfevereine, aber auch einzelne Personen erfüllen müssen. Darüber hinaus wurde darauf hingewiesen, dass ein solches Gesetz Möglichkeiten gibt, Regelungen vorzusehen, wie entsprechende Verstöße zu ahnden sind. Für Verstöße einzelner Personen bieten sich insbesondere Bußgeld- und Straftatbestände an. Aber auch ein Verein könnte mit einem Bußgeld belegt werden, wenn er gegen bestimmte Normen verstößt. Außerdem könnte der Gesetzgeber festlegen, welchen Anforderungen Einrichtungen genügen müssen, in denen Menschen einen assistierten Suizid vornehmen wollen, oder in denen sie Rat über die assistierte Selbsttötung suchen. Ein solches neu zu schaffendes Gesetz könnte mit entsprechenden Verboten – etwa der gewerblichen Sterbehilfe – im Strafgesetzbuch kombiniert werden. 7. Klärung weiterer rechtlicher Fragen Sollte sich der Gesetzgeber zu einer Regelung der assistierten Selbsttötung entscheiden, können weitere rechtliche Probleme auftreten. 7.1. Änderungen im BtMG und AMG Wird assistierte Sterbehilfe geleistet, so geschieht dies u.a. mit dem Mittel Natrium-Pentobarbital. 10 g dieses Mittels hatte ein sogenannter Sterbebegleiter einer schweizerischen Sterbehilfeorganisation einer unheilbar erkrankten Ärztin in Deutschland in einem Glas Wasser aufgelöst und dieses der Ärztin zur sofortigen Einnahme gereicht. Zuvor hatte der Sterbebegleiter geprüft, dass die Ärztin in vollem Besitz ihrer geistigen Kräfte war und ihr Todeswunsch nach wie vor bestand.60 Bei Natrium-Pentobarbital handelt es sich um ein Substrat, bei dem im Regelfall 3 g des Mittels die für einen Erwachsenen tödliche Dosis darstellen. Dabei wird durch diese Dosis zunächst das Bewusstsein ausgeschaltet, danach tritt eine tödliche Atemlähmung ein61. Der Bundesgerichtshof entschied, dass sich der Sterbehelfer nicht wegen eines Tötungsdelikts strafbar gemacht hat, sondern dass von einer straflosen Beihilfe zu einem selbstverantworteten Suizid auszugehen ist62. Allerdings stellte der Bundesgerichtshof fest, dass Verstöße gegen das 60 BGH, Urteil vom 7. Februar 2001 – Az. 5 StG 474/00, zum Sachverhalt: Rn. 3 (juris). 61 BGH, Urteil vom 7. Februar 2001 – Az. 5 StG 474/00, zum Sachverhalt: Rn. 2, 3 (juris). 62 BGH, Urteil vom 7. Februar 2001 – Az. 5 StG 474/00, Rn. 7, 22 (juris). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 025/15 Seite 24 Betäubungsmittelgesetz (BtMG)63 in Frage kommen64, weil Natrium-Pentobarbital als Betäubungsmittel in Anlage III zu § 1 Abs. 2 BtMG erfasst ist65. An diesem Beispiel zeigt sich, dass – je nachdem, wie sich der Gesetzgeber zur assistierten Selbsttötung verhalten wird – möglicherweise auch Änderungen im BtMG erforderlich sind. Zur palliativ-medizinischen Versorgung hat der Gesetzgeber bereits verschiedene Spezialvorschriften im BtMG eingefügt (vgl. §§ 4 Abs. 1 Nr. 1f, 13 Abs. 1a Sätze 1 und 3 sowie 13 Abs. 3 BtMG). Ob diese Veränderungen ausreichend sind, bedarf der Klärung. Dies gilt insbesondere für die ambulante Notfallversorgung mit Schmerzmitteln.66 Möglicherweise sind auch Änderungen im Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz - AMG)67 erforderlich, um für bestimmte Medikamente deren Anwendungsbereich zu erweitern, damit sie überhaupt bei einer assistierten Selbsttötung eingesetzt werden können. Denn gemäß § 2 AMG sind Arzneimittel solche Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die der Heilung und Krankheitslinderung dienen oder um medizinische Diagnosen zu erstellen. Stoffe, die im Rahmen einer Selbsttötung verabreicht werden, fallen aber nicht unter diesen Begriff des Arzneimittels. Denkbar ist allenfalls, sie unter § 2 Abs. 1 Nr. 2a AMG zu subsumieren. Dieser behandelt Mittel, die die physiologischen Funktionen beeinflussen. Ob unter Beeinflussung allerdings auch die Tötung fällt, erscheint angesichts der sonstigen begrifflichen Umschreibung in § 2 AMG sehr zweifelhaft. 7.2. Einordung ärztlicher Hilfeleistungen Daneben stellen sich Fragen, wie die jeweiligen Situationen zu bewerten sind, wenn Ärzte an einem assistierten Suizid mitwirken. Solange sie als Einzelpersonen bei einer Selbsttötung mitwirken , sind sie ebenso straffrei wie jeder andere auch. Sollte der Gesetzgeber bestimmte Regelungen für die organisierte Sterbehilfe vorsehen, so wird er klären müssen, wie sich ärztliches Handeln in diese Regelungen einfügen lässt, ob also z.B. ein ärztlich assistierter Suizid im Krankenhaus 63 Betäubungsmittelgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. März 1994 (BGBl. I S. 358), zuletzt geändert durch Artikel 4 Absatz 7 des Gesetzes vom 7. August 2013 (BGBl. I S. 3154); abrufbar unter: http://www.gesetze -im-internet.de/bundesrecht/btmg_1981/gesamt.pdf [Stand: 5. Februar 2015]. 64 BGH, Urteil vom 7. Februar 2001 – Az. 5 StG 474/00, Rn. 5, 6 ff. (juris). 65 BGH, Urteil vom 7. Februar 2001 – Az. 5 StG 474/00, Rn. 14 (juris). 66 Dazu vgl. Maier, Angemessene ambulante Notfallversorgung von Palliativpatienten mit Betäubungsmitteln – Anspruch und Wirklichkeit, in: Palliativmedizin und Betäubungsmittelrecht – Möglichkeiten und Grenzen, Göttinger Schriften zum Medizinrecht Band 16, Göttingen 2013, S. 1-9. 67 Arzneimittelgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3394), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 17. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2222); abrufbar unter: http://www.gesetzeim -internet.de/bundesrecht/amg_1976/gesamt.pdf [Stand: 5. Februar 2015]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 025/15 Seite 25 oder in der eigenen Praxis bereits als „organisiert“ einzuordnen ist. Zu klären ist auch, ob die Assistenz zur Selbsttötung überhaupt als ärztliche Handlung eingeordnet werden sollte.68 7.3. Haftungsfragen Darüber hinaus stellt sich bei einer assistierten Selbsttötung auch die Frage nach der Haftung des Helfenden. Dies gilt in besonderem Maße, wenn die Hilfe organisiert, geschäftsmäßig oder gewerblich oder durch einen Arzt oder anderes medizinisch geschultes Personal erfolgt. Denn dann wird sich der Hilfesuchende darauf verlassen, dass die Hilfeleistung sachkundig erfolgt. Dies gilt umso mehr, wenn der Hilfesuchende für die Hilfeleistung entsprechende Zahlungen zu leisten hat. Schlägt die Hilfeleistung fehl oder erreicht sie nicht ihren Zweck, sind bei dem Hilfesuchenden möglicherweise schwere körperliche und seelische Schäden eingetreten, für die der Hilfesuchende Ersatz verlangen wird. 8. Schlussbetrachtung Die Ausführungen haben Folgendes ergeben: Sterbehilfevereine agieren in der Regel organisiert und geschäftsmäßig. Sie handeln auch gewerbsmäßig, wenn sie sich durch wiederholte Tätigkeit eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang verschaffen wollen. Sterbehilfevereine, deren Zweck darauf ausgerichtet ist, Beihilfe zum Suizid zu leisten, erfüllen nach derzeitiger Rechtslage nicht die Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit. Weder das BGB noch das VereinsG sind geeignete Standorte, um Fragen der Sterbehilfe zu regeln. Deshalb ist es auch dogmatisch nicht zu empfehlen, dort Verbote oder Regelungen zu verankern, mit denen Pflichtverletzungen von Vereinen und Einzelpersonen geahndet werden könnten. Denkbar ist, in das StGB Regelungen aufzunehmen, mit denen bestimmte Aspekte hinsichtlich des assistierten Suizids unter Strafe gestellt werden, etwa die organisierte, geschäftsmäßige oder gewerbsmäßige Suizidbegleitung. Denkbar sind auch Werbeverbote oder Vermittlungsverbote. Die Situation beim Schwangerschaftskonflikt weist verschiedene Ähnlichkeiten mit der Lage auf, in der sich ein Mensch befindet, der eine Selbsttötung beabsichtigt. Will der Gesetzgeber daher Aspekte der Sterbehilfe regeln, bietet es sich an, entsprechend dem Vorbild des SchKG ein eigenes Gesetz zu verabschieden, in dem insbesondere bestimmte Vorgaben (Beratungs- und Dokumentationspflichten) für Vereine, die sich der Thematik des Sterbens widmen, geregelt werden könnten. Hier ließen sich auch Regelungen aufstellen, um Pflichtverletzungen von Vereinen oder von Einzelnen zu ahnden. Darüber hinaus müsste der Gesetzgeber prüfen, inwieweit Änderungsbedarf im BtMG und im AMG bestünde. Außerdem sollte geklärt werden, wie der ärztlich assistierte Suizid 68 Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass die ärztliche Einstellung zum ärztlich begleiteten Suizid bisher zurückhaltend ist, vgl. Institut für Demoskopie Allensbach, Ärztlich begleiteter Suizid und aktive Sterbehilfe aus Sicht der deutschen Ärzteschaft, Juli 2010, abrufbar unter: http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/Sterbehilfe 1.pdf [Stand: 5. Februar 2015]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 025/15 Seite 26 einzuordnen ist. Schließlich sollten auch haftungsrechtliche Aspekte nicht aus den Augen verloren werden. Abschließend sei Folgendes angemerkt: Wenn auch die Möglichkeit bestehen mag, in einem gesonderten Gesetz Fragen des Sterbens und auch des assistierten Sterbens zu regeln, so dürften die Ausführungen doch insgesamt verdeutlicht haben, dass diese Regelungsmaterie ein äußerst sensibles und komplexes Vorgehen und eine allgemeine gesellschaftliche Diskussion erfordert. Gerade die Ähnlichkeit der Situation mit derjenigen beim Schwangerschaftskonflikt sollte diese Schwierigkeiten verdeutlichen. Damals sah sich der Bundestag veranlasst, einen Sonderausschuss einzusetzen69. 69 Siehe Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP vom 25. September 1991, Einsetzung des Sonderausschusses „Schutz des ungeborenen Lebens“, BT-Drs. 12/1187. Der Antrag wurde am 26. September 1991 in der 44. Sitzung des Deutschen Bundestages angenommen, BT-Plenarprot. 12/44, S. 3620B. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 025/15 Seite 27 9. Anlage: §§ 2, 5 und 12 der StHD-Satzung vom 26. Januar 201470 § 2 Zweck (1) Alle Menschen haben das Recht auf Selbstbestimmung bis zum letzten Atemzug. In erster Linie verfolgt der Verein das gesellschaftspolitische Ziel, dieses Recht in Deutschland nach Schweizer Vorbild zu verankern. Der Verein unterstützt seine Mitglieder bei der Durchsetzung dieses Rechts. Er gibt sich hierzu Ethische Grundsätze, die für alle im und für den Verein tätigen Personen verbindlich sind. (2) Der Verein steht seinen Mitgliedern bei der Gestaltung eines würdigen Ausklangs ihres Lebens beratend zur Seite. (3) Der Verein erstellt für jedes Mitglied eine individuelle Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung . Er berät das Mitglied bei der Abfassung und unterstützt die Bevollmächtigten bei der Durchsetzung dieser Verfügung . Der Verein kann jedoch keine Rechtsvertretung übernehmen. (4) Will ein Mitglied aus dem Leben scheiden, ermöglicht der Verein unter Beachtung der jeweils geltenden deutschen und schweizerischen Rechtsordnung einen begleiteten Suizid. Die Voraussetzungen der Ethischen Grundsätze des Vereins müssen erfüllt sein. Wartefristen gemäß § 5 Absatz 4 sind zu beachten. (5) Der Verein unterstützt alle Bemühungen, bestmögliche Palliativmedizin in Deutschland und in der Schweiz flächendeckend anzubieten. (6) Der Verein pflegt Kontakte zu Organisationen mit ähnlicher Zielsetzung im In- und Ausland. (7) Der Verein ist parteipolitisch und konfessionell neutral und hat keinerlei wirtschaftliche oder gewerbliche Zielsetzung . § 5 Mitgliederbeiträge und Wartefrist (1) Es gibt vier Formen der Mitgliedschaft: Mitgliedschaft V (Vollmitgliedschaft) Hier beträgt der Mitgliederbeitrag 200 Euro jährlich. Er ist fällig mit Beginn der Mitgliedschaft und sodann jeweils am 1. Januar per SEPA-Lastschrift. Mitgliedschaft L (Lebensmitgliedschaft) Hier ist der einmalige Mitgliederbeitrag in Höhe von 2.000 Euro fällig mit Beginn der Mitgliedschaft. Mitgliedschaft S (Lebensmitgliedschaft mit Sonderbeitrag) Hier ist der einmalige Mitgliederbeitrag in Höhe von 7.000 Euro fällig mit Beginn der Mitgliedschaft. Mitgliedschaft M mit einem Mitgliederbeitrag von 50 Euro jährlich. Er ist fällig mit Beginn der Mitgliedschaft und sodann jeweils am 1. Januar per SEPA-Lastschrift. (2) Das Mitglied kann jederzeit in eine Mitgliedschaft mit höherem Beitrag durch schriftliche Erklärung wechseln. Der Wechsel wird sofort wirksam. Bis dahin gezahlte Mitgliederbeiträge werden nicht angerechnet. (3) Der Vorstand kann im Einzelfall oder für Fallgruppen den Beitrag gemäß Absatz 1 reduzieren. (4) Eine Suizidbegleitung gemäß § 2 Absatz 4 findet bei Mitgliedschaft M nicht statt. Bei Mitgliedschaft V findet sie in den ersten drei Jahren der Mitgliedschaft nicht statt. Bei der Mitgliedschaft L verkürzt sich diese Wartefrist auf ein Jahr. Bei der Mitgliedschaft S entfällt die Wartefrist; hier bemüht sich der Verein, die Voraussetzungen der Ethischen Grundsätze besonders zügig zu klären. (5) Bei Beendigung der Mitgliedschaft werden Mitgliederbeiträge nicht zurückerstattet. Fällige Mitgliederbeiträge bleiben zu zahlen. § 12 Mittel des Vereins (1) Die Einnahmen des Vereins setzen sich zusammen aus den Mitgliederbeiträgen, aus Spenden, anderen Zuwendungen , Kapitalzinsen und sonstigen Erträgen. (2) Die Ausgaben des Vereins richten sich nach dem vom Vorstand bis zum Beginn des neuen Rechnungsjahres zu genehmigenden Jahresbudget. 70 Die gesamte StHD-Satzung vom 26. Januar 2014 ist einsehbar auf der Homepage von StHD und abrufbar unter: http://www.sterbehilfedeutschland.de/sbgl/files/PDF/2014-x-Satzung.pdf, (Stand: 5. Februar 2015).