AUSARBEITUNG Thema: Zur Reichweite des Informationsfreiheitsgesetzes bei Petitionen Fachbereich VII Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Verfasser: Abschluss der Arbeit: 15. Februar 2006 Reg.-Nr.: 3000 - 2. WF VII G - 024/06 Ausarbeitungen von Angehörigen der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung des einzelnen Verfassers und der Fachbereichsleitung. Die Ausarbeitungen sind dazu bestimmt, das Mitglied des Deutschen Bundestages, das sie in Auftrag gegeben hat, bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - 2 - Inhaltsverzeichnis Seite 1. Einleitung 3 2. Anwendbarkeit des Informationsfreiheitsgesetzes bei der Behandlung von Petitionen? 3 3. Informationszugang zu den von den Bundesministerien abgegebenen Stellungnahmen zu Petitionen? 5 3.1. Anwendbarkeit des Informationsfreiheitsgesetzes? 5 3.2. Befugnisgesetz als lex spezialis? 7 3.3. Ausschlussgründe nach dem Informationsfreiheitsgesetz? 7 4. Besonderheiten bei öffentlichen Petitionen? 9 5. Beschwerden über die Anwendung des Informationsfreiheitsgesetzes 10 - 3 - 1. Einleitung Am 1. Januar 2006 ist das Informationsfreiheitsgesetz (IFG)1 in Kraft getreten. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Für sonstige Bundesorgane und -einrichtungen gilt das IFG, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen (§ 1 Abs. 1 Satz 2 IFG). Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob ein Bürger auf der Grundlage dieses Gesetzes einen Anspruch hat, die seine Petition betreffende Akte einzusehen oder Auskunft daraus zu erhalten. In diesem Zusammenhang ist von besonderem Interesse, ob ein Bürger Informationszugang zu der seine Petition betreffende Stellungnahme erhält, indem er an das Bundesministerium herantritt, das diese abgegeben hat. Der Petitionsausschuss eröffnet den Bürgerinnen und Bürgern seit dem 1. September 2005 „über das allgemeine Petitionsrecht hinaus“ in einer zweijährigen Erprobungsphase „als zusätzliches Angebot“ die Möglichkeit, öffentliche Petitionen einzureichen.2 Insoweit ist zu prüfen, ob sich bei öffentlichen Petitionen Besonderheiten im Hinblick auf die Anwendbarkeit des IFG ergeben. Die Anwendung des IFG, eines Bundesgesetzes, kann auch Gegenstand von Petitionen sein. Da das IFG eine Beschwerdemöglichkeit beim Bundesbeauftragten für die Informationsfreiheit vorsieht (§ 12 IFG), ist zu klären, ob hierdurch das Recht, Petitionen beim Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages einzureichen, berührt sein könnte. 2. Anwendbarkeit des Informationsfreiheitsgesetzes bei der Behandlung von Petitionen? Für den Bundestag und seine Ausschüsse gilt das IFG nur, soweit dort öffentlichrechtliche Verwaltungsaufgaben wahrgenommen werden. Im Hinblick darauf, dass Klagen aus Artikel 17 Grundgesetz (GG) in Bezug auf Petitionsentscheidungen als öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)3 angesehen werden4, könnte 1 Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes vom 5. September 2005 (BGBl. I S. 2722) 2 Richtlinie für die Behandlung von öffentlichen Petitionen gem. Ziffer 7.1 Abs. 4 der Verfahrensgrundsätze (www.bundestag.de/ausschuesse/a02/rili.pdf; Stand: 7. Februar 2006) 3 In der Fassung der Bekanntmachung vom 19. März 1991 (BGBl. I S. 686), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. August 2005 (BGBl. I, S. 2482) - 4 - überlegt werden, ob diese Rechtsprechung zur Abgrenzung des Rechtswegs auch für die Frage eines Informationszugangs nach § 1 Abs. 1 IFG heranzuziehen ist. Aus der Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 14. Dezember 2004 ergibt sich jedoch, dass nach § 1 Abs. 1 IFG der spezifische Bereich der Wahrnehmung parlamentarischer Angelegenheiten vom Informationszugang ausgeschlossen bleiben soll.5 Neben der Gesetzgebung sind dort beispielhaft u.a. die Kontrolle der Bundesregierung und die Petitionsbehandlung („Wahrung der Rechte des Bundestages und seiner Mitglieder – z.B. … bei Petitionen“) aufgeführt . Der Petitionsausschuss wird als Hilfsorgan des Bundestages aufgrund der ihm verfassungsrechtlich zugewiesenen Aufgabe (Artikel 45c GG) tätig. Eine am Willen des Gesetzgebers orientierte Auslegung ergibt somit, dass für die parlamentarische Behandlung von Petitionen, die auf der Grundlage von Artikel 45c GG, des Gesetzes nach Artikel 45c des Grundgesetzes6 (Befugnisgesetz) und der §§ 108 bis 112 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GO-BT) geregelt ist, das IFG nicht gilt.7 Die Anwendungshinweise des Bundesbeauftragten für den Datenschutz (zugleich Bundesbeauftragter für die Informationsfreiheit, § 12 Abs. 2 IFG) zum Informationsfreiheitsgesetz stützen sich bei der Auslegung von § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG auf die Begründung zum Gesetzentwurf, wonach – wie dargelegt – ein Informationszugang zu Petitionsakten nicht besteht.8 In den Grundsätzen des Petitionsausschusses über die Behandlung von Bitten und Beschwerden (Verfahrensgrundsätze)9, deren Grundlage § 110 Abs. 1 GO-BT ist, ist der Ablauf des Petitionsverfahrens näher ausgestaltet, wobei dem Ausschussdienst (Unterabteilung Petitionen und Eingaben) bestimmte vorbereitende Aufgaben bei der Petitionsbehandlung zugewiesen sind. Nimmt der Ausschussdienst eine solche Unterstützungsfunktion für den Ausschuss wahr, so gehört dieses Handeln ebenfalls zum spezifischen Bereich der Wahrnehmung parlamentarischer Angelegenheiten. Ein Informati- 4 Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 19. Mai 1988, 1 BvR 644/88, NVwZ 1989, S.953; Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 28. November 1975, VII C 53/73, NJW 1976, S. 637 f.; BVerwG, Beschluss vom 13. November 1990, 7 B 85/90, NJW 1991, 936/937 5 BT-Drucksache 15/4493, S. 8; vgl. auch Heribert Schmitz/Serge-Daniel Jastrow, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, NVwZ 2005, S. 984/987f. 6 Gesetz über die Befugnisse des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages vom 19. Juli 1975 (BGBl. I, S. 1921), geändert durch Gesetz vom 5. Mai 2004 (BGBl. I, S. 718) 7 Vgl. auch Stellungnahme des Direktors beim Deutschen Bundestag im Gesetzgebungsverfahren zum IFG vom 23. Februar 2005; diese ist Gegenstand der Ausschussberatungen gewesen. 8 Vgl. dort Anm. 3b 9 Vom 8. März 1989, zuletzt ergänzt durch Beschlüsse vom 1. und 15. Juni 2005, für die 16. Wahlperiode übernommen durch Beschluss vom 30. November 2005 - 5 - onszugang nach dem IFG besteht auch insoweit nicht. 10 Eine Information der Bürgerinnen und Bürger erfolgt somit weiterhin aufgrund der herkömmlichen innerparlamentarischen Regelungen für Auskunftsbegehren, wonach bislang grundsätzlich keine Einsicht in Petitionsakten gewährt worden ist. 3. Informationszugang zu den von den Bundesministerien abgegebenen Stellungnahmen zu Petitionen? Bestandteil der Petitionsakten sind u. a. die Stellungnahmen der Bundesministerien, die der Petitionsausschuss im Rahmen seines Petitionsinformationsrechts eingeholt hat. Wie sich aus den Ausführungen in Kapitel 2 ergibt, kann ein entsprechendes Auskunftsbegehren gegenüber dem Petitionsausschuss nicht mit Erfolg auf das IFG gestützt werden und wird nach den herkömmlichen Regelungen regelmäßig abgelehnt. Wird ein Antrag auf Einsicht oder Auskunft bezüglich einer Stellungnahme beim betreffenden Bundesministerium gestellt, so gilt es, unterschiedliche Entscheidungen des Petitionsausschusses und des betreffenden Bundesministeriums in Bezug auf den Informationszugang nach Möglichkeit zu vermeiden. Wegen der Verfahrensherrschaft des Petitionsausschusses sollte sicher gestellt sein, dass ein Bundesministerium Stellungnahmen nur im Einvernehmen mit dem Petitionsausschuss herausgibt. 3.1. Anwendbarkeit des Informationsfreiheitsgesetzes? Der Vorschrift des § 1 Abs. 1 IFG liegt ein funktionaler Behördenbegriff zugrunde. Das bedeutet, dass das IFG nur auf Stellen anwendbar ist, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen (§ 1 Abs. 4 Verwaltungsverfahrensgesetz).11 Mit der Stellungnahme gegenüber dem Petitionsausschuss erfüllt das jeweilige Bundesministerium keine verwaltungsrechtliche, sondern eine verfassungsrechtliche Pflicht. Dieses Ergebnis ergibt sich allerdings nicht aus der Gesetzesbegründung. In Bezug auf die Vorbereitung von Gesetzen in den Bundesministerien wird dort nämlich ausgeführt, diese falle als wesentlicher Teil der Verwaltungstätigkeit in den Anwendungsbereich des IFG.12 Überträgt man diesen Gedanken auf die Abgabe von Stellungnahmen an den 10 Oberverwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 18. Oktober 2000, 2 M 15/00, LKV 2001, S. 279. Ob die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zum IFG des Bundes ebenfalls zu diesem Ergebnis gelangen wird, bleibt abzuwarten. 11 Matthias Rossi, Kommentar zum Informationsfreiheitsgesetz, 1. Auflage, 2006, § 1 Rn 40 12 BT-Drucksache 15/4493, S. 7 - 6 - Petitionsausschuss, so müsste man das IFG auch insoweit als anwendbar ansehen. Allerdings sprechen systematische und teleologische Gesichtspunkte gegen eine Anwendbarkeit des IFG auf diese Konstellation. Hiernach erfüllt das jeweilige Bundesministerium mit der Abgabe der Stellungnahme keine verwaltungsrechtliche, sondern eine verfassungsrechtliche Pflicht. Artikel 17 GG gewährt dem Petitionsausschuss ein sog. Petitionsinformationsrecht. Dieses ist notwendiger Bestandteil der Aufgabe und Verpflichtung des Bundestages zur sachgerechten Entgegennahme, Behandlung und Bescheidung der Petition aus Artikel 17 GG und ist daher als Annex-Kompetenz zur Bewältigung der Hauptaufgabe der Petitionsbehandlung in Artikel 17 GG mitgeschrieben.13 Das Bundesministerium erfüllt insoweit eine gegenüber dem Petitionsausschuss bestehende verfassungsrechtliche Verpflichtung aus Artikel 17 GG und übt keine Verwaltungstätigkeit aus.14 Durch dieses Ergebnis wird auch ein Wertungswiderspruch vermieden, der im Falle einer Einordnung als verwaltungsrechtliche Tätigkeit durch die Bundesregierung zutage treten würde. Würde der Petitionsausschuss aufgrund seines Zitierungsrechts nach Artikel 43 Abs. 1 GG einen Bundesminister oder – gewohnheitsrechtlich – einen Beauftragten der Bundesregierung15 vorladen und zur betreffenden Sache befragen anstatt das betreffende Bundesministerium um Stellungnahme zu bitten, so wäre ein Informationszugang zu dem hierzu erstellten Protokoll zu verneinen. Dieses gehörte – da es sich um die Behandlung einer Petition durch den Petitionsausschuss handelte – zum spezifischen Bereich der Wahrnehmung parlamentarischer Angelegenheiten. Allein die schriftliche Anforderung einer Stellungnahme kann aber insofern eine andere Beurteilung nicht rechtfertigen. Schließlich erfordert auch die Funktion des Petitionsrechts, dem Bürger außerhalb des förmlichen Rechtsschutzes einen thematisch unbegrenzten Zugang zur Volksvertretung zu gewähren, keinen Informationszugang zu den Stellungnahmen der Bundesministerien . Artikel 17 GG beinhaltet nämlich kein Recht auf eine bestimmte Entscheidung des Petitionsausschusses, sondern lediglich einen Anspruch auf Entgegennahme, sachliche Prüfung und Bescheidung der Petition.16 13 Wolfgang Graf Vitzthum, Petitionsrecht und Volksvertretung, 1985, S. 59f. 14 Wird ausnahmsweise aufgrund des Befugnisgesetzes eine Auskunft von einem Bundesministerium verlangt, so handelt dieses ebenfalls in Erfüllung einer verfassungsrechtlichen Verpflichtung, weil das Befugnisgesetz die dem Petitionsausschuss nach Artikel 45c GG zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse näher ausgestaltet. 15 Vgl. hierzu , Erläuterungen zu den Verfahrensgrundsätzen des Petitionsausschusses, Stand: Dezember 1993 (nicht veröffentlicht), Nr. 7.13.1, Rn 10-14 16 BVerfGE 13, S. 54/90 - 7 - Hält man entgegen der hier vertretenen Auffassung das IFG auf Informationsbegehren gegenüber einem Bundesministerium in Bezug auf eine Stellungnahme zu einer Petition grundsätzlich für anwendbar, so ist zu prüfen, ob das Befugnisgesetz dem IFG als speziellere Norm vorgeht, und – wenn dies nicht der Fall ist –, ob nach den §§ 3 ff. IFG Ausschlussgründe für einen Informationszugang bestehen. 3.2. Befugnisgesetz als lex spezialis? Nach § 1 Abs. 3 IFG gehen Regelungen in anderen Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen mit Ausnahme des § 29 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und des § 25 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch dem Zugang nach dem IFG vor. Das Befugnisgesetz regelt nach Artikel 45c Abs. 2 GG die Befugnisse des Petitionsausschusses zur Überprüfung von Beschwerden. Es geht somit um die Möglichkeiten des Petitionsausschusses, von der Bundesregierung und anderen Behörden und Stellen des Bundes sowie von Petenten, Zeugen und Sachverständigen Auskünfte zur sachgerechten Prüfung einer Petition einzuholen. Dem Befugnisgesetz lässt sich nicht entnehmen, dass hierdurch der Informationszugang der Petenten sowie anderer Bürgerinnen und Bürger zu den eine Petition betreffenden Unterlagen ausgeschlossen sein sollte. Insoweit enthält das Befugnisgesetz keine erschöpfende Regelung, so dass es dem IFG nicht vorgeht. 3.3. Ausschlussgründe nach dem Informationsfreiheitsgesetz? Ein Informationszugang zu einer Stellungnahme eines Bundesministeriums könnte zunächst nach § 7 Abs. 1 Satz 1 IFG ausgeschlossen sein. Hiernach entscheidet über den Informationszugang diejenige Behörde, die zur Verfügung über die begehrten Informationen berechtigt ist. Das Bundesministerium könnte nach Abgabe der Stellungnahme an den Petitionsausschuss, der die Verfahrensherrschaft hat, seine Verfügungsbefugnis eingebüßt haben. Maßgeblich ist jedoch die rechtliche Befugnis der Behörde, über die Informationen zu verfügen. Verfügungsbefugt ist eine Behörde aber jedenfalls über ihre eigenen, von ihr selbst erhobenen Informationen.17 In der Regel wird die Stellungnahme des Bundesministeriums auf eigenen Informationen beruhen. Hinzu kommt, dass es die Stellungnahme selbst erstellt hat.18 17 Matthias Rossi, Kommentar zum Informationsfreiheitsgesetz, 1. Auflage, 2006, § 7 Rn 19; BT- Drucksache 15/4493, S. 14 18 Bei vom Petitionsausschuss übersandten Unterlagen besteht jedoch gemäß § 3 Nr. 5 IFG kein Anspruch auf Informationszugang. - 8 - Nach § 3 Nr. 3 Buchstabe b IFG besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn und solange die Beratungen von Behörden beeinträchtigt werden. Anders als § 4 IFG gilt dieser Ausschlussgrund auch außerhalb laufender Entscheidungsprozesse.19 Unter Beratungen ist jeder interne Willensbildungsvorgang in Gestalt von Beratungsund Abwägungsvorgängen und damit der Verlauf des Beratungsprozesses selbst zu verstehen.20 Wenngleich der Petitionsausschuss nicht als Behörde im Sinne dieser Vorschrift anzusehen ist, sind dessen Beratungen über die Petition – in analoger Anwendung des § 3 Nr. 3 Buchstabe b IFG – geschützt. Ebenso sind Beratungen und etwaige Abstimmungsprozesse zwischen dem Petitionsausschuss und dem Bundesministerium geschützt. Da eine Kenntnis der Stellungnahme auf jeden Fall Rückschlüsse auf den Meinungsbildungsprozess im Petitionsverfahren zulässt, ist von einer Beeinträchtigung der Beratungen durch deren Bekanntwerden auszugehen.21 Beim Bürger könnte beispielsweise der Eindruck entstehen, der Petitionsausschuss entscheide nicht unabhängig. Hierdurch könnte auch die Zusammenarbeit des Petitionsausschusses mit den Bundesministerien in zukünftigen Fällen beeinträchtigt werden. Der Ausschlussgrund des § 3 Nr. 3 Buchstabe b IFG ist nach dieser Auffassung in jedem Falle einschlägig und muss nicht für den Einzelfall begründet werden; er gilt auch nach Abschluss des Petitionsverfahrens . Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 IFG soll der Antrag auf Informationszugang abgelehnt werden u. a. für Arbeiten und Beschlüsse zur unmittelbaren Vorbereitung einer Entscheidung, soweit und solange durch die vorzeitige Bekanntgabe der Informationen der Erfolg der Entscheidung oder bevorstehender behördlicher Maßnahmen vereitelt würde. Auskünfte zu der zu treffenden Entscheidung gehören zu diesen Arbeiten und Beschlüssen zur unmittelbaren Vorbereitung einer Entscheidung.22 Somit fällt die Stellungnahme eines Bundesministeriums unter diese Vorschrift, die – weil der Petitionsausschuss keine Behörde ist – analog anzuwenden ist. Zweck der Vorschrift ist es, die Vertraulichkeit des behördlichen Entscheidungsprozesses zu schützen.23 Dieser Gesichtspunkt gilt für das Petitionsverfahren nach Artikel 17 GG ebenso wie für Verwaltungsverfahren. Allerdings würde ein vorzeitiges Bekanntwerden der Stellungnahme den Erfolg der Entscheidung des Petitionsausschusses nicht beeinträchtigen. Denn es ist kaum zu befürchten , dass die Entscheidung des Petitionsausschusses in diesem Falle überhaupt nicht, mit anderem Inhalt oder wesentlich später zustande käme.24 19 Heribert Schmitz/Serge-Daniel Jastrow, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, NVwZ 2005, S. 984/ 20 Matthias Rossi, Kommentar zum Informationsfreiheitsgesetz, 1. Auflage, 2006, § 3 Rn. 45 21 Vgl. Rossi, a.a.O. 22 Rossi, a.a.O., § 4 Rn 7 23 Rossi, a.a.O., § 4 Rn 6 24 Rossi, a.a.O., § 4 Rn 13 - 9 - Da der Ausschlussgrund des § 3 Nr. 3 Buchstabe b IFG eingreift, kommt es auf die Frage, ob im Einzelfall der Informationszugang nach § 5 IFG (Schutz personenbezogener Daten) oder § 6 IFG (Schutz des geistigen Eigentums und von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen ) ausgeschlossen ist, nicht an. 4. Besonderheiten bei öffentlichen Petitionen? In Ziffer 2.2 Abs. 4 Satz 1 der Verfahrensgrundsätze werden öffentliche Petitionen als Bitten oder Beschwerden von allgemeinem Interesse an den Deutschen Bundestag definiert. Sie werden im Einvernehmen mit dem Petenten auf der Internetseite des Petitionsausschusses veröffentlicht (Satz 2). Mit der Veröffentlichung erhalten weitere Personen oder Personengruppen über das Internet die Gelegenheit zur Mitzeichnung der Petition oder zur Abgabe eines Diskussionsbeitrages hierzu (Satz 3). In den hierzu ergangenen Richtlinien wird – wie in Kapitel 1 bereits erwähnt – deutlich gemacht, dass dieses Verfahren ein zusätzliches Angebot für die Bürgerinnen und Bürger darstellt, das nicht aufgrund des Petitionsgrundrechts aus Artikel 17 GG gefordert ist. Nach Ziffer 1 Satz 3 der Richtlinien besteht kein Rechtsanspruch auf Annahme einer Petition als öffentliche Petition. Nach Ziffer 4 der Richtlinien prüft der Ausschussdienst, ob die Voraussetzungen für eine öffentliche Petition erfüllt sind. Über die Veröffentlichung werden die Sprecher der Fraktionen (Obleute) unterrichtet. In einer späteren Phase (nach Abschluss der Mitzeichnungsfrist im Internet) wird die öffentliche Petition dem Ausschuss vorgelegt (Ziffer 10 Satz 1 der Richtlinien). Erfolgt keine Veröffentlichung, so wird die Petition nach den Verfahrensgrundsätzen parlamentarisch geprüft (Ziffer 4 der Richtlinien). Wird die Petition veröffentlicht und damit zur öffentlichen Petition, so findet – wie bei jeder anderen Petition auch – ebenfalls eine parlamentarische Prüfung des Anliegens statt (vgl. Ziffer 10 der Richtlinien). Denkbar wäre z.B., dass ein Bürger wissen möchte, weshalb eine Petition nicht als öffentliche Petition angenommen worden ist, und deshalb einen Informationszugang nach dem IFG begehrt. Die dargestellten Besonderheiten der öffentlichen Petition führen jedoch gegenüber der Darstellung in Kapitel 2 zu keiner anderen Beurteilung in Bezug auf einen solchen Informationszugang. Die Tatsache, dass die öffentliche Petition über das hinausgeht, was ein Petent nach Artikel 17 GG verlangen kann, macht die Tätigkeit des Petitionsausschusses nicht parti- - 10 - ell zu einer öffentlich-rechtlichen Verwaltungsaufgabe.25 Das in den Richtlinien festgelegte Verfahren beruht auf den Verfahrensgrundsätzen und ist damit Teil derjenigen Regelungen, die die dem Petitionsausschuss nach Artikel 45c GG zugewiesene Aufgabe der Behandlung von Bitten und Beschwerden konkret ausgestalten. Der Petitionsausschuss ist grundsätzlich frei in der Wahl der von ihm für erforderlich gehaltenen Maßnahmen zur Ausgestaltung dieser Aufgabe, solange der Kern der grundrechtlichen Gewährleistung des Artikels 17 GG (Recht auf Entgegennahme, sachliche Prüfung des Anliegens und Erteilung eines Bescheides, wie die Petition erledigt worden ist26) nicht berührt ist. Das Verfahren über öffentliche Petitionen gehört somit ebenso wie die weiteren verfahrensrechtlichen Vorgaben zum spezifischen Bereich der Wahrnehmung parlamentarischer Aufgaben27, weshalb das Informationsfreiheitsgesetz hierfür nicht gilt. Auch der Umstand, dass der Ausschussdienst (zunächst) eine Entscheidung über die Veröffentlichung trifft, führt nicht zu einer Einordnung als öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgabe . Insoweit ist maßgeblich, dass der Ausschussdienst durch die vom Petitionsausschuss erlassenen Richtlinien hierzu beauftragt worden ist. Er wird im Rahmen der ihm zugewiesenen Unterstützungsfunktion und nicht als Verwaltungsbehörde tätig. Abgesehen davon ist durch die vorgesehene frühzeitige Unterrichtung der Obleute sicher gestellt, dass der Ausschuss gegebenenfalls Einfluss nehmen kann und somit die Verfahrensherrschaft behält.28 5. Beschwerden über die Anwendung des Informationsfreiheitsgesetzes Nach § 12 Abs. 1 IFG kann der Bundesbeauftragte für die Informationsfreiheit angerufen werden, wenn ein Bürger sein Recht auf Informationszugang nach dem IFG als verletzt ansieht. Daneben besteht das Recht, sich nach Artikel 17 GG schriftlich über die Anwendung des IFG beim Petitionsausschuss und/oder bei der zuständigen Stelle (Bundesbehörde, bei der ein Informationszugang begehrt wurde) zu beschweren. Der 25 Der Bundestag und sein Petitionsausschuss gehen z.B. auch dadurch, dass die Petitionsentscheidungen begründet werden, über das durch Artikel 17 GG Geforderte hinaus. 26 Vgl. z.B. BayVerfGH, Entscheidung vom 29. Juli 1987, Vf. 22 – VII/85, NVwZ 1988, S. 820 27 Vgl. auch Heribert Schmitz, Einlegung einer Petition durch E-Mail?, NVwZ 2003, S. 1437/1439 (zur Nichtanwendbarkeit des Verwaltungsverfahrensgesetzes auf die Behandlung von Petitionen im Bundestag) 28 Selbst wenn im Einzelfall „weisungswidrig“ eine Unterrichtung unterbleiben sollte, dürfte dies an der Einordnung als spezifisch parlamentarische Aufgabe nichts ändern. Die Anwendung des Informationsfreiheitsgesetzes darf nämlich grundsätzlich nicht davon abhängig gemacht, ob interne Verfahrensvorschriften eingehalten worden sind. - 11 - Bundestags-Direktor hat in seiner bereits erwähnten Stellungnahme zum Gesetzentwurf ausgeführt, es sei davon auszugehen, dass das im IFG vorgesehene Recht, den Bundesbeauftragten für die Informationsfreiheit anzurufen, falls jemand sein Recht auf Informationszugang als verletzt ansehe, das Recht, sich mit einer Petition an den Bundestag zu wenden, unberührt lasse. Im Bericht des Innenausschusses zu dem Gesetzentwurf wird darauf hingewiesen, dass diese Einschätzung vom mitberatenden Geschäftsordnungsausschuss zustimmend zur Kenntnis genommen wurde.29 29 Beschlussempfehlung und Bericht auf BT-Drucksache 15/5606, S. 4