© 2020 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 023/20 Pflichten- und Beweisfragen im Zusammenhang mit Auskunfts- und Beratungsverträgen betreffend Geldanlagen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 023/20 Seite 2 Pflichten- und Beweisfragen im Zusammenhang mit Auskunfts- und Beratungsverträgen betreffend Geldanlagen Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 023/20 Abschluss der Arbeit: 19.02.2020 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 023/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Aufklärungspflicht über Provisionen 5 2.1. Beratungsvertrag 5 2.2. Auskunftsvertrag 6 3. Aufklärungspflichten über Interessenkonflikte und Kosten 8 4. Beweisführung 9 5. Fazit 10 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 023/20 Seite 4 1. Einleitung Aus § 675 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB)1 folgt, dass allein durch die Erteilung eines Rates oder einer Empfehlung „keine vertragliche Haftung begründet“ wird.2 Allerdings kann in Abgrenzung zu einer reinen Gefälligkeit auch ein Beratungsvertrag oder ein Auskunftsvertrag vorliegen, sofern ein Rechtsbindungswille besteht.3 „Im Rahmen der Anlagevermittlung kommt […] ein Auskunftsvertrag […] zumindest stillschweigend zustande, wenn der Interessent deutlich macht, dass er, auf eine bestimmte Anlageentscheidung bezogen, die besondere Kenntnisse und Verbindungen des Vermittlers in Anspruch nehmen will, und der Anlagevermittler die gewünschte Tätigkeit beginnt.“4 Der Vermittler verpflichtet sich „zu richtiger und vollständiger Information über diejenigen tatsächlichen Umstände, die für den Anlageentschluss des Interessenten von besonderer Bedeutung sind“.5 Sofern die Sachkunde fehlt, muss dies der Auskunftsgeber offenlegen.6 Kapitalanlagenvermittler müssen „das Anlagekonzept, bezüglich dessen sie Auskunft erteilen sollen, (wenigstens) auf Plausibilität“ beziehungsweise „wirtschaftliche Tragfähigkeit“ prüfen.7 Es wird vertreten, der Anlageinteressent dürfe beim Beratungsvertrag mehr erwarten.8 Dort schuldet der Anlageberater neben zutreffenden und vollständigen Informationen sowie einer Plausibilitätsprüfung eine Prüfung mit „üblichem kritischen Sachverstand“ in Bezug auf „eine Anlage, die er empfehlen will“ beziehungsweise den Hinweis, dass er letztere unterlassen hat.9 Die Leistungen müssen anleger- und objektgerecht sein.10 Insbesondere muss der Wissensstand des Kunden sowie dessen Risikobereitschaft berücksichtigt werden.11 Die Beratung muss sich „in Bezug 1 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 21. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2911) geändert worden ist. 2 Fischer, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, , 52. Edition, Stand: 01.11.2019, § 675 Rn 90. 3 Fischer, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 52. Edition, Stand: 01.11.2019, § 675 Rn 90, 93. 4 Fischer, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, , 52. Edition, Stand: 01.11.2019, § 675 Rn 96. 5 BGH, Urteil vom 12.05.2005, Az. III ZR 413/04, NJW-RR 2005, 1120, 1121; Nastold, in: Martinek/Semler/Flohr (Hrsg.), Handbuch des Vertriebsrechts, 4. Auflage 2016, § 49 Rn 250. 6 Nastold, in: Martinek/Semler/Flohr (Hrsg.), Handbuch des Vertriebsrechts, 4. Auflage 2016, § 49 Rn 250; BGH, Urteil vom 12.05.2005, Az. III ZR 413/04, NJW-RR 2005, 1120, 1121. 7 BGH, Urteil vom 12.05.2005, Az. III ZR 413/04, NJW-RR 2005, 1120, 1121; Nastold, in: Martinek/Semler/Flohr (Hrsg.), Handbuch des Vertriebsrechts, 4. Auflage 2016, § 49 Rn 250. 8 Nastold, in: Martinek/Semler/Flohr (Hrsg.), Handbuch des Vertriebsrechts, 4. Auflage 2016, § 49 Rn 251. 9 Nastold, in: Martinek/Semler/Flohr (Hrsg.), Handbuch des Vertriebsrechts, 4. Auflage 2016, § 49 Rn 251; BGH, Urteil vom 05.03.2009, Az. III ZR 302/07, juris Rn 13. 10 Nastold, in: Martinek/Semler/Flohr (Hrsg.), Handbuch des Vertriebsrechts, 4. Auflage 2016, § 49 Rn 251. 11 BGH, Urteil vom 06.07.1993, Az. XI ZR 12/93, NJW 1993, 2433. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 023/20 Seite 5 auf das Anlageobjekt […] auf diejenigen Eigenschaften und Risiken“ erstrecken, „die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können“.12 Es werde „nicht nur die Mitteilung von Tatsachen“, sondern auch eine „fachkundige Bewertung“ erwartet .13 Teilweise wird vertreten, dass eine Unterscheidung zwischen Anlagevermittlung und Anlageberatung häufig nicht getroffen werden müsse, da sich die Pflichtenkreise in Bezug auf das Anlageobjekt weitgehend überschneiden und in beiden Fällen eine Pflicht zur zutreffenden und vollständigen Information in Bezug auf „für den Anlageentschluss bedeutsame Umstände“ bestehe.14 Dass aber doch unterschiedliche Pflichtenkreise bestehen, komme beispielsweise in § 16 der Finanzanlagenvermittlungsverordnung (FinVermV15) zum Ausdruck.16 2. Aufklärungspflicht über Provisionen Es stellt sich die Frage, inwieweit bei Beratungs- und Auskunftsverträgen unterschiedliche Pflichten zur Aufklärung über Provisionen bestehen. 2.1. Beratungsvertrag Im Hinblick auf Aufklärungspflichten betreffend Rückvergütungen aus offen ausgewiesenen Vertriebsprovisionen bei einem Anlageberatungsvertrag führte der BGH aus: "Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats ist eine Bank aus dem Anlageberatungsvertrag verpflichtet, über die von ihr vereinnahmte Rückvergütung aus offen ausgewiesenen Vertriebsprovisionen ungefragt aufzuklären [...]. Aufklärungspflichtige Rückvergütungen sind – regelmäßig umsatzabhängige – Provisionen, die im Gegensatz zu versteckten Innenprovisionen nicht aus dem Anlagevermögen, sondern aus offen ausgewiesenen Provisionen wie zum Beispiel Ausgabeaufschlägen und Verwaltungsvergütungen gezahlt werden, deren Rückfluss an die beratende Bank aber nicht offenbart wird, sondern hinter dem Rücken des Anlegers erfolgt . Hierdurch kann beim Anleger zwar keine Fehlvorstellung über die Werthaltigkeit der Anlage entstehen, er kann jedoch das besondere Interesse der beratenden Bank an der Empfehlung gerade dieser Anlage nicht erkennen [...]."17 12 BGH, Urteil vom 06.07.1993, Az. XI ZR 12/93, NJW 1993, 2433. 13 Dörr, in: Aktuelle Rechtsprechung des III. Zivilsenats zur Vermittlung geschlossener Fondsbeteiligungen, WM 2010, 533, 536. 14 Nastold, in: Martinek/Semler/Flohr (Hrsg.), Handbuch des Vertriebsrechts, 4. Auflage 2016, § 49 Rn 253. 15 Finanzanlagenvermittlungsverordnung vom 2. Mai 2012 (BGBl. I S. 1006), die zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 9. Oktober 2019 (BGBl. I S. 1434) geändert worden ist. 16 Nastold, in: Martinek/Semler/Flohr, Handbuch des Vertriebsrechts (Hrsg.), 4. Auflage 2016, § 49 Rn 253. 17 BGH, Urteil vom 08.05.2012, Az. XI ZR 262/10, NJW 2012, 2427, 2428 Rn 17. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 023/20 Seite 6 Weiterhin vertrat der Bundesgerichtshof zunächst die Auffassung, dass Anlagevermittler und Anlageberater "nur über Innenprovisionen aufklären" müssten, "die eine Größenordnung von 15 % des Anlagebetrags übersteigen".18 Innenprovisionen sollen „als solche nicht offen ausgewiesene Vergütungen (Vertriebsprovisionen)“ sein, „die zum Beispiel bei einem Fonds aus dem Anlagevermögen bezahlt werden“.19 Mittlerweile soll eine beratende Bank ab dem 01.08.2014 auch "bei Anlageberatungsverträgen über den Empfang von versteckten Innenprovisionen unabhängig von deren Höhe aufzuklären " haben, um "Fehlvorstellungen des Anlegers über die Werthaltigkeit der Anlage" zu vermeiden .20 Hintergrund der Rechtsprechungsänderung im Jahr 2014 war, dass "der deutsche Gesetzgeber den provisionsbasierten Vertrieb von Kapitalanlagen zum Anlass mehrerer Gesetzesnovellen genommen und mittlerweile einem nahezu flächendeckenden – aufsichtsrechtlichen – Transparenzgebot unterworfen" hatte.21 Obwohl die entsprechenden Vorschriften öffentlich-rechtlicher Natur seien und daher grundsätzlich "auf das zivilrechtliche Schuldverhältnis zwischen Wertpapierdienstleistungsunternehmen und Kunde grundsätzlich nicht“ einwirkten22, führt der Bundesgerichtshof aus: „Der Senat hält es jedoch für angezeigt, den nunmehr im Bereich des – aufsichtsrechtlichen – Kapitalanlagerechts nahezu flächendeckend vom Gesetzgeber verwirklichten Transparenzgedanken hinsichtlich der Zuwendungen Dritter auch bei der Bestimmung des Inhalts des Beratungsvertrags zu berücksichtigen, weil der Anleger nunmehr für die Bank erkennbar eine entsprechende Aufklärung im Rahmen des Beratungsvertrags erwarten kann (§§ 133, 157 BGB).“23 2.2. Auskunftsvertrag Im Hinblick auf Anlagevermittler findet sich Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2012, in dem dieser die Pflicht einer Bank aus einem Auskunftsvertrag verneinte, "Anleger über an sie fließende Rückvergütungen aus einer offen ausgewiesenen Vertriebsprovision oder 18 BGH, Urteil vom 03.06.2014, Az. XI ZR 147/12, NJW 2014, 2947, 2949 Rn 30. 19 Häuser, in: Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum HGB, 4. Auflage 2018, § 384 Rn 25. 20 Roth, in: Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 652 Rn 283; BGH, Urteil vom 03.06.2014, Az. XI ZR 147/12, NJW 2014, 2947, 2950 Rn 36, 38. 21 BGH, Urteil vom 03.06.2014, Az. XI ZR 147/12, NJW 2014, 2947, 2949 Rn 32, zu den einzelnen Vorschriften vergleiche Rn 33. 22 BGH, Urteil vom 03.06.2014, Az. XI ZR 147/12, NJW 2014, 2947, 2949 Rn 35. 23 BGH, Urteil vom 03.06.2014, Az. XI ZR 147/12, NJW 2014, 2947, 2950 Rn 36. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 023/20 Seite 7 einem Agio aufzuklären".24 Wie bereits dargelegt, vertrat er weiterhin die Auffassung, dass neben Anlageberatern auch Anlagevermittler „nur über Innenprovisionen aufklären“ müssten, „die eine Größenordnung von 15 % des Anlagebetrags übersteigen“.25 Auch finden sich Literaturstimmen aus dem Jahr 2009, die die Auffassung vertreten, eine "Aufklärungspflicht über Zuwendungen" ergebe sich für Anlagevermittler nicht.26 Diese bestehe nur für den Anlageberater, da der Anlagevermittler nicht im Interesse des Anlegers sondern "im Interesse des Kapitalsuchenden" tätig werde.27 Dem wird wiederum von anderer Seite entgegengehalten, dass zwischen dem Anlagevermittler und dem Anlagekunden ein Auskunftsvertrag geschlossen werde, welcher den Vermittler zum "Interessenwahrer des Anlagekunden" mache.28 "Die typologische Unterscheidung zwischen Anlageberatung und Anlagevermittlung" sei "hiermit nicht geeignet, den Ausschlag für oder gegen das Bestehen eines Interessenkonflikts – und damit einer Aufklärungspflicht – zu geben".29 Fraglich ist, inwieweit eine Berücksichtigung des nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs „nunmehr im Bereich des im – aufsichtsrechtlichen – Kapitalanlagerechts nahezu flächendeckend vom Gesetzgeber verwirklichten“ Transparenzgedankens bei der Bestimmung des Inhalts nicht nur eines Beratungs-, sondern auch eines Auskunftsvertrags zu erfolgen hat. Für eine solche könnte sprechen, dass zu den Wertpapierdienstleistungen, die zu einer öffentlich-rechtlichen Offenlegungspflicht im Sinne des § 70 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Wertpapierhandelsgesetzes (WPHG)30 führen, auch die Anschaffung oder Veräußerung von Finanzinstrumenten in fremdem Namen für fremde Rechnung (Abschlussvermittlung) und die Vermittlung von Geschäften über die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten (Anlagevermittlung) zählen (§ 2 Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 WPHG). Auch sind seit dem 01.01.2013 Finanzanlagenvermittler im Sinne des § 34f Abs. 1 Satz 1 der Gewerbeordnung (GewO)31 nach § 17 FinVermV in ähnlicher 24 BGH, Beschluss vom 11.09.2012, Az. XI ZR 476/11, BeckRS 2012, 21003, Rn 8 und 9. 25 BGH, Urteil vom 03.06.2014, Az. XI ZR 147/12, NJW 2014, 2947, 2949 Rn 30. 26 Nittel, Knöpfel, in: Die Haftung des Anlageberaters wegen Nichtaufklärung über Zuwendungen – die gar nicht so neue Rechtsprechung des BGH, BKR 2009, 411, 414. 27 Nittel, Knöpfel, in: Die Haftung des Anlageberaters wegen Nichtaufklärung über Zuwendungen – die gar nicht so neue Rechtsprechung des BGH, BKR 2009, 411, 414. 28 Schwab, in: Provisionen, Rückvergütungen und der legitime Erwartungshorizont des Anlagekunden, BKR 2011, 450, 451. 29 Schwab, in: Provisionen, Rückvergütungen und der legitime Erwartungshorizont des Anlagekunden, BKR 2011, 450, 451. 30 Wertpapierhandelsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. September 1998 (BGBl. I S. 2708), das zuletzt durch Artikel 5 des Gesetzes vom 12. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2637) geändert worden ist. 31 Gewerbeordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Februar 1999 (BGBl. I S. 202), die zuletzt durch Artikel 15 des Gesetzes vom 22. November 2019 (BGBl. I S. 1746) geändert worden ist. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 023/20 Seite 8 Weise zur Offenlegung verpflichtet.32 Auf letztere Vorschriften bezieht sich auch der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 03.06.2014 (der damalige § 31d Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG ist vergleichbar mit dem heutigen § 70 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG).33 Insofern könnte man den Schluss ziehen, dass bei einem Auskunftsvertrag mit einer Bank mittlerweile möglicherweise doch über den Empfang von versteckten Innenprovisionen unabhängig von der Höhe aufzuklären ist. Ausdrücklich hat der Bundesgerichtshof aber nur eine Übertragung des Transparenzgedankens für den Beratungsvertrag ausgesprochen. Allerdings nimmt er auf seine frühere Rechtsprechung zu Innenprovisionen auch für Anlagevermittler Bezug und erklärt im Hinblick auf die Gesetzesnovellen betreffend das aufsichtsrechtliche Transparenzgebot, dass seit dem 01.01.2013 "sämtliche – gewerbsmäßigen – Finanzintermediäre im Zusammenhang mit der Vermittlung von – nahezu sämtlichen […] Kapitalanlagen Zuwendungen Dritter nur annehmen" dürften, "wenn sie diese ihren Kunden offenlegen".34 Gegen eine Übertragung des Transparenzgedankens auch auf Auskunftsverträge spricht, dass der Pflichtenkreis zwischen Beratungs- und Auskunftsvertrag sich hierdurch noch weiter angliche. Es scheint aber wohl zumindest vertretbar, auch eine Verpflichtung zur Aufklärung über versteckte Innenprovisionen unabhängig von der Höhe bei Auskunftsverträgen mit Banken anzunehmen , was jedoch einzelfallabhängig zu entscheiden ist. 3. Aufklärungspflichten über Interessenkonflikte und Kosten Wertpapierdienstleistungsunternehmen müssen gemäß § 63 Abs. 2 WpHG Interessenkonflikte vor dem Abschluss von Geschäften gegenüber Kunden offenlegen, soweit organisatorische Vorkehrungen nach § 80 Abs. 1 Satz 2 Nummer 2 WpHG nicht ausreichen, um nach vernünftigem Ermessen zu gewährleisten, dass das Risiko der Beeinträchtigung von Kundeninteressen vermieden wird. Auch Zuwendungen Dritter im Zusammenhang mit der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen müssen offen gelegt werden, wenn sie denn zulässig sind (vergleiche § 70 Abs. 1 Satz 1 – insbesondere Nr. 2 –WpHG). Weiterhin müssen Wertpapierdienstleistungsunternehmen Informationen über alle Kosten und Nebenkosten zur Verfügung stellen, die erforderlich sind, damit die Kunden nach vernünftigem Ermessen die Art und die Risiken der ihnen angebotenen oder von ihnen nachgefragten Arten von Finanzinstrumenten oder Wertpapierdienstleistungen verstehen und auf dieser Grundlage ihre Anlageentscheidung treffen können (vergleiche § 63 Abs. 7 WpHG). Sofern ein Wertpapierunternehmen Anlageberatung erbringt, muss es nach § 64 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG den Kunden zusätzlich zu den Informationen nach § 63 Abs. 7 WpHG rechtzeitig vor der Beratung und in verständlicher Form darüber informieren, ob die Anlageberatung unabhängig erbracht wird oder nicht. Inwieweit bei Beratungs- oder Auskunftsverträgen betreffend eine Finanzanlage allgemeine Pflichten zur Offenlegung von vertragswidrigen Interessenkonflikten oder Kosten bestehen, muss jedoch einzelfallabhängig entschieden werden. Entsprechend der unter 2.1. beschriebenen neue- 32 BGH, Urteil vom 03.06.2014, Az. XI ZR 147/12, NJW 2014, 2947, 2949 Rn 33. 33 BGH, Urteil vom 03.06.2014, Az. XI ZR 147/12, NJW 2014, 2947, 2949 Rn 33. 34 BGH, Urteil vom 03.06.2014, Az. XI ZR 147/12, NJW 2014, 2947, 2949 Rn 33. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 023/20 Seite 9 ren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu versteckten Innenprovisionen könnten die genannten öffentlich-rechtlichen Vorschriften dafür sprechen, entsprechende Pflichten (zumindest von Banken) in den jeweiligen zivilrechtlichen Vertragsverhältnissen begründet zu sehen. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2014 der Transparenzgedanke lediglich „hinsichtlich der Zuwendungen Dritter“ flächendeckend verwirklicht sein soll.35 Daher ist es wohl vertretbar, anzunehmen, dass es trotz des Urteils in Bezug auf die Frage, ob Pflichten zur Aufklärung über Interessenkonflikte und Kosten im Allgemeinen bestehen , bei dem Grundsatz bleiben sollte, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften des WpHG nicht auf den Auskunfts- oder Beratungsvertrag einwirken. Entscheidend ist wohl letztlich der Wille der Vertragsparteien im jeweiligen Einzelfall. Man könnte vertreten, aufgrund eines weiter reichenden Pflichtenkreises beim Beratungsvertrag sei bei diesem eher eine Offenlegung zu verlangen als bei einem Auskunftsvertrag. Im Hinblick auf eine Pflicht zur Offenlegung von Interessenkonflikten ist der zivilrechtlich allgemein anerkannte Grundsatz der Vermeidung von vertragswidrigen Interessenkonflikten zu beachten, der eine entsprechende Pflicht begründen kann.36 Es wird vertreten, bei der Pflicht eines beratenden Kreditinstituts zur Offenlegung verdeckter umsatzabhängiger Rückvergütungen „aus Ausgabeaufschlägen oder Verwaltungsgebühren des Emittenten“ sei „ein insoweit bestehender Interessenkonflikt offen zu legen, was die allgemeine Pflicht zur Aufklärung über Interessenkollisionen" konkretisiere .37 4. Beweisführung Grundsätzlich hat die Partei, die einen Anspruch geltend macht, „die anspruchsbegründenden Tatsachen vorzutragen“ und zu beweisen, der Schuldner „dagegen diejenigen Umstände, die dem Anspruch - als rechtshindernde, rechtsvernichtende oder rechtshemmende Tatsachen - entgegenstehen .“38 Möchte ein Verbraucher vor Gericht also beispielsweise Schadensersatzansprüche geltend machen, muss dieser die Tatsachen, die den Anspruch begründen, insbesondere einen Vertragsschluss , grundsätzlich darlegen und beweisen. Dies gilt unabhängig davon, ob ein Auskunfts -, oder Beratungsvertrag vorliegt. Sofern der Beratungsvertrag im Einzelfall weitergehende Rechte des Verbrauchers begründet, die dieser gerichtlich geltend machen möchte, muss gerade ein solcher Beratungsvertrag auch vom Verbraucher dargelegt und ggf. bewiesen werden.39 Der Beweis eines Beratungsvertrages dürfte grundsätzlich gegenüber Finanzdienstleistern ebenso wie gegenüber Kreditinstituten zu führen sein. Allerdings wird vom Bundesgerichtshof vertreten, 35 BGH, Urteil vom 03.06.2014, Az. XI ZR 147/12, NJW 2014, 2947, 2950 Rn 36. 36 BGH, Beschluss vom 20.01.2009, Az. XI ZR 510/07, NJW 2009, 1416, 1417, 1418. 37 Häuser, in: Schmidt (Hrsg.), Münchener Kommentar zum HGB, 4. Auflage 2018, § 384 Rn 24; BGH, Beschluss vom 29.06.2010, Az. XI ZR 308/09, NJW 2010, 2339, 2340. 38 Stein, in: Die Darlegungs- und Beweislast im Zivilprozess – Ein Überblick, JuS 2016, 896, 897; BGH, Urteil vom 25.01.1989, Az. IVb ZR 44/88, NJW 1989, 1728, 1729. 39 Vergleiche hierzu beispielsweise BGH, Beschluss vom 11.09.2012, Az. XI ZR 476/11, BeckRS 2012, 21003, insbesondere Rn 8, 9, 14. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 023/20 Seite 10 eine Bank sei regelmäßig Anlageberaterin und nicht lediglich reine Anlagevermittlerin, weshalb dann ein Beratungsvertrag und kein bloßer Auskunftsvertrag zustande komme.40 5. Fazit Die Pflichtenkreise zwischen Beratungs- und Auskunftsvertrag überschneiden sich teilweise. Die anspruchsbegründenden Tatsachen sind – auch im Hinblick auf die jeweils für den Verbraucher günstigere Vertragsart – vor Gericht grundsätzlich durch den Verbraucher darzulegen und zu beweisen . Allerdings wird vom Bundesgerichtshof vertreten, dass eine Bank regelmäßig Anlageberaterin und nicht lediglich Anlagevermittlerin sei. *** 40 BGH, Beschluss vom 09.03.2011, Az. XI ZR 191/10, juris Rn 19.