© 2019 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 – 023/19 Vergabemöglichkeiten im Schienenpersonennahverkehr Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 – 023/19 Seite 2 Vergabemöglichkeiten im Schienenpersonennahverkehr Aktenzeichen: WD 7 - 3000 – 023/19 Abschluss der Arbeit: 14.02.2019 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 – 023/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Die Regelungen der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 4 2.1. Allgemeines 4 2.2. Entgegenstehende nationale Regelungen 4 2.2.1. § 15 Abs. 2 AEG 5 2.2.2. Regelungen des GWB 5 2.2.3. Verhältnis von § 15 Abs. 2 AEG und den Regelungen des GWB 5 3. Direktvergabemöglichkeit nach den Regelungen des GWB 6 4. Direktvergabe nach VO (EG) Nr. 1370/2007 7 5. Fazit 8 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 – 023/19 Seite 4 1. Einleitung Die Vergabe von Leistungen des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) an Eisenbahnverkehrsunternehmen richtet sich nach verschiedenen europarechtlichen und bundesrechtlichen Regelungen . Da diese einerseits ein wettbewerbliches Vergabeverfahren vorsehen und andererseits die Möglichkeit zu einer Direktvergabe eröffnen, ist zunächst zu erörtern, in welchem Verhältnis die Regelungen zueinander stehen und in welchen Fällen eine Direktvergabe möglich ist. 2. Die Regelungen der Verordnung (EG) Nr. 1370/20071 2.1. Allgemeines Nach Art. 5 Abs. 6 VO (EG) Nr. 1370/2007 können Dienstleistungsaufträge im Eisenbahnverkehr grundsätzlich direkt und somit nach der Legaldefinition des Art. 2 lit. h VO (EG) Nr. 1370/2007 ohne die Durchführung eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens seitens der zuständigen Behörde vergeben werden.2 2.2. Entgegenstehende nationale Regelungen Die wettbewerbsbeschränkende Direktvergabemöglichkeit des Art. 5 Abs. 6 VO (EG) Nr. 1370/2007 steht ausdrücklich unter dem Vorbehalt entgegenstehender nationaler Bestimmungen („Sofern dies nicht nach nationalem Recht untersagt ist.“), in denen eine weitere Marktöffnung über die aktuell geltenden Bestimmungen des Unionsrechts hinaus eigenständig angeordnet werden kann.3 Im deutschen Recht beschäftigen sich die Regelungen des § 131 GWB4 sowie des § 15 Abs. 2 AEG5 mit der Vergabe von Eisenbahnverkehrsdienstleistungen.6 Der Bundesgerichtshof 1 Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.10.2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates (ABl. 2007 Nr. L 315 S. 1), geändert durch Art. 1 ÄndVO (EU) 2016/2338 vom 14.12.2016 (ABl. Nr. L 354 S. 22). 2 Bungenberg/Schelhaas, in: Beck'scher Vergaberechtskommentar, Band 1: GWB 4. Teil (Hrsg. Burgi/Dreher), 3. Auflage 2017, §131 GWB, Rn. 8. 3 Pünder, Die Vergabe von Dienstleistungsaufträgen im Eisenbahnverkehr, EuR 2010, 774 (785). 4 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 26.07.2013 (BGBl. I S. 1750, ber. S. 3245), zuletzt geändert durch Art. 10 des Gesetzes zur Einführung einer zivilprozessualen Musterfeststellungsklage vom 12.7.2018 (BGBl. I S. 1151). 5 Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG) vom 27.12.1993 (BGBl. I S. 2378, ber. 1994 I S. 2439), zuletzt geändert durch Art. 2 G zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich vom 29.11.2018 (BGBl. I S. 2237). 6 Bungenberg/Schelhaas, in: Beck'scher Vergaberechtskommentar, Band 1: GWB 4. Teil (Hrsg. Burgi/Dreher), 3. Auflage 2017, §131 GWB, Rn. 11. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 – 023/19 Seite 5 nahm zum Verhältnis dieser nationalen Regelungen zu der VO (EG) Nr. 1370/2007 in seinem Beschluss vom 08.02.2011 zum Verfahren „Abellio Rail“ Stellung.7 2.2.1. § 15 Abs. 2 AEG Die zuständigen Behörden haben nach § 15 Abs. 2 AEG ein Entscheidungsermessen, eine Vereinbarung über die Erbringung gemeinwirtschaftlicher Verkehrsleistungen in einem wettbewerblichen Verfahren zu vergeben oder eine Direktvergabe durchzuführen.8 Weil der Behörde nach § 15 Abs. 2 AEG wie auch nach Art. 5 Abs. 6 VO (EG) Nr. 1370/2007 ein Ermessen eingeräumt wird, stellt § 15 Abs. 2 gerade keine entgegenstehende nationale Regelung im Sinne des Art. 5 Abs. 6 VO (EG) Nr. 1370/2007 dar.9 2.2.2. Regelungen des GWB Anders ist aber das Verhältnis der VO (EG) Nr. 1370/2007 zu den Regelungen im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen zu beurteilen. Im „Abellio Rail“-Beschluss entschied der BGH, dass, soweit das GWB-Vergaberecht anwendbar sei, dieses einer Direktvergabe i. S. des Art. 5 Abs. 6 VO (EG) 1370/2007 entgegenstehe.10 Nach § 131 GWB soll die Vergabe öffentlicher Aufträge im Personeneisenbahnverkehr grundsätzlich im Wettbewerb erfolgen, weil die Ausschreibungspraxis im Schienenpersonennahverkehr zeige, dass wettbewerbliche Vergabeverfahren zu mehr Effizienz sowie besserer Dienstleistungsqualität führen und der öffentlichen Hand dabei helfe, das wirtschaftlich günstigste Angebot zu ermitteln.11 Insofern steht § 131 GWB der subsidiären Direktvergabemöglichkeit des Art. 5 Abs. 6 VO (EG) Nr. 1370/2007 entgegen.12 2.2.3. Verhältnis von § 15 Abs. 2 AEG und den Regelungen des GWB Mit dem „Abellio Rail“-Beschluss entschied der BGH zudem, dass das Vergaberechtsregime des GWB nicht durch § 15 Abs. 2 AEG als lex specialis verdrängt werden könne. Der Anwendungsbereich des Vierten Teils des GWB sei nach Vertragsarten und -gegenständen im GWB prinzipiell umfassend geregelt. Der Ausnahmekatalog des damaligen § 100 Abs. 2 GWB sei abschließend und könne durch Vorschriften außerhalb des GWB nicht durchbrochen werden.13 Zwar erging 7 BGH, Beschluss vom 08.02.2011 – X ZB 4/10 (OLG Düsseldorf), NZBau 2011, 175 ff.. 8 Prieß, in: Kaufmann/Lübbig/Prieß/Pünder, VO (EG) 1370/2007, 1. Auflage 2010, Art. 5 VO (EG) 1370/2007, Rn. 226. 9 Bungenberg/Schelhaas, in: Beck'scher Vergaberechtskommentar, Band 1: GWB 4. Teil (Hrsg. Burgi/Dreher), 3. Auflage 2017, §131 GWB, Rn. 12. 10 BGH, Beschluss vom 08.02.2011 – X ZB 4/10 (OLG Düsseldorf), NZBau 2011, 175, Rn. 53 ff.. 11 BT-Drucksache 18/6281, 117. 12 Bungenberg/Schelhaas, in: Beck'scher Vergaberechtskommentar, Band 1: GWB 4. Teil (Hrsg. Burgi/Dreher), 3. Auflage 2017, §131 GWB, Rn. 14. 13 Polster: Die Zukunft der (Direkt-)Vergabe von SPNV-Aufträgen, NZBau 2011, 209 (210); BGH, Beschluss vom 08.02.2011 – X ZB 4/10 (OLG Düsseldorf), NZBau 2011, 175, Rn. 21 ff.. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 – 023/19 Seite 6 der BGH-Beschluss zu einer mittlerweile überholten Rechtslage, jedoch lassen sich die wesentlichen Aussagen, gerade vor dem Hintergrund, dass § 131 GWB im Zuge der Vergaberechtsmodernisierung neu geschaffen wurde, auf das novellierte GWB-Vergaberecht übertragen.14 3. Direktvergabemöglichkeit nach den Regelungen des GWB § 131 GWB schließt die Möglichkeit einer Direktvergabe nach nationalem Recht weitreichend aus.15 § 131 GWB gilt nach seinem Titel und dem Wortlaut des ersten Absatzes für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen über „Personenverkehrsleistungen im Eisenbahnverkehr“. Nach derzeitiger Lage ist § 131 GWB lediglich für die Vergabe von Schienenpersonennahverkehrsleistungen (SPNV-Leistungen) relevant,16 weil öffentliche Aufträge momentan im Eisenbahn-Fernverkehr nicht vergeben werden.17 § 131 Abs. 1 GWB zählt die bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen im Bereich der Personenverkehrsleistungen im Eisenbahnverkehr zulässigen Vergabeverfahren auf. Frei wählbar ist nach Abs. 1 S. 1 zwischen dem offenen und dem nicht offenen Verfahren, dem Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb, dem wettbewerblichen Dialog und der Innovationspartnerschaft. Alle frei wählbaren Verfahrensarten sind insofern wettbewerblich ausgestaltet und engen die verfahrensrechtlichen Möglichkeiten von Auftraggebern im Vergleich zu Art. 5 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1370/2007 ein. So ist es nach dem Wortlaut des § 131 etwa nicht zulässig, ein wettbewerbliches, für jedermann offenes einstufiges Verhandlungsverfahren ohne vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb durchzuführen.18 Anders stellt es sich nach dem Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb gem. § 131 Abs. 1 S. 2 GWB („Direktvergabeverfahren“) dar. Diese Verfahrensart steht den öffentlichen Auftraggebern allerdings nur zur Verfügung, soweit dies ausnahmsweise aufgrund dieses Gesetzes gestattet ist. Solche Ausnahmen sind im GWB selbst zwar nicht verortet, jedoch sollen nach der Gesetzesbegründung die in § 14 Abs. 4 VgV19 verankerten Ausnahmen ausdrücklich auch bei der 14 Bungenberg/Schelhaas, in: Beck'scher Vergaberechtskommentar, Band 1: GWB 4. Teil (Hrsg. Burgi/Dreher), 3. Auflage 2017, §131 GWB, Rn. 17. 15 Zuck, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 3. Auflage 2018, Art. 5 VO (EG) 1370/2007, Rn. 114. 16 Rusch, in: BeckOK Vergaberecht, Gabriel/Mertens/Prieß/Stein, 9. Edition, Stand: 31.01.2017, § 131 GWB, Rn. 7. 17 Fehling, in: Beck’scher AEG-Kommentar/Bearbeiter, 2. Auflage 2014, § 15, Rn. 23, 39. 18 Rusch, in: BeckOK Vergaberecht, Gabriel/Mertens/Prieß/Stein, 9. Edition, Stand: 31.01.2017, § 131 GWB, Rn. 11. 19 Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergabeverordnung - VgV) vom 12.04.2016 (BGBl. I S. 624), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes zur Verlängerung befristeter Regelungen im Arbeitsförderungsrecht und zur Umsetzung der RL (EU) 2016/2102 über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen, vom 10.07.2018 (BGBl. I S. 1117). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 – 023/19 Seite 7 Vergabe von Eisenbahnpersonenverkehrsdienstleistungen zur Anwendung kommen.20 Eine Direktvergabe ist nach alledem grundsätzlich nur in den von § 131 GWB sowie den konkretisierenden Regelungen der VgV genannten Fällen zulässig.21 Die Ausnahmen in § 14 Abs. 4 VgV sind abschließend geregelt, eng auszulegen und umfassen nur außergewöhnliche Umstände. Hierunter fallen Konstellationen, in denen entweder aus Gründen äußerster Dringlichkeit wegen unvorhersehbarer und vom öffentlichen Auftraggeber nicht zu verantwortender Ereignisse ein Teilnahmewettbewerb nicht möglich ist oder in denen von Anfang an feststeht, dass ein Teilnahmewettbewerb nicht zu mehr Wettbewerb oder besseren Beschaffungsergebnissen führen würde.22 § 14 Abs. 4 VgV sieht folgende Ausnahmen vor, in denen eine Direktvergabe möglich sein soll: Keine oder keine geeigneten Angebote oder keine geeigneten Teilnahmeanträge im offenen oder nicht offenem Verfahren (Abs. 4 Nr. 1) Auftragsdurchführung nur durch ein bestimmtes Unternehmen möglich (Abs. 4 Nr. 2) Zwingende Dringlichkeit aufgrund unvorhersehbarer, dem Auftraggeber nicht zuzurechnender Ereignisse (Abs. 4 Nr. 3) Lieferleistung zu Forschungs-, Versuchs-, Untersuchungs- oder Entwicklungszwecken (Abs. 4 Nr. 4) Beschaffung zusätzlicher Lieferleistungen des ursprünglichen Auftragnehmers (Abs. 4 Nr. 5) Auf Warenbörse notierte und gekaufte Lieferleistung (Abs. 4 Nr. 6) Liefer- oder Dienstleistungen zu besonders günstigen Bedingungen (Abs. 4 Nr. 7) Aufträge im Anschluss an Planungswettbewerb (Abs. 4 Nr. 8) Wiederholung gleichartiger Dienstleistungen (Abs. 4 Nr. 9) 4. Direktvergabe nach VO (EG) Nr. 1370/2007 Allerdings gilt der Vorrang des Vergaberechts vor der VO (EG) Nr. 1370/2007 nur insoweit, als das Vergaberecht auch tatsächlich Anwendung findet. Daran fehlt es mangels Auftragseigenschaft bei Dienstleistungskonzessionen, aber auch bei der Inhouse-Vergabe. Bei der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen können die Aufgabenträger zwischen den Vergabeformen des Ausschreibungswettbewerbs (Art. 5 Abs. 3) und der Direktvergabe (Art. 5 Abs. 6) frei wählen.23 Deutsche Rechtsvorschriften schließen eine Direktvergabe von Dienstleistungskonzessionen nicht aus. Eine Inhouse-Vergabe liegt vor, wenn der Auftrag an ein von dem Auftraggeber rechtlich verschiedenes Unternehmen vergeben wird, über das er eine ähnliche Kontrolle wie über eine ei- 20 BT-Drucksache 18/6281, 118. 21 Bungenberg/Schelhaas, in: Beck'scher Vergaberechtskommentar, Band 1: GWB 4. Teil (Hrsg. Burgi/Dreher), 3. Auflage 2017, §131 GWB, Rn. 17. 22 Dörn, in: Beck'scher Vergaberechtskommentar, Bd. 2 (Hrsg. Burgi/Dreher), 3. Auflage 2019, § 14 VgV, Rn. 32. 23 Knauff: Möglichkeiten der Direktvergabe im ÖPNV (Schiene und Straße), NZBau 2012, 65 (69). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 – 023/19 Seite 8 gene Dienststelle ausübt, woran es bei jeder noch so geringen Beteiligung Privater an dem Unternehmen fehlt, und dieses Unternehmen im Wesentlichen für den Auftraggeber tätig wird.24 In diesem Falle findet das allgemeine Vergaberecht keine Anwendung, so dass das spezifische Verkehrsvergaberecht der VO (EG) 1370/2007 auf Grund des Spezialitätsgrundsatzes Anwendung findet,25 also auch eine Direktvergabe möglich ist. Der nationale Vorbehalt in Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1370/2007 sperrt die Direktvergabe in diesem Fall nicht, weil das deutsche Recht die wettbewerbslose Inhouse-Beschaffung auf Basis von § 108 Abs. 4 GWB erlaubt.26 Gem. Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 1370/2007 kann jedoch nur eine zuständige örtliche Behörde direkt vergeben, also nach der Legaldefinition des Art. 2 lit c) VO (EG) 1370/2007 jede zuständige Behörde, deren geografischer Zuständigkeitsbereich sich nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstreckt. Dementsprechend verbleiben Inhouse-Direktvergabemöglichkeiten faktisch nur für Eisenbahnen der Länder , der Stadtstaaten und der kommunalen Gebietskörperschaften an Eisenbahnen, die in ihrem überwiegenden Anteilsbesitz stehen. Direktvergaben an bundeseigene Eisenbahnen sind auf diesem Weg dagegen ausgeschlossen.27 Art. 5 Abs. 5 der VO (EG) 1370/2007 sieht für den Fall einer Unterbrechung des Verkehrsdienstes oder bei unmittelbarer Gefahr einer solchen Situation die Möglichkeit vor, eine Notmaßnahme zu ergreifen.28 Die Notmaßnahme kann gem. Abs. 5 S. 1 VO (EG) Nr. 1370/2007 auch in Form einer Direktvergabe erfolgen, ist aber nach S. 3 auf zwei Jahren zu begrenzen. Eine Untersagungsmöglichkeit durch nationales Recht besteht in diesem Fall nicht, § 131 Abs. 2 S. 2 GWB stellt zudem klar, dass Art. 5 Abs. 5 VO (EG) Nr. 1370/2007 unberührt bleibt. In der Sache kommt eine Direktvergabe im SPNV auf Grundlage der VO (EG) Nr. 1370/2007 daher nur bei Dienstleistungskonzessionen, Inhouse-Vergaben und bei (nicht verkehrsmittelspezifischen und nicht dem Vergaberecht unterfallenden) Notmaßnahmen in Betracht.29 5. Fazit Die Vergabe von öffentlichen Aufträgen über Personenverkehrsleistungen im Eisenbahnverkehr (Schienenpersonennahverkehr) erfolgt nur dann, wenn öffentliche Aufträge durch öffentliche 24 EuGH, Urteil vom 18.11.1999 - Rs. C-107/98, EuZW 2000, 24 , Rn. 50. 25 OLG Düsseldorf, Beschluss vom 02.03.2011 − VII-Verg 48/10, NZBau 2011, 244 (247); Knauff: Möglichkeiten der Direktvergabe im ÖPNV (Schiene und Straße), NZBau 2012, 65 (69). 26 Rusch, in: BeckOK Vergaberecht, Gabriel/Mertens/Prieß/Stein, 9. Edition, Stand: 31.01.2017, § 131 GWB, Rn. 19. 27 Zuck, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 3. Auflage 2018, § 131 GWB, Rn. 26. 28 Polster: Die Zukunft der (Direkt-)Vergabe von SPNV-Aufträgen, NZBau 2011, 209 (211 ff.). 29 Knauff: Möglichkeiten der Direktvergabe im ÖPNV (Schiene und Straße), NZBau 2012, 65 (72); Zu den verbleibenden Fallgruppen s. auch Polster, Die Zukunft der (Direkt-)Vergabe von SPNV-Aufträgen, NZBau 2011, 209 (211 ff.). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 – 023/19 Seite 9 Auftraggeber vergeben werden. Als öffentliche Auftraggeber können regelmäßig juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts betrachtet werden (vgl. § 99 Nr. 2 GWG). Das nach der VO (EG) 1370/2007 den Aufgabenträgern eingeräumte Wahlrecht zwischen den Vergabeformen des Ausschreibungswettbewerbs und der Direktvergabe wird durch das GWB- Vergaberecht zu Gunsten eines Vorrangs der Ausschreibung stark eingeschränkt, sodass eine Direktvergabe nach geltendem Recht nur in besonderen Ausnahmesituationen in Betracht kommt. ***