Deutscher Bundestag Korruption von Abgeordneten und freies Mandat Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 7 – 3000 - 021/13 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 - 021/13 Seite 2 Korruption von Abgeordneten und freies Mandat Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 7 – 3000 - 021/13 Abschluss der Arbeit: 06.02.2013 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umwelt- schutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Telefon: Der Sachstand basiert im Wesentlichen auf der Ausarbeitung „Rechtsfragen im Kontext der Abgeordnetenbestechung “ vom 09.09.2008 (WD 7 -3000 – 148/08) und wurde auftragsbedingt gekürzt und aktualisiert. Die rechtsvergleichenden Ausführungen sind auf dem Stand vom September 2008. Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 - 021/13 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Abgeordnetenbestechung 5 2.1. Straftatbestand, Rechtsgut und Anwendungsbereich 5 2.2. Tatbestandliche Voraussetzungen 6 2.3. Verfassungskonformität 7 3. Vorteilsannahme und –gewährung 7 4. Strafbarkeit von Nebentätigkeiten 8 4.2. Gesetzliches Verbot von Nebentätigkeiten 8 4.3. Verhandlungsregeln bei Nebentätigkeiten 9 4.3.1. Normsetzungskompetenz 9 4.3.2. Rechtslage in Bund und Ländern 10 4.3.3. Künftige Änderungen 10 5. Die VN-Konvention gegen Korruption 11 5.1. Präventive Maßnahmen 11 5.2. Strafbarkeit der Bestechung von Amtsträgern 12 6. Reformbestrebungen 13 7. Rechtsvergleichender Überblick über die Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung 13 7.1. Spezialbestimmungen zur Abgeordnetenbestechung 13 7.1.1. Griechenland 14 7.1.2. Finnland 14 7.1.3. Österreich 14 7.2. Einbeziehung von Abgeordneten in die Bestechungstatbestände am Beispiel Frankreichs 15 7.3. Anwendung der Bestechungstatbestände auf Abgeordnete über Legaldefinitionen 15 7.3.1. Italien 15 7.3.2. Niederlande 16 7.3.3. Spanien 16 7.3.4. Weitere Beispiele 16 7.4. Strafbarkeit über gefestigte herrschende Meinungen 17 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 - 021/13 Seite 4 1. Einleitung Gegenstand des vorliegenden Sachstands bildet die Darstellung einer Abgeordnetenbestechung bzw. – bestechlichkeit (§ 108e Strafgesetzbuch [StGB]) nach geltendem deutschen Strafrecht. Dabei ist anzumerken, dass es keine einheitliche, allgemein akzeptierte Definition des komplexen Begriffs der „Korruption“ gibt1. Weiterhin existiert auch keine Legaldefinition für die „Abgeordnetenbestechung “. Der Terminus findet sich lediglich in der amtlichen Überschrift des § 108e StGB2, jedoch nicht im Text des Tatbestandes selbst. Auch wenn die vom Gesetzgeber gewählte Überschrift einer Norm nicht zu deren Tatbestandsmerkmalen zählt, so kommt ihr doch deshalb große Bedeutung zu, weil sie als schlagwortartige Wiedergabe des Inhalts der Norm angesehen und verwendet wird.3 In ihrer gegenwärtigen Form ist die Abgeordnetenbestechung erst wieder seit dem 14. Januar 19944 in § 108e StGB5 pönalisiert worden, nachdem sie zuvor über 40 Jahre lang nicht sanktioniert war.6 Behandelt werden auch die verfassungsrechtlichen und völkerrechtlichen Implikationen der deutschen der deutschen Regelung sowie die Rechtslage in aus gesuchten Mitgliedstaaten der Europäischen Union. 1 Vgl. Bannenberg, Korruption in Deutschland und ihre strafrechtliche Kontrolle – Eine kriminologischstrafrechtliche Analyse, 2002, S. 11 ff.; Überhofen, Korruption und Bestechungsdelikte im staatlichen Bereich – Ein Rechtsvergleich und Reformüberlegungen zum deutschen Recht, Beiträge und Materialien aus dem Max- Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht Freiburg i. Br., Band S 76, Dissertation, 1999, S. 36 ff. 2 Näher zur sprachlichen Entstehung der Überschrift: Epp, Die Abgeordnetenbestechung - § 108e StGB, Dissertation , 1997, S. 239 ff.; siehe ferner Überhofen (Fn. 1) S. 68. 3 Epp (Fn. 2), S. 239. 4 § 108e StGB wurde durch das 28. StÄG vom 13.1.1994 (BGBl. I S. 84) in das StGB eingefügt. 5 Detailliert zur Entstehungsgeschichte des § 108e StGB: Epp (Fn. 2), S. 35 ff.; Überhofen (Fn. 1), S. 183 ff.; Möhrenschlager , Die Struktur des Straftatbestandes der Abgeordnetenbestechung auf dem Prüfstand - Historisches und Künftiges, in: Heinrich (Hrsg.), Festschrift für Ulrich Weber zum 70. Geburtstag, 2004, S. 217 ff. 6 Die Abgeordnetenbestechung wurde durch das 3. StÄG vom 4.8.1953 (BGBl. I S. 735) straflos gestellt. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 - 021/13 Seite 5 2. Abgeordnetenbestechung 2.1. Straftatbestand, Rechtsgut und Anwendungsbereich Der Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung gem. § 108e StGB lautet: (1) Wer es unternimmt, für eine Wahl oder Abstimmung im Europäischen Parlament oder in einer Volksvertretung des Bundes, der Länder, Gemeinden oder Gemeindeverbände eine Stimme zu kaufen oder zu verkaufen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten wegen einer Straftat nach Absatz 1 kann das Gericht die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, und das Recht, in öffentlichen Angelegenheiten zu wählen oder zu stimmen, aberkennen. Geschütztes Rechtsgut des § 108e StGB ist die Integrität der Mandatsausübung und die Funktionsfähigkeit des repräsentativen parlamentarischen Systems sowie das darauf bezogene öffentliche Vertrauen in die Unabhängigkeit und Unkäuflichkeit der Mandatsinhaber und die Sachbezogenheit ihrer Entscheidungen.7 Vom Anwendungsbereich her pönalisiert die Vorschrift die aktive und passive Bestechung von Parlamentsabgeordneten und Gemeindevertretern8, wobei allerdings nur ein Teilbereich des Phänomens „Abgeordnetenkorruption“, nämlich der Stimmenkauf bzw. –verkauf von Mandatsträgern in parlamentarischen Gremien, unter Strafe gestellt wird, nicht aber Fälle der allgemeinen wirtschaftlichen Interessenverflechtung erfasst werden.9 Der Gesetzgeber hat bewusst eine restriktive Tatbestandsfassung gewählt, so dass einzelne vermeintlich strafwürdige Verhaltensweisen weiterhin straffrei bleiben.10 Die Norm des § 108e StGB erfasst als Bezugsobjekt künftige Wahlen und Abstimmungen in11 Volksvertretungen, d.h. Europäisches Parlament, Bund (Bundestag, nicht Bundesrat), Länder, 7 Vgl. BT-Drs. 12/5927 vom 20.10.1993, S. 4; Fischer, Strafgesetzbuch, 59. Auflage 2012, § 108e Rn. 2. 8 Näher zu dem besonderen abgeleiteten Korruptionstatbestand des § 108e: Überhofen (Fn. 1), S. 190 ff. 9 Vgl. BT-Drs. 12/5927 vom 20.10.1993, S. 5; Fischer (Fn. 7), § 108e Rn. 3. 10 Vgl. BT-Drs. 12/5927 vom 20.10.1993, S. 5. 11 Anders als bei den in § 108d StGB genannten Fällen der §§ 107-108c geht es bei § 108e StGB nicht um Wahlen zu einer Volksvertretung, vgl. nur Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, 28. Auflage 2010, § 108e Rn. 3. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 - 021/13 Seite 6 Gemeinden oder Gemeindeverbände.12 Sanktioniert wird das strafwürdige Verhalten von Abgeordneten (Stimmenverkauf) sowie von außen stehenden Dritten (Stimmenkauf). 2.2. Tatbestandliche Voraussetzungen Die Tathandlung besteht im Kaufen oder Verkaufen einer Stimme für eine Wahl oder Abstimmung in einer der vorgenannten Volksvertretungen. Bei den Begriffen Kaufen bzw. Verkaufen handelt es sich um ein normatives Tatbestandsmerkmal, welches nicht im Sinne des zivilrechtlichen Kaufrechts, sondern des allgemeinen Sprachgebrauchs bildlich zu verstehen ist und das letztlich entscheidende Kriterium der Käuflichkeit des Abgeordneten zum Ausdruck bringen soll.13 Erforderlich ist die Zuwendung eines geldwerten materiellen Vorteils, wohingegen immaterielle Vorteile nach überwiegender Auffassung wegen des Wortlauts („Kaufen“ statt „Vorteil“) - anders als bei den §§ 331 ff. StGB - nicht tatbestandsmäßig sind.14 Umstritten ist in diesem Zusammenhang ferner, ob auch Vorteilszuwendungen an Dritte (insbesondere an die Partei des Abgeordneten ) erfasst werden. Ferner wird der Anwendungsbereich des § 108e StGB durch das Erfordernis des Unternehmens einer sog. konkreten Unrechtsvereinbarung eingeschränkt, d.h. die materielle Vorteilzuwendung muss bezwecken, den Abgeordneten im Sinne eines finalen Kausalzusammenhanges zu einem bestimmten zukünftigen Wahl- oder Abstimmungsverhalten zu veranlassen.15 Erforderlich ist somit eine über die allgemeine Kontaktpflege hinausgehende Absprache über den unsachlichen Gebrauch des Stimmrechts in einer hinreichend konkretisierten Angelegenheit.16 Von der Unrechtvereinbarung abzugrenzen sind sozialadäquate und politisch übliche Verhaltensweisen .17 Die schwierige Bestimmung des strafbaren Bereichs ist unter sorgfältiger Abwägung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen, wobei u.a. Höhe und Art der geldwerten Zuwendung , zeitlicher Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung sowie Mittel-Zweck- 12 Trüg, in: BeckOK StGB, § 108e Rn. 4. 13 Vgl. BT-Drs. 12/5927 vom 20.10.1993, S. 5 ff. Eser (Fn. 11), § 108e Rn. 8. 14 Vgl. Fischer (Fn. 7), § 108e Rn. 4; Eser (Fn. 11), § 108e Rn. 8. 15 Vgl. BT-Drs. 12/5927 vom 20.10.1993, S. 5 f.; Fischer (Fn. 7), § 108e Rn. 6 ff.; Trüg (Fn. 12), § 108e Rn. 6; Barton , NJW 1994, 1098 (1099). 16 Eser (Fn. 11), § 108e Rn. 9; van Aaken, ZaöRV 65 (2005), 407 (426). 17 Vgl. BT-Drs. 12/5927 vom 20.10.1993, S. 4 f.; Barton, NJW 1994, 1098 (1099). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 - 021/13 Seite 7 Relation als maßgebliche Kriterien heranzuziehen sind18 und die Verhaltensregeln für Mitglieder des Bundestages (Anlage 1 zur Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages) als Auslegungshilfe dienen können.19 2.3. Verfassungskonformität Die Regelung des § 108e StGB ist mit dem in Art. 38 Abs. 1 Satz. 2 GG geregelten freien Mandat des Abgeordneten vereinbar. Gemäß Art. 38 Abs. 3 GG ist der Bundesgesetzgeber mit der näheren Ausgestaltung der Grundsätze des freien Mandats beauftragt. § 108e kann von seinem Schutzzweck her als eine solche Ausgestaltungsnorm betrachtet werden und steht damit im Einklang mit Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG.20 § 108e StGB schützt ein komplexes Rechtsgut, nämlich die Integrität der Mandatsausübung und dadurch die Funktionsfähigkeit des parlamentarischen Systems21 , das Prinzip der demokratischen Gleichheit der Bürger sowie das jeweilige öffentliche Vertrauen hierauf22 (StGB § 108e Rn. 2). Die Vorschrift kollidiert weder mit Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG, da das Verkaufen der eigenen Überzeugung nicht mehr in den Schutzbereich der Abgeordnetenfreiheit fällt23, noch mit dem Indemnitätsprivileg des Art. 46 Abs. 1 GG, da die Pönalisierung nicht an das Abstimmungsverhalten selbst, sondern an den vorausgehenden Stimmenkauf anknüpft24. 3. Vorteilsannahme und –gewährung Der Gesetzgeber machte durch die Schaffung des § 108e StGB deutlich, dass Abgeordnete keine Amtsträger i.S.v. § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB sind und damit nicht unter die wesentlich schärferen Bestimmungen der §§ 331 ff. StGB (Amtsdelikte) fallen.25 18 Vgl. Fischer (Fn. 7), § 108e Rn. 6; Eser (Fn. 11), § 108e Rn. 8. 19 Vgl. BT-Drs. 12/5927 vom 20.10.1993, S. 7, Barton, NJW 1994, 1098 (1099); Eser (Fn. 11), § 108e Rn. 8; Lackner /Kühl, StGB, 27. Auflage 2011, § 108e Rn. 3; Trüg (Fn. 12), § 108e Rn. 7. 20 Müller, Münchener Kommentar zum StGB ,2. Auflage 2012, § 108e Rn. 24. 21 Trüg (Fn. 12), §108e Rn. 3. 22 Fischer (Fn. 7), § 108e Rn.2) 23 Eser (Fn. 11), § 108e Rn.1. 24 BT-Drs. 12/5927, S. 4; Schulze JR 73, 488 Fn. 49. 25 Vgl. BT-Drs 12/5927 vom 20.10.1993, S. 4; Trüg (Fn. 12), § 108e Rn. 1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 - 021/13 Seite 8 Gesetzgeberischen Handlungsbedarf hat der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) allerdings angemahnt. In dem Urteil zum Wuppertaler Korruptionsskandal vom 9. Mai 2006 hat der BGH26 aufgrund einer historischen, systematischen und teleologischen Auslegung entschieden, dass kommunale Mandatsträger keine Amtsträger i.S.v. § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB sind, es sei denn, sie werden mit konkreten Verwaltungsaufgaben betraut, die über ihre Mandatstätigkeit in der kommunalen Volksvertretung und den zugehörigen Ausschüssen hinausgehen. 4. Strafbarkeit von Nebentätigkeiten Wie oben im Abschnitt 2 bereits dargestellt wurde, erfasst § 108e StGB hinsichtlich der möglichen korrupten Handlungen von Abgeordneten lediglich einen Ausschnitt, nämlich Wahlen und Abstimmungen . Dabei kann z. B. auch eine übermäßig dotierte Nebentätigkeit die korrumpierende Gegenleistung im Sinne des § 108e StGB sein. Straflos bleiben jedoch insbesondere folgende, z. B. durch eine Nebentätigkeit erkaufte Handlungen von Abgeordneten: Unterstützung eines Gesetzgebungsvorschlages, Beeinflussung anderer Abgeordneter , Abstimmungen in der Fraktion. Diesen nicht von § 108e StGB erfassten korrupten Handlungen sollen Verhaltensregeln für Abgeordnete entgegenwirken (§ 44a Abgeordnetengesetz (AbgG) 27 , Anlage 1 zur Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages). Für eine Neuregelung von Nebentätigkeiten im Hinblick auf Korruption sind insbesondere folgende Möglichkeiten denkbar: - Erweiterung des Tatbestandes des § 108e StGB (siehe hierzu oben unter 2.), - Verbot von Nebentätigkeiten durch Bundes- und Landesgesetze sowie - Änderung der Verhaltensregeln für Abgeordnete. 4.1. Strafbarkeit von Nebentätigkeiten und Verfassung Nebentätigkeiten von Abgeordneten können unter den Tatbestand des § 108e StGB fallen. Beim „Zuschanzen “ lukrativer Nebentätigkeiten kommt eine Strafbarkeit jedenfalls dann in Betracht, wenn der 26 BGH, Urteil vom 9.5.2006 – 5 StR 453/05, BGHSt 51, 44 ff. = NJW 2006, 2050 ff.; bestätigt durch den 2. Strafsenat des BGH zum Kölner Müllskandal, Urteil vom 12.7.2006 - 2 StR 557/05 = NStZ 2007, 36 f.; vgl. auch Feinendegen , NJW 2006, 2014 ff.; Wolf, NJW 2006, 2735 (2737); ders. ZRP 2007, 43 (46); Dolata, Kriminalistik 2007, 217; krit. Niehaus, ZIS 2008, 49 (54 ff.). 27 Abgeordnetengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 21.2.1996 (BGBl. I S. 326), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 17.3.2008 (BGBl. I S. 394). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 - 021/13 Seite 9 Abgeordnete, abgesehen vom gewünschten Stimmverhalten, de facto keine adäquate Gegenleistung zu erbringen hat. 28 Dies ist dann der Fall, wenn die Leistung des Abgeordneten und die Gegenleistung nicht in einem angemessenen Verhältnis stehen, die Leistung also im Vergleich zur Vergütung so wenig ins Gewicht fällt, dass ihre Bedeutung gegen Null tendiert. Nach der Wertung des Bundesverfassungsgerichts sind solche Einkünfte mit dem unabhängigen Status der Abgeordneten unvereinbar. 29 Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Strafbarkeit bestehen daher nicht. Die Norm des § 108e StGB umfasst in ihrer jetzigen Form nur Wahlen und Abstimmungen in einer Volksvertretung des Bundes und der Länder. Es bestehen keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken, den Anwendungsbereich der Vorschrift auf weitere Handlungsformen auszudehnen, die mit der „zugeschanzten“ Nebentätigkeit intendiert sein können. 4.2. Gesetzliches Verbot von Nebentätigkeiten Abgeordnete haben grundsätzlich das Recht, einer Nebentätigkeit nachzugehen. Dies ergibt sich zum einen aus dem Behinderungsverbot des Art. 48 Abs. 2 S. 1 GG: „Niemand darf gehindert werden, das Amt eines Abgeordneten zu übernehmen und auszuüben . Eine Kündigung oder Entlassung aus diesem Grunde ist unzulässig.“ Ferner ergibt sich dies aus der Freiheit des Mandats nach Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG: „[Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages] sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.“ Ein vollständiges Verbot von Nebentätigkeiten ist damit verfassungsrechtlich unzulässig. 4.3. Verhaltensregeln bei Nebentätigkeiten 4.3.1. Normsetzungskompetenz Die Rechtsgrundlage für Verhaltensregeln von Abgeordneten des Deutschen Bundestages bildet nach überwiegender Auffassung Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG. 30 Ermächtigungsgrundlage für Verhaltensregeln von Landesabgeordneten sind die jeweiligen Landesverfassungen. Eine Kompetenz des Bundes, das Verhalten der Abgeordneten der Länder zu regeln, besteht demnach nicht. Dabei ist unerheblich, ob in den Länderparlamenten Halbtags- oder „Berufsabgeordnete“ sitzen. 28 Bauer/Gmel, in: LK-StGB, § 108e Rn. 10. 29 BVerfG, Urteil vom 5.11.1975 - 2 BvR 193/74, BVerfGE 40, 296 (319) = NJW 1975, 2331 ff. 30 Braun/Jantsch/Klante, Abgeordnetengesetz, 2001, § 44a Rn. 7. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 - 021/13 Seite 10 Darüber hinaus ist auf Bundes- und Landesebene jeweils zu beachten, dass Verhaltensregeln für Abgeordnete der Geschäftsordnungsautonomie des Parlamentes unterfallen und damit jedenfalls zum Teil einer gesetzlichen Regelung entzogen sein können. 31 4.3.2. Rechtslage in Bund und Ländern Nebentätigkeiten für Abgeordnete im Bundestag sind in § 44a AbgG geregelt: „(1) Die Ausübung des Mandats steht im Mittelpunkt der Tätigkeit eines Mitglieds des Bundestages . Unbeschadet dieser Verpflichtung bleiben Tätigkeiten beruflicher oder anderer Art neben dem Mandat grundsätzlich zulässig. (2) Für die Ausübung des Mandats darf ein Mitglied des Bundestages keine anderen als die gesetzlich vorgesehenen Zuwendungen oder andere Vermögensvorteile annehmen. Unzulässig ist insbesondere die Annahme von Geld oder von geldwerten Zuwendungen, die nur deshalb gewährt werden, weil dafür die Vertretung und Durchsetzung der Interessen des Leistenden im Bundestag erwartet wird. Unzulässig ist ferner die Annahme von Geld oder von geldwerten Zuwendungen, wenn diese Leistung ohne angemessene Gegenleistung des Mitglieds des Bundestages gewährt wird. Die Entgegennahme von Spenden bleibt unberührt.“ Umgesetzt sind diese Vorgaben in Anlage 1 zur Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages) 32 . Schwerpunkt dieser Verhaltensregeln (VR) sind die Anzeigepflichten für neben dem Mandat ausgeübte Tätigkeiten und neben den Abgeordnetenentschädigungen bezogene Einkünfte, Interessenverknüpfungen (§ 1 VR) und Spenden (§ 4 VR). § 2 VR enthält besondere Anzeigepflichten für Rechtsanwälte, und § 3 VR regelt die Veröffentlichungen dieser Angaben. Die Abgeordneten der Landtage haben eigene Verhaltensregeln erlassen, die mehr oder weniger den Regeln des Bundestages ähneln und auch untereinander vergleichbar sind. 33 4.3.3. Künftige Änderungen Etwaige Neuregelungen sind an der Freiheit des Mandats nach Art. 38 GG zu messen, die einen hohen verfassungsrechtlichen Stellenwert hat. Dass eine Verschärfung der Verhaltensregeln zu Nebentätig- 31 Vgl. Klein in: Maunz/Dürig, GG, Loseblatt, Stand: 66. Ergänzungslieferung 2012, Art. 38 Rn. 76 f. 32 Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages (Anlage 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, BGBl. I 1980 S. 1237) vom 25.6.1980 (BGBl. I S. 1237, 1255), zuletzt geändert durch die Bekanntmachung vom 12.7.2005 (BGBl. I S. 2512 i.V.m. Bekanntmachung vom 18.10.2005, BGBl. I S. 3007). 33 Braun/Jantsch/Klante (Fn. 30), § 44a Rn. 38. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 - 021/13 Seite 11 keiten daher problematisch ist, zeigt auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Neuregelung der Offenlegungspflichten: vier der acht Richter kamen zu einem abweichenden Ergebnis. 34 5. Die VN-Konvention gegen Korruption Deutschland hat das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption vom 31. Oktober 2003 (VN-Konvention gegen Korruption)35 am 9. Dezember 2003 unterzeichnet, jedoch bislang nicht ratifiziert. Im Gegensatz zur Konvention der OECD enthält das Übereinkommen der VN umfassende Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung, die sowohl die Bereiche Prävention und Verfolgung als auch Verhaltensvorschriften und Regelungen zur internationalen Zusammenarbeit umfassen.36 Die VN-Konvention bezieht Abgeordnete umfassend mit in die Regelung ein, indem der Begriff des Amtsträgers weit gefasst wird.37 Nach der Legaldefinition des Art. 2 a.) (i) der VN- Konvention bezeichnet der Ausdruck „Amtsträger“ jede Person, die in einem Mitgliedstaat durch Ernennung oder Wahl befristet oder unbefristet, bezahlt oder unbezahlt unabhängig vom Dienstalter ein Amt im Bereich der Gesetzgebung, der Exekutive, der Verwaltung oder Justiz innehat.38 Im Einzelnen gibt das Übereinkommen folgende Maßnahmen vor: 5.1. Präventive Maßnahmen Neben der allgemeinen Entwicklung politischer Konzepte zur Bekämpfung der Korruption ist vorgesehen, spezielle und unabhängige Behörden einzurichten, die mit der Aufklärung über Korruption und der Überwachung der Umsetzung der politischen Konzepte betraut sind. Dabei kommt dem Bereich der Öffentlichkeitsarbeit in Art. 13 eine entscheidende Rolle zu. Hier wird gefordert, Entscheidungsprozesse transparenter zu gestalten und breitere Informationsmöglichkeiten bereitzustellen. 34 Vgl. näher BVerfG, Urteil vom 4.7.2007 - 2 BvE 1/06 u.a., BVerfGE 118, 277 = NJW 2008, 49. 35 United Nations Convention against Corruption (UNCAC); der Text der durch die Resolution 58/4 angenommenen Konvention und weitere Hintergrundinformationen sind über die folgende Internetseite verfügbar: http://www.unodc.org/unodc/en/treaties/CAC/index.html [Stand: 30.1.2013]. 36 Siehe dazu auch van Aaken (Fn.16), 407 ff. 37 Vgl. van Aaken (Fn. 16), 410; Wolf, FÖV Discussion Paper Nr. 31, S. 54 f. 38 Vgl. Stünker, in: FS Meyer, 2006, S. 589 (594). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 - 021/13 Seite 12 Bei Kandidaturen für die Wahl zu einem öffentlichen Amt sollen gesetzliche Vorgaben bewirken, dass Verhaltensvorschriften, die für den Bereich des Dienstrechts entwickelt werden, soweit als möglich auch für Mandatsträger und ihre Wahl gelten39, indem feste Kriterien sowohl für die Kandidatur als auch für die Wahl selbst entwickelt werden. Unter diese Vorgaben fallen auch umfassende Offenlegungspflichten bezüglich der Nebentätigkeiten, Kapitalanlagen, Vermögenswerte und erhaltener Vergünstigungen oder Geschenke. Dabei fordert die Konvention darüber hinaus, sowohl die Finanzierung der Kandidatur selbst als auch den Bereich der Parteienfinanzierung gesetzlich effektiv zu regeln, um auf diesem Gebiet eine höchstmögliche Transparenz zu erreichen. Weitere Maßnahmen zur Prävention werden mit dem Verbot der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Bestechungsgeldern40 und der Vorgabe umfassender Buchführungs- und Prüfvorschriften aufgestellt. 5.2. Strafbarkeit der Bestechung von Amtsträgern Zur Transformation in nationales Recht verpflichtend, verlangt die VN-Konvention, folgende Handlungen als Straftatbestände zu erfassen:41 - Unmittelbares und mittelbares Versprechen, Anbieten oder Gewähren eines ungerechtfertigten Vorteils gegenüber einem inländischen oder ausländischen Amtsträger für ihn selbst oder für eine andere Person oder Stelle, damit der Amtsträger in Ausübung seiner Dienstgeschäfte eine Handlung vornimmt oder unterlässt (Art. 15 und 16). - Unmittelbares und mittelbares Fordern oder Annehmen eines solchen Vorteils als Gegenleistung für eine dienstliche Handlung für sich selbst oder eine andere Person oder Stelle (Art. 15 und 16). - Jede Veruntreuung, Unterschlagung oder sonstige Abzweigung von Vermögensgegenständen durch Amtsträger (Art. 17). - Versuch, Anstiftung und Beihilfe sollen ebenso strafbar sein. 39 Aufgrund der Weisungsunabhängigkeit des Abgeordneten nach Art. 38 Abs. 1 GG ist eine Anlehnung an dienstrechtliche Vorschriften in Deutschland schwer realisierbar. 40 In Deutschland ist dies bereits seit 1999 auch für die Bestechung im Ausland geregelt (§ 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG). 41 Vgl. dazu van Aaken (Fn. 16), 411. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 - 021/13 Seite 13 6. Reformbestrebungen Dem 17. Bundestag liegen drei Gesetzentwürfe42 zur verschärften Bekämpfung der Abgeordnetenbestechung vor, die sich auf die dargestellten internationalen Verpflichtungen Deutschlands sowie auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 9. 5. 2006 beziehen. 7. Rechtsvergleichender Überblick über die Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung Im Folgenden soll ein exemplarischer Überblick über die Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung im Ausland gegeben und untersucht werden, ob die Ausgestaltung der dortigen Regelungen im Bereich der Legislativkorruption gegebenenfalls einen Anstoß für eine Änderung des § 108e StGB geben kann. Wegen der Komplexität des Themas kann jedoch im Rahmen dieser Ausarbeitung keine umfassende Rechtsvergleichung geleistet werden. Detaillierte rechtsvergleichende Darstellungen über die Pönalisierung der Abgeordnetenbestechung in zahlreichen ausländischen Rechtsordnungen lassen sich vor allem dem rechtsvergleichenden Gutachten des Max- Planck-Instituts für Ausländisches und Internationales Strafrecht43, den GRECO- Evaluationsberichten44 sowie den einschlägigen Dissertationen45 entnehmen. Die ausländischen Straftatbestände zur repressiven Bekämpfung der politischen Korruption können grundsätzlich in 4 Kategorien eingeteilt werden: 46 7.1. Spezialbestimmungen zur Abgeordnetenbestechung In einigen Staaten wird die Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung – wie in Deutschland – in speziellen Tatbeständen normiert. 42 Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Abgeordnetenbestechung der AbgeordnetenWolfgang Neskovic u.a. (BT-Drs. 17/1412); Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes – Bestechung und Bestechlichkeit von Abgeordneten - der Abgeordneten Jerzy Montag u.a. und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (BT-Drs. 17/5933); Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes – Bekämpfung der Abgeordnetenbestechung - - der Abgeordneten Christine Lambrecht u.a. und der Fraktion der SPD (BT-Drs. 17/8613). 43 Vgl. die 19 Landesberichte (auch außereuropäische Staaten) in: Eser/Überhofen/Huber, Korruptionsbekämpfung durch Strafrecht - Ein rechtsvergleichendes Gutachten zu den Bestechungsdelikten aus dem Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Strafrecht, Band S. 61, 1997.. 44 Abrufbar unter: www.greco.coe.int; aufschlussreich sind insbesondere auch die ersten GRECO- Evaluationsberichte im Rahmen der 3. Bewertungsrunde („Incriminations“) auf folgender Internetseite: http://www.coe.int/t/dg1/greco/evaluations/round3/ReportsRound3_en.asp [Stand: 2.9.2008]. 45 Vgl. die instruktiven Darstellungen bei: Überhofen (Fn. 1), S. 237 ff.; Heisz, Die Abgeordnetenbestechung nach § 108e StGB, S. 67 ff.; siehe ferner auch den zusammenfassenden Überblick bei Möhrenschlager (Fn. 5), S. 217 (223 ff.); Stünker (Fn. 38), S. 589 (595f.). 46 Ausführlich hierzu: Heisz (Fn. 45), S. 67 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 - 021/13 Seite 14 7.1.1. Griechenland Griechenland verfügt über einen besonderen Tatbestand der Abgeordnetenbestechung in Art. 159 des griechischen Strafgesetzbuchs (grStGB), der die aktive und passive Bestechung von Parlamentsmitgliedern unter Strafe stellt. Der Anwendungsbereich des Art. 159 grStGB beschränkt sich dabei nicht nur auf das Abstimmungsverhalten im Plenum, sondern bezieht auch die Ausschüsse bzw. Kommissionen mit ein.47 7.1.2. Finnland In Finnland wird die aktive und passive Abgeordnetenbestechung in Kapitel 16 § 14a sowie in Kapitel 40 § 4 des finnischen Strafgesetzbuchs sanktioniert. 48 7.1.3. Österreich In Österreich wurde mit dem am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Strafrechtsänderungsgesetz ein neuer Sondertatbestand der Abgeordnetenbestechung in § 304a des österreichischen Strafgesetzbuchs (öStGB) 49 aufgenommen, der im Wortlaut nahezu dem deutschen § 108e StGB entspricht. Das neue Anti-Korruptionsgesetz ist in Österreich wegen der Ausnahmeregelungen für Abgeordnete in die Kritik geraten, nachdem der ursprüngliche Entwurf des österreichischen Justizministeriums von Sommer 2007 die Strafbarkeit inländischer Abgeordneter noch „im vollen Umfang der Beamtenstrafbarkeit“ vorgesehen hatte, der Nationalrat jedoch auf der eigenen Ausarbeitung der ihn betreffenden Passagen bestanden und eine deutlich eingeschränkte Strafbestimmung der Abgeordnetenkorruption im Rahmen des parlamentarischen Prozesses geschaffen hatte. 50 Daneben existiert in Österreich noch der Straftatbestand der verbotenen Intervention gem. § 308 öStGB, der durch das Strafrechtsänderungsgesetz neu gefasst wurde und die missbräuchliche Einflussnahme eines Dritten auf Amtsträger, Mitglieder eines inländischen verfassungsmäßigen Vertretungskörpers oder Schiedsrichter unter Strafe stellt, wenn dieser Dritte dafür einen Vorteil annimmt, dass er sich für die parteiliche Vornahme einer dienstlichen 47 Näher zu Art. 159 grStGB siehe: Papacharalambous, in: Eser/Überhofen/Huber, S. 174, 179; Heisz S. 68 f. 48 Die Empfehlungen des GRECO-Evaluationsberichts Finnland vom 7.12.2007 (3. Runde), S. 18, 22, abrufbar unter : http://www.coe.int/t/dg1/greco/evaluations/round3/ReportsRound3_en.asp [Stand: 2.9.2008], sehen bezüglich der Formulierung der Tatbestände jedoch noch Änderungsbedarf im Hinblick auf die Erfüllung der Anforderungen von Art. 4, 6 und 10 des Strafrechtsübereinkommens des Europarates über Korruption. 49 § 304a. öStGB lautet: „Wer es unternimmt, für eine Wahl oder Abstimmung im Nationalrat, Bundesrat, in der Bundesversammlung, in einem Landtag oder Gemeinderat eine Stimme zu kaufen oder zu verkaufen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft.“ 50 Vgl. hierzu die österreichische Presse: Der Standard vom 24.5.2008, Online-Version: http://derstandard.at/PDA/standard.asp/?id=3347343 [Stand: 2.9.2008]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 - 021/13 Seite 15 Handlung einsetzt. 51 Zu beachten ist jedoch, dass sich der Mandatsträger selbst gem. § 308 öStGB nicht strafbar macht und nur der Intervenient bestraft wird. 52 7.2. Einbeziehung von Abgeordneten in die Bestechungstatbestände am Beispiel Frankreichs Eine weitere Möglichkeit der Normierung der Abgeordnetenbestechung besteht in der ausdrücklichen Einbeziehung von Abgeordneten in die Bestechungstatbestände. Als Beispiel für eine solche gesetzlich geregelte Gleichsetzung von Beamten- und Abgeordnetenbestechung lässt sich Frankreich anführen . Die Korruptionstatbestände der Art. 432-11 ff. bzw. Art. 433-1 Nouveau Code Pénal (N.C.P.) nennen neben den Inhabern öffentlicher Gewalt und den mit einer öffentlichen Aufgabe betrauten Personen als dritte Gruppe ausdrücklich auch die mit einem öffentlichen Wahlamt bekleideten Personen , zu denen auch die Abgeordneten gehören. Art. 432-11 Nr. 1 N.C.P. („corruption passive“) pönalisiert das vorsätzliche rechtswidrige Annehmen oder Sichversprechenlassen von Vorteilen und Zuwendungen , wenn dadurch die Mandatsführung beeinflusst wird. Art. 432-11 Nr. 2 N.C.P. sanktioniert den „trafic d`influence“, den sog. Einflusshandel, welcher der Machtentfaltung von öffentlichen Funktionsträgern (auch Abgeordneten) entgegenwirken soll, die ihren Einfluss auf Dritte kommerzialisieren . 53 Hervorzuheben ist, dass der Tatbestand des Art. 432-11 N.C.P., der grundsätzlich alle parlamentarischen Handlungen erfasst und jegliches Verhalten im Zusammenhang mit dem Mandat einschließt , viel weiter reicht als das deutsche Sonderdelikt der Abgeordnetenbestechung, das nur die Stimmabgabe erfasst. 54 7.3. Anwendung der Bestechungstatbestände auf Abgeordnete über Legaldefinitionen In vielen ausländischen Rechtsordnungen wird die Anwendbarkeit der Bestechlichkeitstatbestände auf Abgeordnete anhand von Legaldefinitionen erreicht, durch die der Beamtenbegriff auf den „gewählten Amtsträger“ ausgedehnt wird. 7.3.1. Italien Nach der weiten Legaldefinition des Art. 357 Abs. 1 des italienischen Codice Penale (C.P.) gelten als Amtsträger diejenigen, „die eine öffentliche Funktion in der Gesetzgebung, Justiz oder Verwaltung 51 Näher zu § 308 öStGB a.F.: Überhofen (Fn. 1), S. 278 ff., 287; ders. in: Eser/Überhofen/Huber (Fn. 43), S. 395 f. 52 Überhofen (Fn. 1), S. 287. 53 Ausführlich zur französischen Rechtsordnung: Barth, in: Eser/Überhofen/Huber (Fn. 43), S. 111 ff.; Überhofen (Fn. 1), S. 378 ff., 404 ff.; Heisz (Fn. 45), S. 73 ff. 54 Vgl. Überhofen (Fn. 1), S. 405 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 - 021/13 Seite 16 ausüben“, also auch Abgeordnete. Die Bestechungstatbestände der Art. 318 - 322 C.P. gelten damit unmittelbar auch für Mandatsträger. 55 7.3.2. Niederlande In den Niederlanden sind die allgemeinen Beamtenbestechungstatbestände der Art. 177, 362 f. Wetboek van Strafrecht (WvS) auch auf Volksvertreter anwendbar, da der extensive Beamtenbegriff durch Art. 84 Abs. 1 WvS auf alle Personen erweitert wird, die in nach gesetzlichen Vorschriften ausgeschriebenen Wahlen gewählt wurden. Danach fallen auch alle Abgeordneten der beiden Kammern des Parlaments unter den Beamtenbegriff. 56 7.3.3. Spanien In Spanien wird die Abgeordnetenbestechung über die Vorschriften über die Amtsträgerbestechung erfasst (Art. 419 ff. i.V.m. Art. 24 Codigo Penal), die für die öffentlichen Beamten und die hohen Amtsträger gelten. Nach der Legaldefinition des Art. 24 C.P. sind als hohe Amtsträger („autoridad“) u.a. die Mitglieder des spanischen Parlaments, des Senats sowie die gesetzgebenden Versammlungen der „Länder“ und des EP anzusehen.57 7.3.4. Weitere Beispiele Auch in verschiedenen osteuropäischen EU-Staaten gehört schon nach der auch auf Amtsträgerbestechungstatbestände anwendbaren Begriffsbestimmung im Allgemeinen Teil des jeweiligen Strafgesetzbuchs der Abgeordnete ausdrücklich zu den Amtsträgern. Dies ist beispielsweise in Estland (§§ 293 ff. i.V.m. § 288 StGB)58, der Slowakei (Art. 328 ff. i.V.m. Art. 128 StGB)59 und Slowenien (Art. 126 Abs. 2 i.V.m. Art. 267 ff. StGB)60 der Fall.61 55 Detailliert hierzu: Hein, in: Eser/Überhofen/Huber (Fn. 43), S. 223 ff. 56 Im Einzelnen zum niederländischen Recht: van de Reyt, in: Eser/Überhofen/Huber (Fn. 43), S. 361 ff.; Überhofen (Fn. 1), S. 430 ff., 448 ff.; s.a. Möhrenschlager(Fn. 5), S. 217 (224). 57 Näher hierzu: Hoffmann, in: Eser/Überhofen/Huber (Fn. 43), S. 578 ff. 58 Auch Abgeordnete werden unter die Definition des Amtsträgers in § 288 StGB subsumiert; die Empfehlungen des GRECO-Evaluationsberichts Estland vom 4.4.2008 (3. Runde), S. 15 f., 20, abrufbar unter: http://www.coe.int/t/dg1/greco/evaluations/round3/ReportsRound3_en.asp [Stand: 2.9.2008], sehen diesbezüglich jedoch noch Änderungsbedarf im Hinblick auf die Erfüllung der Anforderungen von Art. 4, 6 u. 10 des Strafrechtsübereinkommens des Europarates über Korruption. 59 Vgl. den GRECO-Evaluationsbericht Slowakei vom 15.2.2008 (3. Runde), S. 8 ff., abrufbar unter: http://www.coe.int/t/dg1/greco/evaluations/round3/ReportsRound3_en.asp [Stand: 2.9.2008]. 60 Näher hierzu: Korosec/Weigend, in: Eser/Überhofen/Huber, S. 555 ff.; s.a. auch den GRECO-Evaluationsbericht Slowenien vom 7.12.2007 (3. Runde), S. 7 ff., abrufbar unter: http://www.coe. int/t/dg1/greco/evaluations/round3/ReportsRound3_en.asp [Stand: 2.9.2008]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 - 021/13 Seite 17 7.4. Strafbarkeit über gefestigte herrschende Meinungen In verschiedenen Staaten wird eine Sanktionierung des unlauteren Verhaltens von Volksvertretern durch eine gefestigte herrschende Meinung, welche die Tatbestandsmerkmale der Amtsdelikte weit auslegt, erreicht, so z.B. in Belgien. Dort wird die Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung über die Tatbestände der Amtsträgerbestechung in Art. 246 - 253 des belgischen Code Pénal (C.P.) im Wege einer weiten Auslegung des Beamtenbegriffs sichergestellt. Von der Rechtsprechung werden unter den Begriff des Staatsbeamten in Art. 246 ff. C.P. u.a. auch die gewählten Amtsträger, wie Senatoren und Abgeordnete, subsumiert. Konstitutives Element der Täterschaft ist die – auch nur kurzfristige – Wahrnehmung einer öffentlichen Funktion. 62 61 Weitere Beispiele bei: Möhrenschlager (Fn. 5), S. 217 (224 ff.). 62 Detailliert zur belgischen Rechtsordnung: Hünerfeld, in: Eser/Überhofen/Huber (Fn. 43), S. 11 ff.; Überhofen (Fn. 1), S. 411 ff., 425 ff.