© 2020 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 – 017/20 Aussetzung der Umweltverträglichkeitsprüfung nach § 13b BauGB Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 7 - 3000 – 017/20 Seite 2 Aussetzung der Umweltverträglichkeitsprüfung nach § 13b BauGB Aktenzeichen: WD 7 - 3000 – 017/20 Abschluss der Arbeit: 6. Februar 2020 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 7 - 3000 – 017/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Die Baurechts-Novelle 2017 4 3. Stellungnahmen zu § 13b BauGB 6 4. Gesetzesinitiativen für eine Fristverlängerung 7 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 7 - 3000 – 017/20 Seite 4 1. Einleitung Durch eine Baurechts-Novelle im Jahre 2017 fand § 13b Eingang in das Baugesetzbuch (BauGB). Die Vorschrift regelt befristet die Einbeziehung von Außenbereichsflächen in das beschleunigte Verfahren zur Aufstellung von Bebauungsplänen. Die Vorschrift steht im engen Zusammenhang mit § 13 BauGB (Vereinfachtes Verfahren für die beschleunigte Aufstellung von Bebauungsplänen ) und § 13a BauGB (Bebauungspläne der Innenentwicklung). Nach diesen Vorschriften ist die Aufstellung von Bebauungsplänen auch ohne das Erfordernis einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) möglich. Durch eine Gesetzesinitiative des Bundesrates sollen die Fristen im § 13b BauGB um mehrere Jahre verlängert und eine entsprechende UVP ausgesetzt werden. Vor diesem Hintergrund werden zunächst die Gründe für eine Baurechts-Novelle im Jahre 2017 (Ziffer 2.) und unter Ziffer 3. die rechtlichen Bedenken von Fachplanern und Umweltschutzverbänden vorgestellt. Dem schließen sich Ausführungen zu der beabsichtigten Fristverlängerung im § 13b BauGB an (Ziffer 4.). 2. Die Baurechts-Novelle 2017 § 13b BauGB steht im engen Zusammenhang mit § 13 BauGB (Vereinfachtes Verfahren) für die beschleunigte Aufstellung von Bebauungsplänen und § 13a BauGB, der Bebauungspläne der sogenannten Innenentwicklung regelt. Nach diesen Vorschriften ist die Aufstellung oder Änderung von Bebauungsplänen ohne das Erfordernis einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) möglich. Durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EG im Städtebaurecht und zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt vom 4. Mai 2017 (BGBl. I S. 1057) wurde § 13b in das BauGB eingefügt, Die Vorschrift hat folgenden Wortlaut: „Bis zum 31. Dezember 2019 gilt § 13a entsprechend für Bebauungspläne mit einer Grundfläche im Sinne des § 13a Absatz 1 Satz 2 von weniger als 10 000 Quadratmetern, durch die die Zulässigkeit von Wohnnutzungen auf Flächen begründet wird, die sich an im Zusammenhang bebaute Ortsteile anschließen. Das Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans nach Satz 1 kann nur bis zum 31. Dezember 2019 förmlich eingeleitet werden; der Satzungsbeschluss nach § 10 Absatz 1 ist bis zum 31. Dezember 2021 zu fassen .“ Die amtliche Begründung dieser Vorschrift erschöpft sich in einer Paraphrasierung des Gesetzestextes , vgl. §§ 13 und 13a Baugesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. November 2017 (BGBl. I S. 3634), abrufbar unter (Stand: 30.01.2020): https://www.gesetze-iminternet .de/bbaug/BauGB.pdf. vgl. Entwurf des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt, BT-Drucks. 18/10942, S. 47, abrufbar unter (Stand: 3001.2020): http://dip21.bundestag .de/dip21/btd/18/109/1810942.pdf, Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 7 - 3000 – 017/20 Seite 5 vgl. auch den Gesetzentwurf auf BR-Drucks. 806/16, S. 21,24 und 25; abrufbar unter (Stand: 30.01.2020): http://dip21.bundestag.de/dip21/brd/2016/0806-16.pdf ; vgl. Richtlinie 2014/52/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.04.2014 zur Änderung der Richtlinie 2011/92/EU über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABL. L 124 vom 25.04.2014, S. 1), abrufbar unter (Stand: 05.02.2020): https://eur-lex.europa.eu/legal-content /DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32014L0052&from=DE. In entsprechender Anwendung sieht § 13a Abs. 2 Nr. 1 BauGB vor, dass im beschleunigten Verfahren die Vorschriften des vereinfachten Verfahrens nach § 13 Abs. 2 und 3 BauGB ebenfalls entsprechend anzuwenden sind. Dies führt dazu, dass für die Einbeziehung von Außenbereichsflächen in das beschleunigte Verfahren befristet bis zum 31.12.2021 keine UVP durchzuführen ist. Hiergegen hat der Bundesrat im Gesetzgebungsverfahren erhebliche Bedenken geltend gemacht. Zusammengefasst würde nach seiner Auffassung dies dazu führen, dass gerade die unter Naturund Bodenschutzaspekten besonders sensiblen Außenbereiche praktisch ohne Rücksicht auf jegliche Belange des Natur- und Bodenschutzes als neue Baugebiete ausgewiesen werden können. Daran würden auch die gesetzlichen Einschränkungen nichts ändern. Die Begrenzung auf Flächen von weniger als 10 000 m² ließe sich in der Praxis leicht durch die Ausweisung mehrerer Neubaugebiete an verschiedenen Ortsrändern oder eine Aneinanderreihung bei der Ausweisung aushebeln. Die Begrenzung auf Flächen, "die sich an im Zusammenhang bebaute Ortsteile anschließen", dürfte in der Praxis kaum einschränkende Wirkung aufweisen, da dies ohnehin dem Regelfall bei der Ausweisung von Neubaugebieten entspricht. Die Beschränkung auf die Wohnnutzung verhindere zwar immerhin die Ausweisung von Industriegebieten im Außenbereich in beschleunigten Verfahren, ändere aber nichts an dem gravierenden Eingriff in die Belange des Naturschutzes. Ein Verzicht auf den Eingriffsausgleich gehe zudem ersichtlich über den Zweck des Gesetzentwurfs hinaus, da damit nicht nur eine formale Vereinfachung und damit Beschleunigung des Bauleitplanverfahrens einherginge, sondern auch eine erhebliche materielle Veränderung der Rechtslage zulasten berechtigter Naturschutzbelange. Es sei auch nicht ersichtlich, dass sich dieser Eingriff durch übergeordnete Belange rechtfertigen ließe, zumal in der Begründung zu § 13b BauGB die hinter dieser Neuregelung stehenden Überlegungen in keiner Weise erläutert werden. Die befristete Öffnung des vereinfachten Verfahrens zur Innenentwicklung für Bauflächen bis 1 ha Größe im Außenbereich werde zu vermehrter Ausweisung , auch auf Vorrat, von Bebauungsplänen rund um die Ortslagen führen. Damit würde das Ziel der Innenentwicklung und des Natur- und Ressourcenschutzes unterlaufen, vgl. Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt, BR-Drucks. 806/16 (Beschluss), S. 7 ff. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 7 - 3000 – 017/20 Seite 6 Der Vorschlag des Bundesrates wurde abgelehnt und die Regelung zu § 13b BauGB aufrechterhalten . Hierzu wurde auf S. 21 und auf S. 24/25 der Begründung des Regierungsentwurfs (BR-Drs. 806/16) verwiesen. vgl. Unterrichtung durch die Bundesregierung, Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drucks. 18/11181 S. 12; abrufbar unter (Stand: 30.01.20200): http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/111/1811181.pdf. 3. Stellungnahmen zu § 13b BauGB Vor allem von zahlreichen Umweltschutzverbänden wurden anlässlich der Einfügung des § 13b BauGB umfangreiche Rechtsverstöße substantiiert geltend gemacht, vgl. beispielsweise das Positionspapier des Bundesverbandes Beruflicher Naturschutz e.V., Abschaffung des § 13b BauGB, abrufbar unter (Stand: 30.01.2020) : https://www.bbn-online.de/fileadmin/1_Start/Positionspapier ___13b_BauGB_29.03.19.pdf, zu den Rechtsverstößen vgl. im Einzelnen Bohl, EU-Beschwerde gegen §13b BauGB, abrufbar unter (Stand: 30.01.2020): http://www.ra-bohl.de/images/PDF-Container/RA- Bohl/2018-09-27_-_Bericht_EU-Beschwerde.pdf. Die Gesellschaft für die Prüfung der Umweltverträglichkeit e.V. hat hierzu eine Beschwerde an die EU-Kommission gerichtet. Die Beschwerde wurde zwischenzeitlich unter dem Aktenzeichen CHAP(2017)03197 registriert und befindet sich in der Prüfung. Bisher ist ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland nicht eingeleitet worden, vgl. Gesellschaft für die Prüfung der Umweltverträglichkeit e.V., BauGB-Novelle – Beschwerde an EU-Kommission, abrufbar unter (Stand: 30.01.2020): http://www.hartlik.de/de/119-p/220-eu-beschwerde; vgl. Antwort der Bundesregierung zu Frage 57, Plenarprotokoll 19/106, abrufbar unter (Stand: 30.01.2020): http://dipbt.bundestag.de/dip21/btp/19/19106.pdf#P.13082. Auch der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages hat bereits Anfang 2017 kritisch zu der Einfügung des § 13b in das BauGB Stellung genommen, Wissenschaftlicher Dienst (Hrsg.), Einbeziehung von Außenbereichsflächen in das beschleunigte Verfahren, Ausarbeitung, WD 7 – 3000 – 001/17, abrufbar unter (Stand: 30.01.2020): https://www.bundestag.de/resource /blob/496940/fd90db88ec19bee622321eaa69dd5c9f/WD-7-001-17-pdf-data.pdf Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 7 - 3000 – 017/20 Seite 7 4. Gesetzesinitiativen für eine Fristverlängerung Mit einem Gesetzesantrag des Bundesrates soll in Satz 1 des § 13b BauGB nunmehr die Angabe „2019“ durch „2022“ ersetzt werden und im Satz 2 die Angabe „2019“ durch „2022“ sowie „2021“ durch „2024“ ersetzt werden, vgl. Art. 1 des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des § 246 Baugesetzbuch (Baugesetzbuchänderungsgesetz – BauGBÄG, BR-Drucks. 612/19 vom 13.11.2019, S. 1; abrufbar unter (Stand: 06.02.2020): https://www.bundesrat.de/SharedDocs/beratungsvorgaenge /2019/0601-0700/0612-19.html. Der Gesetzesantrag wird im Wesentlichen damit gerechtfertigt, dass die Schaffung neuen Wohnraums gegenwärtig eine Herausforderung der Stadt- und Landesentwicklung sei und die Kommission für „Nachhaltige Baulandmobilisierung und Bodenpolitik“ eine Verlängerung der Fristen im § 13b BauGB empfehle. In der Bundesrepublik Deutschland besteht kein flächendeckender Wohnraummangel. Ein solcher besteht vielmehr in Ballungsräumen, dem unter anderem durch einen sozialen Wohnungsbau begegnet werden kann. Die Notwendigkeit flächendeckend Bauplanungsrecht für neuen Wohnraum durch die Einbeziehung von Außenbereichsflächen und Aussetzung einer UVP, etwa im strukturschwachen oder ländlichen Raum auf der „grünen Wiese“ zu schaffen, drängt sich nicht ohne weiteres auf. Im Übrigen enthält die Antragsbegründung lediglich eine Paraphrasierung des Gesetzestextes. Auch die Empfehlung der Baulandkommission enthält keine konkrete und substantiierte Begründung für eine Verlängerung der Fristen im § 13b BauGB, vgl. Empfehlungen auf Grundlage der Beratungen in der Kommission für „Nachhaltige Baulandmobilisierung und Bodenpolitik“ (Baulandkommission) vom 02.07.2019, S. 9; abrufbar unter ( Stand: 06.02.20220): https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads /DE/veroeffentlichungen/nachrichten/Handlungsempfehlungen-Baulandkommission .pdf?__blob=publicationFile&v=1. Der Bundesrat setzt sich in seinem Gesetzesantrag mit seinem Verhalten anlässlich der Einführung des §13b BauGB und der befristeten Aussetzung einer UVP in Widerspruch. Noch im Jahre 2017 führte der Bundesrat aus: „Täglich werden in Deutschland 66 ha (Quelle Destatis, Stand 2012 bis 2015) Fläche und damit Natur und Landschaft für Siedlung und Verkehr beansprucht. Die Bundesregierung strebt an, bis 2020 den Flächenverbrauch bundesweit auf 30 ha zu senken. Obwohl sich die gesamte Neuinanspruchnahme von Flächen für Siedlung und Verkehr von 2011 bis 2014 auf 2012 bis 2015 von 69,2 auf 66,1 ha pro Tag etwas verringert hat, ist die Neuinanspruchnahme für Gebäude- und Freiflächen um 2,5 ha pro Tag von 30,1 auf 32,6 ha im selben Zeitraum angestiegen. Der Gesetzentwurf sieht vor diesem Hintergrund befristet bis zum 31. Dezember 2019 auch ein beschleunigtes Bauleitplanverfahren für Außenbereichsflächen mit weniger als 10 000 Quadratmetern Grundfläche vor. Über den § 13b BauGB wäre Bauleitplanung im Freiraum zulässig, ohne für diese Planung eine Umwelt- Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 7 - 3000 – 017/20 Seite 8 prüfung nach BauGB durchführen zu müssen. Im Umweltbericht werden die zu erwartenden Umweltauswirkungen des Plans sowie Planungsalternativen beschrieben und bewertet . Der § 13a BauGB findet für die Innenentwicklung Anwendung. Da die Flächen im Außenbereich regelmäßig im Hinblick auf ihre Umweltgüte höher zu bewerten sind als Flächen im Innenbereich, erscheint es fraglich, ob die Regelung des § 13b BauGB mit den europarechtlichen Vorgaben der Richtlinie 2001/42/EG vereinbar ist“; vgl. Unterrichtung durch die Bundesregierung, Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drucks. 18/11181 S. 4; abrufbar unter (Stand: 30.01.20200): http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/111/1811181.pdf. An den Ausführungen des Bundesrates hat sich in tatsächlicher Hinsicht wenig geändert und kann im Ansatz weiterhin Gültigkeit für sich beanspruchen. Nur wenn man den derzeitigen Flächenverbrauch in Relation mit dem etwa im Jahre 2000 setzt, könnte der Eindruck eines Rückgangs erweckt werden, Umweltbundesamt, Siedlungs- und Verkehrsfläche, abrufbar unter (Stand: 06.02.2020): https://www.umweltbundesamt.de/daten/flaeche-boden-land-oekosysteme/flaeche/siedlungs -verkehrsflaeche#anhaltender-flachenverbrauch-fur-siedlungs-und-verkehrszwecke - ***