© 2019 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 017/19 Strafrechtliche Verantwortlichkeit von Amtsträgern, Bundestagsabgeordneten und Mitgliedern der Bundesregierung in Deutschland Fragen zur Rechtslage Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 017/19 Seite 2 Strafrechtliche Verantwortlichkeit von Amtsträgern, Bundestagsabgeordneten und Mitgliedern der Bundesregierung in Deutschland Fragen zur Rechtslage Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 017/19 Abschluss der Arbeit: 31.01.2019 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 017/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Strafrechtliche Verantwortlichkeit von Amtsträgern in Deutschland 4 2. Strafrechtliche Verantwortlichkeit von Bundestagsabgeordneten und Mitgliedern der Bundesregierung in Deutschland 5 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 017/19 Seite 4 1. Strafrechtliche Verantwortlichkeit von Amtsträgern in Deutschland Frage: Was sind die wichtigsten gesetzlichen Bestimmungen zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Amtsträgern in Deutschland? In Deutschland gibt es kein eigenes Gesetz, in dem die strafrechtlichen Bestimmungen für Fehlverhalten von Amtsträgern in Ausführung ihrer Tätigkeit normiert werden. Vielmehr sind die wichtigsten strafrechtlichen Vorschriften zur Verantwortlichkeit von Beamten im Strafgesetzbuch (StGB)1 geregelt. Der Begriff der Amtsträger wird in § 11 Abs. 1, Nr. 2, lit. a – c StGB definiert. Amtsträger ist danach, „wer nach deutschem Recht Beamter oder Richter ist (lit. a), in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis steht (lit. b) oder sonst dazu bestellt ist, bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung unbeschadet der zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform wahrzunehmen (lit. c).“ Für die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Amtsträgern ist zunächst zwischen den „echten Amtsdelikten“ und den „unechten Amtsdelikten“ zu unterscheiden. „Echte Amtsdelikte“ sind Strafdelikte, die allein von Amtsträgern begangen werden können, weil ihre Strafbarkeit den Missbrauch einer Amsträgerposition voraussetzt. Die Amtsträgereigenschaft begründet die Strafbarkeit erst. „Unechte Amtsdelikte“ können hingegen grundsätzlich von jedermann begangen werden. Wird das Delikt jedoch durch einen Amtsträger begangen, ist dieser schwerer zu bestrafen . Die Amtsträgereigenschaft wirkt sich somit strafschärfend aus. Die Amtsdelikte sind überwiegend im 30. Abschnitt des StGB (§§ 331 – 358) zu finden. Die Delikte setzen zum größten Teil Handlungen von Amtsträgern oder amtsnahen Personen voraus. Am bedeutsamsten sind zunächst die Bestechungsdelikte der §§ 331 – 335 StGB, die als echte Amtsdelikte den Missbrauch der Amtsträgerposition durch Annahme von Vorteilen voraussetzen . Weiter bestraft die Rechtsbeugung nach § 339 StGB Amtsträger, wenn sie bei der Entscheidung in einer Rechtssache das Recht nicht nach den Vorschriften anwenden. Von großer Bedeutung ist auch die Körperverletzung im Amt nach § 340 StGB, die die Körperverletzung eines Amtsträgers in Ausführung seines Amtes bestraft. Hierbei handelt es sich um ein unechtes Amtsdelikt , die Körperverletzung des Amtsträgers wird gegenüber der Körperverletzung eines anderen schwerer bestraft. In den §§ 343 – 345 StGB werden Straftaten durch Amtsträger während der Strafverfolgung bestraft. § 348 StGB stellt die Falschbeurkundung im Amt unter Strafe. Weitere unechte Amtsdelikte finden sich auch außerhalb des 30. Abschnitts des StGB. Von Bedeutung ist etwa die Strafvereitelung im Amt nach § 258a StGB, wonach Amtsträger bestraft werden , die die Bestrafung eines Täters nach einer strafrechtlichen Vorschrift verhindern. In § 240 Abs. 4, Satz 2, Nr. 2 StGB wird die Nötigung durch einen Amtsträger geahndet. Der Verwahrungsbruch des § 133 Abs. 3 StGB bestraft die durch einen Amtsträger begangene Zerstörung oder Beschädigung von Gegenständen, die sich in dienstlicher Verwahrung befinden. In § 120 Abs. 2 1 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.11.1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch Art. 14 des Gesetzes vom 18.12.2018 (BGBl. I S. 2639), abrufbar in englischer Sprache unter: https://www.gesetze -im-internet.de/englisch_stgb/index.html (Letzter Abruf: 29.01.2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 017/19 Seite 5 StGB ist die Gefangenenbefreiung durch Amtsträger unter Strafe gestellt. Schließlich wird in § 174b StGB der sexuelle Missbrauch unter Ausnutzung der Amtsstellung bestraft. 2. Strafrechtliche Verantwortlichkeit von Bundestagsabgeordneten und Mitgliedern der Bundesregierung in Deutschland Frage: Was sind die wichtigsten Bestimmungen zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Bundestagsabgeordneten und Bundesregierungsmitgliedern in Deutschland? Von zentraler Bedeutung für die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Abgeordneten des Deutschen Bundestages ist ihr verfassungsrechtlicher Schutz durch die Immunität und die Indemnität nach Art. 46 des Grundgesetzes (GG)2. Die Immunität ist in Art. 46 Abs. 2 – 4 GG normiert und soll die Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Bundestages sicherstellen. Daher werden die Bundestagsabgeordneten vor Übergriffen der Exekutive durch das Strafverfolgungshindernis der Immunität geschützt. Strafverfahren und sonstige Zwangsmaßnamen gegen Abgeordnete können nur dann durchgeführt werden, wenn ihre Durchführung zuvor vom Bundestag selbst genehmigt wurde. Darüber hinaus werden die Abgeordneten durch ihre Indemnität nach Art. 46 Abs. 1 GG auch vor einer strafrechtlichen Verfolgung wegen ihrer Abstimmungen und Äußerungen im Bundestag , seinen Ausschüssen und den Fraktionen geschützt. Die Indemnität ist ein Strafausschließungsgrund und kann nicht durch Genehmigung des Bundestags aufgehoben werden. Die Abgeordneten werden vor einer strafrechtlichen Verfolgung wegen Äußerungen in ihrer Funktion als Vertreter des Volkes behütet.3 Weiterhin besteht für Bundestagsabgeordnete auch ein spezielles Zeugnisverweigerungsrecht für das Strafverfahren nach Art. 47 GG. Das StGB sieht in § 108e die spezielle Strafbarkeit der Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern vor. Danach werden die Mitglieder von Bundes- oder Landesparlamenten bestraft, wenn sie einen ungerechtfertigten Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordern , sich versprechen lassen oder annehmen, dass sie bei ihrer Mandatswahrnehmung Handlungen im Auftrag oder auf Weisungen vornehmen. § 108e StGB ist damit der Spezialtatbestand für die Bestechlichkeit von Abgeordneten. Die Immunität und die Indemnität nach Art. 46 GG gelten auch für diejenigen Mitglieder der Bundesregierung, die zugleich auch Bundestagsabgeordnete sind. Im deutschen Recht gibt es weder eine Bestimmung, die vorschreibt, dass jedes Regierungsmitglied auch Bundestagsabgeordneter sein muss, noch Regelungen, die eine Kompatibilität von Regierungsamt und Bundestagsmit- 2 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100- 1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 13.07.2017 (BGBl. I S. 2347), abrufbar in englischer Sprache unter: https://www.gesetze-im-internet.de/gg/index.html (Letzter Abruf: 29.01.2019). 3 Siehe hierzu auch: Wadephul, Immunitätsrecht – Erläuterungen für die Mitglieder des Deutschen Bundestages, Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung, abrufbar in deutscher Sprache unter: https://www.bundestag.de/blob/195580/95ad1f52c32c6ea5cc319c636e35ba4b/erlaeuterungen_zum_immunitaetsrecht -data.pdf (Letzter Abruf: 29.01.2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 017/19 Seite 6 gliedschaft einschränken oder ausschließen. Mithin müssen nicht alle Bundesregierungsmitglieder auch Bundestagsabgeordnete sein.4 Bundesregierungsmitglieder ohne Bundestagsmandat werden nicht von Art. 46 GG erfasst, zu ihren Gunsten besteht also keine Einschränkung der strafrechtlichen Verfolgung durch das Strafverfolgungshindernis der Immunität oder den Strafausschließungsgrund der Indemnität. In der aktuellen Bundesregierung sind fünf Bundesminister ohne Bundestagsmandat: Franziska Giffey (Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend), Julia Klöckner (Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft), Olaf Scholz (Bundesminister für Finanzen), Svenja Schulze (Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit) und Horst Seehofer (Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat). Darüber hinaus gelten für die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Bundesregierungsmitglieder keine speziellen Regelungen. *** 4 Siehe hierzu auch: Das Datenhandbuch des Deutschen Bundestages, Kapitel 6.8: Regierungsmitglieder ohne Bundestagsmandat, abrufbar in deutscher Sprache unter: https://www.bundestag .de/blob/196258/7fe39277d6973b4617c19036a8badedc/kapitel_06_08_regierungsmitglieder_ohne_bundestagsmandat -data.pdf (Letzter Abruf: 29.01.2019).