© 2018 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 017/18 Fragen zum Kindesunterhalt Verhältnis zu BAföG, Kindergeld und Krankenkassenbeiträgen Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 017/18 Seite 2 Fragen zum Kindesunterhalt Verhältnis zu BAföG, Kindergeld und Krankenkassenbeiträgen Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 017/18 Abschluss der Arbeit: 30. Januar 2018 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutz, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 017/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Überblick 4 2. Berechnung des Kindesunterhalts 4 2.1. Anspruchsgrundlage 5 2.2. Bedarf 5 2.3. Bedürftigkeit 6 2.4. Leistungsfähigkeit 6 2.5. Form des Unterhalts 6 2.6. Ausnahmen und Einschränkungen 7 3. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes 7 4. Berücksichtigung des Kindergeldes 7 5. Berücksichtigung von Krankenversicherungsbeiträgen 9 6. Berücksichtigung von Leistungen nach dem BAföG 10 6.1. Verhältnis von Unterhalt und BAföG 10 6.2. Elterneinkommen und BAföG-Anspruch 11 6.3. Beispiel für die Wechselwirkung zwischen BAföG und Unterhalt 12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 017/18 Seite 4 1. Überblick Unterhaltsansprüche nach dem BGB und BAföG-Ansprüche richten sich grundsätzlich nach voneinander unabhängigen und getrennt zu betrachtenden Versorgungsregimen. Indirekt besteht zwischen beiden aber eine Wechselwirkung: Einerseits mindert ein BAföG-Anspruch die unterhaltsrechtliche Bedürftigkeit des Kindes und damit seinen Unterhaltsanspruch. Andererseits ist bei der Berechnung des BAföG-Anspruchs aber das Einkommen der Eltern anspruchsmindernd zu berücksichtigen. Mit wachsender unterhaltsrechtlicher Leistungsfähigkeit der Eltern sinkt also die Höhe des BAföG, im Extremfall auf „0“. Mit anderen Worten: Gerade in den Fällen, in denen sich ein BAföG-Anspruch unterhaltsanspruchsmindernd auswirken könnte, nämlich bei Eltern mit hohem Einkommen, entsteht unter Umständen schon überhaupt kein BAföG-Anspruch und das Kind ist auf den Unterhalt angewiesen. Die dadurch im Ergebnis bewirkte Subsidiarität des BAföG gegenüber dem Unterhalt besteht allerdings nur der Grundtendenz nach. Denn auf den BAföG-Anspruch in Anrechnung gebracht wird eben nicht der Unterhaltsanspruch selbst, sondern das bestimmte Freibeträge überschreitende Elterneinkommen, das zudem nach eigenen, BAfö G-spezifischen Regeln berechnet wird (dazu bei 6). Volljährige Kinder haben gegen ihre Eltern einen Anspruch auf Auskehr des Kindergeldes. Dieser Anspruch besteht unabhängig von der Höhe des Unterhaltsanspruchs des Kindes und auch dann, wenn das Kind Förderung nach dem BAföG erhält. Fällt das Kindergeld mit Vollendung des 25. Lebensjahres weg, wird der Wegfall durch den Unterhaltsanspruch des Kindes aufgefangen – vorausgesetzt , das Kind hat einen entsprechend hohen Unterhaltsanspruch. Hat es diesen wegen mangelnder Leistungsfähigkeit der Eltern nicht, führt der Wegfall des Kindergeldes zu einem „Einkommensverlust“ des Kindes (dazu bei 4.). Die Eltern sind im Rahmen des Unterhalts auch dazu verpflichtet, für die Beiträge zur Privaten Krankenversicherung des Kindes aufzukommen. Diese Beträge sind in den Bedarfsbeträgen der Düsseldorfer Tabelle nicht enthalten und daher zusätzlich zu entrichten (dazu bei 5.). 2. Berechnung des Kindesunterhalts Voraussetzung eines Unterhaltsanspruchs ist zunächst eine Anspruchsgrundlage. Außerdem darf der den Unterhalt Fordernde nicht, jedenfalls nicht vollständig, in der Lage sein, seinen Bedarf vollständig zu decken. Er muss mithin bedürftig sein. Sodann muss der auf Unterhalt in Anspruch Genommene leistungsfähig sein. Schließlich darf der Unterhaltsanspruch nicht aus besonderen Gründen eingeschränkt sein.1 1 Born in MüKo-BGB, 7. Auflage 2017, Vor § 1601, Rn. 12. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 017/18 Seite 5 2.1. Anspruchsgrundlage Nach § 1601 BGB2 sind Verwandte in gerader Linie verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren. Unterhalt meint dabei dasjenige, was der Befriedigung des unmittelbaren menschlichen Lebensbedarfs dient. Im engeren Sinne ist darunter der Beitrag zu verstehen, den ein Dritter leistet, solange und soweit der betroffene Mensch nicht in der Lage ist, sich selbst zu unterhalten.3 In gerader Linie verwandt sind Personen, deren eine von der anderen abstammt (§ 1589 Abs. 1 S. 1 BGB). Damit können vor allem Kinder von ihren Eltern Unterhalt verlangen.4 2.2. Bedarf Grundlage jeder Unterhaltsberechnung ist die Bestimmung des Lebensbedarfes des den Unterhalt Fordernden. Das ist die Summe der Mittel, die eine Person benötigt, damit sie in ihrer konkreten Situation ein menschenwürdiges Leben führen kann. Üblicherweise wird eine abstrakte Bedarfsberechnung vorgenommen, indem eine Regelpauschale angesetzt oder der Bedarf anhand einer Unterhaltstabelle an den Einkünften der Unterhaltspflichtigen orientiert wird.5 Für die Bestimmung des Bedarfs von Kindern, deren Lebensstellung sich von der ihrer Eltern ableitet , wird die Düsseldorfer Tabelle6 herangezogen. Sie regelt den Barunterhalt, den der Pflichtige für das von ihm getrennt lebende Kind zu zahlen hat.7 Ausgangspunkt jeder Bedarfsbestimmung nach der Düsseldorfer Tabelle ist das bereinigte Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen . Gemeint ist der Teil des Einkommens, der zur Deckung des laufenden Lebensbedarfs zur Verfügung steht und bisher dafür eingesetzt wurde. Es wird berechnet, indem von den Bruttoeinkünften alles abgezogen wird, was für andere Zwecke als den laufenden Lebensbedarf verwendet werden muss und deshalb unterhaltsrechtlich als zulässiger Abzugsposten anerkannt wird.8 Beispiele sind berufsbedingte Aufwendungen und berücksichtigungsfähige Schulden.9 2 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 02. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2787); abrufbar unter http://www.gesetzeim -internet.de/bgb/BJNR001950896.html, zuletzt abgerufen am 24. Januar 2018. 3 Born in MüKo-BGB, 7. Auflage 2017, Vor § 1601, Rn. 1. 4 Born in MüKo-BGB, 7. Auflage 2017, § 1601, Rn. 5. 5 Born in MüKo-BGB, 7. Auflage 2017, Vor § 1601, Rn. 14, 15. 6 OLG Düsseldorf, Düsseldorfer Tabelle; abrufbar unter http://www.olg-duesseldorf.nrw.de/infos/Duesseldorfer _Tabelle/Tabelle-2018/Duesseldorfer-Tabelle-2018.pdf, zuletzt abgerufen am 24. Januar 2018. 7 Born in MüKo-BGB, 7. Auflage 2017, § 1610, Rn. 86. 8 Gerhardt in Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 9. Auflage 2015, § 1, Rn. 1000. 9 Vgl. Düsseldorfer Tabelle, Anmerkungen 3 und 4. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 017/18 Seite 6 Beispiel 1 – Minderjähriges Kind: Ein bei seiner Mutter lebendes achtjähriges Kind, dessen Vater von der Mutter getrennt lebt und ein bereinigtes Nettoeinkommen von 2.500 EUR erzielt , hat nach der Düsseldorfer Tabelle (Zeile 3) einen monatlichen Bedarf von 439 EUR.10 2.3. Bedürftigkeit Nur wer seinen Bedarf nicht oder nicht ganz aus zurechenbaren eigenen Mitteln befriedigen kann ist bedürftig. Nur er ist unterhaltsberechtigt (§ 1602 BGB). Beispiel 1: Das Kind, das keine eigenen Einkünfte erzielt, ist in Höhe von 439 EUR pro Monat bedürftig.11 2.4. Leistungsfähigkeit Wer einen bestimmten Bedarf hat, den er aus eigenen zurechenbaren Mitteln nicht bestreiten kann, hat damit noch keinen entsprechenden Unterhaltsanspruch. Es kommt außerdem darauf an, ob der Anspruchsgegner leistungsfähig ist. Nicht unterhaltspflichtig ist nämlich nach § 1603 BGB derjenige, der bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Zu berücksichtigen ist dabei stets ein Betrag, der dem Anspruchsgegner in jedem Fall verbleiben muss (sog. Selbstbehalt ).12 Beispiel 1: Der erwerbstätige Vater hat gegenüber seinem minderjährigen Kind nach Anmerkung 5 der Düsseldorfer Tabelle einen Selbstbehalt von 1.080 EUR. Weil ihm dieser auch bei Abzug der 439 EUR bleibt (2.500 EUR – 439 EUR = 2.061 EUR > 1.080 EUR), ist er dem Kind in voller Höhe von 439 EUR zum Unterhalt verpflichtet. 2.5. Form des Unterhalts Nach § 1612 BGB ist der Unterhalt in Form einer Geldrente zu leisten. Dies gilt jedoch nur, wenn die Eltern des minderjährigen Kindes getrennt leben. Bei intakter Familie wird der Unterhalt durch Pflege und Erziehung gewährt. Leben die Eltern getrennt, hat der Elternteil, bei dem das Kind lebt, Unterhalt ebenfalls als Naturalunterhalt zu gewähren. Der andere Teil ist zur Zahlung der Geldrente verpflichtet (§ 1606 Abs. 3 S. 2, § 1612 BGB). 13 10 Handelt es sich um ein Einzelkind, kann dieser Betrag nach Anmerkung Ziff. 1 Abs. 2 der Düsseldorfer Tabelle höher sein, der Einfachheit halber wird hier aber mit dem sich aus der Tabelle ergebenden Wert gerechnet. 11 Hier wird das Kindergeld zu berücksichtigen sein (dazu unten 4.) 12 Born in MüKo-BGB, 7. Auflage 2017, Vor § 1601, Rn. 18; siehe auch Anmerkung Ziff. 5 der Düsseldorfer Tabelle . 13 Born in MüKo-BGB, 7. Auflage 2017, § 1612, Rn. 18. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 017/18 Seite 7 2.6. Ausnahmen und Einschränkungen Die Unterhaltsverpflichtung kann ausnahmsweise etwa gemäß § 1611 BGB entfallen, wenn sich der volljährige Unterhaltsberechtigte einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltspflichtigen schuldig gemacht hat. 3. Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes Auch volljährige Kinder können nach § 1601 BGB von ihren Eltern Unterhalt verlangen. Lebt das volljährige Kind von seinen Eltern getrennt, ist der Unterhalt in Form einer Geldrente zu leisten (§ 1612 Abs. 1 S. 1 BGB). Nach § 1610 Abs. 2 BGB umfasst der Unterhaltsanspruch die Kosten einer angemessenen Vorbildung für einen Beruf. Geschuldet wird eine Berufsausbildung, die der Begabung und den Fähigkeiten , dem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes am besten entspricht und sich in den Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern hält.14 Grundsätzlich bestimmt sich auch der Bedarf des volljährigen Kindes, einschließlich der Berufsvorbildungskosten , nach der Düsseldorfer Tabelle. Dies gilt aber nur, wenn das Kind noch im Haushalt eines Elternteils lebt. Verfügt das studierende Kind bereits über einen eigenen Haushalt, wird sein Lebensbedarf unabhängig vom Elterneinkommen mit einem Festbetrag angesetzt, der nach Anmerkung 7 Abs. 2 der Düsseldorfer Tabelle aktuell 735 EUR beträgt. Beispiel 2 – Volljähriges Kind: Das volljährige Kind zieht in eine andere Stadt und dort in eine eigene Wohnung, um ein Studium aufzunehmen. Es hat einen Bedarf von 735 EUR. Solange der Volljährige sich in der Ausbildung befindet, braucht er grundsätzlich keiner weiteren Tätigkeit nachzugehen. Er hat sich aber seine Ausbildungsvergütung auf den Bedarf anrechnen zu lassen.15 4. Berücksichtigung des Kindergeldes Die gesetzliche Regelung des Kindergelds ergibt sich aus §§ 1 ff. BKGG16. Für das erste Kind beträgt das Kindergeld 194 EUR (§ 6 BKGG). 14 Krumm, Das Studium zahlen meine Eltern! – Der Ausbildungsunterhalt für das nach der Schule erstmals studierende volljährige Kind, FamRZ 2014, 54. 15 Born, MüKo-BGB, 7. Auflage 2017, § 1602, Rn. 10, 16. 16 Bundeskindergeldgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 28.01.2009 (BGBl. I S. 142, 3177), zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes vom 23. Juni 2017 (BGBl. I, S. 1682); abrufbar unter https://www.gesetze-iminternet .de/bkgg_1996/BJNR137800995.html, zuletzt abgerufen am 24. Januar 2018. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 017/18 Seite 8 Das Kindergeld ist bei minderjährigen Kindern zur Leistung des Naturalunterhalts zu verwenden. Leben die Eltern getrennt, ist im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung die Hälfte des Kindergeldbetrages zu Gunsten des Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen. Entsprechend sind die Ausführungen unter 2.3. zu ergänzen: Beispiel 1: Das minderjährige Kind ist in Höhe von 439 EUR – 194 EUR / 2 = 342 EUR bedürftig . Nur in dieser Höhe ist der Vater nach Berücksichtigung des Kindergeldes unterhaltspflichtig . Das auf das volljährige Kind entfallende Kindergeld ist nach § 1612b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB in voller Höhe zur Deckung seines Barbedarfs zu verwenden. Seine Bedürftigkeit ist damit in Höhe des Kindergeldes gemindert. Gegenüber seinen Eltern hat das Kind einen Anspruch auf Auskehr des Kindergeldes in entsprechender Anwendung des § 1601 BGB.17 Beispiel 2: Das studierende volljährige Kind mit eigenem Haushalt ist bei Berücksichtigung des Kindergelds in Höhe von 735 EUR – 194 EUR = 541 EUR bedürftig und folglich nur noch in dieser Höhe unterhaltsberechtigt. Es hat allerdings einen Anspruch auf Auskehr des Kindergeldes und damit im Ergebnis doch einen Anspruch auf Zahlung von 735 EUR. Der Anspruch auf Auskehr des Kindergeldes nach § 1601 BGB analog besteht unabhängig von der Bedürftigkeit des Kindes. Beispiel 2: Das studierende volljährige Kind mit eigenem Haushalt verfügt über eigene zu berücksichtigende bedarfsdeckende Einkünfte, ist somit nicht bedürftig und hat daher keinen Unterhaltsanspruch. Trotzdem ist ihm das Kindergeld von den Eltern in voller Höhe auszukehren. Dies gilt auch dann, wenn es sich bei den bedarfsdeckenden Einkünften des Kindes um BAFÖG- Leistungen handelt. Diese vermögen den Unterhaltsanspruch des Kindes zu mindern (dazu unten bei 6), nicht jedoch den Kindergeldauskehranspruch.18 Entfällt der Anspruch auf Kindergeld nach § 2 Abs. 2 Nr. 2, § 5 BKGG spätestens mit Vollendung des 25. Lebensjahres, so haben Kinder denselben unterhaltsrechtlich maßgebenden Bedarf wie zuvor. Sind die Eltern leistungsfähig, sind sie in voller Höhe unterhaltspflichtig. Ihre Unterhaltsleistung tritt gleichsam an die Stelle des Kindergeldes. Beispiel 2: Das studierende volljährige Kind mit eigenem Haushalt hatte bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres einen Unterhaltsanspruch in Höhe von 541 Euro (735 EUR Bedarf – 194 EUR Kindergeld) und daneben einen Anspruch auf Auskehr des Kindergeldes in Höhe von 194 Euro. Nach Vollendung des 25. Lebensjahres entfällt das Kindergeld und 17 OLG Stuttgart, Beschl. v. 20.01.2017 – 17 UF 193/16 – NJW 2017, 1184, juris-Rn. 15; Fabian, Die Familienrechtsklausur im Assessorexamen – Der Anspruch des volljährigen Kindes auf Ausbildungsunterhalt, JA 2018, 52. 18 Zum Vorrang des Kindergeldauskehranspruchs auch BGH, Urt. v. 17.01.2007 – XII ZR 166/04 – NJW 2007, 1747, juris-Rn. 29. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 017/18 Seite 9 dieses entfaltet somit auch keine bedarfsmindernde Wirkung mehr. Das Kind hat wieder einen Unterhaltsanspruch in Höhe von 735 Euro. Grundsätzlich bewirkt der Wegfall des Kindergeldes also keinen „Einkommensverlust“ für das Kind, da der Unterhaltsanspruch wieder in voller Höhe auflebt. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn die Eltern nicht in voller Höhe des Bedarfs des Kindes leistungsfähig sind und daher nicht den vollen Unterhalt schulden. Diese Unterhaltslücke kann nach Vollendung des 25. Lebensjahres nicht mehr (voll oder partiell) durch das Kindergeld geschlossen werden, was sich für das Kind einkommensmindernd auswirkt. Nach Vollendung des 25. Lebensjahres ist damit auch nicht mehr die „Tabelle Zahlbeträge“ im Anhang der Düsseldorfer Tabelle anwendbar. Diese Zahlbetragstabelle auf Seite 5 der Düsseldorfer Tabelle zeigt die Beträge auf, die nach Berücksichtigung des Kindergeldes zu zahlen sind. Entfällt das Kindergeld mit Vollendung des 25. Lebensjahres, so kann nicht mehr diese Tabelle herangezogen werden. Vielmehr ist der Unterhaltsbetrag nach den allgemeinen Vorgaben auf S. 1 ff. der der Düsseldorfer Tabelle zu ermitteln. Einen „Einkommensverlust“ stellt der Wegfall des Kindergeldes ferner dann dar, soweit die Eltern (z.B. wegen eigener Einkünfte des Kindes) keine Unterhaltsverpflichtung hatten, das Kindergeld also über den Unterhalt hinaus ausgekehrt wurde. 5. Berücksichtigung von Krankenversicherungsbeiträgen Die Kosten für die Krankenversicherung gehören auch bei Kindern zum gesamten für die Unterhaltsberechnung maßgebenden Lebensbedarf. Üblicherweise ist der gesetzliche Krankenversicherungsschutz durch den Anspruch des Unterhaltspflichtigen auf Familienhilfe (§ 10 SGB V) gedeckt . Deshalb sind die Kosten einer Krankenversicherung in den Unterhaltsbeträgen der Düsseldorfer Tabelle nicht enthalten.19 Bei fehlender Mitversicherung (z.B. bei Selbständigen, Beamten, Richtern) hat das Kind neben dem Tabellenunterhalt zusätzlich Anspruch auf Bezahlung des Krankenversicherungsbeitrages zur Privaten Krankenversicherung.20 In diesem Fall ist das Nettoeinkommen des in Anspruch Genommenen vor Anwendung der Tabelle um die Kosten der Krankenversicherung für das Kind zu bereinigen.21 Die Berücksichtigung der Krankenkassenbeiträge kann (muss aber nicht) Einfluss auf den monatlichen Bedarf des Kindes haben, je nachdem ob dadurch eine andere Zeile in der Düsseldorfer Tabelle maßgeblich ist. 19 Born in MüKo-BGB, 7. Auflage 2017, § 1610, Rn. 68, 92. 20 Siehe auch Anmerkung Ziff. 9 der Düsseldorfer Tabelle. 21 Born in MüKo-BGB, 7. Auflage 2017, § 1610, Rn. 68. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 017/18 Seite 10 Beispiel 3 – Private Krankenversicherung: a) Die Eltern des mitzuversichernden volljährigen Kindes verdienen 3850 EUR/Monat. Die Krankenkassenbeiträge für das Kind betragen 150 EUR/Monat. Das um diesen Betrag bereinigte Nettoeinkommen beträgt 3700 EUR/Monat. Das Kind hat nach Zeile 6 der Düsseldorfer Tabelle einen Bedarf von 675 EUR/Monat. b) Die Eltern des mitzuversichernden volljährigen Kindes verdienen 3550 EUR/Monat. Die Krankenkassenbeiträge für das Kind betragen 150 EUR/Monat. Das um diesen Betrag bereinigte Nettoeinkommen beträgt 3400 EUR/Monat. Das Kind hat nach Zeile 5 der Düsseldorfer Tabelle einen Bedarf von 633 EUR/Monat. Würde das Nettoeinkommen nicht um die Krankenkassenbeiträge bereinigt, ergäbe sich ein Bedarf von 675 EUR/Monat (Zeile 6 der Düsseldorfer Tabelle). Berücksichtigung von Leistungen nach dem BAföG22 6. Berücksichtigung von Leistungen nach dem BAföG Unterhaltsansprüche nach dem BGB haben keinen Vorrang vor Leistungen nach dem BAföG. Vielmehr können umgekehrt Ansprüche nach dem BAföG den Bedarf des Kindes und damit dessen Unterhaltsanspruch mindern (6.1.). Diese Wirkung relativiert sich jedoch wieder dadurch, dass bei der Berechnung des BAFÖG-Anspruchs grundsätzlich das Einkommen der Eltern oberhalb bestimmter Freibeträge anspruchsmindernd wirkt. Bei einem entsprechend hohen Einkommen der Eltern besteht also schon kein BAFÖG-Anspruch, der dann den Unterhaltsanspruch des Kindes mindern könnte. Das Kind muss sein Studium dann im Ergebnis doch (hauptsächlich) mithilfe des Unterhaltsanspruchs finanzieren (6.3.). 6.1. Verhältnis von Unterhalt und BAföG Zuwendungen Dritter, die ohne Rechtsanspruch gewährt werden, sollen dem Zuwendungsempfänger allein zugutekommen und wirken sich deshalb grundsätzlich nicht anspruchsmindernd auf das Unterhaltsrechtsverhältnis aus.23 Anders liegt es bei Leistungen nach dem BAföG, da auf diese ein Rechtsanspruch des Kindes besteht und sie durchaus auch den Zweck haben, den Unterhaltsverpflichteten zu entlasten.24 Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 1 BAföG, der dem Auszubildenden einen Rechtsanspruch auf Leistungen nach dem BAföG nur zuerkennt, soweit ihm die für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen. Damit wird lediglich die Subsidiarität der BAföG-Leistungen gegenüber anderen Sozialleistungen zum 22 Bundesausbildungsförderungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1952; 2012 I S. 197), zuletzt geändert durch Art. 71 des Gesetzes vom 29. März 2017 (BGBl. I S. 626); abrufbar unter https://www.gesetze-im-internet.de/baf_g/BJNR014090971.html, zuletzt abgerufen am 24. Januar 2018. 23 Born in MüKo-BGB, 7. Auflage 2017, § 1602, Rn. 55. 24 BT-Drs. 14/4731, S .1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 017/18 Seite 11 Ausdruck gebracht, nicht eine gegenüber etwaigen Unterhaltsansprüchen des BAföG-Berechtigten .25 Folgerichtig werden Unterhaltsansprüche bzw. -leistungen auch nicht als Teil des den BAfö G-Anspruch mindernden Einkommens oder Vermögens (vgl. § 11 Abs. 2 S. 1 BAföG) des Auszubildenden angesehen. Denn nach § 21 Abs. 1 S 1 BAföG gilt als Einkommen die Summe der positiven Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1, Abs. 2 EStG26. Unterhaltsleistungen sind aber keine Einkünfte i.S.d. § 2 EStG (vgl. auch § 22 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 Alt. 3 EStG und so ausdrücklich auch § 21 Abs. 3 Nr. 4 BAföG).27 Unterhaltsleistungen der Eltern haben somit als solche keinen Einfluss auf die Höhe des BAföG-Anspruchs. Gleiches gilt für die Auskehrung von Kindergeld, weil auch diese Leistung kein Einkommen im Sinne des § 21 Abs. 1 BAföG darstellen, sondern Unterhaltsansprüchen vergleichbar ist (s.o. 4.). Die BAföG-Leistungen verringern vielmehr umgekehrt den Unterhaltsbedarf des BAföG-Berechtigten ganz oder teilweise und mindern deshalb seinen bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsanspruch gegenüber seinen Eltern. Dem steht nicht entgegen, dass BAföG-Leistungen darlehensweise gewährt werden.28 Dies ist dem Kind wegen der günstigen Darlehensbedingungen in der Regel zumutbar. Unterlässt das Kind bewusst die Stellung eines BAföG-Antrags, so ist in Höhe der BAföG-Leistungen ein fiktives Einkommen zu unterstellen.29 6.2. Elterneinkommen und BAföG-Anspruch Damit ein BAföG-Anspruch seine unterhaltsmindernde Wirkung entfalten kann, muss aber überhaupt ein BAföG-Anspruch entstanden sein. Ausgangspunkt für die Berechnung des BAföG-Anspruchs ist der sog. Bedarf.30 Dieser beträgt bei Hochschulstudenten, die nicht bei ihren Eltern wohnen, 649 Euro im Monat (§ 13 Abs. 1 Nr. 2, 25 Im Umkehrschluss zu Winkler in BeckOK-SozR, 46. Edition 2017, § 1 BAföG, Rn. 17. 26 Einkommenssteuergesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 08. Oktober 2008 /BGBl. I S. 3366, 3862), zuletzt geändert durch Art. 9 des Gesetzes vom 14. August 2017 (BGBl. I, S. 3214); abrufbar unter https://www.gesetze-im-internet.de/estg/BJNR010050934.html, zuletzt abgerufen am 24. Januar 2018. 27 Nacke in Blümich, 139. Auflage 2018, § 22 EStG, Rn. 83. 28 BGH, Urt. v. 19.06.1985 – Ivb ZR 30/84 – NJW 1985, 2331, juris-Rn. 8 ff. 29 OLG Schleswig, Urt. v. 24.08.2005 – 15 UF 75/05 – FamRZ 2006, 571, juris-Orientierungssatz 2, juris-Rn. 11. 30 Der Bedarfssatz ist alle zwei Jahre zu überprüfen und ggf. neu festzusetzen (§ 35 BAföG; vgl. ferner den entsprechenden BAföG-Bericht der Bundesregierung vom 14. Dezember 2017, BT-Drs. 19/275). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 017/18 Seite 12 Abs. 2 Nr. 2 BAföG).31 Von diesem Bedarf wird – jedenfalls im Grundsatz32 – das Einkommen der Eltern oberhalb bestimmter Freibeträge abgezogen (§ 11 Abs. 2 S. 1, § 25 BAföG). Das heißt, ein hohes Elterneinkommen führt tendenziell zu einer Verringerung oder gar zum Wegfall des BAföG-Anspruchs, so dass insoweit nichts da ist, das auf den Unterhaltsanspruch angerechnet werden könnte. Damit kommt es im Ergebnis – jedenfalls in den Fällen, in denen die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit der Eltern wegen ihres hohen Einkommens gesichert ist – doch zu einer Subsidiarität der sozialrechtlichen Ausbildungsförderung gegenüber dem Unterhaltsanspruch . Nur verwirklicht sich diese nicht direkt, über die Anrechnung des Unterhaltsanspruchs auf den BAföG-Anspruch, sondern indirekt in „einem besonderen rechtlichen Wechselspiel “ über die Anrechnung des Einkommens der Eltern auf den BAföG-Bedarf.33 Bei der Anrechnung des Einkommens auf den BAföG-Bedarf wird von der Summe der positiven Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1 und 2 des Einkommenssteuergesetzes ausgegangen (§ 21 Abs. 1 S. 1 BAföG). D.h., Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind in Abzug zu bringen.34 Darüber hinaus sieht das Gesetz weitere Abzüge vor, z.B. für die Einkommensteuer, Kirchensteuer und Gewerbesteuer (§ 21 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 BAföG) und für Sozialversicherungsbeiträge (§ 21 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 BAföG). 6.3. Beispiel für die Wechselwirkung zwischen BAföG und Unterhalt Die Wechselwirkung zwischen BAföG und Unterhalt – vermittelt auf der Seite des Unterhaltsanspruchs über den „Bedarf“, auf der Seite des BAföG-Anspruchs über das „Elterneinkommen“ – wird durch folgendes Beispiel veranschaulicht. Beispiel 2 – BAföG: Variante 1 (niedriges Elterneinkommen): Das gemäß § 21 BAföG bereinigte Einkommen der Eltern des studierenden Kindes beträgt 1.900 EUR. Variante 2 (hohes Elterneinkommen): Das gemäß § 21 BAföG bereinigte Einkommen der Eltern des studierenden Kindes beträgt 4.000 EUR. 31 Bei Studierenden, die nicht (mehr) über ihre Eltern gesetzlich krankenversichert sind, sondern selbst Beiträge in die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung entrichten müssen, erhöht er sich auf 735 Euro im Monat (§ 13a BAföG). Die Familienversicherung endet bei Studierenden grundsätzlich mit Vollendung des 25. Lebensjahres (§ 10 Abs. 2 Nr. 3 SGV), ab dann sind sie selbst beitragspflichtig (§ 5 Abs. 1 Nr. 9, Abs. 7 SGB V; § 20 Abs. 1 Nr. 9 SGV XI). 32 Zu den Ausnahmen siehe § 11 Abs. 2a, 3 BAföG. 33 Vgl. Doering-Striening in Scholz/Kleffmann/Motzer, Praxishandbuch Familienrecht, 32. Ergänzungslieferung 2017, Teil L, Rn. 280. 34 Winkler in BeckOK-SozR, 46. Edition 2017, § 21 BAföG, Rn. 16. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 017/18 Seite 13 Der BAföG-Bedarf des studierenden Kindes beträgt nach § 13 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 BAföG 649 EUR (399 EUR + 250 EUR). Nach § 25 Abs. 1 Nr. 1 BAföG ist ein Freibetrag von 1.715 EUR zu beachten. Nach § 25 Abs. 4 Nr. 1 BAföG ist das diesen Freibetrag übersteigende Einkommen von 185 EUR (1.900 EUR – 1.715 EUR) mit 50 vom 100 anzurechnen, so dass auf den Bedarf des Kindes (649 EUR) ein Betrag von 92,50 EUR (185 EUR : 2) anzurechnen ist. Nach § 25 Abs. 4 Nr. 1 BAföG ist das diesen Freibetrag übersteigende Einkommen von 2.285 EUR (4.000 EUR – 1.715 EUR) mit 50 vom 100 anzurechnen, so dass auf den Bedarf des Kindes (649 EUR) ein Betrag von 1.142,50 EUR (2.285 EUR : 2) anzurechnen ist. Das Kind hat damit einen Anspruch auf BAföG-Leistungen in Höhe von 556,50 EUR (649 EUR – 92,50 EUR). Das Kind hat damit keinen Anspruch auf BAföG-Leistungen (649 EUR – 1.142,50 EUR < 0 EUR). Bei der Berechnung des Unterhaltsanspruchs ist dieser BAföG-Betrag im Rahmen der Bedürftigkeit zu berücksichtigen. Nach Anmerkung 5 der Düsseldorfer Tabelle hat das Kind einen Bedarf von 735 EUR. Werden davon die BAföG-Leistungen (556,50 EUR) abgezogen, verbleibt ein Unterhaltsanspruch in Höhe von 178.50 EUR (735 EUR – 556,50 EUR). Wird von den Eltern das Kindergeld in voller Höhe ausgekehrt (194 EUR), so besteht kein Anspruch auf Unterhalt nach § 1601 BGB (178.50 EUR – 194 EUR < 0 EUR). Insgesamt hat das Kind Anspruch auf 750,50 EUR (556,50 EUR BAföG + 194 EUR Kindergeld). Nachdem keine BAföG-Leistungen gewährt werden und das Kindergeld (194 EUR) an das Kind ausgekehrt wurde, hat das Kind einen Unterhaltsanspruch in Höhe von 541 EUR (735 EUR – 194 EUR) gegen seine Eltern . Insgesamt hat das Kind Anspruch auf 735,00 EUR (541 EUR Unterhalt + 194 EUR Kindergeld). ***