© 2014 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 017/14 Allgemeine Haftungsfragen im Zusammenhang mit dem Kältemittel R1234yf Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 017/14 Seite 2 Allgemeine Haftungsfragen im Zusammenhang mit dem Kältemittel R1234yf Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 017/14 Abschluss der Arbeit: 11. Februar 2014 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 017/14 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 1.1. Inhaltliche Festlegungen der Richtlinie 4 1.2. Umsetzung in das nationale Recht 4 1.3. Kühlmittelstreit 5 2. Stand des Verfahrens gegen die Bundesrepublik Deutschland 6 2.1. Position der Kommission 6 2.2. Bisherige Position der Bundesregierung 7 2.3. Zwischenergebnis 8 3. Nationale Haftungsfragen 8 3.1. Zivilrechtliche Haftung 8 3.1.1. Voraussetzungen der Produkthaftung 8 3.1.2. Ausschluss der Produkthaftung 9 3.1.3. Haftung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch 10 3.1.4. Schadensfreizeichnung des Herstellers 11 3.2. Strafrechtliche Sanktionen 11 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 017/14 Seite 4 1. Einleitung Hintergrund der Ausarbeitung ist das europäische Sekundärrecht in Form einer Richtlinie zum Klimaschutz in den Mitgliedsstaaten. Es geht um die EU-Richtlinie 2006/40/EG (MAC- Richtlinie)1, deren Umsetzung ins nationale Recht und die Auswirkungen der inhaltlichen Vorgaben . 1.1. Inhaltliche Festlegungen der Richtlinie Die EU-Richtlinie 2006/40/EG wurde mit dem Ziel erlassen, die Treibhausgase in den Mitgliedstaaten zu senken. Dabei soll die Richtlinie unter Beachtung der Klimaschutzziele des Protokolls von Kyoto2 die Zulassungsvoraussetzungen an in Kraftfahrzeuge eingebaute Klimaanlagen festlegen . Klimaanlagen, die dafür ausgelegt sind fluorierende Treibhausgase mit einem Treibhauspotential (GWP-Wert) von über 150 zu enthalten, werden durch die MAC-Richtlinie faktisch verboten 3. Aus Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie 2006/40/EG ergibt sich, dass ab dem 01. Januar 2011 Kraftfahrzeuge , deren Klimaanlagen einen GWP-Wert von 150 übersteigen in den Mitgliedstaaten keine Genehmigung für diesen Fahrzeugtyp erhalten dürfen. Alle neu zuzulassenden Fahrzeuge müssen die treibhausgassenkenden Regularien einhalten4. 1.2. Umsetzung in das nationale Recht Die Umsetzung der Richtlinie 2006/40/EG erfolgte auf nationaler Ebene im Jahr 2012 durch die Siebenundvierzigste Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften (47. StVRÄndV) vom 10. Mai 20125. Hierdurch wurde die Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO)6 um einen § 46e „Genehmigung, Nachrüsten und Nachfüllen von Klimaanlagen“ ergänzt . Demnach müssen Kraftfahrzeuge mit Klimaanlagen ab dem 01. Juni 2012 die Vorgaben der Richtlinie beachten. In Art. 1 Nr. 8 b) 6. der 47. StVRÄndV wird bestimmt, wie der neue § 47e StVZO genau anzuwenden ist7. Durch den nationalen Umsetzungsakt wurden die klima- 1 Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Emissionen aus Klimaanlagen in Kraftfahrzeugen (2006/40/EG), in der Fassung der Bekanntmachung vom 17.05.2006 (ABl. L 161 vom 14.6.2006, S. 12). Diese Richtlinie wird von der Europäischen Kommission auch als MAC („Mobile air condition systems“)-Richtlinie bezeichnet. 2 Protokoll von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (1997), im Internet als PDF abrufbar, unter: http://www.bmub.bund.de/fileadmin/bmuimport /files/pdfs/allgemein/application/pdf/protodt.pdf. 3 Vgl. ausführlich zum Inhalt der Richtlinie 2006/40/EG den Sachstand „Rechtslage beim Einsatz des Kältemittels 1234yf“ (Stand: 30.11.2012), beigefügt als Anlage 1. 4 Vgl. Sachstand „Rechtslage beim Einsatz des Kältemittels 1234yf“(Fn. 3), Punkt 2.1. 5 Siebenundvierzigste Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 10.05.2012 (BGBl I S. 1086). 6 Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO), vom 26.04.2012 (BGBl. I S. 679)- 7 Vgl. ausführlich zum Inhalt des nationalen Umsetzungsaktes und der Richtlinienkonformität dieser Vorschrift den Sachstand „Rechtslage beim Einsatz des Kältemittels 1234yf“ (Fn. 2), Punkt 2.3. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 017/14 Seite 5 schutzrechtlichen Vorgaben im Hinblick auch die Klimaverträglichkeit von Klimaanlagen in das deutsche Recht integriert. 1.3. Kühlmittelstreit Mit den Regelungen der Richtlinie 2006/40/EG sowie mit nationalem Recht in Umsetzung dieser Vorgaben ist das bisher gebräuchliche Kältemittel R134a nicht mehr vereinbar. Nach dem EU Recht muss dieses Mittel bis Ende 2016 vom Markt genommen werden8. Zunächst kündigte die deutsche Automobilindustrie 2007 an, künftig Kohlenstoffdioxid als Kältemittel einsetzen zu wollen, um den Umweltansprüchen der Richtlinie gerecht zu werden. Ein Jahr später schwenkte die nationale Automobilindustrie dazu um, wie weltweit angestrebt, die von dem US- Chemiekonzern Honeywell und Dupont entwickelte Chemikalie R 1234yf verwenden zu wollen9. Die EU-Richtlinie verfolgt das schrittweise Verbot des Kältemittels R134a für Klimaanlagen in neuen Kraftfahrzeugen.10 Nach Medienberichten gestattete das Kraftfahrtbundesamt (KBA) im Jahr 2013 der Daimler AG, die das in Europa erlaubte Mittel R1234yf aufgrund eigener Tests für feuergefährlich hält, eine nachträgliche Änderung der Fahrzeugzulassung. Unter der alten Genehmigung konnte das bisherige Kältemittel R134a für eine Übergangszeit weiter zum Einsatz kommen11. Um die Durchsetzung des Europarechts sicherzustellen, ist die Europäische Kommission deshalb Ende Januar 2014 gegen Deutschland (sowie Großbritannien, Belgien und Luxemburg ) tätig geworden12. Im Folgenden soll zunächst der aktuelle Stand dieses Verfahrens, die Position der Kommission und der Bundesregierung hierzu dargestellt werden. Im Anschluss daran soll in diesem Zusammenhang abstrakt etwaigen Haftungsfragen nach nationalem Recht nachgegangen werden. Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages können nach Ziffer 1.8 ihrer Verwaltungsanweisung keine Stellungnahme zu konkreten Einzelfällen abgeben. Haftungsfragen auf europäischer Ebene werden gesondert durch das Referat PE 6 dargestellt. 8 Vgl. Artikel „EU greift in Kältemittelstreit ein“, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.01.2014. 9 Vgl. Trauthin „Die Wahl zwischen Pest und Cholera“, in: Stuttgarter Zeitung, 22.01.2014; vgl. ausführlich zum bisherigen Verlauf der Verhandlungen zwischen Deutschland und der Europäischen Kommission die Presseerklärung der Europäischen Kommission „Kältemittel in mobilen Klimaanlagen (MAC) – Stand der Dinge“ (Memo/14/50), im Internet als PDF abrufbar unter: http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-14-50_de.htm (Stand: 23.01.2014). 10 Vgl. Wille „Unterkühlte Stimmung“, in: Frankfurter Rundschau, 24.01.2014. 11 Vgl. Artikel „EU-Verfahren gegen Deutschland“, Die Welt, 24.01.2014. 12 Vgl. Stellungnahme der Europäischen Kommission „Refrigerants used in mobile air condition systems (MAC) – Questions and Answers“, Frage 5, im Internet als PDF abrufbar unter: http://ec.europa.eu/enterprise/sectors/automotive/files/environment/mac/mac-q-and-a-january-2014_en.pdf (Stand: 23.01.2014). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 017/14 Seite 6 2. Stand des Verfahrens gegen die Bundesrepublik Deutschland Aufgrund der dargestellten Vorgehensweisen bei der Erteilung von Typengenehmigungen durch das KBA hat der zuständige Industriekommisssar Antonio Tajani erstmalig im März 2013 mit dem damaligen Bundesverkehrsminister Kontakt aufgenommen, um deutlich zu machen, dass für Ausnahmen von den klimaschutzrechtlichen EU-Vorgaben die rechtlichen Gründe fehlen13. Ende Januar 2014 hat die Europäische Kommission ein Mahnschreiben an die Bundesrepublik Deutschland gerichtet. Innerhalb dieses Vorverfahrens zum eigentlichen Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union14 kann die Bundesregierung Stellung nehmen. Sollte die Kommission danach nicht der Auffassung der Bundesrepublik Deutschland folgen, eröffnet sie formal das Vertragsverletzungsverfahren15. Es wurde insoweit bereits klargestellt, dass ein Verfahren nicht automatisch zu einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof führt, sondern es kann auch jederzeit eingestellt werden16. Sollte die EU-Kommission sich am Ende durchsetzen und das Vertragsverletzungsverfahren erfolgreich sein, könnte es nach einer Presseberichterstattung dazu kommen, dass die Daimler AG einige Kraftfahrzeuge, in denen das alte Kühlmittel R134a weiterverwendet wurde, zurückrufen müsste 17. 2.1. Position der Kommission Die Europäische Kommission ist der Auffassung, die Durchsetzung der Klimaziele der MAC- Richtlinie und die Gewährleistung fairer Wettbewerbsbedingungen im gesamten Binnenmarkt der EU erfordere das Einschreiten der Kommission gegen Deutschland. Es bedürfe der Aufforderung an die deutschen Behörden, die Anwendung der Richtlinie für die von einem deutschen Hersteller produzierten Fahrzeuge vollumfänglich zu gewährleisten. Die Kommission betont ausdrücklich , dass die MAC-Richtlinie - was die zu verwendenden Technologien angeht - neutral formuliert sei. Sie schreibe nicht vor, welches konkrete System oder Kühlmittel in mobilen Klimaanlagen zu verwenden sei und habe auch keine Präferenzen betreffend der technischen Lösung zur Umsetzung der Richtlinie. Die Richtlinie selbst schlage kein spezifisches Kühlmittel für die Erfüllung ihrer Vorgaben vor. Die Wahl des Mittels läge allein in der Verantwortung der Automobilindustrie . Die einzige rechtlich bindende Vorgabe ist das schrittweise Verbot des klimaschädlichen Kühlmittels R134a18. Nach eigenen Angaben diskutierte die Kommission mit Deutschland einen Ausgleichsplan für solche Fahrzeuge, die nicht im Einklang mit der Richtlinie 13 Vgl. Ziedler „Rechtsstreit um Kältemittel“, in: Der Tagesspiegel, Berlin, 22.01.2014. 14 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, in der Fassung der Bekanntmachung vom 09.05.2008 (ABl. Nr. C 115 S. 47). 15 Vgl. Artikel „EU verschärft den Streit um Kühlmittel im Auto“, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.01.2014. 16 Vgl. Artikel (Fn. 8). 17 So Wille „Unterkühlte Stimmung“, in: Frankfurter Rundschau, 24.01.2014. 18 „In other words, the Commission does not force or mandate the use of refrigerant R1234yf.(…) This choice is of the sole responsibility of vehicle manufacturers.” Vgl. Stellungnahme der Europäischen Kommission (Fn. 12), Frage 2. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 017/14 Seite 7 stehen und von der Daimler AG auf den Markt gebracht wurden. Allerdings sei dieser monetäre Ausgleichsplan aus verschiedenen Gründen, beispielsweise mangels rechtlicher Grundlagen, unzureichend.19. Die Kommission hat die Diskussion im Hinblick auf die mögliche Gefährlichkeit des verwendeten europarechtskonformen Kühlmittels R1234yf verfolgt. Diese Gefahren seien aber schon lange bekannt und außerdem mit verschiedenen technischen Mitteln eingrenzbar. Angesichts der seitens verschiedener Interessengruppen durchgeführten Test zu den Gefahren von R1234yf will die Kommission die Ergebnisse durch das Joint Research Centre (JRC) überprüfen lassen. Das JRC hatte aufgrund früherer Analysen bereits bestätigt, dass mit technischen Mittel die Gefahren eingedämmt werden könnten20. 2.2. Bisherige Position der Bundesregierung Die Bundesregierung wurde schon mehrfach mit der Problematik um das Kühlmittel R1234yf befasst. Zuletzt richtete sich eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE zum Thema „Mögliche Gefährdungen durch das Kfz-Kältemittel HFO-1234yf“21 an die Bundesregierung. Eine Beantwortung erfolgte am 28. Februar 201322. In der Anfrage ging es um allgemeine umweltschädlichen Auswirkungen des Kältemittels R1234yf. Die Bundesregierung bestätigt in Beantwortung der Frage neun, dass Erkenntnisse dazu vorliegen, dass sich das Kühlmittel an heißen Oberflächen zu dem giftigen Fluorwasserstoff zersetzen kann, ohne dass es zuvor zu einem Brand kommt. Die Notwendigkeit weiterer Untersuchungen wurde zu diesem Zeitpunkt weiter geprüft. Im gleichen Jahr stellte sich die Bundesregierung hinter die umstrittenen Typengenehmigungen durch das KBA betreffend die Daimler AG. In einem Schreiben damalige Bundesverkehrsministers hieß es „Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass die von der Daimler AG beantragte Typengenehmigung um zusätzliche Varianten rechtmäßig ist“23. In der Sitzung des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union am 12. Februar 2014 teilte die Vertreterin der Bundesregierung den Vorwurf der Kommission nicht, die Daimler AG habe mit ihrem Antrag auf Erweiterung der Typengenehmigung gegen die Klimaanlagen- Richtlinie verstoßen. Diese Rechtsposition wolle man auf EU-Ebene jetzt vermitteln. Für eine entsprechende Stellungnahme habe die Bundesregierung zwei Monate Zeit. Sie fügte hinzu, dass das Thema Sicherheit für die Bundesregierung oberste Priorität habe und diese den Vorgang daher sehr ernst nehme. Bis zum Jahr 2016 könnten alle Klimaanlagen in Kraftfahrzeugen auf CO2 19 „Pay for disrespecting the law“, vgl. Stellungnahme der Europäischen Kommission (Fn. 12), Frage 4. 20 Vgl. Stellungnahme der Europäischen Kommission (Fn. 12), Frage 6. 21 Vgl. Drucksache des Deutschen Bundestages „Kleine Anfrage der Abgeordneten Ralph Lenkert, Eva Bulling- Schröter, Dorothee Menzer, Jens Petermann, Sabine Stüber und der Franktion DIE LINKE (17/12322 vom 11.02.2013). 22 Vgl. Drucksache des Deutschen Bundestages „Antwort der Bundesregierung“ auf die oben genannte Anfrage (17/12566). 23 Vgl. Delhaes/Schneider „Hilfe aus Berlin“, in: Handelsblatt, 19.08.2013. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 017/14 Seite 8 umgerüstet werden. In dieser Übergangszeit könnte es sicherer sein, das Kältemittel R134a einzusetzen .24 Eine formale Äußerung zu dem von der Kommission eingeleiteten Verfahren steht bislang noch aus. Die Bundesregierung hat zwei Monate Zeit zur Stellungnahme. 2.3. Zwischenergebnis Wie sich das Verfahren der Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland im Hinblick auf den Einsatz der entsprechenden Kältemittel entwickelt, bleibt im Hinblick auf noch zu treffende sachverständige Feststellungen offen. Insbesondere in Anbetracht der unterschiedlichen Einschätzungen zur Gefährlichkeit des den europarechtlichen Vorgaben entsprechenden Kühlmittels R1234yf, kann derzeit keine Prognose zum Ausgang des Verfahrens abgegeben werden. Es sind weitere Testergebnisse sowie Sachverständigengutachten auch seitens der Kommission abzuwarten , die von Einfluss auf die weiteren Entscheidungen sein können. 3. Nationale Haftungsfragen Mögliche hypothetische Haftungsfragen im Hinblick auf die Verursachung von Schäden konkret durch das Kältemittel R1234yf sind einer juristischen Betrachtung nur äußerst eingeschränkt zugänglich . Auch ist es den Wissenschaftlichen Diensten des Deutschen Bundestages nicht möglich , im Einzelfall Haftungsfragen mit Bezug zu dem Verhalten privater Aktiengesellschaften einer juristischen Bewertung zuzuführen. Unabhängig hiervon kann daher nur allgemein die Herstellerhaftung im Falle einer Schädigung (insbesondere von Personen) auf nationaler Ebene dargestellt werden. 3.1. Zivilrechtliche Haftung 3.1.1. Voraussetzungen der Produkthaftung Geht es um den Ersatz von Schäden, die aufgrund der Fehlerhaftigkeit eines Produktes entstanden sind, kann sich ein Anspruch des Geschädigten gegen den Hersteller des Produktes grundsätzlich aus § 1 des Produkthaftungsgesetzes25 ergeben. Die Haftung nach dem ProdHaftG besteht unabhängig von einer vertraglichen Vereinbarung zwischen Schädiger und Opfer. Außerdem werden nicht nur unmittelbare Vertragspartner, sondern auch Dritte geschützt26. Es handelt sich um eine verschuldensunabhängige Haftung des Herstellers, beruhend allein auf der Fehlereigenschaft des Produktes27. 24 hib - heute im bundestag Nr. 067/2014. 25 Gesetz über die Haftung für fehlerhafte Produkte (Produkthaftungsgesetz - ProdHaftG), in der Fassung der Bekanntmachung vom 15.12.1989 (BGBl. I S. 2198). 26 Bachmeier, in: Bachmeier, Rechtshandbuch Autokauf, 2. Auflage 2013, Kapitel 5 (Produkthaftung), § 1 Rdnr. 1824. 27 Bachmeier, in: Rechtshandbuch Autokauf (Fn. 25), Kapitel 5, § 1Rdnr. 1824. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 017/14 Seite 9 Reine Vermögensschäden fallen nicht in den Schutzbereich des ProdHaftG28. Dem Grundsatz nach geht es um Verletzung der in § 1 Abs. 1 Satz 1 ProdHaftG genannten Rechtsgüter (Leben, Körper, Gesundheit). Die reine Sachbeschädigung wird durch Satz 2 besonderen Einschränkungen unterworfen. Die Definition eines Produktes findet sich in § 2 ProdHaftG. Unproblematisch zählen hierzu bewegliche Sachen (i.S.d § 90 BGB), aber auch Flüssigkeiten und Gase, sofern diese Stoffe räumlich abgrenzbar sind. Insoweit kommt nicht auf die sinnliche Wahrnehmbarkeit bzw. den Aggregatzustand an29. Wann ein solches Produkt fehlerhaft i. S. d. ProdHaftG ist, bestimmt § 3 ProdHaftG: „(1) Ein Produkt hat einen Fehler, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere a) seiner Darbietung, b) des Gebrauchs, mit dem billigerweise gerechnet werden kann, c) des Zeitpunkts, in dem es in den Verkehr gebracht wurde, berechtigterweise erwartet werden kann. (2) Ein Produkt hat nicht allein deshalb einen Fehler, weil später ein verbessertes Produkt in den Verkehr gebracht wurde.“ Demnach ist ein Produkt fehlerhaft, wenn es nicht den berechtigten Sicherheitserwartungen entspricht 30. Entscheidend ist der Gebrauch, „mit dem billigerweise gerechnet werden kann“, aber auch der bestimmungswidrige Fehlgebrauch des Produkts, wenn dieser vorhersehbar oder üblich ist. Der Hersteller hat das Produkt so zu gestalten, dass es auch bei solchen Verwendungsformen das geforderte Sicherheitsniveau bietet31. Demnach würde im Hinblick auf einen Pkw beispielsweise auch ein Unfallszenario als typischer Gebrauch eingeordnet werden können. Wer Hersteller ist, regelt § 4 ProdHaftG. Demnach ist Hersteller nicht nur derjenige, der das Endprodukt hergestellt hat, sondern auch die Produzenten eines Grundstoffes oder Teilproduktes. Es kann sich bei einem Nebeneinander mehrerer Verantwortlicher eine gesamtschuldnerische Haftung nach § 5 ProdHaftG ergeben. 3.1.2. Ausschluss der Produkthaftung Eine Haftung nach den benannten Voraussetzungen kann unter anderem nach § 1 Abs. 2 Nr. 4 ProdHaftG ausgeschlossen sein, wenn: 28 Wagner, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 5, 6. Auflage 2013, ProdHaftG § 1 Rdnr. 3. 29 Wagner, in: Münchener Kommentar (Fn. 27), ProdHaftG § 2 Rdnr. 3. 30 Wagner, in: Münchener Kommentar (Fn. 27), ProdHaftG § 3 Rdnr. 4. 31 Wagner, in: Münchener Kommentar (Fn. 27), ProdHaftG § 3 Rdnr. 20. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 017/14 Seite 10 „4. der Fehler darauf beruht, dass das Produkt in dem Zeitpunkt, in dem der Hersteller es in den Verkehr brachte, dazu zwingenden Rechtsvorschriften entsprochen hat, (…)“. Kann danach der Hersteller nachweisen, dass er aufgrund zwingender Rechtsvorschriften gehalten war das Produkt so und nicht anders herzustellen, entfällt seine Verantwortlichkeit. Dieser Ausschlusstatbestand ist auf die Fälle zu reduzieren, in denen sich der Hersteller in einem wirklichen Konflikt Gesetzesloyalität und Haftung befindet32. Unter zwingende Rechtsvorschriften dieser Art sind auch Rechtsverordnungen zu fassen. Damit fällt auch § 46e StVZO, durch den die Vorgaben der Richtlinie 2006/40/EG ins deutsche Recht umgesetzt wurden, grundsätzlich unter diese Norm. Allerdings muss für das Eingreifen des Haftungsausschlusses im Einzelfall geprüft werden, „ob die betreffende Vorschrift dem Hersteller eine konkrete Beschaffenheit seiner Fahrzeuge bindend vorschreiben, so dass für ihn keine Möglichkeit der Abweichung besteht, er also vor der Wahl steht, das Produkt entweder so oder gar nicht herzustellen“33. Einer Haftung nach dem ProdHaftG kann der Hersteller im Vorfeld eines Schadenseintritts vorbeugen , indem er ein Produkt zurückruft, das sich nach dem Inverkehrbringen zumindest potentiell als gefährlich herausstellt. Den Hersteller trifft insoweit eine Produktbeobachtungspflicht hinsichtlich seiner Produkte. Diese Pflicht trifft den Zulieferer für seinen Verantwortungsbereich in gleicher Weise, sodass auch er ggf. einen Rückruf durchzuführen hat34. Für Kraftfahrzeuge beruhen solche Rückrufaktionen nicht allein auf der Freiwilligkeit der Hersteller. Vielmehr ist in diesen Fällen das KBA zusätzlich zur Überwachung aufgerufen35. 3.1.3. Haftung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch Vorrangig kommen verschuldensabhängige (Schadensersatz-)Ansprüche wegen Sachmängeln nach dem Gewährleistungsrecht in Betracht. Dafür muss der Kaufgegenstand schon bei Gefahrübergang , also bei Übergabe, einen Sachmangel i. S. d. § 434 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)36 aufweisen. Sachmängel und Fehler i. S. d. Produkthaftungsrechts unterscheiden sich zum einen im Fehlerbegriff und zum anderen hinsichtlich des betroffenen Personenkreises. Grundlage des Vergleichs zwischen der Soll- und der Ist-Beschaffenheit bei der Sachmängelgewährleistung ist die Parteivereinbarung. Nur wenn es an einer vertraglichen Beschaffenheitsabrede fehlt (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB), spielen Publikumserwartung und Werbeaussagen eine Rolle37. Die Gewährleistungsansprüche können nur gegenüber dem Verkäufer geltend gemacht 32 Wagner, in: Münchener Kommentar (Fn. 27), ProdHaftG § 1 Rdnr. 42. 33 Wagner, in: Münchener Kommentar (Fn. 27), ProdHaftG § 1 Rdnr. 44. 34 Veltins, in: Hauschka, Corporate Compliance, 2. Auflage 2010, § 24 Rdnr. 16. 35 Vgl. genauer zu den Kompetenzen des KBA im Hinblick auf Rückrufaktionen Bachmeier, in: Rechtshandbuch Autokauf (Fn. 25), Rdnr. 1840-1842. 36 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), in der Fassung der Bekanntmachung vom 02.01.2002 (BGBl. I S. 42, ber. S. 2909 und BGBl. 2003 I S. 738). 37 Bachmeier, in: Rechtshandbuch Autokauf (Fn. 25), Kapitel 5, § 1Rdnr. 1824. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 017/14 Seite 11 werden und im Normalfall nicht gegenüber dem Hersteller. Hinsichtlich der regelmäßig kurzen Verjährungsfrist nach § 434 Abs. 1 Nr.3 BGB stellt eine Dauer von zwei Jahren im Hinblick auf die Nutzungsdauer von Kraftfahrzeugen keine sehr lange Zeit für die Inanspruchnahme dar38. Zusätzlich kommt eine verschuldensabhängige deliktische Haftung des Geschädigten gegen den Hersteller nach § 823 Abs. 1 BGB in Betracht, insbesondere wegen der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten in Form von Produktbeobachtungspflichten39. In Betracht zu ziehen ist ebenfalls die Haftung wegen Verletzung eines Schutzgesetzes nach § 823 Abs. 2 BGB. In diesem Zusammenhang stellt beispielweise das Geräte- und Produktsicherungsgesetz (GPSG)40 ein Schutzgesetz dar, dessen Verletzung die Haftung nach Abs. 2 auslöst41. 3.1.4. Schadensfreizeichnung des Herstellers Wird ein Hersteller vom Geschädigten aufgrund der benannten Haftungstatbestände in Anspruch genommen, stellt sich für ihn die Frage ob er sich in irgendeiner Form gegenüber Dritten schadlos halten kann. Im Hinblick auf zu erfüllende Schadensersatzansprüche oder entstehender Kosten für einen durchgeführten Rückruf können dem Hersteller Regressansprüche gegen seine Zulieferer aus § 812 BGB, Geschäftsführung ohne Auftrag (nach den §§ 677 ff. BGB) oder im Rahmen des Gesamtschuldnerausgleichs nach §§ 840, 426 BGB zustehen42. Bei Bestehen einer Produkthaftpflichtversicherung, als Form der privaten Haftpflichtversicherung kann sich der Hersteller auch an seine Versicherung halten. Bei dieser Versicherung handelt es sich um eine Zusatzdeckung innerhalb der Betriebshaftpflichtversicherung, welche mit besonderen Versicherungssummen und Selbstbeteiligungen belegt ist. Dabei sind vom Versicherungsschutz mit umfasst Schadensersatzansprüche Dritter auf den Ersatz reiner Vermögensschäden43. 3.2. Strafrechtliche Sanktionen Unter bestimmten Umständen können für das entsprechende Unternehmen handelnde Personen auch strafrechtliche Konsequenzen drohen, wenn sie im Hinblick auf eines von ihnen hergestellten Produktes eine bestimmte produktbezogene Gefahr kennen, diese aber ignorieren und das 38 Bachmeier, in: Rechtshandbuch Autokauf (Fn. 25), Kapitel 5, § 2 Rdnr. 1843. 39 Vgl. hierzu im Einzelnen Bachmeier, in: Rechtshandbuch Autokauf (Fn. 25), Kapitel 5, § 2 Rdnr. 1865-1867 und ausführlich Wagner, in: Münchener Kommentar (Fn. 27), § 823 Rdnr. 671 ff. 40 Gesetz über technische Arbeitsmittel und Verbraucherprodukte (Geräte- und Produktsicherheitsgesetz - GPSG), in der Fassung der Bekanntmachung vom 06.01.2004 (BGBl. I S. 2, ber. S. 219). 41 Bachmeier, in: Rechtshandbuch Autokauf (Fn. 25), Kapitel 5, § 2 Rdnr. 1873, 1874. 42 Veltins, in: Hauschka, Corporate Compliance (Fn. 34), § 24 Rdnr. 16. 43 Vgl. hierzu im einzelnen Stempfle, in: Terbille/Höra, Münchener Anwaltshandbuch Versicherungsrecht, 3. Auflage 2013, § 13 Produkthaftpflichtvericherung. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 017/14 Seite 12 Produkt weiter vermarkten. Dies verdeutlicht beispielsweise das sog. Erdal-Urteil44. Nach diesem Urteil sind die entsprechend verantwortlichen Personen, die ein gesundheitsgefährdendes Produkt in den Verkehr bringen, zur Schadensabwendung und damit zum Rückruf verpflichtet. Falls sie dieser Pflicht schuldhaft nicht nachkommen, können sie für dadurch verursachte Schadensfolgen auch strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden45. Nach dem Erdal-Urteil verkaufte das Unternehmen ein Lederspray, das unter bestimmten Voraussetzungen hoch toxisch wirkte. Das Unternehmens-Management startete keinen Rückruf, obwohl es aufgrund von Reklamationen von diesem Umstand wusste. Die Verantwortlichen wurden wegen fahrlässiger Körperverletzung wegen vorsätzlicher gefährlicher Körperverletzung durch Unterlassen verurteilt. 44 BGH, Urteil vom 06.06.1990 (2 StR 549/89), vgl. juris Leitsätze und Rdnr. 26 ff. 45 BGH, Urteil vom 06.06.1990 (2 StR 549/89), vgl. juris Rdnr. 31.