© 2018 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 016/18 Warentests und Testsiegel im geltenden Lauterkeitsrecht Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 016/18 Seite 2 Warentests und Testsiegel im geltenden Lauterkeitsrecht Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 016/18 Abschluss der Arbeit: 2. Februar 2018 Fachbereich: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 016/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Gesetzlicher Rahmen 4 3. Anforderungen an Tests 5 4. Abgrenzung zum Warenvergleich 6 5. Fazit 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 016/18 Seite 4 1. Einleitung Warentests und gegebenenfalls darauf basierenden Testsiegeln kommt beim Absatz von Waren gegenüber Verbrauchern eine erhebliche Bedeutung zu.1 Für Unternehmen ist es deshalb reizvoll, den Absatz von Produkten mit Hinweisen auf entsprechende positive Testergebnisse zu fördern.2 Korrelierend damit existiert ein Markt für Warentests und Testsiegel, in dem unterschiedliche Testanbieter konkurrieren. Medienberichten zufolge kam es mit Bezug auf diesen Bereich in der jüngeren Vergangenheit zu Abmahnungen von so genannten „Fake-Test-Seiten“ durch den Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. (vzbv).3 Um unlauterem Wettbewerb und Verbrauchertäuschung im Zusammenhang mit wirklichen oder vermeintlichen Tests und darauf basierenden Testsiegeln entgegenzuwirken, enthält das Lauterkeitsrecht – namentlich das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)4 – seit längerem verschiedene potentiell einschlägige Regelungen. 2. Gesetzlicher Rahmen Gemäß § 3 Absatz 1 UWG sind unlautere geschäftliche Handlungen unzulässig. Geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, sind gemäß § 3 Absatz 2 UWG unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen. Gemäß § 3 Absatz 3 UWG sind die explizit im Anhang des UWG aufgeführten geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern stets unzulässig. Nr. 4 des Anhangs zu § 3 UWG nennt hier „die unwahre Angabe, (…) eine Ware oder Dienstleistung sei von einer öffentlichen oder privaten Stelle bestätigt, gebilligt oder genehmigt worden, oder die unwahre Angabe, den Bedingungen für die Bestätigung, Billigung oder Genehmigung werde entsprochen“. Nach § 5 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist un- 1 Vgl. Schricker, Anmerkung zu BGH, Urteil vom 09.12.1975 - VI ZR 157/73 („Warentest II“), GRUR 1976, 274. 2 Busche, in: Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 2. Auflage 2014, § 5 UWG Rdn. 418; Wieddekind, Praktische Hinweise zur Werbung mit Testergebnissen, GRUR-Prax 2013, 440. 3 Vgl. etwa Jansen/Wieduwilt, Angebliche Testseiten im Internet abgemahnt, FAZ vom 01.06.2017, abrufbar unter http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/netzwirtschaft/wettbewerbszentrale-mahnt-14-testseiten-im-internet-ab- 15042761.html; Eisenbrand, Aufruhr in der Affiliate-Szene: Abmahnungen von Fake-Test-Seiten lösen Schlammschacht aus, OMR 13.01.2017, abrufbar unter https://omr.com/de/fake-test-seiten-abmahnungen/ (Stand der Online-Quellen: 02.02.2018). 4 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. März 2010 (BGBl. I S. 254), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 17. Februar 2016 (BGBl. I S. 233) geändert worden ist. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 016/18 Seite 5 ter anderem dann irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben enthält über „die Ergebnisse oder wesentlichen Bestandteile von Tests der Waren oder Dienstleistungen“ (§ 5 Absatz 1 Nr. 1 UWG). 3. Anforderungen an Tests Beabsichtigt ein Unternehmen, unter Hinweis auf bestimmte Testergebnisse eines Dritten für sein Produkt zu werben (Testergebniswerbung), ist dies nur zulässig, wenn die die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen konkretisierenden Anforderungen der Rechtsprechung an die Durchführung einschlägiger Tests gewahrt wurden.5 Der Bundesgerichtshof (BGH) hat bereits 1975 in einer Grundsatzentscheidung zum Deliktsrecht grundsätzliche Ausführungen zum Testbegriff und zum Umgang mit Testergebnissen getroffen, die auch heute noch im Lauterkeitsrecht Bedeutung erlangen und durch verschiedene Judikate weiterentwickelt wurden.6 Ein Test muss demnach „objektiv, neutral, sachkundig und repräsentativ“7 durchgeführt worden sein. Erforderlich ist, dass die aus der Prüfung gezogenen Schlüsse vertretbar („diskutabel“) sind und aufseiten des Testers wenigstens ein Bemühen um objektive Richtigkeit gegeben war.8 „Erfüllt ein Test … nicht die Grundanforderungen an seine Zulässigkeit, ist auch die Werbung hiermit irreführend, und zwar unabhängig davon, ob der Unternehmer von solchen Mängeln Kenntnis hat. Das kann etwa der Fall sein, wenn der Test nicht sachkundig durchgeführt wurde, weil etwa die angewendeten Prüfungsmethoden wissenschaftlich nicht anerkannt sind, wenn der Test nicht von einer unabhängigen Organisation durchgeführt wurde, der Test nicht hinreichend repräsentativ ist oder die Möglichkeit testfremder Einflussnahme durch Zuwendungen von Wettbewerbern besteht. (…) Der Unternehmer ist … von einem eigenen Qualitätsnachweis befreit, trägt andererseits aber das Risiko, dass der Test nicht in vertretbarer Weise durchgeführt wurde.“9 „Wirksamkeitsprüfungen sind keine Voraussetzung für die Durchführung der Tests und deren Veröffentlichungen durch das Testinstitut. Wollen allerdings die Hersteller der getesteten Erzeugnisse mit den Testergebnissen werben, dann müssen sie auf die fehlenden Wirksamkeitsprüfungen hinweisen.“10 5 Weidert, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 4. Auflage 2016, UWG C. § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, Rdn. 257. 6 BGH, Urteil vom 09.12.1975 - VI ZR 157/73 („Warentest II“), GRUR 1976, 268. Vgl. hierzu Silberer, Der vergleichende Warentest im Dienste des leistungsfördernden Wettbewerbs, in: Büscher et al. (Hrsg.), Festschrift für Karl-Heinz Fezer, 2016, S. 937, 939, 946. 7 Weidert (oben Fußn. 5), Rdn. 258. 8 Weidert (oben Fußn. 5), Rdn. 258. 9 Weidert (oben Fußn. 5), Rdn. 260. 10 Weidert (oben Fußn. 5), Rdn. 261; OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 29.06.2006 - 6 U 103/05 (Öko-Test), GRUR-RR 2007, 16. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 016/18 Seite 6 Wenn ein Test gar nicht stattgefunden hat, ist die Werbung mit vermeintlichen „Testergebnissen“ irreführend.11„Irreführend kann die Werbung mit Testergebnissen ferner sein, wenn das beworbene Objekt … als solches nicht getestet wurde… oder wenn andere Kriterien getestet wurden als diejenigen, die der Verbraucher nach der Werbung vermutet.“12 4. Abgrenzung zum Warenvergleich Wie sich aus den unter dem vorstehenden Gliederungspunkt zitierten Spezifikationen des lauterkeitsrechtlichen Testbegriffs ergibt, dürften bloße abstrakte Warenvergleiche den Testbegriff grundsätzlich nicht erfüllen. Bei einem bloßen gestalterischen Aufbereiten von herstellerseitig veröffentlichten Produkteigenschaften in Vergleichstabellen oder ähnlichem und einem hieraus in einem rein abstrakten Modus, also nicht durch die konkret-praktische Prüfung der tatsächlich bei einem Exemplar des Produkts vorhandenen Eigenschaften „abgeleiteten“ Bewertungsergebnis dürfte es sich deshalb nicht um einen Testergebnis im vorstehenden Sinne handeln. Verbraucher werden durch die geltenden lauterkeitsrechtlichen Regelungen aber nicht nur „vor einer Irreführung durch Werbung mit unzutreffenden oder unvollständigen Testergebnissen geschützt“, sondern auch „vor Werbeangaben, die einen Test nur vortäuschen“13. Mit diesem Befund lässt sich in Übereinstimmung bringen, dass laut Medienberichten durch den vzbv abgemahnte Internetportale14 nunmehr explizit dahingehend zu differenzieren scheinen, ob die jeweiligen Erkenntnisse tatsächlich aus eigenen durchgeführten Untersuchungen herrühren („Tests“) oder lediglich in einem Gegenüberstellen der allgemeinen Produktspezifikationen bestehen („Vergleich“).15 5. Fazit Das geltende Lauterkeitsrecht enthält ausdrückliche gesetzliche Bestimmungen, um Verbraucher vor irreführender Werbung mit vermeintlichen Warentests zu schützen. Aktuelle Berichte aus der Praxis legen die Annahme nahe, dass diese Bestimmungen auch wirksam durchsetzbar sind. * * * 11 Weidert (oben Fußn. 5), Rdn. 262. 12 Weidert (oben Fußn. 5), Rdn. 263. 13 Busche, in: Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 2. Auflage 2014, § 5 UWG Rdn. 418. 14 Siehe oben Gliederungspunkt 1. 15 Beispiele werden bei Eisenbrand (oben Fußn. 3) genannt.