© 2016 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 016/16 Rechtsformen der Bundesverwaltung Am Beispiel der Eisenbahnverkehrsverwaltung Sachstand Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 016/16 Seite 2 Rechtsformen der Bundesverwaltung Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 016/16 Abschluss der Arbeit: 28. Januar 2016 Fachbereich: WD 7: Zivil- Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutz, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 016/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Frage 1: Welche Vor- und Nachteile sind bei der Deutschen Bahn AG bei ihrer derzeitigen Rechtsform einer Aktiengesellschaft zu konstatieren, insbesondere bezüglich der Aspekte: 4 3. Frage 2: Welche alternativen Rechtsformen (z.B.: GmbH, etc.) zur bestehenden Rechtsform der Aktiengesellschaft sind im Einklang mit dem grundgesetzlichen Rahmen des Art. 87e Abs. 3 GG zulässig und werden darüber hinaus der Aufgabe eines wirtschaftlichen Betriebs gerecht? Welche Vor- und Nachteile bieten diese bezogen auf den unter 1. genannten Aspekten und darüber hinaus? 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 016/16 Seite 4 1. Einleitung Die Deutsche Bahn AG ist ein Verkehrsunternehmen, das im Jahre 1994 aus der Fusion der Staatsbahnen Deutsche Bundesbahn und Deutsche Reichsbahn durch Umwandlung in einer Aktiengesellschaft (AG) entstanden ist. Sie befindet sich zu 100 Prozent in Bundesbesitz.1 Aufgrund dieser Eigentümerstruktur handelt es sich um ein privatrechtlich organisiertes Unternehmen des Staates. 2. Frage 1: Welche Vor- und Nachteile sind bei der Deutschen Bahn AG bei ihrer derzeitigen Rechtsform einer Aktiengesellschaft zu konstatieren, insbesondere bezüglich der Aspekte: a) Mögliche Kontrollmechanismen des Eigentümers, differenziert für die Organe „Bundesregierung “, „Bundestag“ und „Bundesrat“ In dem als Art. 2 des Eisenbahnneuordnungsgesetzes (ENeuOG)2 erlassenen Gesetz über die Gründung einer Deutsche Bahn Aktiengesellschaft (Deutsche Bahn Gründungsgesetz - DBGrG)3 wurden keine wesentlichen Abweichungen vom geltendem Aktienrecht vorgenommen. Insbesondere sind keine besonderen Einflussrechte des staatlichen Anteilseigners vorgesehen worden.4 Die Aktiengesellschaft (AG) verfügt über drei Organe: den Vorstand, den Aufsichtsrat und die Hauptversammlung. Der Vorstand leitet die AG, § 76 Abs. 1 Aktiengesetz (AktG)5 und vertritt die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich, § 78 AktG. Er besteht in der Regel aus mehreren Personen . Er ist nicht weisungsgebunden, wird aber in der maßgeblichen Ausrichtung seiner Arbeit durch den Aufsichtsrat kontrolliert. Der Aufsichtsrat wählt die Mitglieder des Vorstands, überwacht deren Vorstandstätigkeit, § 111 Abs. 1 i.V.m. § 84 Abs. 1 AktG und steht ihnen beratend zur Seite. Die Hauptversammlung der AG besteht aus allen Aktionären. Sie beschließt in den im Gesetz und in der Satzung ausdrücklich bestimmten Fällen des § 119 Abs. 1 AktG. Die Hauptversammlung kann dem Vorstand, der zur Geschäftsführung befugt ist, in Angelegenheiten der Geschäftsführung keinerlei Weisungen erteilen. Im Bereich der Geschäftsführung kann die Hauptversammlung 1 Vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 2 Gesetz über die Gründung einer Deutsche Bahn Aktiengesellschaft (Deutsche Bahn Gründungsgesetz – DBGrG). 2 Eisenbahnneuordnungsgesetz vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378; 1994 I S. 2439), das zuletzt durch Artikel 16 Absatz 12 des Gesetzes vom 19. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3836) geändert worden ist 3 Deutsche Bahn Gründungsgesetz vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378, 2386; 1994 I S. 2439), das zuletzt durch Artikel 515 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474) geändert worden ist. 4 Vgl. Möstl, in Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 75. Aufl. 2015, Art. 87e Rn. 172-174. 5 Aktiengesetz vom 6. September 1965 (BGBl. I S. 1089), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 22. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2565) geändert worden ist. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 016/16 Seite 5 nur dann entscheiden, wenn der Vorstand es verlangt, § 119 Abs. 2 AktG. Der Vorstand gibt, in der Regel jährlich, Rechenschaft ab und legt der Hauptversammlung die Gewinnverteilung zur Entscheidung vor. Die AG unterscheidet sich gerade wegen des Prinzips der strengen und weitgehend nicht disponiblen Trennung zwischen Kapitaleigner und Unternehmungsleitung von anderen Gesellschaftsformen6. Gesteigerte Ingerenzrechte sind nicht vorgesehen. b) Einflussmöglichkeiten auf die Ausgestaltung der Geschäftspolitik Unter Geschäftspolitik versteht man die „Gesamtheit der geschäftlichen Aktivitäten mit bestimmter Zielsetzung“.7 Sinn und Zweck der organisatorischen und funktionalen Festlegung auf die Führung als Wirtschaftsunternehmen in privat-rechtlicher Form ist es, den Eisenbahnen des Bundes ein Mindestmaß an Autonomie und eigenwirtschaftlicher Handlungsrationalität gegen den Bund als den Träger des Gewährleistungsauftrags einzuräumen .8 Bei der AG ist allein der Vorstand geschäftsführungsbefugt (s.o.). c) Durchsetzung der Zielsetzung des Art. 87 e Abs. 4 GG Nach Art. 87 e Abs. 4 GG9 muss der Bund gewährleisten, dass dem Wohl der Allgemeinheit , insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes, sowie bei deren Verkehrsangeboten, Rechnung getragen wird (sog. Gewährleistungsverantwortung). Ausgenommen von der Gewährleistungsverantwortung des Bundes ist gemäß Art. 87 e Abs. 4 Satz 1, 2. Halbsatz GG der Schienenpersonennahverkehr , da dieser Bereich ausschließlich den Ländern zugewiesen wurde. Gleichzeitig gibt Art. 87 e Abs. 3 GG vor, dass Eisenbahnen des Bundes als Wirtschaftsunternehmen in privat-rechtlicher Form geführt werden. Die Gewährleistungsverantwortung steht in keinem spezifischen Zusammenhang mit der gewählten Rechtsform, sondern betrifft das mögliche Spannungsverhältnis zwischen unternehmerischer Privatwirtschaftlichkeit und dem staatlichem Gewährleistungsauftrag. d) Normative Festlegung des Handelns von Vorstand und Aufsichtsrat Zur Beantwortung der Frage wird auf die Ausführungen von a) verwiesen. 6 Vgl. Möstl, in Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 75. Aufl. 2015, Art. 87e Rn. 173. 7 Auszug aus Munzinger/Duden - Deutsches Universalwörterbuch; 8., überarbeitete und erweiterte Auflage, Bibliographisches Institut GmbH, Berlin, 2015. 8 Ebenda. 9 Art. 87 e GG wurde durch das 40. Änderungsgesetz v. 20 Dezember 1993 in das GG eingefügt und ist am 21. Dezember 1993 in Kraft getreten (BGBl. 1993 I S. 2089). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 016/16 Seite 6 e) Ziel der Gewinnmaximierung und Maximierung der Ausschüttungen an die Eigentümer Die Ausschüttungen bzw. der „auszuschüttende Betrag“ bemisst sich bei der Aktiengesellschaft nach § 174 Abs. 2 Nr. 2 AktG. Die entsprechende Höhe wird vom Vorstand vorgeschlagen und von der Hauptversammlung mit einfacher Mehrheit beschlossen, § 174 Abs. 1 AktG. 3. Frage 2: Welche alternativen Rechtsformen (z.B.: GmbH, etc.) zur bestehenden Rechtsform der Aktiengesellschaft sind im Einklang mit dem grundgesetzlichen Rahmen des Art. 87e Abs. 3 GG zulässig und werden darüber hinaus der Aufgabe eines wirtschaftlichen Betriebs gerecht? Welche Vor- und Nachteile bieten diese bezogen auf den unter 1. genannten Aspekten und darüber hinaus? Art. 87e Abs. 3 Satz 1 GG gibt vor, das Eisenbahnen des Bundes als Wirtschaftsunternehmen in privat-rechtlicher Form geführt werden (sog. Organisationsprivatisierung“) und im Eigentum des Bundes stehen, soweit der Bau, die Unterhaltung und das Betreiben der Schienenwegen umfasst ist. Eine konkrete Rechtsform ist dabei ausdrücklich nicht vorgegeben.10 Privatrechtliche Formen sind solche, die in einer für alle geltende Rechtsordnung entwickelt sind und im allgemeinen Rechtsverkehr regelmäßig auch sonst Verwendung finden.11 Es sind deshalb alle in Betracht kommenden Rechtsformen denkbar.12 Der Umwandlungsgesetzgeber ist also nicht auf eine bestimmte Gesellschaftsform festgelegt.13 Einzelheiten regelt gemäß Art 87e Abs. 3 Satz 4 GG ein zustimmungsbedürftiges Bundesgesetz.14 Ende der Bearbeitung 10 Vgl. Schmidt-Aßmann/Röhl, Die Öffentliche Verwaltung 1994, 577, 580; nach a.A. wären nur Kapitalgesellschaften möglich vgl. Uerpmann-Wittzack, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 6. Aufl. 2012, Art. 87e Rn. 9. 11 Vgl. Pieroth in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 87e Rn. 4 12 Einschränkungen müssten insoweit bei Gesellschaftsformen gemacht werden, die mindestens zwei Gesellschafter bedürfen („echte Personengesellschaften“), wenn der Bund Alleineigentümer bleiben möchte, vgl. Möstl, in Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 75. Aufl. 2015, Art. 87e Rn. 174. 13 Vgl. Umbach, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz Mitarbeiterkommentar und Handbuch, 2 Bände, 2002, Rn. 16. 14 Vgl. BeckOK GG/Remmert GG Art. 87e Rn. 10, beck-online (Stand:25 Januar 2016).