© 2015 Deutscher Bundestag WD 7 – 3000 – 016/15 Regelung des Vergaberechts in einem Vergabegesetz Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 016/15 Seite 2 Regelung des Vergaberechts in einem Vergabegesetz Verfasser: Aktenzeichen: WD 7 – 3000 – 016/15 Abschluss der Arbeit: 29. April 2015 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 016/15 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Zukünftige Regelung des Vergaberechts in einem Vergabegesetz 5 3. Dokumentation 6 3.1. Haltung des Gesetzgebers zum Vergaberecht 6 3.1.1. Haushaltsgrundsätzegesetz 1993 7 3.1.2. Vergaberechtsänderungsgesetz 1998 7 3.1.3. Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts 2008 8 3.2. Äußerungen im rechtswissenschaftlichen Schrifttum 8 3.2.1. Befürworter eines Vergabegesetzes 8 3.2.2. Entgegnungen 9 3.3. Arbeitsgruppe zur Verschlankung des Vergaberechts 2003 10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 016/15 Seite 4 1. Fragestellung Der Europäische Gesetzgeber hat mit dem Paket zur Modernisierung des europäischen Vergaberechts ein vollständig überarbeitetes Regelwerk für die Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen vorgelegt. Das Modernisierungspaket umfasst drei Richtlinien: die Richtlinie über die öffentliche Auftragsvergabe (RL 2014/24/EU), die Richtlinie über die Vergabe von Aufträgen in den Bereichen Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste (Sektoren-Richtlinie, RL 2014/25/EU und die Richtlinie über die Konzessionsvergabe (neue Konzessions-Richtlinie, RL 2014/23/EU). Diese Richtlinien sind bis zum 18. April 2016 in deutsches Recht umzusetzen. Eckpunkte für die Reform des Vergaberechts wurden am 7. Januar 2015 im Bundeskabinett verabschiedet.1 Vor diesem Hintergrund ist Gegenstand der vorliegenden Ausarbeitung folgende Fragestellung: - Welche Gründe sprechen für, welche gegen eine Herausnahme der vergaberechtlichen Regelungen aus dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und die Umsetzung oben genannter Richtlinien in einem eigenen Vergabegesetz? Hierzu sollen im Folgenden in einem Teil „Zukünftige Regelung des Vergaberechts in einem Vergabegesetz“ (2.) Argumente für eine Neuregelung des Vergaberechts im Rahmen der Gesetzgebung zur Umsetzung des EU-Richtlinienpakets von 2014 zusammengetragen werden. Ergänzend werden in einem Teil „Stellungnahmen“ (3.) die bisherige Haltung des Gesetzgebers, Äußerungen im rechtswissenschaftlichen Schrifttum und Überlegungen der Arbeitsgruppe zur Verschlankung des Vergaberechts von 2004 zur Frage eines Vergabegesetzes dokumentiert. 1 Siehe Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Eckpunkte zur Reform des Vergaberechts, Beschluss des bundeskabinetts, 7. Januar 2015, abrufbar unter: https://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/E/eckpunkte-zurreform -des-vergaberechts,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 016/15 Seite 5 2. Zukünftige Regelung des Vergaberechts in einem Vergabegesetz Zurzeit ist das Vergaberecht in den §§ 97 – 129b des Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)2 sowie zahlreichen Verordnungen geregelt. Der historische Gesetzgeber setzte die europäischen Richtlinien zum Vergaberecht im Rahmen des GWB mit dem Ziel um, die wettbewerbliche Bedeutung des Vergaberechts zu betonen.3 Das deutsche Vergaberecht besteht zu einem großen Teil nicht aus formellen Gesetzen, sondern aus Verordnungen.4 Das sogenannte „Kaskadenprinzip“ teilt das deutsche Vergaberecht oberhalb der durch EU-Richtlinien vorgegebenen Schwellenwerte in drei Teile: Auf der Gesetzesebene finden sich die Vorschriften des 4. Teils des GWB, die Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VgV)5, die aufgrund der Verordnungsermächtigung in den §§ 97, 127 GWB erging, regelt insbesondere die Schwellenwerte zur Anwendung des Vergaberechts und verleiht außerdem den sogenannten Verdingungsverordnungen Rechtsnormqualität. Letztere regeln die Auftragsvergabe en Detail. Die Ausschüsse, die diese Verordnungen erarbeitet haben, sind zu gleichen Teilen mit Vertretern der öffentlichen Hand und Personal der Wirtschaftsverbände besetzt.6 Schließlich sind einzelne Verdingungsverordnungen noch in mehrere Abschnitte unterteilt, was ebenfalls zur Unübersichtlichkeit beiträgt.7 Das deutsche Vergaberecht gilt als intransparent und zersplittert8; teilweise wird dieser Zustand als geradezu rechtsstaatswidrig bezeichnet9 Ein Mehr an Übersichtlichkeit wäre jedenfalls nicht dadurch zu gewinnen10, dass lediglich die zurzeit im GWB vorhandenen Regelungen in ein eigenes Gesetz überführt würden. Die nun umzusetzenden europäischen Richtlinien RL 2014/23/EU, RL 2014/24/EU und RL 2014/25/EU enthalten sehr detaillierte, umfangreiche Vorgaben. Gegen die vollständige Regelung dieser EU-Richtlinien in einem eigenen Vergabegesetz spricht daher, dass dieses wegen der mannigfaltigen Detailregelungen drohte, überfrachtet und unübersichtlich zu werden.11 Gegen eine 2 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1750, 3245), zuletzt geändert durch Artikel 5 des Gesetzes vom 21. Juli 2014. 3 Gesetzentwurf der Bundesregierung – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Rechtsgrundlagen für die Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergaberechtsänderungsgesetz – VgRÄG), BT-Drucksache 13/9340, S 12. 4 Vgl. §§ 97 Abs. 6, 127 GWB. 5 Vergabeverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Februar 2003 (BGBl. I S. 169), zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 15. Oktober 2013. 6 Fehling, aaO, § 97 Rn 30. 7 Ebda. 8 Dreher, in: Immenga/Mestsäcker, Wettbewerbsrecht Band 2, 5. Auflage 2014, § 97 Rn 369; vor §§ 97 ff. Rn 59. 9 Fehling, in: Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, 1. Auflage 2011, § 97 Rn 29. 10 So auch die Begründung BT-Drucksache 13/9340 (Fn. 3), S 13. 11 So schon die Begründung BT-Drucksache 13/9340 (Fn. 3), S. 23. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 016/15 Seite 6 Herausnahme aus dem GWB spricht weiterhin, dass das Vergaberecht in Deutschland dem Kartellrecht nachgebildet ist. An mehreren Stellen verweisen die vergaberechtlichen Regelungen auf andere Normen des GWB, z.B. in §§ 110 Abs. 2 Satz 5, 115 Abs. 3 Satz 5, 127a Abs. 1, Sätze 2 und 3 GWB; zudem ist das allgemeine Kartellrecht neben den vergaberechtlichen Sondervorschriften weiterhin anwendbar12. Bei Schaffung eines eigenen Vergabegesetzes könnte diese Systematik in dieser Form nicht fortgeführt werden. Für eine Regelung in einem eigenen Vergabegesetz spricht grundsätzlich, dass es sich beim Vergaberecht um ein umfangreiches, eigenständiges Rechtsgebiet von beträchtlicher wirtschaftlicher Relevanz13 handelt, das mit den Vergabekammern und der Beschwerde zum Oberlandesgericht auch einen singulären „Rechtsweg“ vorsieht. Zudem könnte durch eine umfassendere gesetzliche Regelung und weniger Auslagerung in unterschiedliche Verordnungsstufen das Vergaberecht übersichtlicher gestaltet und dadurch oben geschilderte , in der vergaberechtlichen Literatur monierte Missstände abgeschafft werden, beispielsweise durch ein durchgängig zwei- statt dreistufiges Vergaberecht14. Hierfür sprechen auch die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Normenklarheit. 15 Zudem könnten die Verordnungen, die zurzeit von privaten Gremien, den Vergabe- und Vertragsausschüssen, erarbeitet werden, demokratisch besser legitimiert werden.16 3. Dokumentation 3.1. Haltung des Gesetzgebers zum Vergaberecht In den Eckpunkten zur Reform des Vergaberechts hat die Bundesregierung die gesetzliche Verortung der von ihr beabsichtigten Reform der Struktur des Vergaberechts folgendermaßen umrissen: „Die wesentlichen gesetzlichen Vorgaben bleiben im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen verankert. (…) Dabei werden wir das GWB grundlegend überarbeiten und übersichtlicher strukturieren.“ 17 12 Fehling, aaO, § 97 Rn 33. 13 Vgl. Europäische Kommission, Umsetzungsbericht zum öffentlichen Auftragswesen vom 9.10.2012, S. 6, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/internal_market/publicprocurement/docs/implementation/20121011-staff-working -document_en.pdf (Stand: 16. Februar 2015). 14 Dreher, aaO vor §§ 97 ff. Rn 59. 15 Vgl. grundsätzlich BVerfG, Urteil vom 26. Juli 2005, 1 BvR 782/94, NJW 2005, 2363; zur Verweisungstechnik BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 – 1 BvF 3/92, NJW 2004, 2213. 16 Dreher, aaO, § 97 Rn 369. 17 Beschluss des Bundeskabinetts vom 5. Januar 2015 (oben Fn. 1), unter III., 1. Bulletpoint . Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 016/15 Seite 7 Damit will die Bundesregierung an der mit dem Vergaberechtsänderungsgesetz vom 26. August 199818 getroffenen Entscheidung des Gesetzgebers festhalten, die Regelungen für die öffentliche Auftragsvergabe oberhalb der Schwellenwerte und den Rechtsschutz ins GWB einzugliedern. Die Argumente, sich in seiner Gesetzgebungstätigkeit zum Vergaberecht gegen die Einführung eines Vergabegesetzes zu entscheiden, sind in den Begründungen der einschlägigen Gesetze jeweils folgendermaßen zum Ausdruck gebracht worden: 3.1.1. Haushaltsgrundsätzegesetz 1993 Begründung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Haushaltsgrundsätzegesetzes19: S. 2: „Als Alternativlösung wäre ein eigenständiges Vergabegesetz in Betracht gekommen, welches die Überprüfung des Vergabeverhaltens öffentlicher Auftraggeber der ordentlichen Gerichtsbarkeit zugewiesen hätte. Entsprechend den Kammern für Handelssachen wären dann spezielle Kammern für das öffentliche Auftragswesen einzurichten gewesen, die bei vorläufigen Maßnahmen (einstweiligen Verfügungen) auch zur Berücksichtigung des öffentlichen Interesses hätten verpflichtet werden können. Der verwaltungsorientierten Überprüfung im Rahmen einer haushaltsrechtlichen Lösung wurde jedoch der Vorrang gegeben, weil die Einführung einer gerichtlichen Überprüfung des Vergabeverhaltens mit dem erprobten deutschen Vergabeverfahren nicht vereinbar erscheint.“ 3.1.2. Vergaberechtsänderungsgesetz 1998 Begründung des Vergaberechtsänderungsgesetzes20: S. 2: „Als Alternativlösung wäre ein eigenständiges Vergabegesetz in Betracht gekommen, welches die Nachprüfung der Vergabeverfahren öffentlicher Auftraggeber den Landgerichten als erste Instanz und dem Oberlandesgericht als zweite Instanz zugewiesen hätte. Der Regelung im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen wurde der Vorzug gegeben, da von ihr eine schnellere und effektivere gerichtliche Überprüfung erwartet wird. Sie wird den Besonderheiten der öffentlichen Auftragsvergabe besser gerecht.“ S. 13: „Als Alternative wäre ein eigenständiges Vergabe-Gesetz denkbar. Die wettbewerbliche Bedeutung der Regeln wäre dadurch jedoch weniger stark ausgeprägt. Auch in diesem Fall müßte der dreistufige Aufbau (Gesetz, Rechtsverordnung, Verdingungsordnungen) beibehalten werden. Die Übersichtlichkeit des Vergaberechts insgesamt wäre nicht höher. 18 BGBl I 1998, S. 2512. 19 Gesetzentwurf der Bundesregierung – Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Haushaltsgrundsätzegesetzes , BT-Drs 12/4636 vom 25. März 1993. 20 Gesetzentwurf der Bundesregierung – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Rechtsgrundlagen für die Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergaberechtsänderungsgesetz - VgRÄG), BT-Drs. 13/9340 vom 3. Dezember 1997. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 016/15 Seite 8 Außer der besonderen Rücksichtnahme auf die wettbewerbspolitische Relevanz des öffentlichen Auftragswesens spricht für das GWB als Standort, daß der Rechtsschutz ähnlich ausgestaltet ist wie der Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Kartellbehörden und daß auf erprobte Begriffe und Verfahrensregelungen des Kartellrechts unmittelbar Bezug genommen werden kann.“ 3.1.3. Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts 2008 Begründung des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts21 S. 14: „Als Alternative käme ein eigenständiges Vergabegesetz oder eine Vereinheitlichung in einer Verordnung in Betracht. Das würde jedoch eine weitergehendere Umstrukturierung bedeuten . Mit der Fortsetzung der Verankerung im bestehenden System von GWB, Vergabeverordnung und den Verdingungsordnungen sollen die wettbewerbliche Bedeutung der Regeln gestärkt und auch dem Wunsch der Praxis, weit- gehend an Bewährtem festzuhalten, Rechnung getragen werden. In Betracht käme auch eine Ausdehnung des Rechtsschutzes auf alle Aufträge. Dies würde jedoch zusätzliche Bürokratie schaffen und öffentliche Investitionen verzögern. Im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Juni 2006 (BVerfG, 1 BvR 1160/03) über einen verfassungsgemäßen Rechtsschutz im Bereich der unterschwelligen Aufträge wird eine Regelung des Rechtsschutzes in diesem Bereich nicht für erforderlich gehalten.“ 3.2. Äußerungen im rechtswissenschaftlichen Schrifttum 3.2.1. Befürworter eines Vergabegesetzes Die Zusammenführung der Vergaberechtsregeln in einem Vergabegesetz wird im rechtswissenschaftlichen Schrifttum nur spärlich diskutiert. Sie wurde insbesondere von Meinrad Dreher im Zusammenhang mit den Gesetzgebungsaktivitäten der neunziger Jahre in verschiedenen Stellungnahmen befürwortet22, von denen die folgenden herausgestellt werden sollen: Dreher, NVwZ 1994, 343 (344 f.): „Ebenso grundsätzlich stellt sich für das neue Vergaberecht die Frage nach dem Standort. Hier hat sich nichts daran geändert, daß die Schaffung eines eigenständigen Vergabegesetzes die beste Lösung wäre. Die Hauptgründe, die für ein eigenständiges Vergabegesetz sprechen, bedürfen nach den Diskussionen der letzten Jahre allenfalls noch zusammenfassender Erwähnung: Zu nennen sind vor allem die Schaffung eines übersichtlichen Vergaberechts , die Entwicklung einer schlüssigen Rechtssystematik und die gleichzeitige Gewährleistung der notwendigen Entwicklungsoffenheit für das Vergaberecht. Im einzelnen kann es daher hier nur 21 Gesetzentwurf der Bundesregierung – Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts, BT-Drs 16/10117 vom 13. August 2008. 22 Meinrad Dreher, Das GWB als Magna Charta des Wettbewerbs oder als Einfallstor politischer Interessen, in: Wirtschaft und Wettbewerb (WuW) 1997, S. 948-957; Meinrad Dreher, Die Neugestaltung des Vergaberechtsschutzes , in : NVwZ 1997, S. 343-350; Meinrad Dreher, Die Zukunft des untergesetzlichen Vergaberechts – Zur Neuordnung von Vergabeverordnung und Verdingungsordnungen, NVwZ 1999, S. 1265-1273. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 016/15 Seite 9 noch um die Frage der Angemessenheit möglicher Ersatzlösungen für ein eigenständiges Vergabegesetz gehen. Im rechtspolitischen Bereich wird offensichtlich das GWB als Standort des neuen Vergaberechts bevorzugt. Jedoch bieten sich meines Erachtens zwei weitere Gesetze an, die dem Vergaberecht eine “Heimat” bieten könnten: zum einen das Preisgesetz, dessen Hauptfunktion heute darin besteht, eine Ermächtigungsgrundlage für die preisrechtlichen Vergabeverordnungen zu bilden (9). Zum anderen und vor allem bietet sich eine Kombination des Vergaberechts mit dem Subventionsgesetz an.“ „Die 2. These gilt der Standortproblematik und lautet folglich: Der richtige Standort für das neue Vergaberecht ist ein eigenständiges Vergabegesetz. Die rechtspolitisch bevorzugte Aufnahme des Vergaberechts in das GWB ist zwar grundsätzlich möglich, aber im einzelnen nicht unproblematisch . Im Falle einer Kombinationslösung wäre die Verbindung des Vergaberechts mit dem Subventionsgesetz und dessen Ausbau zu einem echten Subventionsbegrenzungsgesetz vorzuziehen.“ Dreher, NVwZ 1999, 1265 (1266): „Langfristig denkbar, aber in der Durchsetzung wegen der eindeutigen Ablehnung durch den deutschen Gesetzgeber wohl wenig realistisch wäre daher im wesentlichen nur, daß das untergesetzliche Vergaberecht mit dem Kartellvergaberecht in einem eigenständigen Vergabegesetz zusammengeführt würde, wie dies von Anfang an als sinnvollster Weg auch der Umsetzung der EG-Vergaberichtlinien vorgeschlagen worden war (83) und wie es der Gesetzgeber schon mit dem dann ebenfalls an Einflüssen der Praxis gescheiterten Entwurf eines Reichssubmissionsgesetzes von 1914 geplant hatte (84)“. 3.2.2. Entgegnungen Demgegenüber wird allgemein die Haltung des Gesetzgebers zur Einführung eines Vergabegesetzes unterstützt. Vergleiche dazu die folgenden Äußerungen: Boesen23: „Für die Einordnung in das Wettbewerbsrecht spricht jedoch die zentrale Bedeutung des Wettbewerbsgebots in beiden Rechtsgebieten (scil. Wettbewerbs- und Vergaberecht). Zudem könne der Kritik an einer mangelnden Entwicklungsfähigkeit auch die Vorteile entgegengehalten werden, die mit der Eingliederung in ein bestehendes Rechtsgebiet und der systematischen Angleichung des Rechtsschutzes verbunden sind. Durch die vergleichbare Ausgestaltung des Rechtsschutzes im Bereich des Vergaberechts kann auf erprobte Begriffe und Verfahrensregelungen des Kartellrechts unmittelbar Bezug genommen werden (57). Dass die Anwendung der im Bereich des Kartellrechts entwickelten Prinzipien auch bei der Beurteilung vergaberechtlicher Fälle sinnvoll sein kann, ist bereits im Rahmen der Tätigkeit der Vergabeüberwachungsausschüsse sichtbar geworden , die teilweise ausdrücklich auf kartellrechtliche Grundsätze Bezug nehmen (58).“ 23 Arnold Boesen, Deutsches Vergaberecht auf dem Prüfstand des Gemeinschaftsrechts, in: EuZW 1997, S. 713 (718). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 016/15 Seite 10 Byok24: „Aus den Überlegungen, die haushaltsrechtliche Lösung aufzugeben, entstand zunächst die Frage danach, welchen neuen Standort das Vergaberecht einnehmen sollte. Das Bundeswirtschaftsministerium hatte mit seinem Diskussionsentwurf den Weg in Richtung GWB eingeschlagen . Das Vergaberechtsänderungsgesetz zielt danach vor allem auf die “Organisation größtmöglichen Wettbewerbs” im Vergabeverfahren (43). Begründet wird das mit dem gewandelten Verständnis der Vergaberegeln, die vorwiegend eine wettbewerbliche Bedeutung haben. Daneben sah man auch eine Ähnlichkeit des Vergaberechtsschutzes mit dem Modell des Kartellrechtsschutzes (44). Diese Erwägungen sind zutreffend, denn der Zweck des Kartellrechts besteht in der Ordnung des Wettbewerbs, der Verhinderung von Wettbewerbsbeschränkungen sowie der Struktur‐ und Verhaltensrolle (45) und erinnert an das Ziel der europäischen Vergaberichtlinien, nämlich der Einführung echten Wettbewerbs auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens (46) . Die bis zuletzt geforderte Schaffung eines eigenständigen Vergabegesetzes (47) oder die Einbindung des Vergaberechts in Preisgesetz, Subventionsgesetz (48) oder gar Gerichtsverfassungsgesetz (49) als Alternative waren insoweit nicht von Erfolg gekrönt.“ 3.3. Arbeitsgruppe zur Verschlankung des Vergaberechts 2003 Im Rahmen der von der damaligen Bundesregierung beschlossenen Initiative „Masterplan Bürokratieabbau “ wurde auf Einladung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit im Frühjahr 2003 eine Arbeitsgruppe „Verschlankung des Vergaberechts“ eingesetzt, die Eckwerte und gegebenenfalls Texte für ein verschlanktes Vergaberecht erarbeiten sollte.25 Dem Bericht der Arbeitsgruppe sind im Hinblick auf das Konzept eines Bundesvergabegesetzes folgende Äußerungen zu entnehmen: Kratzberger, NZBau 2004, S. 142: „1. Modell Bundesvergabegesetz (1) Grundlage für Überlegungen dieser Art ist das 190 Paragrafen umfassende österreichische Bundesvergabegesetz , das einheitlich für alle Aufträge des Bundes, der Länder, Gemeinden und der Sektorenauftraggeber im „Ober- und Unterschwellenbereich” gilt und außerdem das Rechtsschutzverfahren für den Bundesbereich (einschließlich Schadenersatz und Ordnungswidrigkeiten) regelt. Es enthält keine Bagatellgrenzen für den Anwendungsbereich, sondern eine Auftragswertgrenze, unterhalb derer eine freihändige Vergabe möglich, aber zu begründen ist. Diese Grenze beträgt bei Bauaufträgen 80000 Euro und bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen 40000 Euro. Bis 20000 Euro können Aufträge ohne Begründung direkt vergeben werden. Der Aufbau der Regeln entspricht dem Ablauf des Verfahrens, allgemeinen Regeln folgen besondere Bestimmungen; manche Vorschriften gelten nur für den Ober-, manche nur für den Unterschwellenbereich.“ 24 Jan Byok, Das neue Vergaberecht, in: NJW 1998, 2774 25 Rüdiger Kratzenberg, Bericht der Arbeitsgruppe zur Verschlankung des Vergaberechts, in: NZBau 2004, S. 141. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 – 3000 – 016/15 Seite 11 Noch S. 142: „Die Arbeitsgruppe konnte sich nicht auf eine einheitliche Empfehlung zu Gunsten eines Modells zur Verschlankung des Vergaberechts einigen. Aus der Diskussion ist Folgendes festzuhalten: Von einigen Arbeitsgruppenmitgliedern wird als Vorteil eines Bundesvergabegesetzes nach österreichischem Vorbild angesehen, dass es ein in sich geschlossenes Regelwerk ist. Als besonders positiver Aspekt erscheint einzelnen Mitgliedern die Verknüpfung von Auftragswertgrenzen mit minimalistischen Verfahrensanforderungen; einer Begrenzung des Anwendungsbereichs sei dies vorzuziehen . Nachteilig erscheint, dass für jede Änderung des Rechts gleich eine Gesetzesänderung erforderlich ist. Auch besteht hinsichtlich der Gesetzgebungskompetenz des Bundes Klärungsbedarf . Schließlich zöge die Übernahme des Modells in Deutschland die Herauslösung des Vergaberechtes aus dem GWB (und dem Haushaltsrecht) nach sich. Nach der Aufnahme in das GWB erst vor vier Jahren wäre dies eine unglückliche Entwicklung. Sie könnte zudem als Abkehr von Wettbewerb und Transparenz verstanden werden. Aus diesen Gründen erscheint es der Arbeitsgruppe als ein nicht durchsetzbares Modell.“