„Kulturflatrate“ contra „Olivennes-Modell“ Umgang mit Urheberrechtsverletzungen im Internet in Deutschland, Frankreich und Schweden - Ausarbeitung - © 2009 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 015/09 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser: „Kulturflatrate“ contra „Olivennes-Modell“ Umgang mit Urheberrechtsverletzungen im Internet in Deutschland, Frankreich und Schweden Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 015/09 Abschluss der Arbeit: 10.02.2009 Fachbereich WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Telefon: Das Dokument gibt nicht notwendigerweise die Auffassung des Deutschen Bundestages oder seiner Verwaltung wider. Eine Verwertung bedarf der Zustimmung durch die Leitung der Abteilung W. - Zusammenfassung - Die „Kulturflatrate“ und das „Olivennes-Modell“ sind zwei unterschiedliche Ideen, um das illegale Herunterladen von urheberrechtlich geschütztem Material zu verhindern. Während mit der Flatrate das Herunterladen gegen Zahlung einer Pauschale legalisiert wird, will „Olivennes“ die konsequente Verfolgung der Täter in jedem einzelnen Fall. Eine Zusammenarbeit aus staatlichen Behörden, Internet-Anbietern und Rechteindustrie soll ein gestuftes Vorgehen gegen jeden „Raubkopierer“ ermöglichen, an dessen Ende im Wiederholungsfalle neben Geld- und Freiheitsstrafen auch eine Sperrung des Internet -Anschlusses möglich ist. Die Rechteinhaber und die Industrie stehen einem „Flatrate -Modell“ skeptisch gegenüber, weil sie weitere Einnahmenverluste befürchten. Das „Olivennes-Modell“ ist dagegen datenschutzrechtlich fragwürdig. Frankreich steht kurz vor der konsequenten Einführung des „Olivennes-Modells“. In Schweden befindet sich die „Kulturflatrate“ dagegen noch im Experimentierstadium. Viele – auch datenschutzrechtliche – Fragen sind noch ungeklärt, da die Einnahmen aus der Pauschale auch nach der Intensität der Nutzung verteilt werden müssen. Eine gesetzliche Regelung wird in absehbarer Zeit nicht erfolgen. Auf EU-Ebene und in Deutschland wird ein Mittelweg gegangen. In Deutschland gibt es eine Gerätepauschale als Ausgleich für legale Privatkopien, die von nicht kopiergeschützten Datenträgern gemacht werden dürfen. Zugleich ist der illegale Download aus dem Internet strafbar. Da jedoch die deutschen datenschutzrechtlichen Bestimmungen eine erfolgreiche strafrechtliche Verfolgung im Einzelfall kaum gestatten, handelt es sich bei den Strafbarkeitsvorschriften eher um symbolische Gesetzgebung. Bei der Umsetzung der europäischen Urheberrichtlinie im deutschen Urhebergesetz (sog. erster und zweiter Korb) wurde die „Kulturflatrate“ nicht ernsthaft diskutiert. Im Gegensatz zur Ansicht der Bundesregierung kann aber auch nicht ohne weiteres angenommen werden, sie sei nicht mit europäischem Recht vereinbar. Vielmehr kommt es hierbei auf ihre konkrete Ausgestaltung an, da der Rechteinhaber zwar nicht unangemessen benachteiligt werden darf, der nationale Gesetzgeber aber sehr wohl einen Spielraum hat, wie er das Urheberrecht ausgestaltet. Inhalt 1. Einleitung 4 2. Die Modelle: „Kulturflatrate“ und „Olivennes-Modell“ 5 2.1. „Kulturflatrate“ 6 2.1.1. Begriff und Inhalt 6 2.1.2. Rechtliche Ausgestaltung 7 2.1.3. Vor- und Nachteile 7 2.2. „Olivennes-Modell“ 8 2.2.1. Begriff und Inhalt 8 2.2.2. Rechtliche Ausgestaltung 9 2.2.3. Vor- und Nachteile 10 3. Verwirklichung von Elementen beider Modelle in Deutschland, Frankreich und Schweden 11 3.1. Europäische Union 12 3.2. Bundesrepublik Deutschland 13 3.3. Frankreich 14 3.4. Schweden 15 4. Fazit 16 - 4 - 1. Einleitung Das Internet, flächendeckende Breitbandanschlüsse, CD/DVD-Brenner, digitale Kopien ohne Qualitätsverlust und sog. Tauschbörsen („Filesharing“) führen dazu, dass weltweit massenhaft urheberrechtlich geschützte digitale Inhalte (Text, Bilder, Musik, Filme, Software) illegal auf den privaten Computer oder digitale Speichermedien geladen werden .1 Da eine derartige Nutzung ohne Einwilligung des Rechteinhabers nicht nur eine Urheberrechtsverletzung darstellt, sondern in vielen Fällen auch die Begehung einer Straftat ,2 sieht sich das Recht vor das Problem gestellt, massenhaft Rechtsverletzungen zu ermitteln und zivil- und strafrechtlich zu verfolgen.3 Zugleich werden diese massenhaften Rechtsverstöße zumeist von ansonsten rechtstreuen Bürgern begangen, was immer ein Indiz für mangelndes Unrechtsbewusstsein und fehlende Akzeptanz der Norm ist. Da digitale Inhalte beliebig reproduzierbar sind, empfinden viele Nutzer ein Sichverschaffen und Vervielfältigen digitaler Werke als nicht sozialschädlich. Die Begehung führt – anders als bei Sachen – nicht dazu, dass eine Ressource verknappt und Dritten entzogen wird. Im Gegenteil: Werden sie geteilt, vermehren sie sich. Es ist daher der Rechtsordnung schwer zu vermitteln, dass die Rechteinhaber in ihren kommerziellen Verwertungsmöglichkeiten und Gewinnchancen eingeschränkt werden.4 So soll der Absatz von Datenträgern vor allem auf dem Musikmarkt erheblich eingebrochen sein, seitdem es Dateiformate und Internetverbindungen gibt, die die Herstel- 1 Siehe zur Entwicklung auch BT-Drs. 16/1828, S. 14 f. 2 Siehe §§ 106 ff. UrhG (Urheberrechtsgesetz vom 09.09.1965 (BGBl. I S. 1273), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 07.12.2008 (BGBl. I S. 2349). 3 In Deutschland soll es bisher nur eine Verurteilung gegeben haben („Wikipedia“, http://de.wikipedia.org/wiki/Filesharing [Stand: 05.02.2009]). Allerdings gab es bereits auch Anzeigen (und Ermittlungsverfahren) gegen 20.000 Filesharing-Nutzer (vgl. Dietrich, NJW 2006, 809). Laut Musikindustrie sollen in Deutschland 2007 und 2008 sogar 60.000 Strafanzeigen wegen Urheberrechtsverletzungen bei Musik gestellt worden sein. Hinzu kamen 50.000 bis 100.000 Strafverfahren , die von der Film- und Buchbranche eingeleitet wurden („FAZ“ vom 22.12.2008, S. 34). Ob diese Verfahren zum Erfolg führten, darf jedoch bezweifelt werden. Da staatliche oder private Überwachungsmaßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Datenschutzes und der Verhältnismäßigkeit (Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung) kaum zu rechtfertigen sind, können in Deutschland derartige Delikte meist nur im Zusammenhang mit anderen Straftaten, die eine Beschlagnahme von Computern mit sich bringen, als „Zufallsfunde“ verfolgt werden. Siehe hierzu im Übrigen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur „Online-Durchsuchung“ (Urteil vom 27.02.2008 – 1 BvR 370/07; 1 BvR 595/07) sowie § 20k des BKA-Gesetzes (Bundeskriminalamtgesetz vom 07.07.2997 [BGBl. I S. 1650], zul. geändert d. Art. 1 des Gesetzes vom 25.12.2008 [BGBl. I S. 3083], wonach Online-Durchsuchungen nur zu Abwehr terroristischer Straftaten zulässig sind. 4 „We all are pirates.“, Bernault/Lebois, Peer-to-peer File Sharing and Literary and Artistic Property (2005/2006), S. 4, http://privatkopie.net/files/Feasibility-Study-p2p-acs_Nantes.pdf (Stand: 30.01.2009). - 5 - lung von Kopien ermöglichen.5 Angeblich sollen Tauschbörsen Schäden von 69 Mrd. US-$ jährlich verursachen.6 Andererseits wird bestritten, dass der Rückgang des Tonträgerabsatzes auf Tauschbörsen und CD/DVD-Brenner zurückgeht, weil der Markt übersättigt gewesen sei und nicht jede Person, die sich illegal Tonträger verschafft, hochpreisige CDs erwerben würde.7 Zudem seien „Milchmädchenrechnungen“ irreal, bei denen die Schadenssumme durch die Multiplikation der Zahl der heruntergeladenen Dateien mit einem fiktiven Verkaufspreis berechnet werden.8 Da in den nächsten Jahren eine Vervierfachung des Tauschbörsenaufkommens erwartet wird,9 Musik und Filme bereits illegal beschafft werden können bevor sie auf dem Markt sind und Medienschaffende und –industrie fortlaufend auf intensivere staatliche Maßnahmen drängen, werden verschiedene Maßnahmen und Modelle diskutiert. Auch die Bundesregierung spricht mit der Industrie und den Internet-Anbietern.10 2. Die Modelle: „Kulturflatrate“ und „Olivennes-Modell“ Zwei Ideen, wie mit dem Urheberrecht im digitalen Zeitalter verfahren werden kann, stehen sich gegenüber. Dabei handelt es sich nicht um rein rechtliche bzw. gesetzliche Konzepte und Fragen, sondern auch um wirtschaftliche und politische Richtungsentscheidungen . Zum einen gibt es die (eher liberale) Idee einer „Flatrate“, d.h. einer pauschalen Abgeltung in verschieden vorstellbaren Formen, die zugleich zu einer legalen Nutzung aller 5 Vgl. „Spiegel-Online“ vom 03.01.2003, http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,229093,00.html (Stand: 03.02.2009); „golem.de“ vom 26.02.2003, http://www.golem.de/0302/24187.html (Stand: 03.02.2009). 6 „derStandard.at“ vom 18.11.2008, http://derstandard.at/?url=/?id=1226397157832 (Stand: 03.02.2009). 7 Meldung auf „heise.de“ vom 18.02.2003, http://www.heise.de/newsticker/Studie-MP3- Tauschboersen-schaden-Musikindustrie-nur-begrenzt--/meldung/34630 sowie Meldung auf „pctipp.ch“, http://www.pctipp.ch/news/sicherheit/18682/mp3_der_wirtschaftliche_schaden_ist _erheblich.html (beide Stand 03.02.2009). 8 „derStandard.at“ vom 18.11.2008, http://derstandard.at/?url=/?id=1226397157832 (Stand: 03.02.2009). 9 http://multimediaintelligence.com/index.php?option=com_content&view=article&id=133:p2ptraffic -to-grow-almost-400-over-the-next-5-years-as-legitimate-p2p-applications-become-ameaningful -segment&catid=36:frontage&Itemid=215 (Stand: 03.02.2009). Seit Beginn der intensiven Verfolgung 2004 sei allerdings die Zahl der illegalen Musikdownloads in Deutschland von mehr als 600 Millionen auf 312 Millionen im Jahr 2007 zurückgegangen, so die Musikindustrie („FAZ“ vom 22.12.2008, S. 34). 10 „FAZ“ vom 10.01.2009, S. 10: Bundesministerin Zypris debattierte am 09.01.2009 mit Internet -Providern über das „Olivennes-Modell“. Dem Vernehmen nach bevorzugt Kulturstaatsminister Neumann das „Olivennes-Modell“. - 6 - digitalen Inhalte berechtigt, die über den Breitbandzugang erhältlich sind.11 Hieran knüpfen sich je nach Ausgestaltung eine ganze Reihe erheblicher Folgeprobleme (Datenschutz , weiterer Urheberschutz). Zum anderen wird (eher restriktiv und repressiv) vertreten, es müssten mehr legale Downloadmöglichkeiten geschaffen werden, während zugleich illegale Downloads konsequenter bekämpft werden müssten. Nutzer, Internet-Provider und Anbieter illegaler Inhalte sollen schärfer kontrolliert und verfolgt werden. Auch hier ergeben sich gravierende Folgeprobleme im Daten- und Urheberschutz. 2.1. „Kulturflatrate“ 2.1.1. Begriff und Inhalt Der Begriff „Kulturflatrate“ wird vermutlich von ihren Befürwortern verwendet, um deutlich zu machen, dass die Einkünfte aus dieser pauschalen Erhebung vorrangig den Autoren, Künstlern und Kulturschaffenden zugute kommen soll – und nicht der Verwertungsindustrie . Offener ist der Begriff „Content-Flatrate“. Hier wird keine spezifische Entscheidung getroffen, welche Werke umfasst sind und an wen die Ausschüttung der Einnahmen erfolgt.12 Der Begriff „Flatrate“ bezeichnet die Pauschalzahlung für Telekommunikationsdienstleistungen . Unter einer „Content-Flatrate“ ist eine Pauschalvergütung für solche Nutzungen zu verstehen, die den Tausch von digitalisierten Werken im Internet ermöglichen . Die Nutzer sollen ohne konkrete Erlaubnis des Rechteinhabers Werke im Internet nutzen können. Die Vergütung wird über eine pauschale Abgabe erbracht, die für die Nutzung von Breitbandinternetzugängen erhoben wird. Abgabepflichtig könnten die Anbieter dieser Zugänge („Provider“) sein, die ihre zusätzlichen Kosten an die Nutzer weitergäben. Die Abgabe würde schließlich von Verwertungsgesellschaften eingezogen und an die unterschiedlichen Rechtsinhaber verteilt werden.13 11 Angedeutet für den mobilen Bereich auch im Medien- und Kommunikationsbericht der Bundesregierung 2008 vom 23.12.2008 (BT-Drs. 16/11570), S. 267. 12 Verwertungsgesellschaften schütten Einnahmen aus gesetzlichen Lizenzierungen größtenteils an die Urheber persönlich aus, während private Verwertungsunternehmen Nutzungen zivilrechtlich lizenzieren und die Einkünfte den Verlagen und Medienunternehmen zufließen (so z.B. bei Pressespiegeln nach § 49 UrhG: Nutzungen im gesetzlichen Rahmen gehen via VG Wort an die Urheber /Autoren, darüber hinausgehende Lizenzierungen erfolgen über eine GmbH, deren Einnahmen den Presseverlagen zu Gute kommen). 13 Runge, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht International (GRUR Int.) 2007, S. 130. - 7 - Anhänger eines Flatrate-Systems sind zumeist NGO`s, Zusammenschlüsse von Internet -Nutzern, Computer-Experten, Verbraucherverbände und wirtschaftskritische Verbände und Parteien. 2.1.2. Rechtliche Ausgestaltung Ein solches Modell kann als vergütungspflichtige gesetzliche Lizenz eingeführt werden . Die Vergütung müsste durch eine anerkannte Verwertungsgesellschaft (wie der GEMA oder der VG Wort) erfolgen.14 Pauschalabgaben für legale private Vervielfältigungen (§ 53 UrhG) werden zudem bereits von den Geräteherstellern auf Computer, Drucker, Fotokopier, CD/DVD-Rohlinge usw. erhoben (§§ 54 ff. UrhG). Die Abgabe erfolgt für das sog. „Recht auf Privatkopie“, das gesetzlich für digitale Medien ohne Kopierschutz eingeräumt ist und bereits seit Zeiten der Leerkassette praktiziert wird. Es ist auch denkbar, dass die Rechteinhaber im Rahmen der zivilrechtlichen Vertragsfreiheit mit den Internetzugangsanbietern eine „Flatrate“ vereinbaren. Es ist jedoch davon auszugehen, dass in der Praxis eine solche Vereinbarung eher nur eine Flatrate für ein beschränktes Angebot eines Medienkonzerns umfasst und nicht generell für alle Dateien gilt. 2.1.3. Vor- und Nachteile Vorteile eines solchen Modells für das Internet wären sichere Einnahmen der Rechteinhaber, eine Entkriminalisierung breiter Bevölkerungsschichten und die Vereinbarkeit mit den Ideen des EU-Binnenmarktes.15 Dagegen wird eingewandt, eine Flatrate würde den Missbrauch noch stärker fördern, weil die Nutzer sich aufgefordert fühlten, noch mehr Inhalte zu laden.16 Die Bundesregierung lehnt ebenfalls eine solche Idee ab, weil sie wirtschaftlich schädlich sei.17 Die Musikindustrie behauptet zudem, die Möglichkeit, gegen illegale 14 So sind u.a. in gewissem Umfang Vervielfältigungen von Werken zum privaten Gebrauch (§ 53 UrhG), für Kirchen und Schulen oder für die Rechtspflege (§§ 45, 46 UrhG) erlaubt. Das gilt auch für Presseerzeugnisse, die vergütungspflichtig in Pressespiegeln vervielfältigt werden dürfen (§ 49 Abs. 1 UrhG). Vergütungspflichtig im digitalen Bereich ist die Nutzung der gesetzlichen Lizenz für die öffentliche Zugänglichmachung für Unterricht und Forschung gemäß § 52a Abs. 4 UrhG, für die Vervielfältigung im Wege der Bild- und Tonaufzeichnung gemäß § 54 Abs. 1 UrhG sowie gemäß § 54 Abs. 1, 2 UrhG für die Vervielfältigung im Wege der Ablichtung. Diese gesetzlichen Vergütungsrechte sind verwertungsgesellschaftspflichtig gemäß §§ 52a Abs. 4 S. 2, 54h Abs. 1 UrhG. 15 Runge, GRUR Int. 2007, S. 130 f. 16 Interview mit MdEP Guy Bono, Europäisches Parlament, http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?language=DE&type=IM- PRESS&reference=20080415STO26612&secondRef=0 (Stand: 05.02.2009). 17 Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft („2. Korb“) vom 15.06.2006, BT-Drs. 16/1828, S. 20. - 8 - Vervielfältigungen effektiv vorgehen zu können, sei Grundvoraussetzung für den Aufbau und die Erhaltung ertragreicher Angebote, von denen Künstler und Produzenten unverhältnismäßig viel stärker profitieren als von pauschalen Vergütungen. Problematisch dürfte auch sein, das Aufkommen der Downloads zu bestimmen, um anhand dessen die Verteilung der eingenommenen Vergütungen an die Rechteinhaber zu verteilen. Bei der Geräte- und Leermedienpauschale liefern immerhin Preis und Absatz Anhaltspunkte, bei Breitbandverbindungen könnte es nur die Zahl der Anschlüsse und ggf. die Verbindungsgeschwindigkeit sein. Hierbei bleibt immer unberücksichtigt, ob und in welchem Maße die Nutzer tatsächlich Vervielfältigungen bzw. Downloads vornehmen, was bei einer gesetzlichen Ausgestaltung zu Problemen mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz führen kann.18 Soll eine genaue Differenzierung erfolgen, müssten die Provider Überwachungsinstrumente auf ihren Servern bzw. auch auf den Rechnern der Nutzer installieren, mit denen es erheblich datenschutzrechtliche Probleme geben dürfte. Gegen ein gesetzlich verfügtes Flatrate-Modell wird zudem eingewandt, dass es nicht mit internationalem und europäischem Urheberrecht vereinbar sei.19 Insbesondere widerspräche ein solches Modell Art. 5 Abs. 5 der EG-Urheberrichtline,20 ein Argument , dem sich auch die Bundesregierung angeschlossen hat.21 Andere Stimmen bestreiten freilich die Unvereinbarkeit mit internationalem und europäischem Recht: So kommt ein französisches Gutachten zu dem Ergebnis, eine „Kulturflatrate“ sei sehr wohl mit EG-Recht und den internationalen Übereinkünften zum Schutz des sog. Geistigen Eigentums vereinbar.22 2.2. „Olivennes-Modell“ 2.2.1. Begriff und Inhalt Nach dem Vorsitzenden einer französischen Kommission (Denis Olivennes, einem Vertreter der traditionellen Medienwirtschaft) wird in interessierten Kreisen ein Modell benannt, dem ein anderes Verständnis zugrunde liegt. Die traditionellen Prinzipien 18 Siehe „heise-online“ vom 24.01.2006, http://www.heise.de/newsticker/meldung/68723 (Stand: 30.01.2009). 19 So nach ausführlicher Prüfung Runge, GRUR Int. 2007, S. 130 (136 f.). 20 Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.05.2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft . 21 BT-Drs. 16/1828, S. 20. 22 Siehe Bernault/Lebois, Peer-to-peer File Sharing and Literary and Artistic Property (2005/2006), http://privatkopie.net/files/Feasibility-Study-p2p-acs_Nantes.pdf (Stand: 30.01.2009). - 9 - des Urheberrechts sind demnach vom Staat konkret und konsequent auch im Internet bei digitalen Datenträgern durchzusetzen. Kernpunkte sind eine verstärkte gestufte Repression und die gleichzeitige Selbstverpflichtung der Medienkonzerne, attraktive und vielfältige legale Download-Möglichkeiten zu schaffen.23 Anhänger dieses Modells sind zumeist die Medienindustrie (auch die bundesdeutsche) sowie wirtschaftsnahe Verbände und Parteien. 2.2.2. Rechtliche Ausgestaltung Die stärkere Verfolgung hat einerseits durch intensivierte Überwachung, Kontrolle und Bestrafung illegaler Downloads zu erfolgen. Provider müssten gezwungen werden, durch staatlich autorisierte Software den Datenverkehr auf ihren Servern und zu den Nutzern zu überwachen und unerlaubte Nutzungen ggf. an die Behörden und/oder Rechteinhaber weiterzuleiten. Strafbare Handlungen auf Seiten der Nutzer sollen konsequent verfolgt, abgemahnt und ggf. bestraft werden. Bagatellregelungen werden abgelehnt , da sie das Unrechtsbewusstsein untergraben würden. Beim Download von illegalen Inhalten müsste lückenlos unmittelbar abgemahnt werden. Bei mehrfachen Zuwiderhandlungen soll den Nutzern vor der Verhängung von Geld- und Freiheitsstrafen eine teilweise oder vollständige Sperrung des Internet-Zugangs angedroht werden können.24 Demgegenüber sollen die legalen Angebote zum Download von Musik und Filmen ausgeweitet werden. Um einen erneuten Missbrauch der legalen Dateien zu verhindern, müssten diese Dateien mit DRM (Digital Rights Management bzw. Digitale Rechteverwaltung ) versehen und zu bezahlbaren („fairen“) Preisen zur Verfügung stehen. DRM-Verfahren ermöglichen es, dem Erwerber ganz bestimmte Lizenzierungen zu nutzen. So sind zum Beispiel die zeitliche Dauer (Tage, Wochen, Monate), die Häufigkeit der Nutzbarkeit oder sonstige bedarfsgerechte Abrechnungsmethoden möglich (beispielsweise „Pay-per-view“ bzw. „Video-on-Demand“ bei Video-Dateien aus dem Internet). Dagegen werden bei DRM-Systemen die Daten selbst (und mit ihnen eine unbeschränkte Nutzungsbefugnis) nicht veräußert. Sie sind stattdessen mit verschlüsselten Steuerungsinformationen versehen, die die Grenzen der Lizenzierung über- 23 Zur „Mission Olivennes“, die im September 2007 ihren Bericht vorlegte, siehe die Webseite des Französischen Kulturministeriums: http://www.culture.gouv.fr/culture/actualites/indexolivennes 231107.htm (Stand: 05.02.2009). 24 „tagesschau.de“ vom 21.09.2008, http://www.tagesschau.de/ausland/eu102.html (Stand: 05.02.2009); zum Modell der „abgestuften Erwiderung“ siehe „Heise online“ vom 18.06.2008, http://www.heise.de/newsticker/meldung/print/109638 (Stand: 05.02.2009). Entsprechende Gespräche fanden auch zwischen der deutschen Musikindustrie und Bundesjustizministerin Zypris statt („FAZ“ vom 10.01.2009, S. 10.). - 10 - wachen und eine darüber hinausgehende Nutzung (Vervielfältigung, Verbreitung, Extrahierung der Mediendaten usw.) unterbinden.25 2.2.3. Vor- und Nachteile Vorteil einen solchen Systems wäre eine nach Nutzungsintensität bemessene Vergütung für die Rechteinhaber. Bei erfolgreicher Umsetzung des Modells würden illegale Downloads weitgehend verhindert werden, während die Vermarktung digitaler Inhalte im Internet intensiviert wird. Damit gehen für die Verbraucher komfortablere Nutzungsmöglichkeiten einher. Sie bezahlen nur für die Nutzung, die sie brauchen oder tatsächlich vornehmen. So könnte das einmalige Ansehen eines Spielfilms „Pay-per-View“ erheblich günstiger sein als der Erwerb einer DVD. Zugleich könnte die Datenqualität eine bessere als in den Tauschbörsen sein, wo nur komprimierte oder gekürzte Fassungen mit erheblichem Zeitaufwand heruntergeladen werden können.26 Es könnte auch erhofft werden, dass dieses Modell positive wirtschaftliche Effekte hat und zu verbesserten Einnahmen für die Urheber führt. Dagegen spricht jedoch, dass die angestrebte Überwachung und Verfolgung illegaler Downloads schweren grundrechtlichen und europarechtlichen Bedenken begegnet: So ist eine Online-Durchsuchung bzw. eine Überwachung des Datenverkehrs durch Private oder durch staatliche Behörden als Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz)27 nur zum Schutz elementarer Rechtsgüter und nur nach richterlicher Anordnung zulässig ,28 nicht jedoch pauschal zum Schutz des Urheberrechts. Zudem kann im Datenverkehr bisher nur die Computer-Kennung (die sog. IP-Adresse) identifiziert werden, nicht jedoch die Person, die den Computer bedient. Die Zulässigkeit einer Sperrung des Internet-Zugangs allein aufgrund einer solchen Identifikation begegnet nicht nur in rechtsstaatlicher Hinsicht großen Zweifeln. Auch in das Grundrecht auf ungehinderten Informationszugang (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz) würde vermutlich in unverhältnismäßiger Weise eingegriffen. Zudem gibt es ausreichende Möglichkeiten, das Internet anonym (ohne oder mit veränderter IP-Adresse) zu benutzen, so dass illegale Downloads weiter möglich wären. 25 „Wikipedia”, http://de.wikipedia.org/wiki/Digitale_Rechteverwaltung (Stand: 05.02.2009). 26 Es wird gemutmaßt, dass die Internet-Provider die Kapazitäten für Filesharing-Dienste drosseln, siehe „Wikipedia“, http://de.wikipedia.org/wiki/Filesharing (Stand: 05.02.2009). 27 BVerfGE 67, 1 – „Volkszählung“. 28 BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 27.02.2008 (Az.: 1 BvR 370/07, 595/07), S. 1 – „Online -Durchsuchungen“. - 11 - Ebenso gibt es technisch die Möglichkeit, legal oder illegal DRM-Beschränkungen zu umgehen. Während sich im Software-Bereich DRM bewährt hat, wird im Bereich des legalen Downloads von Musik von einem „Scheitern“ des DRM gesprochen.29 So ist mittlerweile das Angebot des Branchenführers „iTunes“ der Firma Apple komplett DRM-frei erwerbbar und wird nun als neuer „Standard“ bezeichnet.30 DRM ist nicht nur relativ leicht zu umgehen, sondern es hat bei anderen Anbietern auch immer wieder erhebliche technische Probleme gegeben, die die rechtstreuen Kunden verärgert haben . Mit der Intensität des DRM-Schutzes steigen auch die Ausfallrisiken: Die Erstellung von Sicherheitskopien wird verhindert,31 ein Austausch der Festplatte, des Computers oder ein Betriebssystems-Update vereitelt die weitere Benutzung der erworbenen Dateien, es können nur bestimmte Programme und Wiedergabegeräte benutzt werden. Werden diese vom Markt genommen, ist die Nutzung nicht mehr möglich.32 Aufgrund von Ausfällen und Umsatzeinbrüchen bei kopiergeschützten Tonträgern haben mittlerweile Unternehmen auch wieder vollständig auf Kopierschutz verzichtet.33 3. Verwirklichung von Elementen beider Modelle in Deutschland, Frankreich und Schweden Beide Modelle bringen – wie dargestellt – eine Reihe von technischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Problemen mit sich. Daher verwundert es nicht, dass keines jener Modelle in Europa konsequent und umfassend umgesetzt worden wäre. Gewisse Elemente jener Modelle oder eine stärkere oder schwächere Tendenz finden sich jedoch in den Urheberrechtsordnungen der Europäischen Union und ihrer Mitgliedsländer wieder. Aufgrund der rasanten technischen Entwicklung, neuen staatlichen Eingriffsmöglichkeiten durch die Antiterrorgesetzgebung und veränderten ökonomischen Rahmenbedingungen ist das Urheberrecht in der Informationsgesellschaft höchst umstritten und unterliegt immer wieder neuen Diskussionen und Justierungen. 29 „Wikipedia”, http://de.wikipedia.org/wiki/Digitale_Rechteverwaltung (Stand: 05.02.2009). 30 http://www.apple.com/de/itunes/whatsnew/ (Stand:05.02.2009). 31 Apple empfahl ausdrücklich zur Sicherung der DRM-Dateien aus dem iTunes-Store Audio-CDs zu brennen – mit dem Programm iTunes war es sodann möglich, aus den CDs nahezu verlustfrei DRM-freie Dateien herzustellen, was lizenzrechtlich zwar nicht ausdrücklich erlaubt, aber auch nicht verboten war. 32 „Wikipedia”, http://de.wikipedia.org/wiki/Digitale_Rechteverwaltung (Stand: 05.02.2009). 33 So z.B. Universal, siehe http://www.universal-music-kopierschutz.de/ (05.02.2009). - 12 - 3.1. Europäische Union Auf Europäischer Ebene ist primär die Urheberrichtlinie34 der Maßstab, in dessen Rahmen sich die nationalen Rechtsordnungen bewegen müssen. Der „Erste Korb“ der Urheberrechtsreform35 diente der Umsetzung des von der Richtlinie zwingend vorgegebenen Urheberrechtsschutzes, hierzu gehörte beispielsweise das Verbot, den Kopierschutz zu umgehen (vgl. §§ 95a, 108b UrhG i.V.m. Art. 6 Urheberrichtlinie). Die Richtlinie lässt jedoch auch Ausnahmen zu, die es den Mitgliedsstaaten ermöglichen , den Urheberschutz stärker oder schwächer auszugestalten. So gestattet Art. 5 Abs. 2 b) der Richtlinie den Mitgliedstaaten, das grundsätzlich zu schützende Vervielfältigungsrecht der Urheber (Art. 2) zu beschränken, wenn die Vervielfältigung durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch erfolgt und weder direkten noch indirekten kommerziellen Zwecken dient – allerdings unter der Bedingung, dass die Rechtsinhaber einen gerechten Ausgleich erhalten, wobei berücksichtigt wird, ob ein Kopierschutz (auch DRM) angewendet wurde oder nicht. Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie ist allerdings eine Auffangklausel, die verhindern soll, dass die genannten Ausnahmen zur Regel werden: Sie „dürfen nur in bestimmten Sonderfällen angewandt werden, in denen die normale Verwertung des Werks oder des sonstigen Schutzgegenstands nicht beeinträchtigt wird und die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers nicht ungebührlich verletzt werden.“ Die Bundesregierung begründet die Ablehnung einer „Kulturflatrate“ auch mit einem Verstoß gegen jenen Art. 5 Abs. 5. Ohne eine genauere Begründung ist diese Rechtsansicht freilich nicht zwingend. Hier kann jedenfalls ohne eine genauere Untersuchung nicht festgestellt werden, ob ein Flatrate-Modell zumindest offensichtlich gegen die Urheberrichtlinie verstößt, es ist aber auch nicht erkennbar, dass das Modell offensichtlich mit EG-Recht vereinbar ist. Im Rahmen der EG-Rechtssetzung wurde beim sog. Telekompaket (mit ihm soll durch fünf Richtlinien das Telekommunikationsrecht neu geordnet werden) die Befürchtung laut, Frankreich und Großbritannien wollten den Internetverkehr überwachen lassen und die Internet-Anbieter für rechtswidrige Handlungen ihrer Kunden haftbar machen. Es wurden Vorschläge eingebracht, die die Umsetzung des „Olivennes-Modells“ auf europäischer Ebene zum Ziel hatten. So sollten die Internet-Provider verpflichtet werden, staatlichen Behörden Angaben über illegale Nutzungen und Urheberrechtsverstöße zu machen.36 Derzeit wird das Telekompaket noch im Europäischen Parlament beraten.37 34 Richtlinie 2001/29/EG vom 22.05.2001. 35 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum Entwurf der Bundesregierung (Drs. 15/15 und 15/38) vom 09.04.2003 (BT-Drs. 15/837). 36 „Heise Online“ vom 02.07.2008, http://www.heise.de/newsticker/meldung/110319 (Stand: 05.02.2009). - 13 - Soweit ersichtlich, sind die britischen und französischen Vorschläge nach der Ersten Lesung nicht Beratungsinhalt geworden.38 Bisher lässt also Europäisches Recht den Mitgliedsstaaten durchaus einen Freiraum, wie im Einzelnen der Urheberschutz ausgestaltet und wie Verletzungen verfolgt werden. Richtlinien lassen den Nationalstaaten noch immer eines Raum für eigene Ausgestaltungen . 3.2. Bundesrepublik Deutschland Im Deutschen Bundestag wurde im Rahmen der Diskussion um die Verabschiedung des „Zweiten Korbes“ des Urheberrechts (mit der nach dem „Ersten Korb“ weiter die Anpassung des nationalen Rechts an die EG-Urheberrechtsrichtlinie erfolgte) eine „Kulturflatrate“ nicht diskutiert. Die Bundesregierung hatte ein solches Modell abgelehnt , weil es nicht mit der Urheberrechtsrichtlinie vereinbar sei und die Vermarktung urheberrechtlich geschützter Güter im Internet verunmögliche.39 Lediglich die Fraktion DIE LINKE. forderte in einem (vom Rechtsausschuss zur Ablehnung empfohlenen) Entschließungsantrag solche gesellschaftlich bereits diskutierten Konzepte „juristisch zu prüfen und dem Bundestag ist darüber in geeigneter Form der Sachstand zu berichten.“40 Stattdessen spricht aus der Gesetzesbegründung zum „Zweiten Korb“ erheblich die Einschätzung , dass DRM-Verfahren eine erhebliche Bedeutung bekommen würden, man jedoch darauf verzichte, DRM „gesetzlich vorzuschreiben“. Andererseits hielt der Gesetzgeber am bereits existierenden Pauschalsystem für (legale) Privatkopien fest und modifizierte es,41 er lehnte jedoch eine Bagatellregelung für illegale Vervielfältigungen ab, da damit „ein fatales Signal für das geistige Eigentum“ gesetzt werden würde: „In der Gesellschaft greife bereits jetzt die Einstellung um sich, dass alle Inhalte im Internet umsonst seien. Mit einer Bagatellklausel würde der Gesetzgeber diesem Missverständnis und einem weiteren Missbrauch Vorschub leisten.“42 Es wird jedoch vermutet, dass 37 „Heise Online” vom 02.07.2008, http://www.heise.de/newsticker/meldung/110319 (Stand: 05.02.2009); „Wikipedia“, Telekom-Paket, http://de.wikipedia.org/wiki/Telekom-Paket (Stand: 05.02.2009); Pressemitteilung des Europäischen Parlaments vom 28.08.2008, http://www.europarl.europa.eu/news/expert/briefing_page/33692-245-09-36-20080708BRI33691- 01-09-2008-2008/default_p001c001_de.htm (Stand: 05.02.2009). 38 Pressemitteilung des Europäischen Parlaments vom 24.09.2008, http://www.europarl.europa.eu /news/expert/infopress_page/052-37903-266-09-39-909-20080923IPR37902-22-09-2008-2008- true/default_de.htm (Stand: 05.02.2009). 39 BT-Drs. 16/1828, S. 20. 40 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung – Drucksache 16/1828 – vom 04.07.2007 (BT-Drs. 16/5939), S. 43. 41 BT-Drs. 16/1828, S. 15 ff. 42 BT-Drs. 16/5939, S. 29, 33. - 14 - die Strafverfolgungsbehörden weiterhin mit dem „notwendigen Augenmaß“ gegen Straftaten vorgehen würden.43 Zusammengefasst lässt sich sagen, dass Deutschland hier einen moderaten Mittelweg geht, der sich keinem der beiden Modelle eindeutig zuordnen lässt. Während die Geräteund Leermedien-Pauschale bei zulässigen Privatkopien eingeschränkt Züge eines Flatrate -Modells aufweist, ist die Präferenz für den DRM-Einsatz und die ausnahmslose Strafbarkeit von Urheberrechtsverletzungen eher der Welt des Olivennes-Modell zugehörig – freilich ohne dass konsequente Erziehungs- oder Strafverfolgungsmaßnahmen angestrebt werden. Die Beibehaltung der Strafnormen auch in Bagatellfällen soll vielmehr eine pädagogische Wirkung entfalten. 3.3. Frankreich Die Französische Nationalversammlung hatte sich noch Ende 2005 für eine Globallizenz gegen eine Pauschalabgabe von 6,66 Euro bei Downloads aus Tauschbörsen ausgesprochen . Nach Protesten der Medienindustrie44 und heftigem Streit45 votierte schließlich im März 2006 eine knappe Mehrheit der Nationalversammlung gegen die Urheberrechtsnovelle, die jenen Passus enthielt und damit gegen einen französischen Sonderweg.46 Daraufhin initiierte der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy im Juli 2007 eine Kommission, die eine andere Richtung einschlagen sollte und nach ihrem Vorsitzenden Olivennes benannt wurde. Ihren Abschlussbericht legte Denis Olivennes im November 2007 vor.47 Der französische Staat, die Internetprovider und Industrievertreter, speziell der Film und Musikindustrie schlossen im November 2007 eine Vereinbarung, die den Boden für eine neue gesetzliche Regelung zur Bekämpfung der „Internet-Piraterie“ legen sollte. Eine neue Behörde soll ein von der Olivennes-Kommission entwickeltes Modell der „abgestuften Erwiderung“ auf illegale Downloads umsetzen. Bei kleineren Vergehen werden die Nutzer zunächst schriftlich darauf hingewiesen, dass sie ihre illegalen Aktivitäten unterlassen sollen. Im Wiederholungsfall (innerhalb der folgenden sechs Mona- 43 BT-Drs. 16/1828, S. 18; 16/5939, S. 28. 44 Siehe „heise-online“ vom 24.01.2006, http://www.heise.de/newsticker/meldung/68723 (Stand: 30.01.2009). 45 Siehe „heise-online“ vom 24.01.2006, http://www.heise.de/newsticker/meldung/68723 (Stand: 30.01.2009). 46 Siehe „golem.de“ vom 10.03.2006, http://www.golem.de/0603/43966.html (Stand: 30.01.2009). 47 http://www.culture.gouv.fr/culture/actualites/conferen/albanel/rapportolivennes231107.pdf (Stand: 05.02.2007). - 15 - te) soll das Internetvertragsverhältnis für einen Monat suspendiert werden. Bei einer weiteren Wiederholung innerhalb eines halben Jahres soll es zur Kündigung des Vertragsverhältnisses kommen und zu einem „zeitlichen Verbot“ eines neuen Vertragsabschlusses bei einem anderen Internetprovider. Dieses abgestufte Vorgehen inklusive eines „Internet-Verbots“ soll angemessener auf die verbreitete Praxis illegaler Downloads reagieren. Schon nach alter Rechtslage sind hierfür drakonische Strafen möglich: Gefängnis bis zu drei Jahren und Geldstrafen bis zu 300.000 Euro.48 Soweit ersichtlich, befindet sich der Gesetzentwurf noch im Gesetzgebungsverfahren der französischen Legislative und ist bisher nicht verabschiedet worden.49 3.4. Schweden Noch im Experimentierstadium befindet sich seit 2008 in Schweden ein Modell, das einer „Kulturflatrate“ sehr nahe kommt.50 Bereits 2006 hatte der schwedische Justizminister sich für eine Diskussion über ein solches Modell stark gemacht.51 Nun führt die dortige Verwertungsgesellschaft, die STIM (Svenska Tonsättares Internationella Musikbyra), die mit der deutschen GEMA vergleichbar ist, einen Diskurs über die Einrichtung einer legalen Musik-Flatrate. Nach den Überlegungen der STIM soll der Abschluss eines Breitband-Internet-Vertrages bei einem schwedischen Zugangs -Anbieter optional eine Musik-Flatrate zum Preis von etwas fünf Euro enthalten. Hintergrund ist die große Tauschfreudigkeit der Schweden, obwohl in den letzten Jahren die Gesetze erheblich verschärft wurden. Rund 800 Millionen Dateien sollen im Jahr 2007 illegal heruntergeladen worden sein. Das ist ein Mehrfaches der deutschen Download-Menge, obwohl die Bevölkerungszahl in Schweden nur ca. 12% im Vergleich zur deutschen beträgt. Auf dem Rechner des Kunden wird automatisch eine Software eingerichtet, die ermittelt , welche Stücke wie oft abgespielt werden. Diese Informationen werden an den Internet -Anbieter übermittelt, der sie wiederum an die STIM übermittelt. Entsprechend 48 „Heise Online“ vom 18.06.2008, http://www.heise.de/newsticker/meldung/109638 (Stand: 05.02.2009). 49 Auf anderer Ebene wird in Irland verfahren: Dort schlossen die Musikindustrie und der größte Internet -Anbieter eine Vereinbarung, in der sich der Anbieter bereit erklärte, Kunden zu mahnen und Anschlüsse zu sperren. Ähnliche Überlegungen gibt es auch zwischen der US-Musikindustrie und den Internet-Providern der USA: Illegale Handlungen sollen außergerichtlich verfolgt werden („Süddeutsche Zeitung“ vom 23.12.2008, S. 1). 50 Hierzu und im Folgenden: http://www.freenet.de/freenet/computer_und_technik/software /filesharing/schweden_modell_kulturflatrate/index.html (Stand: 05.02.2009). 51 „golem.de“ vom 13.06.2006, http://www.golem.de/0606/45865-2.html (Stand: 09.02.2009). - 16 - der ermittelten Daten der Internet-Zugangsanbieter soll die Ausschüttung der Einnahmen aus der Pauschale erfolgen. Fraglich ist noch, ob das Modell von Kunden angenommen und von der Musik -Industrie sowie den Zugangs-Anbietern akzeptiert wird. Zudem müssen die Nutzer damit einverstanden sein, dass ihr Musik-Konsum dokumentiert wird, um die „Marktanteile“ der Rechtinhaber quantitativ bestimmen zu können. Die Installation einer derartigen Ermittlungssoftware ist nicht unproblematisch, denn es besteht ein nicht geringes Missbrauchsrisiko. So muss verhindert werden, dass die Software manipuliert wird oder als Lücke für Angreifer dient. Unklar ist auch, wie weit die eingeräumten Rechte an der Musik reichen, ob zum Beispiel die heruntergeladenen Dateien auch auf dem Rechner eines Dritten ohne Internet-Anschluss verwendet werden oder ob sie ihrerseits wieder in Tauschbörsen eingestellt werden dürfen.52 Das Modell scheint von einer gesetzlichen Verwirklichung noch weit entfernt zu sein. 4. Fazit Es kann festgehalten werden, dass der gegenwärtige Zustand bei der Bekämpfung der „Internet-Kriminalität“ unbefriedigend ist. Bisher hat die Ausweitung des strafrechtlichen Instrumentariums keine wirklichen Erfolge zeigen können, zumal es zumeist nur deklaratorisch erfolgte. Aus kriminologischer Sicht haben Computer, Internet und Urheberrecht zu einem „Volk von Straftätern“ geführt, was insbesondere bei Jugendlichen keine positiven Auswirkungen auf die Akzeptanz anderer Strafnormen haben dürfte . Beide Modelle, die die Akzeptanz des Straf- und Urheberrechts wiederherstellen wollen , haben Vor- und Nachteile, die ihre Umsetzung erheblich erschweren. Beiden ist gemein, dass es erhebliche datenschutzrechtliche Bedenken gibt. Der Eingriff durch das „Olivennes-Modell“ ist hier aber wesentlich intensiver, da – ähnlich wie bei der Vorratsdatenspeicherung – nicht nur persönliche und personenbezogene Daten durch private Dritte erhoben und gespeichert werden, sondern auch noch zur Verfolgung und Sanktionierung verwendet werden können. Die Sperrung des Internet-Anschlusses ist aus verfassungsrechtlicher Sicht in Deutschland ebenfalls kaum zu rechtfertigen. In einigen Ländern, v.a. in Frankreich und im angloamerikanischen Raum geht der Trend hin zum „Olivennes-Modell“. Die Akzeptanz der „Kulturflatrate“ ist dagegen 52 Auch auf der Isle of Man ist ein derartiges Modell in der Erprobung, vgl. http://futurezone.orf.at /stories/1502234/ (06.02.2009). - 17 - auch in den Ländern, die eine gestufte Repression und eine Internet-Sperre ablehnen, nicht sehr groß. Zumeist findet keine politische Diskussion statt. Häufig sind hier die Kultur-Industrie und die Rechteinhaber sehr skeptisch, was die Einnahmenbasis anbelangt . Sie fürchten bei Flatrates zugleich das weitere Wegbrechen des traditionellen Ton- und Bildträgermarktes und bevorzugen ein repressiveres Modell mit einer wesentlich höheren Verfolgungsquote. Hierzu wollen sie eine engere Zusammenarbeit mit den Internet-Anbietern. Soweit ersichtlich befinden sich beide Modelle noch im Anfangsstadium, so dass noch keine ausreichende Erfahrung existiert, wie erfolgreich sie sind und mit welchen negativen Nebenwirkungen bei ihnen zu rechnen ist.