© 2020 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 013/20 Anlagen zur Entsorgung radioaktiver Abfälle im Innenbereich Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 013/20 Seite 2 Anlagen zur Entsorgung radioaktiver Abfälle im Innenbereich Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 013/20 Abschluss der Arbeit: 04.02.2020 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 013/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Bau einer Anlage zur Entsorgung radioaktiver Abfälle 4 2.1. Bau im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans 4 2.2. Bau im Innenbereich und Geltungsbereich eines einfachen Bebauungsplans 5 2.3. Bau im unbeplanten Innenbereich 5 3. Anspruch auf Erlass einer Beseitigungsanordnung 6 4. Erweiterung einer Anlage zur Entsorgung radioaktiver Abfälle im Innenbereich 7 5. Fazit 9 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 013/20 Seite 4 1. Einleitung Nach § 29 Abs. 1 des Baugesetzbuchs (BauGB)1 gelten unter anderem für Vorhaben, die die Errichtung oder Änderung von baulichen Anlagen zum Inhalt haben, die §§ 30 bis 37 BauGB. Gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 7 BauGB ist im Außenbereich ein Vorhaben unter anderem nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dient, mit Ausnahme der Neuerrichtung von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität. Vorhaben, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken dienen, sind insbesondere „Kernkraftwerke, Forschungsreaktoren, Prototypanlagen sowie Wiederaufarbeitungsanlagen“.2 „Zu den der ‚Entsorgung radioaktiver Abfälle‘ dienenden Anlagen gehören Verwertungs- und Beseitigungsanlagen im Sinne des Atomgesetzes (AtG)3, insgesamt Landessammelstellen für radioaktive Abfälle, Zwischen- und Endlager.“4 Es stellt sich die Frage, inwieweit der Entsorgung radioaktiver Abfälle dienende Anlagen im Innenbereich verwirklicht werden dürfen, inwieweit die Anlagen Bestandsschutz genießen und ob sie erweitert werden dürfen. 2. Bau einer Anlage zur Entsorgung radioaktiver Abfälle 2.1. Bau im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans Nach § 30 Abs. 1 BauGB ist im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, ein Vorhaben zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist. Die Vorschriften über den Innen- oder Außenbereich nach §§ 34 und 35 BauGB finden in diesem Fall keine Anwendung. Es können insbesondere Baugebiete nach § 1 Abs. 2 und 3 der Baunutzungsverordnung (BauNVO)5 festgesetzt werden (zum Beispiel ein Industriegebiet ). Die Zulässigkeit des Vorhabens richtet sich in Bezug auf die Art der Nutzung dann 1 Baugesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. November 2017 (BGBl. I S. 3634). 2 Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (Hrsg.), Baugesetzbuch, Werkstand: 135. EL September 2019, § 35 Rn 59h. 3 Atomgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Juli 1985 (BGBl. I S. 1565), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 12. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2510) geändert worden ist. 4 Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (Hrsg.), Baugesetzbuch, Werkstand: 135. EL September 2019, § 35 Rn 59h. 5 Baunutzungsverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. November 2017 (BGBl. I S. 3786). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 013/20 Seite 5 insbesondere nach den §§ 2-15 BauNVO. Weiterhin sind die Vorschriften über Ausnahmen und Befreiungen nach § 31 BauGB zu beachten. In Bezug auf ein Brennelement-Zwischenlager, dessen Standort in einem Bebauungsplan als Industriegebiet ausgewiesen war, führte das OVG Münster aus, dass die Regelung des § 35 I Nr. 7 (damals vergleichbare Vorschrift in Nr. 6) BauGB zeige, dass „kerntechnische Anlagen generell in diesem Sinne“ – gemeint war wohl die heutige Vorschrift des § 35 Abs. 1 Nr. 4 (damals vergleichbare Vorschrift in Nr. 5) BauGB – Außenbereichsvorhaben seien.6 Solche Vorhaben seien „in der Regel nicht in einem der nach der Baunutzungsverordnung planbaren allgemeinen Baugebiete unterzubringen“.7 Trotzdem war das Gericht der Auffassung, „dass auch Vorhaben, die grundsätzlich im Außenbereich unterzubringen sind, in einem dafür geeigneten Planbereich ausnahmsweise zulässig sein können“.8 Dies könne „insbesondere ein als Industriegebiet festgesetzter Bereich sein, wenn dieser faktisch eine Außenbereichslage hat und Nutzungskonflikte mit anderen industriellen Vorhaben am gleichen Standort ausscheiden“.9 „Denn unter diesen Umständen“ sei „auch ohne Festsetzung eines Sondergebiets eine geordnete städtebauliche Entwicklung sicherstellt“.10 Im vorliegenden Fall schließe „der als Industriegebiet ausgewiesene Standort nicht an andere – störempfindliche – Innenbereiche“ an, sondern sei „ringsum von landwirtschaftlich genutzten Flächen umgeben“ und habe „damit faktisch eine Außenbereichslage“.11 2.2. Bau im Innenbereich und Geltungsbereich eines einfachen Bebauungsplans Gemäß § 30 Abs. 3 BauGB richtet sich im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der die Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 BauGB nicht erfüllt (einfacher Bebauungsplan), die Zulässigkeit von Vorhaben im Innenbereich im Übrigen nach § 34 BauGB. 2.3. Bau im unbeplanten Innenbereich Ist gar kein Bebauungsplan vorhanden und soll das Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile verwirklicht werden, müssen die Voraussetzungen des § 34 BauGB erfüllt sein. Dabei ist insbesondere auf § 34 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BauGB hinzuweisen. Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche , die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in 6 OVG Münster, Urteil vom 22.10.1987, Az. 21 A 330/87 (nicht rechtskräftig), NVwZ 1988, 554, 559. 7 OVG Münster, Urteil vom 22.10.1987, Az. 21 A 330/87 (nicht rechtskräftig), NVwZ 1988, 554, 559. 8 OVG Münster, Urteil vom 22.10.1987, Az. 21 A 330/87 (nicht rechtskräftig), NVwZ 1988, 554, 559. 9 OVG Münster, Urteil vom 22.10.1987, Az. 21 A 330/87 (nicht rechtskräftig), NVwZ 1988, 554, 559. 10 OVG Münster, Urteil vom 22.10.1987, Az. 21 A 330/87 (nicht rechtskräftig), NVwZ 1988, 554, 559. 11 OVG Münster, Urteil vom 22.10.1987, Az. 21 A 330/87 (nicht rechtskräftig), NVwZ 1988, 554, 559. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 013/20 Seite 6 der BauNVO bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art gemäß § 34 Abs. 2 Halbsatz 1 BauGB allein danach, ob es nach der BauNVO in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre. Gemäß § 34 Abs. 2 Halbsatz 2 BauGB ist auf die nach der BauNVO ausnahmsweise zulässigen Vorhaben § 31 Abs. 1 BauGB, im Übrigen § 31 Abs. 2 BauGB entsprechend anzuwenden. Von Vorhaben nach § 34 Abs. 1 oder 2 BauGB dürfen nach § 34 Abs. 3 BauGB keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein. Ob der Bau einer Anlage zur Entsorgung radioaktiver Abfälle genehmigungsfähig ist, muss im Einzelfall geprüft werden. Dies richtet sich insbesondere nach der Lage des Vorhabens sowie dem Vorhandensein eines Bebauungsplans und dessen Vorgaben. 3. Anspruch auf Erlass einer Beseitigungsanordnung Sollte die Anlage rechtswidrig erbaut worden sein, stellt sich die Frage, ob die angrenzende Wohnbevölkerung einen Anspruch auf Verlagerung oder Beseitigung derselben hat. Ein Anspruch auf Verlagerung ist nicht ersichtlich. Ein Anspruch auf Beseitigung könnte sich aus den Bauordnungen der einzelnen Bundesländer ergeben. Werden Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert, kann die Bauaufsichtsbehörde beispielsweise nach § 80 Abs. 1 Satz 1 der Berliner Bauordnung (BauO Bln)12 die teilweise oder vollständige Beseitigung der Anlagen anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Dabei kann nur die Verletzung zumindest einer drittschützenden Norm zu einem Anspruch der Wohnbevölkerung führen13, was im Einzelfall geprüft werden müsste. Ein Anspruch der Wohnbevölkerung auf Beseitigung der Anlage scheidet aber in der Regel wohl bereits deshalb aus, da bei genehmigungspflichtigen Vorhaben (vergleiche beispielsweise §§ 59 ff. BauO Bln) sowohl formelle als auch materielle Illegalität vorliegen müssen.14 „Ein Gebäude, das baurechtlich rechtmäßig errichtet wurde, wird durch den Bestandsschutz vor Beseitigung geschützt .“15 Sowohl eine formelle Legalität als auch eine materielle Legalität kann die Wirkung 12 Bauordnung für Berlin vom 29. September 2005, letzte berücksichtigte Änderung: mehrfach geändert, §§ 16a bis 16c, 25, 63b und 86a neu eingefügt, §§ 17, 19, 23 und 70 neu gefasst durch Gesetz vom 09.04.2018 (GVBl. S. 205, 381), abrufbar unter http://gesetze.berlin.de/jportal/?quelle=jlink&query=BauO+BE&psml=bsbeprod .psml&max=true&aiz=true, letzter Abruf: 04.02.2020. 13 Lindner, in: Formelle und materielle Illegalität bei bauordnungsrechtlichen Eingriffen, Zur dogmatischen Struktur von Baubeseitigungsanordnung und Nutzungsuntersagung, JuS 2014, 118, 122. 14 Hornmann, in: Hornmann (Hrsg.), Hessische Bauordnung, 3. Auflage 2019, § 82 Rn. 11. 15 Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (Hrsg.), Baugesetzbuch, Werkstand: 135. EL September 2019, § 35 Rn 179. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 013/20 Seite 7 des Bestandsschutzes herbeiführen.16 Die formelle Legalität liegt vor, wenn für die Errichtung eine Baugenehmigung erteilt wurde.17. Die materielle Legalität ist bei einer baurechtlichen Genehmigungsfähigkeit der Anlage im Zeitpunkt der Errichtung oder während irgendeines Zeitpunkts der Existenz der Anlage gegeben.18 Eine Baugenehmigung wird aber wohl in der Regel vorhanden sein. Ist dies der Fall, soll formelle Illegalität erst eintreten, wenn die Baugenehmigung auf eine Klage „hin – rechtskräftig – aufgehoben“[…] „mit Wirkung ex tunc (von Anfang an) oder ex nunc (von nun an) – bestandskräftig – zurückgenommen“19 oder widerrufen20 wird. Eine behördliche Aufhebung ist aber nur unter den Voraussetzungen der §§ 48, 49 VwVfG (beziehungsweise der entsprechenden Landesvorschriften) möglich. Insbesondere soll bei rechtswidrigen Baugenehmigungen § 48 Abs. 3 Satz 1 und 2 VwVfG maßgeblich sein.21 Dabei soll „anerkanntermaßen der Vertrauensschutz gerade bei einer Baugenehmigung nicht auf einen Vermögensausgleich beschränkt, sondern grundsätzlich auch beziehungsweise sogar in erster Linie auf einen Bestandsschutz“ gehen.22 In den Fällen des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1–3 VwVfG sei dies dagegen „regelmäßig ausgeschlossen“ und eine Rücknahme rechtmäßig.23 Weiterhin müsste das Ermessen der Behörde auf Null reduziert sein, damit ein Anspruch gegeben sein kann. 4. Erweiterung einer Anlage zur Entsorgung radioaktiver Abfälle im Innenbereich Zu erörtern bleibt, inwieweit eine Erweiterung einer Anlage, die der Entsorgung radioaktiver Abfälle dient, im Innenbereich zulässig wäre. Die Rechtmäßigkeit der Erweiterung der Anlage richtet sich entsprechend der Ausführungen unter 2. zunächst danach, ob ein Bebauungsplan vorhanden ist und insbesondere die vorhandenen 16 Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (Hrsg.), Baugesetzbuch, Werkstand: 135. EL September 2019, § 35 Rn 179. 17 Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (Hrsg.), Baugesetzbuch, Werkstand: 135. EL September 2019, § 35 Rn 179. 18 Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (Hrsg.), Baugesetzbuch, Werkstand: 135. EL September 2019, § 35 Rn 179. 19 Decker, in: Simon/Busse (Hrsg.), Bayerische Bauordnung, Werkstand: 135. EL Dezember 2019, Art. 76 Rn 87. 20 Decker, in: Simon/Busse (Hrsg.), Bayerische Bauordnung, Werkstand: 135. EL Dezember 2019, Art. 76 Rn 80. 21 Hüwelmeier, in: Spannowsky/Saurenhaus (Hrsg.), BeckOK Bauordnungsrecht Nordrhein-Westfalen, 2. Edition, Stand: 01.10.2019, § 74 Rn 117. 22 Hüwelmeier, in: Spannowsky/Saurenhaus (Hrsg.), BeckOK Bauordnungsrecht Nordrhein-Westfalen, 2. Edition, Stand: 01.10.2019, § 74 Rn 117. 23 Hüwelmeier, in: Spannowsky/Saurenhaus (Hrsg.), BeckOK Bauordnungsrecht Nordrhein-Westfalen, 2. Edition, Stand: 01.10.2019, § 74 Rn 117. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 013/20 Seite 8 Festsetzungen durch die Erweiterung eingehalten werden (§ 30 BauGB) oder inwieweit das Vorhaben im unbeplanten Innenbereich liegt und die Vorschriften des § 34 BauGB erfüllt werden. Im unbeplanten Innenbereich ist auch § 34 Abs. 3a Satz 1 BauGB zu beachten. Danach kann vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB im Einzelfall unter anderem dann abgewichen werden, wenn die Abweichung einem Vorhaben der Erweiterung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs dient, städtebaulich vertretbar ist und auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Ein Gewerbe ist „mit Unterschieden im Einzelnen“ im Gewerbe- und Steuerrecht „jede nicht sozial unwertige (generell nicht verbotene) selbständige, auf Dauer angelegte und auf Gewinnerzielung gerichtete Tätigkeit, ausgenommen Urproduktion, freie Berufe [,,,] und bloße Verwaltung und Nutzung eigenen Vermögens“24. Teilweise wird vertreten, „abschließend in den §§ 8 und 9 BauNVO unter einem Spezialbegriff geregelte gewerbliche Tätigkeiten“ seien dagegen „planungsrechtlich keine Gewerbebetriebe“.25 Ob die jeweils in Rede stehende Anlage , die der Entsorgung radioaktiver Abfälle dient, einen Gewerbebetrieb darstellt, muss wiederum einzelfallabhängig geprüft werden. Weiterhin ist zu beachten, dass es sich bei der Vorschrift um eine „Kann-Bestimmung“ handelt.26 Die Behörde ist also grundsätzlich nicht gezwungen, von der Abweichungsmöglichkeit Gebrauch zu machen. Auch ist eine Abweichung von den übrigen Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 BauGB nicht in § 34 Abs. 3a Satz 1 BauGB vorgesehen: Die Erschließung muss trotzdem gesichert sein, die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben und das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden, damit eine Erweiterung nach dieser Vorschrift zugelassen werden könnte. Für den Fall, dass eine Erweiterung nach den jeweils zu beachtenden Regelungen des Bebauungsplans oder des § 34 (auch Abs. 3a) BauGB unzulässig wäre, stellt sich die Frage, inwieweit die Erweiterung einer bereits bestehenden und nach obigen Maßstäben bestandsgeschützten Anlage zumindest vom Bestandsschutz gedeckt ist. Nach früherer Rechtsprechung wurde, sofern „ohne die Erweiterung der vorhandene und durch Art. 14“ des Grundgesetzes (GG)27 „geschützte Bestand sinngerecht nicht mehr genutzt werden kann“, ein sogenannter „‚aktiver‘ Bestandsschutz anerkannt“, der einen Anspruch auf Genehmigung der Erweiterung begründete, wobei nur „untergeordnete und keine wesentlichen Änderungen des Altbestandes bewirkende Erweiterungen“ erlaubt waren.28 Mittlerweile ist diesbezüglich aber in den §§ 34 Abs. 3a und 35 Abs. 4 BauGB 24 Stock, in: König/Roeser/Stock (Hrsg.), Baunutzungsverordnung, 4. Auflage 2019, § 8 Rn 16. 25 Spannowsky, in: Spannowsky/Uechtritz (Hrsg.), BeckOK BauGB, 47. Edition, Stand: 01.08.2019, § 34 Rn 68. 26 Mitschang/Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr (Hrsg.), Baugesetzbuch, 14. Auflage 2019, § 34 Rn 75. 27 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100- 1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 15. November 2019 (BGBl. I S. 1546) geändert worden ist. 28 Papier/Shirvani, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Werkstand: 88. EL August 2019, Art. 14 Rn 191. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 013/20 Seite 9 eine einfachgesetzliche Regelung getroffen worden, weshalb sich ein Rückgriff auf die Rechtsprechung zum aktiven Bestandsschutz verbietet.29 Inhalt und Schranken des Eigentums werden gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG durch die Gesetze bestimmt. Das Bundesverwaltungsgericht entschied , den Fachgerichten sei es „verwehrt, unter Umgehung des einfachen Rechts unmittelbar auf der Grundlage der Verfassung Ansprüche zu gewähren, die von der Entscheidung des hierzu berufenen Gesetzgebers nicht gedeckt werden“.30 Teilweise wird vertreten, Erhaltungsmaßnahmen wie Instandsetzungen und Renovierungen seien vom Bestandsschutz gedeckt, grundsätzlich aber nicht „Ausbau und Erweiterungen größeren Umfangs“.31 5. Fazit Die Genehmigungsfähigkeit des Baus von Anlagen, die der Entsorgung radioaktiver Abfälle dienen , richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere der Lage des Vorhabens und dem Vorhandensein eines Bebauungsplans. Die Anlagen genießen, sofern sie einmal formell oder materiell rechtmäßig errichtet wurden, Bestandsschutz gegenüber einer etwaigen Beseitigungsanordnung . Eine Erweiterung größeren Umfangs der Anlagen wäre aber nur unter Beachtung der jeweiligen Regelungen des geltenden Bebauungsplans beziehungsweise unter den Voraussetzungen des § 34 (gegebenenfalls auch Abs. 3a) BauGB – nicht aber aus Gründen des „aktiven Bestandsschutzes “ – zulässig. *** 29 Papier/Shirvani, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Werkstand: 88. EL August 2019, Art. 14 Rn 192. 30 BVerwG, Urteil vom 12.03.1998, Az. 4 C 10/97, NVwZ 1998, 842, 844. 31 Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Werkstand: 135. EL September 2019, § 35 Rn 181.