© 2018 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 012/18 Ablauf des Regelinsolvenzverfahrens Freistellung von Beschäftigten bei Unternehmensinsolvenz Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 012/18 Seite 2 Ablauf des Regelinsolvenzverfahrens Freistellung von Beschäftigten bei Unternehmensinsolvenz Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 012/18 Abschluss der Arbeit: 25. Januar 2018 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 012/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Ablauf des Regelinsolvenzverfahrens 4 2. Berücksichtigung von Beschäftigteninteressen im Rahmen des Regelinsolvenzverfahrens bei Unternehmensinsolvenz 5 2.1. Lohnforderungen 5 2.2. Arbeitsverhältnis 6 2.3. Betriebliche Änderungen 7 2.4. Betriebsveräußerung 8 3. Die Freistellung von Beschäftigten bei Unternehmensinsolvenz 8 3.1. Die Freistellung 8 3.2. Einseitige und einvernehmliche Freistellung 8 3.3. Einseitiges Freistellungsrecht des Insolvenzverwalters bei Regelinsolvenzverfahren 8 3.4. Widerrufliche und unwiderrufliche Freistellung 10 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 012/18 Seite 4 1. Ablauf des Regelinsolvenzverfahrens Ziel eines Insolvenzverfahrens ist gem. § 1 S. 1 Insolvenzordnung1 die gemeinschaftliche und anteilige Befriedigung der Gläubiger eines Schuldners, dessen Vermögen nicht mehr zur vollständigen Befriedigung aller Gläubiger ausreicht. Ein „Wettlauf der Gläubiger“ soll vermieden werden. Geht es um die Zahlungsunfähigkeit von Unternehmen, so ist das sog. Regelinsolvenzverfahren einschlägig. Das Insolvenzverfahren beginnt mit der schriftlichen Antragstellung durch den Schuldner oder durch einen Gläubiger (§13 InsO). Dieser Antrag leitet das Eröffnungsverfahren ein. Hierbei prüft das Insolvenzgericht, ob die beiden Eröffnungsvoraussetzungen vorliegen. Es muss ein Eröffnungsgrund i.S.d. §§ 16 ff. InsO gegeben sein, nämlich Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung. Ferner muss genügend Masse vorhanden sein, um die Kosten des Insolvenzverfahrens zu decken (§ 26 InsO). In dieser Phase kann das Gericht vorläufige Maßnahmen zur Sicherung der Insolvenzmasse anordnen, beispielsweise einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen und Verfügungsbeschränkungen gegenüber dem Schuldner erlassen, sodass dessen Verfügungen allein mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind (§ 21 InsO). Sofern die Eröffnungsvoraussetzungen vorliegen, wird das Insolvenzverfahren durch einen Eröffnungsbeschluss des Gerichts i.S.d. §§ 27 ff. InsO eingeleitet. In ihm ernennt das Gericht den Insolvenzverwalter , bestimmt den Berichtstermin (§§ 29 Abs. 1 Nr. 1, 156 ff. InsO) sowie den Prüfungstermin (§§ 29 Abs. 1 Nr. 2, 176 InsO) und fordert die Gläubiger auf, ihre Forderungen innerhalb einer bestimmten Frist beim Insolvenzverwalter anzumelden. Im Berichtstermin hat der Insolvenzverwalter über die wirtschaftliche Lage des Schuldners und ihre Ursachen zu berichten. Die Gläubigerversammlung beschließt hier insbesondere, ob im weiteren Verfahren das Unternehmen des Schuldners stillgelegt oder vorläufig fortgeführt werden soll. Im Rahmen des Prüfungstermins gibt der Insolvenzverwalter Tabellenerklärungen zu den angemeldeten Forderungen gegenüber dem Insolvenzgericht ab. Hierbei wird geklärt, welche Gläubiger mit welcher Forderung und welchem Rang an der Erlösverteilung teilnehmen. Mit dem Eröffnungsbeschluss geht das Verwaltungs- und Verfügungsrecht über die Insolvenzmasse auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 InsO). Dieser nimmt die Masse in Besitz, um sie zu sichten und zu verwalten (§ 148 InsO). Zu seinen Aufgaben gehört es, gem. §§ 103 ff. InsO über die Fortsetzung oder Beendigung schwebender Verträge zu entscheiden. Sofern im Berichtstermin die Gläubigerversammlung die Liquidation beschlossen hat, hat der Insolvenzverwalter das Schuldnervermögen zu verwerten gem. §§ 159 ff. InsO. Hierzu werden bestehende Forderungen des insolventen Unternehmens eingezogen und die übrigen Vermögensgegenstände veräußert. In einem Verfahren zur Feststellung der Forderungen müssen gem. §§ 174 ff. InsO die am Erlös berechtigten Insolvenzgläubiger ermittelt werden, damit dieser anschließend verteilt werden kann. Hierzu muss der Gläubiger seine Forderung zur Eintragung in eine Tabelle beim Insolvenzverwalter anmelden (§ 174 Abs. 1 S. 1 InsO). Wird dieser Anmeldung im Prüfungstermin nicht 1 Insolvenzordnung vom 5. Oktober 1994 (BGBl. I S. 2866), die zuletzt durch Artikel 24 Absatz 3 des Gesetzes vom 23. Juni 2017 (BGBl. I S. 1693) geändert worden ist; im Folgenden: InsO Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 012/18 Seite 5 vom Insolvenzverwalter oder einem anderen Insolvenzgläubiger widersprochen, so gilt die Forderung als festgestellt (§ 178 Abs. 1 InsO). Dies vermerkt das Gericht in der Tabelle, sodass die Forderung wie ein rechtskräftiges Urteil wirkt, also tituliert ist (§ 178 Abs. 3 InsO). Sollte hingegen ein Widerspruch erhoben worden sein, so bleibt dem Gläubiger die Erhebung der Feststellungsklage , um die Richtigkeit der angemeldeten Forderung feststellen zu lassen (§ 179 Abs. 1 InsO). Nach dem Feststellungsverfahren erfolgt die Erlösverteilung entsprechend der §§ 187 ff. InsO. Hierzu fertigt der Insolvenzverwalter ein Verteilungsverzeichnis an und zeigt dem Gericht die Summe der Forderungen und den für die Verteilung verfügbaren Betrag aus der Insolvenzmasse an (§ 188 S. 2 InsO). Ist die Masse verteilt worden, wird ein Schlusstermin für eine abschließende Gläubigerversammlung abgehalten (§ 197 InsO). Dieser Termin dient zur Erörterung der Schlussrechnung des Insolvenzverwalters , zur Erhebung von Einwendungen gegen dieses und zur Entscheidung der Gläubiger über die nicht verwertbaren Gegenstände der Insolvenzmasse. Sobald die Schlussverteilung vollzogen ist, beschließt das Insolvenzgericht die Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 200 InsO). 2. Berücksichtigung von Beschäftigteninteressen im Rahmen des Regelinsolvenzverfahrens bei Unternehmensinsolvenz Auf die Interessen der Arbeitnehmer des Schuldners, deren Arbeitsplätze in Gefahr sind, nimmt das Insolvenzrecht besondere Rücksicht. Das Gesetz versucht, einen angemessenen Ausgleich zu finden zwischen den Arbeitnehmerinteressen einerseits und den Zwängen andererseits, denen der Insolvenzverwalter unterliegt, der das Unternehmen möglichst schnell liquidieren oder sanieren muss.2 2.1. Lohnforderungen Für die Werthaltigkeit der Lohnforderungen von Beschäftigten ist der Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung erheblich. Lohnforderungen aufgrund eines Arbeitsvertrages, die bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens dem Grunde nach entstanden sind, sind reguläre Insolvenzforderungen und stehen damit den Forderungen anderer Gläubiger gleich. Sie müssen beim Insolvenzverwalter zur Tabelle angemeldet werden. Diese für die Arbeitnehmer nachteilige Regelung wird dadurch kompensiert , dass die Beschäftigen nicht erhaltenes Arbeitsentgelt für die letzten drei Arbeitsmonate 2 Bork in Einführung ins Insolvenzrecht, 8. Auflage 2017, Rn. 208 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 012/18 Seite 6 vor der Verfahrenseröffnung als Insolvenzgeld von der Agentur für Arbeit gem. §§ 165 ff. Drittes Buch Sozialgesetzbuch 3 erhalten.4 Ist das Insolvenzverfahren bereits eröffnet, so hat der Insolvenzverwalter grds. gem. § 103 InsO die Wahl, ob ein im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch nicht (vollständig) erfüllter gegenseitiger Vertrag noch erfüllt werden soll oder nicht. Für Dienstverhältnisse gilt dieses Wahlrecht jedoch gem. § 108 Abs. 1 S. 1 InsO nicht. Dienstverhältnisse bestehen mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort, sodass fortlaufend neue Lohnansprüche entstehen. Der Insolvenzverwalter rückt in die Arbeitgeberstellung ein und muss die Arbeitnehmer zunächst einmal weiterbeschäftigen und ihre Löhne und Gehälter aus der Masse bezahlen. Diese Lohnansprüche sind sog. Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 55 I Nr. 2 InsO, da sie aus gegenseitigen Verträgen entstehen, deren Erfüllung für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss. Solche Masseverbindlichkeiten sind gegenüber Insolvenzforderungen bevorrechtigt. Zahlt der Insolvenzverwalter die Löhne und Gehälter nicht, so erhalten die Arbeitnehmer Arbeitslosengeld von der Agentur für Arbeit gem. § 157 Abs. 3 SGB III.5 2.2. Arbeitsverhältnis Wie erwähnt bestehen Dienstverhältnisse gem. § 108 Abs. 1 S. 1 InsO trotz Eröffnung des Insolvenzverfahrens fort. Zu ihrer Beendigung bedarf es der Kündigung. Der Insolvenzverwalter ist grundsätzlich an die im Arbeitsvertrag getroffenen Vereinbarungen und die allgemeinen arbeitsrechtlichen Gesetze zum Kündigungsschutz gebunden. Ihm ist jedoch teilweise die Kündigung unter erleichterten Voraussetzungen möglich. So ist beispielsweise die Kündigungsfrist auf maximal drei Monate zum Monatsende beschränkt, unabhängig davon, ob das Beschäftigungsverhältnis aufgrund des Gesetzes, des Arbeitsvertrages oder sonstiger Verträge regelmäßig längeren Kündigungsfristen unterliegt (§ 113 S. 1, 2 InsO). Die gesetzlichen Kündigungshindernisse, etwa nach § 9 Mutterschutzgesetz für Schwangere oder nach §§ 85 ff. Neuntes Buch Sozialgesetzbuch6 für Schwerbehinderte gelten in der Insolvenz fort. Auch die gesetzlich erforderlichen Kündigungsgründe müssen weiterhin vorliegen; insbesondere muss die Kündigung gem. § 1 Kündigungsschutzgesetz 7 sozial gerechtfertigt sein. Kündigt der Verwalter, so kann der Beschäftigte wegen der vorzeitigen Beendigung des Dienstverhältnisses als Insolvenzgläubiger Schadensersatz 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594, 595), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2581) geändert worden ist; im Folgenden : SGB III 4 Bork, a.a.O., Rn. 209 5 Bork, a.a.O., Rn. 209 6 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen – vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234), das zuletzt durch Artikel 23 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2541) geändert worden ist 7 Kündigungsschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. August 1969 (BGBl. I S. 1317), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2509) geändert worden ist; im Folgenden: KSchG Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 012/18 Seite 7 verlangen (vgl. § 113 S. 3 InsO) oder bei Nichtvorliegen von Kündigungsvoraussetzungen dies mit einer Kündigungsschutzklage (§ 4 KSchG) geltend machen.8 Der Insolvenzverwalter hat außerdem unter bestimmten Voraussetzungen, beispielsweise wenn der Betrieb keinen Betriebsrat hat, die Möglichkeit, beim Arbeitsgericht die Feststellung darüber zu beantragen, dass die Kündigung bestimmter Arbeitnehmer durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt und sozial gerechtfertigt ist (§ 126 InsO). 2.3. Betriebliche Änderungen Beschäftigteninteressen finden auch im Falle einer Betriebsänderung im Zuge der Insolvenz Beachtung . Insolvenzverwalter und Betriebsrat sollen über die Änderung oder Aufhebung bestehender Betriebsvereinbarungen verhandeln, die den Arbeitgeber zu Sonderleistungen verpflichten, die die Insolvenzmasse belasten (§ 120 InsO). Umstrukturierungen, die zu einer für die Belegschaft nachteiligen Betriebsänderung führen, müssen in mitbestimmten Betrieben mit mehr als 20 Arbeitnehmern mit dem Betriebsrat beraten werden (§ 111 Abs. 1 S. 1 Betriebsverfassungsgesetz 9). Entstehen den Arbeitnehmern durch die betrieblichen Änderungen wirtschaftliche Nachteile , so soll ein Sozialplan vereinbart werden (§ 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG). Diese Vorschrift gilt auch in der Insolvenz, jedoch mit den Modifikationen der §§ 121 InsO i.V.m. 112 Abs. 2 BetrVG (Vermittlungsverfahren vor dem Vorstand der Bundesagentur für Arbeit), des § 122 Abs. 1 InsO (Beantragung der Zustimmung zur Betriebsänderung durch den Insolvenzverwalter beim Arbeitsgericht ) sowie des § 126 InsO (Bestätigung der Rechtmäßigkeit von Kündigungen durch das Arbeitsgericht ). Einigen sich die Parteien auf einen Interessensausgleich, der die Kündigung von namentlich bezeichneten Arbeitnehmern vorsieht, so können diese zwar weiterhin Kündigungsschutzklage erheben. Es wird aber nach § 125 InsO vermutet, dass die Kündigung auf dringenden betrieblichen Erfordernissen beruht und die Sozialauswahl ist nur eingeschränkt nachprüfbar. Für die von der Entlassung betroffenen Arbeitnehmer kann nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens in einem Sozialplan ein Ausgleich von bis zu zweieinhalb Monatsverdiensten vereinbart werden (§ 123 Abs. 1 InsO). 10 8 Bork, a.a.O., Rn. 211 9 Betriebsverfassungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. September 2001 (BGBl. I S. 2518), das zuletzt durch Artikel 6 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2509) geändert worden ist; im Folgenden: Betr VG 10 Bork, a.a.O., Rn. 212-216 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 012/18 Seite 8 2.4. Betriebsveräußerung Wird ein Betrieb oder Betriebsteil veräußert, so tritt der Erwerber nach 613a Bürgerliches Gesetzbuch 11 in die Rechte und Pflichten aus bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Das gilt auch für die Insolvenz.12 3. Die Freistellung von Beschäftigten bei Unternehmensinsolvenz 3.1. Die Freistellung Die Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers im bestehenden Arbeitsverhältnis ist gem. § 611 BGB die Arbeitspflicht. Die Freistellung ist die vorübergehende oder dauerhafte Suspendierung dieser Pflicht. Aus dem Arbeitsverhältnis ergibt sich für den Arbeitnehmer allerdings nicht nur die Pflicht, sondern auch das Recht auf Erbringung der Arbeitsleistung. Dies hat zur Folge, dass der Arbeitgeber dazu verpflichtet ist, einen geeigneten Arbeitsplatz bereitzustellen und dem Arbeitnehmer vertragsgerechte Aufgaben zuzuweisen. Auch diese Pflicht wird durch eine rechtmäßige Freistellung aufgehoben.13 3.2. Einseitige und einvernehmliche Freistellung Die Arbeitspflicht ist dispositiv, sodass eine einvernehmliche Freistellungsvereinbarung zwischen Arbeitgeber bzw. Insolvenzverwalter und Arbeitnehmer zulässig ist. Sie wird regelmäßig als Erlassvertrag i.S.d. § 397 BGB angesehen und kann individuell oder formularvertraglich vereinbart werden. Auch eine einseitige Freistellung ist möglich. Sie ist ein Akt des Arbeitgebers, mit dem die tatsächliche Beschäftigung des Arbeitnehmers verweigert wird und nur in Ausnahmefällen zulässig.14 3.3. Einseitiges Freistellungsrecht des Insolvenzverwalters bei Regelinsolvenzverfahren Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat gem. § 108 Abs. 1 InsO grds. keine Auswirkung auf Bestand und Inhalt des Arbeitsverhältnisses. Beide Vertragsparteien sind auch in der Insolvenz 11 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2787) geändert worden ist; im Folgenden : BGB 12 Bork, a.a.O., Rn. 217 13 Oberthür in Grobys/Panzer-Heemeier, Stichwort-Kommentar Arbeitsrecht, 3. Auflage, Edition 2 2017, Freistellung Rn. 1, 2, beck-online 14 Oberthür, a.a.O., Rn. 3, 6, 7 beck-online Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 012/18 Seite 9 ohne Einschränkung zur Erbringung der wechselseitigen Leistungen verpflichtet.15 Ob dem Insolvenzverwalter ein insolvenzspezifisches Recht auf Freistellung von Arbeitnehmern von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung zusteht, ist umstritten. So wird teilweise vertreten, dass ein derartiges Recht bestehe, wenn eine sinnvolle Beschäftigung des Arbeitnehmers nicht mehr möglich ist (so z.B. Müller-Glöge16, LAG Hamm17; a.A.: Wroblewski18). Besonders im Fall der Masseunzulänglichkeit wird ein insolvenzspezifisches Freistellungsrecht teilweise bejaht (so z.B.: LAG Nürnberg19, Schulze20; a.A.: Hessisches LAG21). Bejaht man das Vorliegen eines Freistellungsrechts, so hat der Insolvenzverwalter im Falle der Freistellungsentscheidung die Grenzen billigen Ermessens nach § 315 BGB und soziale Gesichtspunkte zu beachten. Die Freistellung ist ermessensfehlerhaft, wenn der Insolvenzverwalter einerseits die Freistellung ohne Entgeltzahlung ausspricht, andererseits aber nicht gleichzeitig die Beendigung des Arbeitsverhältnisses herbeiführt. Er muss unverzüglich die Kündigung des Arbeitnehmers zum frühestmöglichen Zeitpunkt betreiben. Dies ergibt schon der Gegenschluss aus § 209 Abs. 2 Nr. 2 InsO.22 Durch die Freistellung entledigt sich der Insolvenzverwalter zunächst der Verpflichtung zur Zahlung des Arbeitsentgelts. Der Arbeitnehmer erwirbt, soweit die sonstigen Voraussetzungen vorliegen , einen Anspruch auf Arbeitslosengeld im Rahmen der sogenannten „Gleichwohlgewährung “.23 Es besteht jedoch keine insolvenzspezifische Pflicht des Insolvenzverwalters, Arbeitnehmer zu einem bestimmten Zeitpunkt von der Arbeitspflicht freizustellen, um den Bezug von Arbeitslosengeld zu ermöglichen. Eine Haftung des Insolvenzverwalters für Schadensersatzansprüche wegen entgangenen Arbeitslosengelds nach §§ 60, 61 InsO oder aus anderen Rechtsgründen besteht regelmäßig nicht.24 15 Regh in Grobys/Panzer-Heemeier, Stichwort-Kommentar Arbeitsrecht, 3. Auflage, Edition 2 2017, Insolvenz Rn. 5 beck-online 16 Müller-Glöge in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 18. Auflage 2018, Einführung Rn. 38 beck-online 17 LAG Hamm, Urteil vom 26.10.2005 – 2 Sa 1682/05 18 Wroblewski, NJW 2011. 348 19 LAG Nürnberg, Beschluss vom 30.8.2005 – 6 Sa 273/05 20 Schulze in Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath, Arbeitsrecht, 4. Auflage 2017, InsO § 55 Rn. 69, beck-online 21 Hess LAG, Urteil vom 6.6.2002 – 11 Sa 505/01 22 Schulze, a.a.O., § 55 Rn. 69, beck-online 23 Schulze, a.a.O., § 55, Rn. 69 beck-online 24 BAG, Urteil vom 15.11.2012 – 6 AZR 321/11; Regh, a.a.O., Rn. 6, beck-online Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 012/18 Seite 10 3.4. Widerrufliche und unwiderrufliche Freistellung Bei widerruflicher Freistellung behält sich der Arbeitgeber vor, die Suspendierung einseitig aufzuheben , während er bei unwiderruflicher Freistellung dauerhaft auf die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers verzichtet, sodass die Arbeitspflicht in diesem Fall nur einvernehmlich wieder begründet werden kann. Ob eine Freistellung widerruflich ist, muss durch Auslegung festgestellt werden. Dabei steht eine einfache einseitige Freistellung in der Regel unter dem Vorbehalt des Widerrufs, da sie nur den Verzicht auf die Arbeitsleistung beinhaltet, nicht aber einen Erlassvertrag i.S.d. § 397 BGB, auf den der Arbeitnehmer sich berufen könnte. Von einer unwiderruflichen Freistellung ist dementsprechend nur dann auszugehen, wenn dies ausdrücklich erklärt wird oder wenn weitergehende Umstände die Annahme der Unwiderruflichkeit rechtfertigen.25 Ein wirksam vorbehaltener Widerruf kann vom Arbeitgeber jederzeit ausgeübt werden. Das Erfordernis einer Ankündigungsfrist ist nicht zwingend, kann sich jedoch gegebenenfalls daraus ergeben , dass der Arbeitnehmer mit dem Widerruf nicht rechnen musste.26 *** 25 Oberthür, a.a.O., Rn. 8, beck-online 26 Oberthür, a.a.O., Rn. 9, beck-online