© 2017 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 012/17 Zivilrechtliche Schlichtungsstellen und Schiedsgerichte außerhalb des Verbraucherrechts Bundesrechtliche Rahmenbedingungen und Beispiele Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 012/17 Seite 2 Zivilrechtliche Schlichtungsstellen und Schiedsgerichte außerhalb des Verbraucherrechts Bundesrechtliche Rahmenbedingungen und Beispiele Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 012/17 Abschluss der Arbeit: 16. Februar 2017 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 012/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Schlichtungsstellen 4 2.1. Allgemeines 4 2.2. Beispiele für Schlichtungsstellen 4 3. Schiedsgerichte 6 3.1. Allgemeines 6 3.2. Beispiele für einzelne Schiedsgerichte 7 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 012/17 Seite 4 1. Einleitung In privatrechtlichen Streitigkeiten können Konfliktbeteiligte neben dem klassischen Weg einer Klage bei den ordentlichen Gerichten zum Teil auch auf Alternativen wie Schiedsgerichte und Schlichtungsstellen zurückgreifen. Bei bestimmten Verfahren kann die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens auch gesetzlich vorgesehen werden, bevor der Weg zu den ordentlichen Gerichten beschritten werden kann – so genanntes obligatorisches Streitbeilegungsverfahren (vgl. § 15a ZPOEG1).2 Im Übrigen steht es den Parteien – jedenfalls im privatrechtlichen Kontext – weitgehend frei, sich in einem außergerichtlichen Verfahren um Streitbeilegung zu bemühen. Gerade im wirtschaftsrechtlichen Kontext können freiwillige Güteverfahren für die Beteiligten eine interessante Alternative zu Gerichtsverfahren darstellen.3 Vorliegend soll unter Einbeziehung der einschlägigen bundesrechtlichen Rahmenbedingungen ein summarischer Überblick über bestehende nichtobligatorische Schlichtungsstellen und Schiedsgerichte im Bereich des Privatrechts außerhalb des Verbraucherrechts gegeben werden. 2. Schlichtungsstellen 2.1. Allgemeines Merkmal von Schlichtungsverfahren ist generell, dass ein neutraler Dritter mit Autorität versucht , den Streitparteien ein eigenes Schlichtungs- oder Vergleichsergebnis zur Annahme vorzulegen .4 Das formelle Verfahren wird in der Regel im Wesentlichen in einer Schlichtungsordnung geregelt. Ein bindender Schiedsspruch erfolgt im Gegensatz zum Schiedsverfahren nicht.5 2.2. Beispiele für Schlichtungsstellen In Deutschland verfügen die Industrie- und Handelskammern an ihren jeweiligen Standorten über verschiedene Schlichtungsstellen. Die Einrichtung eines Schlichtungsausschusses zur Beilegung von Streitigkeiten aus bestehenden und bei den Industrie- und Handelskammern eingetragenen Berufsausbildungsverhältnissen ist nach § 111 Absatz 2 ArbGG6 obligatorisch, so dass ein solcher Schlichtungsausschuss an jeder der 79 Industrie- und Handelskammern in Deutschland 1 Gesetz, betreffend die Einführung der Zivilprozeßordnung in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 310-2, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 22. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3147) geändert worden ist. 2 Zimmer, Außergerichtliche Streitbeilegung, 2001, S. 29; Rüssel, JuS 2003, 380, 381; Prütting, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 278 Rn. 57 ff. 3 May/Moeser, NJW 2015, 1637, 1640. 4 Prütting, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl 2016, § 278 Rn. 61. 5 Rüssel, JuS 2003, 380, 382. 6 Arbeitsgerichtsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juli 1979 (BGBl. I S. 853, 1036), das zuletzt durch Artikel 19 Absatz 6 des Gesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234) geändert worden ist. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 012/17 Seite 5 zu finden ist. Ebenso ist von allen Industrie- und Handelskammern eine Einigungsstelle zur Beilegung von Wettbewerbsstreitigkeiten eingeführt worden. Weiterhin unterhalten viele der Industrie - und Handelskammern Schlichtungsstellen für kaufmännische Streitigkeiten. Die Industrieund Handelskammer Dortmund hat beispielsweise 2001 gemeinsam mit dem Anwalt- und Notarverein Dortmund e.V. die „Mediations- und Schlichtungsstelle zur Beilegung kaufmännischer Streitigkeiten bei der Industrie- und Handelskammer zu Dortmund” geschaffen.7 Auch die Industrie - und Handelskammern Koblenz und Trier haben in Zusammenarbeit mit der Rechtsanwaltskammer Koblenz eine Schlichtungsstelle zur Beilegung von kaufmännischen Streitigkeiten eingerichtet.8 Von einigen Industrie- und Handelskammern wurden zudem spezielle Mediations-Zentren zur außergerichtlichen Beilegung wirtschaftlicher Streitigkeiten eingerichtet. Die Industrie- und Handelskammer Heilbronn-Franken etwa bietet in ihrem Mediations- und Schlichtungszentrum Möglichkeiten zur außergerichtlichen Beilegung von Wirtschaftskonflikten.9 In Kooperation mit den Industrie- und Handelskammern Südlicher Oberrhein und Hochrhein-Bodensee führt auch die Industrie- und Handelskammer Schwarzwald – Baar – Heuberg seit Januar 2014 ein Mediations- Zentrum zur Beilegung von Wirtschaftsstreitigkeiten.10 Weiterhin unterhalten die Industrie- und Handelskammern verschiedene Schlichtungsstellen für spezielle Sachgebiete, wie etwa für die Bereiche Bau, Informationstechnologie oder auch Hotelklassifizierung . Die Industrie- und Handelskammer Saarland verfügt zum Beispiel über eine „Schlichtungsstelle Bergschaden“ zur Beilegung von Streitigkeiten zivilrechtlicher Art, die sich im Zusammenhang mit Einwirkungen des untertägigen Abbaus von Steinkohle ergeben.11 Auch die Architektenkammern unterhalten eigene Schlichtungsorgane zur gütlichen Beilegung von Streitigkeiten, die sich aus der Berufsausübung zwischen Kammermitgliedern oder zwischen diesen und Dritten ergeben, so etwa den Schlichtungsausschuss der Architektenkammer der Freien und Hansestadt Bremen12 oder den ständigen Schlichtungsausschuss der Architekten- und Ingenieurkammer Schleswig-Holstein13. 7 Vgl. https://www.dortmund.ihk24.de/produktmarken/Beratung-und-Service/recht/Schlichtungsstelle/302536. 8 Vgl. https://www.ihk-koblenz.de/recht/schlichtung_wirtschaftsmediation/Schlichtstellekfm/1478720. 9 Vgl. http://www.heilbronn.ihk.de/infothek/ihkhnmediationschlichtung/idIT-1007.aspx. 10 Vgl. https://www.schwarzwald-baar-heuberg.ihk.de/beratung-dienstleistung/recht-und-steuern/mediation. 11 Vgl. http://www.saarland.ihk.de/p/Schlichtungsstelle_Bergschaden-154.html. 12 Vgl. http://www.akhb.de/mitglieder/schlichtungsausschuss.html. 13 Vgl. http://www.aik-sh.de/bauherren/schlichtung. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 012/17 Seite 6 Wie die Architektenkammern verfügen auch die Ingenieurkammern über Schlichtungsausschüsse zur gütlichen Beilegung von Streitigkeiten, die sich zwischen Kammermitgliedern, Anwärtern , auswärtigen beratenden Ingenieuren oder zwischen diesen und Dritten ergeben.14 Die Fachstellen und -gemeinschaften Bau der Länder sowie einige Industrie- und Handelskammern haben zur gütlichen Beilegung von Streitigkeiten, die sich aus der Berufsausübung zwischen Kammermitgliedern oder zwischen diesen und Dritten ergeben, Schlichtungsausschüsse bzw. Bauschlichtungsstellen gebildet, z. B. die Bauschlichtungsstelle NRW15 oder die Niedersächsische Bauschlichtungsstelle16. Auch die Handwerkskammern bieten häufig Schlichtungsstellen für ihre Mitgliedsbetriebe an.17 3. Schiedsgerichte 3.1. Allgemeines Im Unterschied zu bloßen Schlichtungsverfahren ist die private Schiedsgerichtsbarkeit dadurch gekennzeichnet, dass bei ihr wie im staatlichen Zivilverfahren der Streit durch eine autoritative Entscheidung gerichtet wird.18 Die Parteien unterwerfen sich einem privaten Gericht, dem die Entscheidung bürgerlich-rechtlicher Streitigkeiten an Stelle der Justiz durch Willenserklärung übertragen ist (Schiedsgericht).19 Schiedsverfahren folgen formell festgesetzten Regeln – den Vorschriften zum schiedsrichterlichen Verfahren nach §§ 1025 ff. ZPO20 sowie den Schiedsamtsgesetzen der Länder. Im Schiedsverfahren wird einer dritten Person – dem Schiedsrichter – die Entscheidungsbefugnis zugesprochen. Ziel des schiedsgerichtlichen Verfahrens ist grundsätzlich eine gütliche Einigung; scheitert diese, so entscheidet das Schiedsgericht durch Schiedsspruch.21 Die Entscheidung eines Schiedsgerichts kann von den ordentlichen Gerichten nur dahingehend überprüft werden, ob sie einen besonders schweren Fehler nach § 1059 Absatz 2 ZPO aufweist 14 So etwa der Schlichtungsausschuss der Brandenburgischen Ingenieurkammer (vgl. https://www.bbik.de/service /schlichtung/) oder das Schlichtungsverfahren der Ingenieurkammer Sachsen-Anhalt (vgl. http://www.ingnet .de/o.red.r/schlichtung.html?nav1=16&nav2=17&nav3=21&rub=1). 15 Vgl. https://www.bauschlichtung-nrw.de/inhalt/startseite/?no_cache=1. 16 Vgl. http://www.bauschlichtungsstelle.de. 17 Vgl. etwa die Schieds- und Schlichtungsstelle im Handwerk (SSH) der Handwerkskammer Hannover (vgl. https://www.hwk-hannover.de/artikel/schieds-und-schlichtungsstelle-im-handwerk-ssh-23,0,206.html). 18 Prütting, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 278 Rn. 61. 19 Rauscher, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, Einleitung Rn. 67. 20 Zivilprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3202; 2006 I S. 431; 2007 I S. 1781), die zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 21. November 2016 (BGBl. I S. 2591) geändert worden ist. 21 Vgl. Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2013, Vorbemerkung zu den §§ 1025 ff., Rn. 3, 4. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 012/17 Seite 7 (vgl. § 1032 ZPO); dies wäre beispielsweise der Fall, wenn der Schiedsspruch gegen die öffentliche Ordnung verstößt. Praktische Bedeutung hat die Schiedsgerichtsbarkeit insbesondere im (internationalen ) Wirtschaftsverkehr.22 Die Motivation, eine privatrechtliche Streitigkeit statt vor staatlichen Zivilgerichten vor einer Schiedsgerichtsbarkeit auszutragen, kann unterschiedlich begründet sein: „Zum Schiedsverfahren motivierend wird hier in aller Regel zwar nicht der Kostenaspekt wirken, da die nicht rechtskundige Partei auch im Schiedsverfahren nicht ohne anwaltliche Vertretung auskommt und die Verfahrenskosten erster Instanz vor den ordentlichen Gerichten deutlich unter denen eines Schiedsspruches liegen. Als Vorteil zählt jedoch der Kompetenzfaktor , der Zeitgewinn sowie der Kostenvergleich zwischen einem über alle Instanzen geführten Zivilprozess und dem Schiedsverfahren. Ein traditioneller Nachteil des Schiedsverfahrens betraf den effektiven einstweiligen Rechtsschutz, der vor dem Hintergrund des Verfassungsrangs eines effektiven Rechtsschutzes und auf Grundlage des vorläufigen Exequaturverfahrens (§ 1063 Absatz 3 ZPO) verstärkt in den Blick genommen wird. Hinzu kommt insbesondere für die internationale Schiedsgerichtsbarkeit der Aspekt des häufig fehlenden Vertrauens in staatliche Gerichte demokratisch zweifelhafter Staaten. Insoweit ist die Schiedsgerichtsbarkeit gerade für die Exportwirtschaft jedenfalls dann unverzichtbar, wenn die Gegenseite sich auf eine Gerichtsstandsvereinbarung zu deutschen Gerichten nicht einlassen kann.“23 3.2. Beispiele für einzelne Schiedsgerichte In Deutschland gibt es zahlreiche ständige Schiedsgerichte. Um kaufmännische Streitigkeiten einer schnellen Lösung zuzuführen, haben Industrie- und Handelskammern bereits in den vierziger Jahren schiedsgerichtliche Verfahren eingeführt.24 Die Schiedsgerichtsordnung dieser festen 22 Rauscher, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, Einleitung, Rn. 68. 23 Rauscher, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, Einleitung, Rn. 69 f. 24 So unterhält beispielsweise die Industrie- und Handelskammer für Essen, Mülheim an der Ruhr, Oberhausen seit dem 30. August 1948 ein Schiedsgericht (vgl. http://www.essen.ihk24.de/recht_und_steuern/schlichtung /Schiedsgerichtsordnung/2096604). Das Schiedsgericht der Handelskammer Hamburg besteht seit dem 9. Dezember 1948 (vgl. https://www.hk24.de/produktmarken/beratung-service/recht_und_steuern/schiedsgerichte /schiedsgericht-handelskammer/1168186). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 012/17 Seite 8 Schiedsgerichte baut in der Regel auf derjenigen der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) auf.25 Auch in der jüngeren Zeit wurden von verschiedenen Industrie- und Handelskammern Schiedsgerichte eingesetzt.26 Viele Industrie- und Handelskammern bilden in Zusammenarbeit mit den Parteien auch ad-hoc Schiedsgerichte, um aufkommenden Verfahren zu begegnen . Ein weiteres Beispiel ist die Deutsche Schiedsgerichtsbarkeit für Erbstreitigkeiten (DSE), die 1998 gegründet wurde und mit über 70 Geschäftsstellen einen organisatorischen Rahmen für Schiedsverfahren zur Lösung von Erbstreitigkeiten im engeren Sinn sowie für Streitfälle im Zusammenhang mit einer vorweggenommenen Erbfolge, gesellschaftsrechtlichen Nachfolgefragen oder einer Vorsorgevollmacht zur Verfügung stellt.27 Das Deutsche Schiedsgericht Logistik wiederum wurde im Jahr 2004 gegründet und dient der Klärung von Rechtsstreitigkeiten zwischen Unternehmen der Logistikbranche und deren Vertragspartner28. Der Schlichtungs- und Schiedsgerichtshof Deutscher Notare (SGH) in Berlin schließlich ist zuständig für Schlichtungen im notariellen Bereich29. * * * 25 Vgl. http://www.disarb.org/de/16/regeln/dis-schiedsgerichtsordnung-98-id2. 26 So bildete die Industrie- und Handelskammer Bodensee-Oberschwaben 2004 ein eigenes Schiedsgericht (vgl. https://www.weingarten.ihk.de/recht/Konflikte_loesen/Schiedsgerichtsordnung_der_IHK_Bodensee_Oberschwaben /1943100), während die Industrie- und Handelskammer Lahn-Dill seit 2009 über eine eigene – die DIS-Schiedsgerichtsordnung ergänzende – Schiedsgerichtsordnung verfügt (vgl. https://www.ihklahndill .de/recht/Konflikte_loesen/IHK_Schiedsgericht/Schiedsordnung_der_IHK_Lahn_Dill/Schiedsgerichtsordnung _deutsche_Version/1235910). 27 Vgl. http://www.dse-erbrecht.de. 28 Vgl. http://www.schiedsgericht-logistik.de. 29 Vgl. http://www.dnotv.de/services/schiedsgerichtshof.