© 2021 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 011/21 Einzelfragen zum Patentschutz von Impfstoffen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 011/21 Seite 2 Einzelfragen zum Patentschutz von Impfstoffen Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 011/21 Abschluss der Arbeit: 18. Februar 2021 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 011/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Rechtliche Instrumente zur Einschränkung des Patentschutzes für Vakzine 5 2.1. Benutzungsanordnung 5 2.2. Zwangslizenz 7 3. Entschädigungen 8 3.1. Benutzungsanordnung 8 3.2. Zwangslizenz 9 4. Verfahren 10 4.1. Benutzungsanordnung 10 4.2. Zwangslizenz 10 5. Fazit 11 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 011/21 Seite 4 1. Einleitung Nach § 1 Abs. 1 des Patentgesetzes (PatG)1 werden Patente für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik erteilt, sofern sie neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind. Patente werden gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 PatG für Erfindungen im Sinne von § 1 Abs. 1 PatG auch dann erteilt, wenn sie ein Erzeugnis, das aus biologischem Material besteht oder dieses enthält, oder wenn sie ein Verfahren, mit dem biologisches Material hergestellt oder bearbeitet wird oder bei dem es verwendet wird, zum Gegenstand haben. Auch private Hersteller eines Impfstoffs können grundsätzlich ihre Erfindung durch ein Patent schützen lassen.2 Gemäß § 9 Satz 1 PatG hat das Patent die Wirkung, dass allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen. Dritte kann der Patentinhaber grundsätzlich „von der Benutzung der geschützten Erfindung ausschließen“, vgl. § 9 Satz 2 PatG.3 Im Folgenden soll allgemein und summarisch erörtert werden, inwieweit Deutschland den Patentschutz in Bezug auf bei der Herstellung von Vakzinen benutzten Erfindungen beschränken kann (2.), welche Entschädigungen im Falle einer solchen Beschränkung zu leisten wären (3.) und welche verfahrensbezogenen Aspekte zu beachten sind (4.). Dabei werden im Rahmen der Zuständigkeiten des Fachbereichs WD 7 die grundlegenden einfachgesetzlichen Regelungen des nationalen Rechts aufgezeigt. Etwaige europa- und völkerrechtliche Vorgaben sowie Fragen des Verfassungsrechts4 sind nicht Gegenstand dieses Sachstands. 1 Patentgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Dezember 1980 (BGBl. 1981 I S. 1), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 8. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3546) geändert worden ist, abrufbar unter https://www.gesetze-im-internet.de/patg/BJNR201170936.html#BJNR201170936BJNG000100311, letzter Abruf – auch für alle weiteren Internetlinks – 18. Februar 2021. 2 Vgl. Bäumler/Terhechte, Handelsbeschränkungen und Patentschutz für Impfstoffe, Europa- und völkerrechtliche Aspekte, NJW 2020, 3481 ff., insbesondere Rn. 20, 23 ff. 3 Scharen, in: Benkard, Patentgesetz, 11. Auflage 2015, § 9 Rn. 4. 4 Vgl. im Hinblick auf eine mögliche Verfassungswidrigkeit des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 IfSG wegen eines Verstoßes gegen die Verteilung von Verwaltungskompetenzen zwischen Bund und Ländern nach Art. 83 ff. GG: Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages „Staatsorganisation und § 5 Infektionsschutzgesetz “, WD 3 - 3000 - 080/20, insbesondere S. 9 und 10, abrufbar unter https://www.bundestag.de/resource /blob/690262/cb718005e6d37ecce82c99191efbec49/WD-3-080-20-pdf-data.pdf; Dingemann/Gausing, in: Eckart/Winkelmüller (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar Infektionsschutzrecht, 3. Edition, Stand: 01.01.2021, § 5 IfSG Rn. 5-11; Kraus/Horn, in: Streinz/Kraus (Hrsg.), Lebensmittelrechts-Handbuch, Werkstand: 41. EL Juli 2020, II. Grundlagen des Lebensmittelrechts Rn. 375; Kau, in: Kluckert (Hrsg.), Das neue Infektionsschutzrecht , 1. Auflage 2020, § 4 Rn. 24, 25; Sangs, Das Dritte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite und Gesetzgebung während der Pandemie, NVwZ 2020, 1780, 1781. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 011/21 Seite 5 2. Rechtliche Instrumente zur Einschränkung des Patentschutzes für Vakzine 2.1. Benutzungsanordnung Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) wird im Rahmen der epidemischen Lage von nationaler Tragweite gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 Halbsatz 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG)5 unbeschadet der Befugnisse der Länder ermächtigt, nach § 13 Abs. 1 PatG anzuordnen, dass eine Erfindung in Bezug auf eines der in § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 IfSG genannten Produkte im Interesse der öffentlichen Wohlfahrt oder im Interesse der Sicherheit des Bundes benutzt werden soll. In § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 IfSG sind vor der Aufzählung unter anderem auch Arzneimittel einschließlich Impfstoffe genannt. § 13 Abs. 1 PatG lautet: „Die Wirkung des Patents tritt insoweit nicht ein, als die Bundesregierung anordnet, daß die Erfindung im Interesse der öffentlichen Wohlfahrt benutzt werden soll. Sie erstreckt sich ferner nicht auf eine Benutzung der Erfindung, die im Interesse der Sicherheit des Bundes von der zuständigen obersten Bundesbehörde oder in deren Auftrag von einer nachgeordneten Stelle angeordnet wird.“ Insoweit erfolgt durch § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 IfSG eine Zuständigkeitsverschiebung zum BMG.6 Dieses kann wiederum gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 Halbsatz 2 IfSG eine nachgeordnete Behörde beauftragen, die Benutzungsanordnung zu treffen. Der Deutsche Bundestag kann gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG eine epidemische Lage von nationaler Tragweite feststellen, wenn die Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 Satz 4 IfSG vorliegen. Eine solche Lage hat der Bundestag am 27. März 2020 festgestellt und diese Feststellung am 18. November 2020 bestätigt.7 Das Interesse der öffentlichen Wohlfahrt im Sinne des § 13 PatG rechtfertigt Eingriffe, die dem Schutz vor erheblichen Gefährdungen, wie beispielsweise Seuchen, dienen.8 5 Infektionsschutzgesetz vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), das zuletzt durch Artikel 4a des Gesetzes vom 21. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3136) geändert worden ist. 6 Metzger/Zech, COVID-19 als Herausforderung für das Patentrecht und die Innovationsförderung, GRUR 2020, 561, 565. 7 Kriterien für Pandemiebekämpfung präzisiert, Beitrag vom 18.11.2020, abrufbar auf der Internetseite der Bundesregierung unter https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/bevoelkerungsschutzgesetz-1805062. 8 Ensthaler, in: Fitzner/Lutz/Bodewig (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar Patentrecht, 19. Edition, Stand: 15.01.2021, § 13 PatG Rn. 7; vgl. Mes, Patentgesetz, Gebrauchsmustergesetz, 5. Auflage 2020, § 13 PatG Rn. 3. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 011/21 Seite 6 Im Falle einer Benutzungsanordnung nach § 13 PatG wird das Verbietungsrecht des Patentinhabers aufgehoben, „soweit und solange die Anordnung reicht“, weshalb Patentinhaber oder anderweitig Berechtigte die angeordnete Nutzung dulden müssen.9 Zunächst kommt lediglich der anordnenden Behörde das Benutzungsrecht zu.10 Das Benutzungsrecht soll jedoch auf Dritte übertragen werden können, wodurch diese das Produkt herstellen dürfen, sofern eine Nutzung der Erfindung „im Sinne des Gemeinwohls“ erfolgt.11 Ein erteiltes Patent stellt Eigentum im Sinne von Art. 14 des Grundgesetzes (GG)12 dar.13 Bereits aus dem Eingriffscharakter der Benutzungsanordnung folgt, dass Anordnung, Dauer und Umfang der Benutzung „zur Verfolgung der genannten Interessen“ erforderlich sein müssen.14 An der Erforderlichkeit der Eingriffs fehlt es, sofern die Gefährdung auch auf sonstige Weise beseitigt werden kann.15 Insoweit wird vertreten, die Benutzungsanordnung greife im Vergleich zur Zwangslizenz (vgl. § 24 PatG; Gliederungspunkt 2.2.) stärker in das Recht des Patentinhabers ein, da erstere „die Wirkung des Patents für die Dauer der Anordnung und im Rahmen ihres Umfangs“ aufhebe , während die Zwangslizenz eine Einschränkung lediglich „gegenüber einem oder mehreren Lizenznehmern“ hervorrufe.16 Deshalb komme die staatliche Benutzungsanordnung nur als ultima ratio in Betracht.17 Nach aktueller Rechtslage gelten nach § 5 Abs. 2 IfSG getroffene Anordnungen gemäß § 5 Abs. 4 Satz 4 IfSG mit Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite als aufgehoben, spätestens mit Ablauf des 31. März 2021. Der Entwurf eines Gesetzes zur Fortgeltung 9 Ensthaler, in: Fitzner/Lutz/Bodewig (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar Patentrecht, 19. Edition, Stand: 15.01.2021, § 13 PatG Rn. 5. 10 Dingemann/Gausing, in: Eckart/Winkelmüller (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar Infektionsschutzrecht, 3. Edition, Stand: 01.01.2021, § 5 IfSG Rn. 32; Scharen, in: Benkard, Patentgesetz, 11. Auflage 2015, § 13 Rn. 7. 11 Dingemann/Gausing, in: Eckart/Winkelmüller (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar Infektionsschutzrecht, 3. Edition, Stand: 01.01.2021, § 5 IfSG Rn. 32; Scharen, in: Benkard, Patentgesetz, 11. Auflage 2015, § 13 Rn. 7. 12 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100- 1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 u. 2 Satz 2 des Gesetzes vom 29. September 2020 (BGBl. I S. 2048) geändert worden ist. 13 Mes, Patentgesetz, Gebrauchsmustergesetz, 5. Auflage 2020, § 13 PatG Rn. 1; BVerfG, Beschluss vom 10.05.2000, Az. 1 BvR 1864/95, GRUR 2001, 43 ff. 14 Ensthaler, in: Fitzner/Lutz/Bodewig (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar Patentrecht, 19. Edition, Stand: 15.01.2021, § 13 PatG Rn. 11. 15 Keukenschrijver, in: Busse/Keukenschrijver, PatG, 9. Auflage 2020, § 13 Rn. 9. 16 Metzger/Zech, COVID-19 als Herausforderung für das Patentrecht und die Innovationsförderung, GRUR 2020, 561, 565. 17 Metzger/Zech, COVID-19 als Herausforderung für das Patentrecht und die Innovationsförderung, GRUR 2020, 561, 565. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 011/21 Seite 7 der die epidemische Lage von nationaler Tragweite betreffenden Regelungen18 sieht allerdings vor, dass letztere datumsmäßige Befristung des § 5 Abs. 4 Satz 4 IfSG gestrichen wird.19 Nach dem Entwurf hat der Bundestag aber über das Fortbestehen der epidemischen Lage alle drei Monate erneut zu entscheiden.20 2.2. Zwangslizenz Die nicht ausschließliche Befugnis zur gewerblichen Benutzung einer Erfindung wird nach § 24 Abs. 1 PatG durch das Patentgericht im Einzelfall nach Maßgabe der weiteren in § 24 PatG genannten Vorschriften erteilt (Zwangslizenz), sofern der Lizenzsucher sich innerhalb eines angemessenen Zeitraumes erfolglos bemüht hat, vom Patentinhaber die Zustimmung zu erhalten, die Erfindung zu angemessenen geschäftsüblichen Bedingungen zu benutzen (Nr. 1) und das öffentliche Interesse die Erteilung einer Zwangslizenz gebietet (Nr. 2). Der Begriff des öffentlichen Interesses im Sinne von § 24 Abs. 1 Nr. 2 PatG ist weiter als derjenige der öffentlichen Wohlfahrt nach § 13 Abs. 1 Satz 1 PatG.21 Ein öffentliches Interesse kann nach Ansicht des Bundesgerichtshofs (BGH) erst dann berührt sein, wenn zur Ausschließlichkeitsstellung des Patentinhabers besondere Umstände hinzutreten, „welche die uneingeschränkte Anerkennung des ausschließlichen Rechts und die Interessen des Patentinhabers zurücktreten lassen, weil die Belange der Allgemeinheit die Ausübung des Patents durch den Lizenzsucher gebieten“.22 Als besondere Umstände kommen auch medizinische Gesichtspunkte in Betracht.23 Können im Verlauf einer Pandemie – wie beispielsweise im Falle von Covid-19 – nicht schnell genug ausreichende Impfstoffmengen produziert werden, wird die Erteilung einer Zwangslizenz nach § 24 Abs. 1 PatG für denkbar erachtet.24 Die Frage, ob ein öffentliches Interesse gegeben ist, welches die Erteilung der Zwangslizenz gerade an den Lizenzsucher gebietet, ist einzelfallabhängig unter Abwägung der schutzwürdigen Interessen des Patentinhabers und der Interessen der Allgemeinheit zu entscheiden.25 Im Rahmen dieser Abwägung muss wegen des Eingriffs 18 Entwurf eines Gesetzes zur Fortgeltung der die epidemische Lage von nationaler Tragweite betreffenden Regelungen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, BT-Drucksache 19/26545 vom 09.02.2021 (im Folgenden: BT- Drucksache 19/26545), abrufbar unter https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/265/1926545.pdf. 19 Vgl. BT-Drucksache 19/26545, S. 6. 20 Vgl. BT-Drucksache 19/26545, S. 5. 21 Bäumler/Terhechte, Handelsbeschränkungen und Patentschutz für Impfstoffe, Europa- und völkerrechtliche Aspekte, NJW 2020, 3481, 3486 Rn. 26; Mes, Patentgesetz, Gebrauchsmustergesetz, 5. Auflage 2020, § 13 PatG Rn. 3. 22 BGH, Urteil vom 05.12.1995, Az. X ZR 26/92, GRUR 1996, 190, 192; Wilhelmi, in: Fitzner/Lutz/Bodewig (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar Patentrecht, 19. Edition, Stand: 15.07.2020, § 24 PatG Rn. 27. 23 BGH, Urteil vom 05.12.1995, Az. X ZR 26/92, GRUR 1996, 190, 192, 193. 24 Metzger/Zech, COVID-19 als Herausforderung für das Patentrecht und die Innovationsförderung, GRUR 2020, 561, 564; Wilhelmi, in: Fitzner/Lutz/Bodewig (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar Patentrecht, 19. Edition, Stand: 15.07.2020, § 24 PatG Rn. 33. 25 BGH, Urteil vom 05.12.1995, Az. X ZR 26/92, GRUR 1996, 190, 193. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 011/21 Seite 8 in das verfassungsrechtlich und einfachgesetzlich geschützte Ausschließlichkeitsrecht des Patentinhabers der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtet werden.26 Weiterhin regelt § 24 Abs. 5 Satz 1 PatG in dem Fall einer nicht oder nicht überwiegenden Ausübung der patentierten Erfindung durch den Patentinhaber im Inland, dass Zwangslizenzen im Rahmen des § 24 Abs. 1 PatG erteilt werden können, um eine ausreichende Versorgung des Inlandsmarktes mit dem patentierten Erzeugnis sicherzustellen. Die Einfuhr steht insoweit nach § 24 Abs. 5 Satz 2 PatG der Ausübung des Patents im Inland gleich.27 In diesem Zusammenhang wird allerdings vertreten, dass „Deutschland und der EU insgesamt der Weg des Imports eines unter Zwangslizenz hergestellten Covid-19-Impfstoffs“ aufgrund einer im Rahmen des sogenannten TRIPS-Übereinkommens28 durch die ehemalige EG abgegebenen Erklärung „derzeit WTOrechtlich versperrt“ sei.29 Die Vorschrift des § 24 Abs. 5 PatG wird teilweise30 dahingehend interpretiert, dass eine patentrechtliche Zwangslizenz aufgrund unzureichender „Versorgung des Inlandsmarktes auch bei vollständiger oder überwiegender Ausübung der Erfindung durch den Patentinhaber im Inland“ möglich sei, wobei man dann jedoch erhöhte Anforderungen in Bezug auf das öffentliche Interesse zu stellen habe.31 3. Entschädigungen 3.1. Benutzungsanordnung Der Patentinhaber hat nach § 13 Abs. 3 Satz 1 PatG in den Fällen des § 13 Abs. 1 PatG gegen den Bund Anspruch auf angemessene Vergütung. Obwohl § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 IfSG lediglich einen Verweis auf § 13 Abs. 1 PatG enthält, soll wohl auch im Falle des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 IfSG eine Vergütung nach § 13 Abs. 3 PatG gezahlt werden müssen.32 Bezüglich der Höhe hat eine ge- 26 BGH, Urteil vom 05.12.1995, Az. X ZR 26/92, GRUR 1996, 190, 193. 27 Vgl. zur Auslegung der Vorschrift auch Wilhelmi, in: Fitzner/Lutz/Bodewig (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar Patentrecht, 19. Edition, Stand: 15.07.2020, § 24 PatG Rn. 43. 28 Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums vom 15. April 1994 (BGBl. II S. 1730), geändert durch Änderung vom 6.12.2005 (ABl. 2007 Nr. L 311 S. 37) [Trips-Übereinkommen], abrufbar bei beck-online. 29 Bäumler/Terhechte, Handelsbeschränkungen und Patentschutz für Impfstoffe, Europa- und völkerrechtliche Aspekte, NJW 2020, 3481, 3486 Rn. 30; vgl. Art. 31 lit. f), Art. 31bis Abs. 1 des Trips-Übereinkommens, Nr. 1 lit. b) Fn. 4 (bei beck-online) und lit. c) des Anhangs zum TRIPS-Übereinkommen, abrufbar bei beck-online. 30 Streitig, a. A. Rogge/Kober-Dehm, in: Benkard, Patentgesetz, 11. Auflage 2015, § 24 Rn. 27. 31 Wilhelmi, in: Fitzner/Lutz/Bodewig (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar Patentrecht, 19. Edition, Stand: 15.07.2020, § 24 PatG Rn. 43. 32 Dingemann/Gausing, in: Eckart/Winkelmüller (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar Infektionsschutzrecht, 3. Edition, Stand: 01.01.2021, § 5 IfSG Rn. 32. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 011/21 Seite 9 rechte „Abwägung der Interessen des betroffenen Patentinhabers und der Allgemeinheit“ zu erfolgen .33 Ein Anspruch auf Schadensersatz folgt aus § 13 Abs. 3 PatG allerdings nicht, weshalb die Vergütung geringer als eine Naturalrestitution ausfallen kann.34 Wegen der Höhe der Vergütung steht nach § 13 Abs. 3 Satz 2 PatG im Streitfall der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen. Erfolgt ein Eingriff des Staates, obwohl die Voraussetzungen des § 13 PatG nicht vorlagen, so war der Eingriff rechtswidrig, was zu einem Entschädigungsanspruch der am Patent Berechtigten wegen enteignungsgleichen Eingriffs führt.35 Die Höhe dieses Entschädigungsanspruches soll jedoch nicht über die angemessene Vergütung im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1 PatG hinaus gehen.36 Außerdem ist zu beachten, dass der Anspruch wegen enteignungsgleichen Eingriffs ausgeschlossen sein kann, wenn der Betroffene sich nicht zuerst gegen den Eingriff zur Wehr gesetzt hat.37 Des Weiteren kann ein Schadensersatzanspruch aus Amtshaftung gemäß § 839 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)38 und Art. 34 GG bestehen, wenn der rechtswidrige Eingriff schuldhaft erfolgte .39 3.2. Zwangslizenz Der Patentinhaber hat gegen den Inhaber der Zwangslizenz nach § 24 Abs. 6 Satz 4 PatG Anspruch auf eine Vergütung, die nach den Umständen des Falles angemessen ist und den wirtschaftlichen Wert der Zwangslizenz in Betracht zieht. Der Anspruch stellt keine Enteignungsentschädigung dar und richtet sich auch „nicht gegen den Staat, sondern gegen den einzelnen Benutzer “.40 Die Vergütung wird durch das für die Zwangslizenzerteilung zuständige Patentgericht 33 Dingemann/Gausing, in: Eckart/Winkelmüller (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar Infektionsschutzrecht, 3. Edition, Stand: 01.01.2021, § 5 IfSG Rn. 32. 34 Ensthaler, in: Fitzner/Lutz/Bodewig (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar Patentrecht, 19. Edition, Stand: 15.01.2021, § 13 PatG Rn. 16. 35 Ensthaler, in: Fitzner/Lutz/Bodewig (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar Patentrecht, 19. Edition, Stand: 15.01.2021, § 13 PatG Rn. 19; Scharen, in: Benkard, Patentgesetz, 11. Auflage 2015, § 13 Rn. 18. 36 Ensthaler, in: Fitzner/Lutz/Bodewig (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar Patentrecht, 19. Edition, Stand: 15.01.2021, § 13 PatG Rn. 19; Scharen, in: Benkard, Patentgesetz, 11. Auflage 2015, § 13 Rn. 18. 37 Vgl. Ensthaler, in: Fitzner/Lutz/Bodewig (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar Patentrecht, 19. Edition, Stand: 15.01.2021, § 13 PatG Rn. 19 sowie Scharen, in: Benkard, Patentgesetz, 11. Auflage 2015, § 13 Rn. 18. 38 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch Artikel 13 des Gesetzes vom 22. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3256) geändert worden ist, abrufbar unter https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/BJNR001950896.html#BJNR001950896BJNG000102377. 39 Ensthaler, in: Fitzner/Lutz/Bodewig (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar Patentrecht, 19. Edition, Stand: 15.01.2021, § 13 PatG Rn. 19; Scharen, in: Benkard, Patentgesetz, 11. Auflage 2015, § 13 Rn. 19. 40 Ann, in: Kraßer/Ann, Patentrecht, 7. Auflage 2016, § 34 Benutzungsbefugnisse Dritter Rn. 101. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 011/21 Seite 10 grundsätzlich mit der Lizenzerteilung festgesetzt.41 Weiterhin kann das Urteil, durch das die Zwangslizenz zugesprochen wird, gemäß § 85 Abs. 6 Satz 1 PatG auf Antrag gegen oder ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt werden, wenn dies im öffentlichen Interesse liegt. Wird das Urteil aufgehoben oder geändert, so ist der Antragsteller nach § 85 Abs. 6 Satz 2 PatG zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der dem Antragsgegner durch die Vollstreckung entstanden ist. In dem Verfahren wegen Erteilung der Zwangslizenz kann dem Kläger außerdem auf seinen Antrag hin unter bestimmten Voraussetzungen gemäß § 85 Abs. 1 PatG die Benutzung der Erfindung durch einstweilige Verfügung gestattet werden. Erweist sich die Anordnung der einstweiligen Verfügung als von Anfang an ungerechtfertigt, so ist der Antragsteller nach § 85 Abs. 5 PatG verpflichtet, dem Antragsgegner den Schaden zu ersetzen, der ihm aus der Durchführung der einstweiligen Verfügung entstanden ist. 4. Verfahren 4.1. Benutzungsanordnung Die Benutzungsanordnung ist ein Verwaltungsakt und kann nach §§ 40, 42 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)42 mit einer Anfechtungsklage angegriffen werden.43 Es wird vertreten, dass für Klagen gegen Benutzungsanordnungen nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 IfSG in Verbindung mit § 13 Abs. 1 PatG gemäß § 13 Abs. 2 PatG das Bundesverwaltungsgericht zuständig sei.44 Eine Anfechtungsklage gegen Anordnungen nach § 5 Abs. 2 IfSG hat gemäß § 5 Abs. 4 Satz 5 IfSG keine aufschiebende Wirkung. Insoweit sind solche Anordnungen gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO sofort vollziehbar.45 Hinsichtlich der im Falle einer Benutzungsanordnung zu erwartenden näheren zeitlichen Abläufe liegen keine Informationen vor. 4.2. Zwangslizenz Das Verfahren wegen Erteilung der Zwangslizenz wird nach § 81 Abs. 1 Satz 1 PatG durch Klage eingeleitet, welche nach § 81 Abs. 1 Satz 2 PatG gegen den im Register als Patentinhaber Eingetragenen zu richten ist. Die Klage muss gemäß § 81 Abs. 4 Satz 1 PatG schriftlich beim Patentgericht erhoben werden. Sie soll nach § 81 Abs. 5 Satz 1 PatG einen bestimmten Antrag enthalten. Darüber hinaus sind nach § 81 Abs. 5 Satz 2 PatG die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel anzugeben. Liegen die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 bis 5 PatG vor, besteht ein 41 Wilhelmi, in: Fitzner/Lutz/Bodewig (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar Patentrecht, 19. Edition, Stand: 15.07.2020, § 24 PatG Rn. 56. 42 Verwaltungsgerichtsordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. März 1991 (BGBl. I S. 686), die zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 3. Dezember 2020 (BGBl. I S. 2694) geändert worden ist, abrufbar unter https://www.gesetze-im-internet.de/vwgo/BJNR000170960.html#BJNR000170960BJNG000101308. 43 Ensthaler, in: Fitzner/Lutz/Bodewig (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar Patentrecht, 19. Edition, Stand: 15.01.2021, § 13 PatG Rn. 17. 44 Dingemann/Gausing, in: Eckart/Winkelmüller (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar Infektionsschutzrecht, 3. Edition, Stand: 01.01.2021, § 5 IfSG Rn. 70. 45 Hollo, in: Kießling (Hrsg.), Infektionsschutzgesetz, Kommentar, 1. Auflage 2020, § 5 Rn. 37. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 011/21 Seite 11 Anspruch des Lizenzsuchers auf Erteilung einer Zwangslizenz.46 Das Gericht ersetzt dann die verweigerte Lizenz durch Urteil, vgl. § 84 PatG.47 Das Urteil, durch das die Zwangslizenz zugesprochen wird, kann nach § 85 Abs. 6 Satz 1 PatG auf Antrag gegen oder ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt werden, wenn dies im öffentlichen Interesse liegt. In dem Verfahren wegen Erteilung der Zwangslizenz kann dem Kläger auf seinen Antrag hin die Benutzung der Erfindung gemäß § 85 Abs. 1 PatG durch einstweilige Verfügung gestattet werden, wenn er glaubhaft macht, dass die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 bis 6 PatG vorliegen und dass die alsbaldige Erteilung der Erlaubnis im öffentlichen Interesse dringend geboten ist. Hinsichtlich der im Falle einer Klage auf Erteilung einer Zwangslizenz zu erwartenden näheren zeitlichen Abläufe liegen ebenfalls keine Informationen vor. 5. Fazit Der Patentschutz hinsichtlich im Rahmen der Herstellung von Impfstoffen benutzter Erfindungen kann unter bestimmten Voraussetzungen im Wege einer Benutzungsanordnung nach § 13 Abs. 1 PatG in Verbindung mit § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 IfSG sowie einer Zwangslizenz nach § 24 PatG eingeschränkt werden. Erstere wird durch das Bundesministerium für Gesundheit bzw. eine nachgeordnete Behörde angeordnet. Die Zwangslizenz dagegen muss durch einen Lizenzsucher vor dem Patentgericht geltend gemacht werden. Sowohl Benutzungsanordnung als auch Zwangslizenz führen zu einem Vergütungsanspruch des Patentinhabers, der sich im Falle der Benutzungsanordnung gegen den Bund und im Falle der Zwangslizenz gegen den Inhaber der Zwangslizenz richtet. *** 46 Mes, Patentgesetz, Gebrauchsmustergesetz, 5. Auflage 2020, § 24 PatG Rn. 30. 47 Mes, Patentgesetz, Gebrauchsmustergesetz, 5. Auflage 2020, § 24 PatG Rn. 33.