© 2018 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 009/18 Die Verabredung zu einem Verbrechen, § 30 Abs. 2 Strafgesetzbuch Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Vereinbarkeit mit dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz, Art. 103 Abs. 2 GG 9 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 009/18 Seite 4 1. Einleitung In diesem Sachstand geht es um den Tatbestand der Verabredung zu einem Verbrechen, § 30 Abs. 2, 4. Variante Strafgesetzbuch (StGB)1. § 30 StGB lautet wie folgt: „Strafgesetzbuch (StGB) § 30 Versuch der Beteiligung (1) Wer einen anderen zu bestimmen versucht, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften, wird nach den Vorschriften über den Versuch des Verbrechens bestraft. Jedoch ist die Strafe nach § 49 Abs. 1 zu mildern. § 23 Abs. 3 gilt entsprechend. (2) Ebenso wird bestraft, wer sich bereit erklärt, wer das Erbieten eines anderen annimmt oder wer mit einem anderen verabredet, ein Verbrechen zu begehen oder zu ihm anzustiften.“ In der diesem Sachstand zugrundeliegenden Anfrage wird geltend gemacht, die in § 30 Abs. 2, 4. Variante StGB geregelte Verabredung zu einem Verbrechen sei kriminalpolitisch nicht zu legitimieren und deshalb auch mit folgenden Verfassungsprinzipien nicht zu vereinbaren: mit dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG)2, mit dem Schuldgrundsatz, dass es keine Strafe ohne Schuld geben darf (nulla poena sine culpa), der im Rechtsstaatsprinzip verankert sei, mit dem Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG. In der Begründung dieser Annahme heißt es dazu, § 30 Abs. 2 StGB normiere eine Strafe, die nicht mehr im gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und zum Verschulden des Täters stehe. § 30 StGB lege die Strafzumessung für den Versuch des Verbrechens zugrunde, das begangen werden soll. Somit werde die Verbrechensverabredung gleich behandelt wie der Versuch des Verbrechens. Der einzige Unterschied liege darin, dass beim Versuch die Strafe gemildert werden könne, bei der Verabredung einer Straftat die Strafe gemildert werden müsse. Damit werde wesentlich Ungleiches gleich bestraft: Die tatsächliche versuchte Begehung der Haupttat werde ebenso bestraft wie die Verabredung zu dieser Tat. Die Verabredung zu der Tat habe sich noch nicht nach außen manifestiert, das Rechtsgut sei noch nicht angegriffen oder gar verletzt. Beim Versuch hingegen sei das Rechtsgut tatsächlich in Gefahr und Tathandlungen seien ausgeführt 1 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 30. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3618), Berichtigung vom 1. November 2017 I 3630 ist berücksichtigt, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/BJNR001270871.html [letzter Abruf: 16. Januar 2018]. 2 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100- 1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 13. Juli 2017 (BGBl. I S. 2347) worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/gg/BJNR000010949.html [letzter Abruf: 16. Januar 2018]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 009/18 Seite 5 worden, um das Verbrechen zu begehen. Diese unterschiedlichen Phasen (Planung/Vorbereitung /Versuch/Vollendung/Beendigung) hätten jedoch einen völlig unterschiedlichen Unrechtsgehalt , der deshalb auf der Sanktionsebene nicht gleich behandelt werden dürfe. Im Folgenden wird vom bearbeitenden Fachbereich WD 7 untersucht, inwieweit aus strafrechtlicher Perspektive die in der Anfrage geltend gemachten Einwände gegen die in § 30 StGB geregelte Verabredung zum Verbrechen gerechtfertigt sind. 2. Hintergründe für die Regelung und dogmatische Einordnung Eine Norm, mit der bestimmte Vorbereitungshandlungen unter Strafe gestellt wurden, wurde aus Anlass des von Bismarck gegen die katholische Kirche geführten Kulturkampfs in das Reichsstrafgesetzbuch (RStGB)3 aufgenommen. Ein belgischer Kesselschmied mit Namen Duchesne hatte sich in Briefen gegenüber dem Erzbischof von Paris angeboten, Bismarck gegen eine Zahlung von 60.000 Franken zu ermorden. Daraufhin wurde auf Betreiben der deutschen Reichsregierung zunächst in Belgien und anschließend im deutschen Reich eine entsprechende Norm geschaffen . Die konkrete Vorgängernorm des § 30 StGB, die Regelung des § 49a StGB a.F., knüpfte für die zu verhängende Strafe nicht wie nunmehr § 30 StGB an die Strafdrohung der Haupttat an, sondern enthielt eine selbständige Strafandrohung. § 30 StGB wurde systematisch im Allgemeinen Teil des StGB innerhalb der Regelungen von Täterschaft und Teilnahme eingeordnet. Damit hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass es sich bei der Regelung des § 30 StGB nicht um ein eigenständiges Delikt4, sondern um eine vorverlagerte Beteiligung an einem konkreten Delikt handelt. Für diese Variante spricht auch die Überschrift „Versuch der Beteiligung“. Es geht bei § 30 StGB um eine „Strafausdehnung“5. Die Strafbarkeit wird für bestimmte Vorbereitungshandlungen – so auch für die Verabredung zu einem Verbrechen – vorverlagert.6 3. Zweifel an der kriminalpolitischen Berechtigung der Norm In der Literatur werden teilweise Zweifel an der kriminalpolitischen Berechtigung der Regelung des § 30 StGB erhoben. 3 Gesetz, betreffend die Redaktion des Strafgesetzbuches für den Norddeutschen Bund als Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 15. Mai 1871, RGBl. Band 1871, Nr. 24, Seite 127 – 205. 4 Zu dieser ursprünglichen Betrachtung vgl. die Ausführungen von Schünemann, in: Strafgesetzbuch, Leipziger Kommentar, Großkommentar, 12. Auflage, Erster Band, Einleitung, §§ 1 bis 31, Berlin 2007, mit Hinweisen zu entsprechenden Äußerungen in der Literatur, § 30 Rn. 1. 5 So Schünemann, in: LK, § 30, Rn. 1; Zaczyk, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch, 5. Auflage, 2017, § 30 Rn. 2; Beckemper/Cornelius, in: Beck’scher Online-Kommentar zum Strafgesetzbuch (StGB), 36. Edition , Stand: 1. November 2017, § 30 Rn. 2. 6 Beckemper/Cornelius, in: Beck’scher Online-Kommentar zum StGB, § 30 Rn. 2. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 009/18 Seite 6 Zaczyk ist der Auffassung, es sei nicht legitim, die in § 30 StGB erfassten Handlungen zu strafrechtlichem Unrecht zu erklären. Denn das könne nur in zweiter Linie Unrecht verhindern. Es setzte das Unrecht voraus, damit strafrechtlich eingegriffen werden könne. Nur bei einem begründeten Tatunrecht sei die Strafe gerechtfertigt. In § 30 StGB erkennt Zaczyk kein solches Tatunrecht , weil die in § 30 StGB beschriebenen Handlungen nur „als Projekt eines oder mehrerer Beteiligten “ existierten7. Zaczyk sieht die Regelung des § 30 StGB als einen „polizeirechtlichen Fremdkörper im Allgemeinen Teil, der seinen Ursprung bezeichnenderweise vornehmlich politischen Gründen verdank[t]e“.8 Kritisch zur Regelung des § 30 StGB hat sich auch Jakobs geäußert. Vorbereitungshandlungen könnten nur in Ausnahmefällen, eine materielle Strafdrohung legitimieren. Für Vorbereitungen nach § 30 StGB sieht er dafür keinen Raum9. 4. Aussagen zur kriminalpolitischen Berechtigung des § 30 StGB Sowohl in der Rechtsprechung als auch von der herrschenden Meinung in der Literatur werden folgende Argumente zur kriminalpolitischen Berechtigung des § 30 StGB vorgebracht: Das Reichsgericht (RG) hatte noch die „Sicherheit der Person“ als das geschützte Rechtsgut bezeichnet 10. Anfang des 19. Jahrhunderts wurden als Gründe für die Strafbarkeit der Vorbereitungshandlungen die „öffentliche Ordnung“ oder der „Rechtsfrieden“ genannt.11 Schünemann weist in seiner Kommentierung zu Recht darauf hin, dass sich heute derartige Argumentationen nicht mehr vertreten lassen. Denn anders als sein ursprünglicher Vorgänger enthält § 30 StGB keine eigenständige Strafdrohung. Vielmehr richtet sich der Strafrahmen nach dem Delikt, um das es bei den Vorbereitungshandlungen geht.12 Damit wird deutlich, dass heute die Vorschrift als eine Strafausdehnung innerhalb der Vorbereitungshandlungen eingeordnet werden muss.13 Umstritten ist nur, wie sich die Vorschrift dogmatisch in das System des Allgemeinen Teils einfügt 14. Auf eine Auseinandersetzung mit dieser Frage kann hier jedoch verzichtet werden. Für die Frage des vorliegenden Sachstands ist nur relevant, ob sich die Regelung des § 30 StGB überhaupt rechtfertigen lässt und ob sie mit den in der Anfrage genannten Grundsätzen vereinbar ist. 7 Zaczyk, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch, 5. Auflage, 2017, § 30 Rn. 4. 8 Zaczyk, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Strafgesetzbuch, 5. Auflage, 2017, § 30 Rn. 1. 9 Jakobs, Günther, Kriminalisierung im Vorfeld einer Rechtsgutverletzung, Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft (ZStW) 97 (1985), 751, 765. 10 RG, III. Strafsenat, Urteil vom 4. Januar 1904 – g.B.Rep. 3865/03, RGSt 37, 45, 46. 11 Darüber berichtet ausführlich Schünemann, in: Leipziger Kommentar, Band 1, 12. Auflage, Berlin 2007, § 30 Rn. 1. 12 Schünemann, in: LK, § 30 Rn. 1. 13 Schünemann, in: LK, § 30 Rn. 1. 14 Schünemann, in: LK, § 30 Rn. 2. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 009/18 Seite 7 Nach der Auffassung von Schünemann lässt die teleologische Analyse der in § 30 StGB sanktionieren Vorbereitungshandlungen nur den Schluss zu, dass der Gesetzgeber von zwei kriminalpolitischen Erwägungen ausgegangen ist: Zum einen sei Hintergrund der Regelung, dass mit den aufgeführten Vorbereitungshandlungen ein selbständiger und unbeherrschbar weiterwirkender Kausalverlauf in Gang gesetzt werde. Zum anderen entstehe durch die ein- bzw. zweiseitige Willensbildung eine besonders gesteigerte Rechtsbedrohung15. Was die hier betroffene Verabredung zu einem Verbrechen angeht, so sieht Schünemann die legislatorische ratio in der „Willensbindung “, wo sich der Verabredete gegenüber dem Adressaten seiner Erklärung an sein Wort gebunden fühlt. Er ist daher weniger frei als ein allein Handelnder, der jederzeit von seinen Deliktsvorbereitungen Abstand nehmen kann.16 Dieser Gedanken wird nicht nur von der herrschenden Meinung geteilt17, sondern wurde auch mehrfach in den Gesetzesberatungen deutlich; der Sonderausschuss für die Strafrechtsreform sprach sogar von „sehr gefährlichen Bindungen“, die durch die Verabredung eines Verbrechens entstehen.18 Auch der Bundesgerichtshof (BGH) stellt auf die Gefahrensituation ab, die mit den in § 30 StGB genannten Vorbereitungshandlungen einhergeht, so heißt es in einem Beschluss von 2015, der Grund dafür, Tathandlungen nach § 30 StGB hinsichtlich der Strafandrohung weitgehend dem Versuch gleichzustellen, liege in der „Gefährlichkeit des konspirativen Zusammenwirkens mehrerer Personen, das Gruppendynamik entfalten, die Beteiligten psychisch binden und so die spätere Ausführung der Tat wahrscheinlicher machen kann. Allein eine Vorbereitungshandlung, die tatbestandlich keine Mitwirkung eines weiteren Beteiligten erfordert, weist diesen besonderen Unrechtsgehalt nicht auf.“19 Da es in § 30 StGB nur um Vorbereitungshandlungen geht, werden die Tatbestandsmerkmale restriktiv ausgelegt. 5. Vereinbarkeit der Norm mit den in der Anfrage genannten Grundsätzen Wie in der Einleitung dargetan, geht die Anfrage davon aus, dass die in § 30 Abs. 2, 4. Variante StGB geregelte Verabredung zu einem Verbrechen sich kriminalpolitisch nicht rechtfertigen lässt und damit auch verschiedenen verfassungsrechtlichen Einwänden ausgesetzt ist. Nach den hier gewonnen Erkenntnissen muss jedoch festgehalten werden, dass der Gesetzgeber, die Rechtsprechung des BGH sowie die herrschende Meinung in der Literatur den kriminalpolitischen Grund für die Regelung in § 30 Abs. 2, 4. Variante StGB in der besonderen Gefährlichkeit 15 Schünemann, in: LK, § 30 Rn. 3. 16 Schünemann, in: LK, § 30 Rn. 3. 17 Zweiter Schriftlicher Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, BT-Drs. V/4095, S. 13; Begründung zum Entwurf 1962, BT-Drs. IV/650, S. 153 f. 18 Zweiter Schriftlicher Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, BT-Drs. V/4095, S. 13. 19 BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2015 Az.: 3 StR 438/15, Juris Rn. 20 = BGHSt 61, 84 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 009/18 Seite 8 einer solchen Verabredung sehen. Dadurch entstehe eine Willensbindung, der sich der Verabredete nur unter erschwerten Voraussetzungen entziehen könne. Damit sei das Rechtsgut, das in dem Verbrechenstatbestand normiert sei, schon ähnlich gefährdet wie bei einem Versuch. Folgt man dem, dann lassen sich auch die weiteren Einwände gegen die in § 30 As. 2, 4. Variante StGB geregelte Verabredung zum Verbrechen nicht aufrecht halten. 5.1. Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG Die Vorschrift soll gegen den Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen. Denn § 30 StGB enthalte keine konkrete Strafandrohung mehr, sondern lege die Strafzumessung für den Versuch des Verbrechens, das begangen werden soll, zugrunde. Somit werde die Verabredung zu einem Verbrechen genauso behandelt wie der Versuch des Verbrechens. Der einzige Unterschied liege darin, dass beim Versuch die Strafe gemildert werden könne, bei der Verabredung einer Straftat die Strafe gemildert werden müsse. Damit werde wesentlich Ungleiches gleich bestraft. Gegen diese Argumentation lässt sich jedoch Folgendes einwenden: Dass in § 30 StGB keine eigene Strafdrohung mehr enthalten ist, folgt konsequenterweise daraus, dass, wie oben gesehen, § 30 StGB dogmatisch als Strafausdehnung innerhalb der Vorbereitungshandlungen eines Delikts gesehen wird. Deshalb war es konsequent, die Strafdrohung an dem Versuch des vorzubereitenden Verbrechens zu orientieren. Schon aus diesem Grunde wird in § 30 StGB nicht wesentlich Ungleiches gleich bestraft. Dies gilt umso mehr, als die die Strafe bei § 30 StGB zwingend zu mildern ist, während bei der Versuchsstrafbarkeit nur die Möglichkeit eröffnet ist, die Strafe zu mildern . Damit hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass zwischen den Vorbereitungshandlungen nach § 30 StGB und dem Versuch der Tat ein gradueller Unterschied besteht. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber durchaus Ungleiches gleich und Gleiches ungleich behandeln darf, sofern es für die gleiche bzw. ungleiche Behandlung einen sachlichen Grund gibt. Ob Art. 3 Abs. 1 GG verletzt ist, also ob die Gleich- bzw. Ungleichbehandlung gerechtfertigt werden kann, hängt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) davon ab, ob die Gleich- bzw. Ungleichbehandlung willkürlich war. Nach diesem Willküransatz ist Art. 3 Abs. 1 GG nur dann verletzt, wenn es keinen vernünftigen Grund für die Gleich- bzw. Ungleichbehandlung gibt.20 Für die hier anstehende Frage war für den Gesetzgeber ausschlaggebend, dass die Verabredung als eine vorgelagerte Vorbereitungshandlung deshalb die Ausführung der Tat wahrscheinlich macht, weil diejenigen, die sich verabreden, sich an ihr Wort gebunden fühlen. Damit ist dann eine ähnliche Gefahrenstufe erreicht wie beim Versuch. Von einer willkürlichen Gleichbehandlung kann daher keine Rede sein. 20 BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 18. August 2010 – 1 BvR 3268/07 –, juris, Rn. 36 f.; BVerfG, Beschluss vom 25. Februar 2008 – 2 BvL 14/05 –, BStBl II 2008, 651 Rn. 25; BVerfG, Beschluss vom 29. März 2017 – 2 BvL 6/11 –, juris, Orientierungssätze 2 und 4, Rn. 101; BVerfG, Beschluss vom 12. Oktober 1951 – 1 BvR 201/51 = BVerfGE 1, 13-14; BVerfG, Beschluss vom 12. Oktober 1951 – 1 BvR 201/51 –, BVerfGE 1, 13-14 (BVerfGE 1, 14 (52) = NJW 1951, 877 (878 f.). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 009/18 Seite 9 Legt man nicht nur die Willkürprüfung im Rahmen von Art. 3 Abs. 1 GG zugrunde, sondern folgt auch der – insbesondere in der Literatur vertretenen21 – Verhältnismäßigkeitsprüfung22, so kommt es für die Rechtfertigung der Gleich- bzw. Ungleichbehandlung darauf an, welcher Zweck mit der Gleich- oder Ungleichbehandlung verfolgt wird. Das Kriterium, das für die Gleich- bzw. Ungleichbehandlung herangezogen wird, muss dann im Hinblick auf das Differenzierungsziel bzw. die Gleichbehandlung geeignet, notwendig und angemessen sein.23 Die Verabredung zu einem Verbrechen ähnlich wie den Versuch eines Verbrechens zu bestrafen, geschieht aus der Erwägung , dass beide Handlungen das mit dem Verbrechenstatbestand geschützte Rechtsgut bereits wesentlich bedrohen. Deshalb ist die Verhängung einer fast gleichen Strafe geeignet. Notwendig ist sie dann, wenn sich kein leichteres – genauso wirksames - Mittel findet. Ein leichteres Mittel wäre es, die Verabredung zu einem Verbrechen gar nicht zu kriminalisieren. Dann könnte jedoch das Ziel der Ahndung entsprechender Handlungen zum Schutz des durch den Verbrechenstatbestand geschützten Rechtsguts nicht erreicht werden. Deshalb ist die Strafbarkeit der Verabredung notwendig. Sie ist auch verhältnismäßig, da der Gesetzgeber im Vergleich zur Versuchsbestrafung eine zwingende Strafmilderung vorsieht, um der graduellen Gefahrenstufe zwischen Verabredung und Versuch gerecht zu werden. 5.2. Vereinbarkeit mit dem Schuldgrundsatz Der Schuldgrundsatz „nulla poena sine culpa“ hat Verfassungsrang und wird verfassungsrechtlich aus dem Rechtsstaatsprinzip, dem Art. 2 Abs. 1 GG und dem Gebot der Achtung der Menschenwürde abgeleitet24. Der Grundsatz besagt, dass nur derjenige für sein Handeln bestraft werden kann, dem dieses vorwerfbar ist. Dem trägt einfachgesetzlich § 20 StGB Rechnung, indem er die Ausnahmen von der grundsätzlich anzunehmenden Schuldfähigkeit festlegt. Inwieweit § 30 StGB mit diesem Grundsatz in Konflikt geraten soll, ist nicht ersichtlich. Denn auch nach § 30 StGB wird nur derjenige bestraft, der schuldfähig ist. 5.3. Vereinbarkeit mit dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz, Art. 103 Abs. 2 GG Nach Art. 103 Abs. 2 GG darf eine Tat nur dann bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Ein Straftatbestand – die Verabredung zu einem 21 Kischel, in: Beck’scher Online-Kommentar Grundgesetz, Epping/Hillgruber, 35. Edition, Stand: 15. November 2017, Art. 3 Rn. 24-27 mit Nachweisen aus Literatur und Rechtsprechung. 22 Auch das BVerfG knüpft in jüngeren Entscheidungen für Art. 3 Abs. 1 GG an Verhältnismäßigkeitserfordernisse an; siehe z.B.: BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2014 – 1 BvL 21/12 –, juris Rn. 122: BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2015 – 1 BvL 13/11 –, juris Rn. 71; BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 08. Juni 2016 – 1 BvR 3634/13 –, juris Rn. 16. 23 Kischel, in: BeckOK GG, Art. 3 Rn. 24. 24 BVerfG, Urteil vom 5. Februar 2004 – 2 BvR 2029/01 –, juris Rn. 135 f, = BVerfGE 109, 133, 171; BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2004 – 2 BvR 564/95 –, juris Rn. 57 = BVerfGE 110, 1, 13; BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10 –, juris Rn. 54 f. = 133, 168 (197 f.); BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 2015 – 2 BvR 2735/14 –, juris Rn. 54 f. = BVerfGE 140, 317, 343 ff. Dazu siehe auch Adam/Schmidt/Schumacher: Nulla poena sine culpa – Was sagt das verfassungsrechtliche Schuldprinzip? Neue Zeitschrift für Strafrecht (NStZ) 2017, 7. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 009/18 Seite 10 Verbrechen – liegt vor. Zweifelhaft könnte allenfalls sein, ob die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale hinreichend bestimmt sind. Allerdings ist insoweit zu berücksichtigen, dass die Rechtsprechung an die hinreichende Bestimmtheit von Strafnormen „keine übersteigerten Anforderungen“ stellt25. Es reicht aus, wenn der Gesetzgeber die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret umschrieben hat, dass Anwendungsbereich und Tragweite der Straftatbestände sich aus dem Wortlaut ergeben oder jedenfalls durch Auslegung ermitteln lassen26. Was unter der Verabredung eines Verbrechens zu verstehen ist, lässt sich zumindest durch Auslegung ermitteln. Dies zeigen die Kommentierungen zu § 30 StGB27 sowie die Rechtsprechung. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG liegt auch aus dem Grund fern, weil angesichts der Vorverlagerung der Strafbarkeit durch § 30 StGB das Bemühen erkennbar ist, die Vorschrift eng auszulegen . Damit wird deutlich, dass der Tatbestand der Verabredung zu einem Verbrechen auslegungsfähig und damit nicht unbestimmt i.S.d. Art. 103 Abs. 2 GG ist. *** 25 So ausdrücklich: BVerfG, Beschluss vom 21. Juni 1977 – 2 BvR 308/77 –, juris Rn. 37 = BVerfGE 45, 363-376 = BVerfG, NJW 1977, 1815. 26 Radtke/Hagemeier, BeckOK GG, Art. 103 Rn. 24 mit weiteren Nachweisen. 27 Vgl. dazu nur die Kommentierungen zur Verabredung eines Verbrechens: Joeck, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2017, § 30 Rn. 53-66; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl. 2014, § 30 Rn. 6; Heine/Weißer, in: Schönke/Schröder Strafgesetzbuch, 29. Auflage 2014, § 30 Rn. 24.