© 2019 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 007/19 Beendigungsmöglichkeiten europarechtswidriger Verträge Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 007/19 Seite 2 Beendigungsmöglichkeiten europarechtswidriger Verträge Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 007/19 Abschluss der Arbeit: 02. Februar 2019 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 007/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Abgrenzung privatrechtlicher / öffentlich-rechtlicher Vertrag 4 3. Privatautonomie / Vertragsbindung 5 4. Nichtigkeit von Verträgen 6 4.1. Gesetzliches Verbot, § 134 BGB 6 4.2. Sittenwidrigkeit, § 138 Abs. 1 BGB 7 4.3. Anfechtung, § 142 BGB 7 5. Beendigungsmöglichkeiten von Verträgen 8 5.1. Erfüllung, § 362 BGB 8 5.2. Aufhebung 8 5.3. Unmöglichkeit, § 275 BGB 9 5.4. Kündigung 9 5.4.1. Kündigung aus wichtigem Grund, § 314 BGB 9 5.4.2. Ordentliche Kündigung 10 5.4.3. Rechtsfolgen 10 5.5. Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB 11 5.6. Rücktritt 12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 007/19 Seite 4 1. Einleitung Verträge können auf unterschiedlichste Art und Weise geschlossen und beendet werden. Im Folgenden soll ein Überblick über die verschiedenen Nichtigkeitsgründe und Beendigungsmöglichkeiten von Verträgen gegeben werden. Diese sollen insbesondere vor dem Hintergrund eines etwaigen Verstoßes gegen europäisches Unionsrecht betrachtet werden. Verstößt ein Vertrag selbst gegen Unionsrecht, oder würde die Vollziehung eines Vertrages unionsrechtlichen Interessen entgegenstehen , so kann sich dies auf die Möglichkeit einer Beendigung des Vertrages auswirken. Auch die Art des Vertrages (Dauerschuldverhältnisse, privatrechtliche / öffentlich-rechtliche Verträge) wirkt sich auf die Beendigungsmöglichkeiten aus. 2. Abgrenzung privatrechtlicher / öffentlich-rechtlicher Vertrag Da Hoheitsträger auch in privatrechtlichen Formen handeln können, muss im Einzelfall der öffentlich -rechtliche vom privatrechtlichen Vertrag (z.B. Werkvertrag zwischen Polizei und Abschleppunternehmen )1 abgegrenzt werden. Zwar gelten auch für öffentlich-rechtliche Verträge gem. § 62 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG)2 subsidiär die Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)3. Öffentlich-rechtliche Verträge unterliegen jedoch einerseits strengeren Regeln, die nicht durch eine Flucht in das Privatrecht umgangen werden dürfen. Andererseits gelten für den öffentlich -rechtlichen Vertrag besondere Nichtigkeitsgründe nach § 59 Abs. 2 VwVfG und eine spezielle Regelung zur Kündigung in besonderen Fällen nach § 60 VwVfG. Im Übrigen bestehen aufgrund der entsprechenden Anwendungsmöglichkeit der Vorschriften des BGB für öffentlich-rechtliche Verträge dieselben Beendigungsmöglichkeiten wie für privatrechtliche. Lediglich die Besonderheiten der §§ 54 ff. VwVfG müssen beachtet werden. Die Anwendbarkeit der Regelungen über den öffentlich-rechtlichen Vertrag in den §§ 54 ff. VwVfG setzt voraus, dass gemäß der Begriffsdefinition des § 54 S. 1 VwVfG „ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts … durch Vertrag begründet, geändert oder aufgehoben“ wird. Die Rechtsnatur bestimmt sich also nach dem Gegenstand des Vertrages, wobei danach zu fragen ist, ob sich die Rechte und Pflichten des Vertrages auf einen Lebenssachverhalt beziehen, der im öffentlichen Recht oder im Privatrecht geregelt ist.4 Bei der Bestimmung des Vertragsgegenstands ist in erster Linie auf den Gesamtcharakter des Vertrags abzustellen und sein Zweck zu beachten.5 Allein der Zusammenhang mit der Erfüllung öffentlicher bzw. staatlicher Aufgaben reicht in Anbetracht der Tatsache, dass dies auch in Privatrechtsform geschehen kann, nicht aus. Ebenso wenig 1 Kopp, Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz: VwVfG, Kommentar, 19. Auflage, 2018, § 54 Rn. 28. 2 In der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar 2003 (BGBl. I S. 102), zuletzt geändert durch Art. 7 G zur Umsetzung des G zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 18.12.2018 (BGBl. I S. 2639). 3 In der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, ber. S. 2909 und 2003 I S. 738), zuletzt geändert durch Art. 4d QualifizierungschancenG vom 18.12.2018 (BGBl. I S. 2651). 4 Bonk/Neumann/Siegel, in: Stelkens/Bonk/Sachs/Bonk/Neumann/Siegel, 9. Aufl. 2018, § 54 Rn. 56. 5 Busche, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2018, Vorbemerkung (Vor § 145) Rn. 54. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 007/19 Seite 5 ist öffentliches Recht gleichbedeutend mit öffentlichem Interesse, das gleichfalls durch den Einsatz privatrechtlicher Formen verfolgt werden kann.6 Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag liegt beispielsweise dann vor, wenn eine Behörde einem Grundstückseigentümer vertraglich die Erteilung einer Baugenehmigung verspricht, während sich der Bürger zur Errichtung des Bauwerks verpflichtet. Als typisches Beispiel für einen prägenden öffentlich -rechtlichen Schwerpunkt eines Vertrages sei folgender Fall angeführt: Ein Bürger / Unternehmen verpflichtet sich zu einer einmaligen Geldzahlung als Gegenleistung für eine hoheitliche Maßnahme (z.B. den Erlass eines Verwaltungsakts). Regelmäßig wird ein Vertrag hingegen als privatrechtlicher Vertrag einzustufen sein, wenn sich ein Vertragspartner verpflichtet eine einfache Werk- oder Dienstleistung entgeltlich zu erbringen, auch wenn diese letztendlich einen öffentlichen Nutzen haben kann. 3. Privatautonomie / Vertragsbindung Die verfassungsrechtlich gewährleistete Privatautonomie beinhaltet einerseits die Freiheit, überhaupt einen Vertrag abzuschließen (Abschlussfreiheit) und andererseits die Möglichkeit, den Inhalt des Vertrages beliebig zu gestalten (Inhaltsfreiheit).7 Grundsätzlich können Verträge jeden Inhalts abgeschlossen werden, sodass es den Parteien selbstverständlich auch offensteht die Beendigungsmöglichkeiten und die Folgen der Vertragsbeendigung einvernehmlich im Vertrag zu regeln. Beispielsweise können die Parteien bestimmte Bedingungen vereinbaren, unter denen sie berechtigt sind vom Vertrag zurückzutreten oder den Vertrag außerordentlich zu kündigen. Die Gestaltungsfreiheit unterliegt freilich generellen Grenzen: Der Vertragsinhalt darf nicht im Widerspruch zu den Außenschranken der Vertragsfreiheit stehen, insbesondere nicht gegen zwingendes Recht (§ 134 BGB, dazu näher unter „4.1 Gesetzliches Verbot“) und nicht gegen die guten Sitten (§ 138 BGB, dazu näher unter „4.2 Sittenwidrigkeit“) verstoßen.8 Ferner dient die in den §§ 305 ff. BGB verankerte Inhaltskontrolle von AGB, der Prüfung ob die eine Vertragspartei der anderen nicht verhandelbare Vertragsbedingungen stellt. Neben diesen Einschränkungen der Privatautonomie sind die Vertragsparteien im Übrigen frei in der Ausgestaltung ihrer Vertragsmodalitäten. Daneben sind die Parteien selbstverständlich frei das Vertragsverhältnis abzuändern und damit an veränderte Umstände anzupassen (Abänderungsfreiheit) sowie das Vertragsverhältnis einvernehmlich durch Aufhebungsvertrag zu beendigen (Vertragsbeendigungsfreiheit).9 Haben die Parteien wirksam einen Vertrag geschlossen, der insbesondere den o.g. Grenzen der Vertragsfreiheit nicht widerspricht und haben sie keine Besonderheiten bezüglich der Beendigung des Vertrages vereinbart, so richtet sich die Beendigung des Vertrages grundsätzlich nach den dafür im Bürgerlichen Gesetzbuch vorgesehenen Instituten (dazu näher unter „5. Beendigungsmöglichkeit von Verträgen“). Ist ein Vertrag jedoch wirksam geschlossen worden und (noch) nicht beendet, 6 Kämmerer, in: BeckOK VwVfG, Bader/Ronellenfitsch, 41. Edition, Stand: 01.07.2018, § 54 VwVfG Rn. 45. 7 Eckert, in: BeckOK BGB, Bamberger/Roth/Hau/Poseck, 48. Edition, Stand: 01.08.2018, Rn. 8. 8 Busche, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2018, Vorbemerkung (Vor § 145) Rn. 24. 9 Busche, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2018, Vorbemerkung (Vor § 145) Rn. 28. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 007/19 Seite 6 so sind die Vertragsparteien grundsätzlich verpflichtet den vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen . Nach dem Grundsatz „pacta sunt servanda“ ist der Schuldner an den einmal geschlossenen Vertrag gebunden. Daher verhält er sich pflichtwidrig, wenn er ohne rechtfertigenden Grund erklärt, sich nicht mehr an die vereinbarten Bedingungen halten zu wollen. Entsprechendes gilt, wenn er grundlos die Gültigkeit eines Vertrags bestreitet, diesen grundlos annullieren bzw. vorzeitig beenden will oder unberechtigte Gewährleistungs- oder Gestaltungsrechte geltend macht. Die praktisch wichtigsten Fälle sind die unberechtigte Kündigung bzw. der unberechtigte Rücktritt sowie die ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung.10 4. Nichtigkeit von Verträgen Ein Vertrag kann aus verschiedenen Gründen nichtig sein. Im Falle der Nichtigkeit entfaltet der Vertrag von Anfang an keine vertragliche Bindungswirkung und begründet keine vertraglichen Leistungspflichten. Als Nichtigkeitsgründe kommen zum Beispiel § 134 BGB (gesetzliches Verbot), § 138 Abs. 1 BGB (Sittenwidrigkeit), oder § 142 BGB (Anfechtung) in Betracht. 4.1. Gesetzliches Verbot, § 134 BGB § 134 BGB beschränkt die Privatautonomie zum Schutz der allgemeinen gesetzlichen Werteordnung , indem sie Rechtsgeschäften, deren Inhalt gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, die Wirksamkeit versagt, soweit dies nach Sinn und Zweck des jeweils konkret verletzten Verbotsgesetzes geboten ist.11 Das Verbot muss sich aus dem Gesetz ergeben. Das kann jede deutsche Rechtsnorm12 oder auch ein Rechtsinstrument der EU sein.13 Zum einen existieren ausdrückliche Verbote von Rechtsgeschäften im primären Unionsrecht, wie etwa das Kartellverbot aus Art. 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)14, welches in Abs. 2 bei einem Verstoß ausdrücklich die Nichtigkeit anordnet. Droht hingegen das Unionsrecht selbst keine Nichtigkeit an, so ist zu prüfen, ob sich die verletzte Bestimmung als Verbotsgesetz im Sinne von § 134 BGB darstellt.15 Ein gesetzliches Verbot im Sinne dieser Vorschrift liegt dann vor, wenn ein von der Rechtsordnung seiner Art nach grundsätzlich zugelassenes Rechtsgeschäft wegen seines konkreten Inhalts oder wegen der Modalitäten seines Zustandekommens untersagt wird. Das Verbot muss nicht ausdrücklich sein, sondern kann sich auch aus einer Auslegung ergeben.16 Jedenfalls muss aber der Vertrag selbst gegen das Verbotsgesetz verstoßen. 10 Bachmann, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2016, § 241 Rn. 91. 11 Wendtland, in: BeckOK BGB, 48. Ed. 1.11.2018, BGB § 134 Rn. 1. 12 Art. 2 EGBGB, vgl. BGHZ 59, 85 13 Vgl. BGH EuZW 03, 444; BGH EuZW 04, 253. 14 In der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 2008, zuletzt geändert durch Art. 2 ÄndBeschl. 2012/419/EU vom 11.7.2012 (ABl. Nr. L 204 S. 131). 15 Armbrüster, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2018, § 134 Rn. 37. 16 Dörner, in: Schulze, Bürgerliches Gesetzbuch, 10. Auflage 2019, § 134 BGB, Rn. 3. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 007/19 Seite 7 Umstritten ist, ob auch die Grundfreiheiten der AEUV, etwa die Warenverkehrsfreiheit oder die Personenverkehrsfreiheit, Verbotsgesetze darstellen können. Dies wird zum Teil verneint, weil eine zu starke Einschränkung der Privatautonomie befürchtet wird. In dem Verfahren des OLG München 3 U 1990/717 klagte ein österreichischer Staatsangehöriger gegen ein deutsches Kur- und Erlebnisbad, weil er einen höheren Eintrittspreis zahlen musste als die Einwohner der umliegenden Gemeinden. Unionsrechtlich ist eine solche diskriminierende Regelung zu Eintrittspreisen nach der Rechtsprechung des EuGH dem Grunde nach rechtswidrig.18 Die vom Kläger geforderte Rückerstattung des Differenzbetrages wurde vom OLG München allerdings mit der Begründung abgelehnt, dass die damals in Art. 49 EG (nunmehr Art. 56 AEUV) verankerte Dienstleistungsfreiheit kein Verbots- bzw. Schutzgesetz darstellt. Nach einer im Schrifttum verbreiteten Ansicht soll ein Verstoß gegen die Grundfreiheiten hingegen zu einer Nichtigkeit nach § 134 BGB führen. Begründet wird dies insbesondere mit dem Effektivitätsgrundsatz und der grundlegenden Bedeutung der Grundfreiheiten als zentralem Teil der Grundordnung des Binnenmarktes, an die alle Marktteilnehmer , auch Private, gebunden sind.19 4.2. Sittenwidrigkeit, § 138 Abs. 1 BGB Die Privatautonomie wird nicht nur durch die gesetzlich fixierten Rahmenbedingungen (z.B. Verbotsgesetze ), sondern darüber hinaus auch durch die wesentlichen Prinzipien der in unserer Gesellschaft herrschenden Rechts- und Sozialmoral beschränkt.20 § 138 Abs. 1 BGB fasst diese Prinzipien als eine Art Generalklausel als „gute Sitten“ zusammen und versagt einem dazu in Widerspruch stehenden Rechtsgeschäft die Rechtswirksamkeit.21 Eine nähere Präzisierung der Generalklausel durch Bildung einzelner Fallgruppen hat der Gesetzgeber weitgehend der Praxis überlassen . In Betracht kommt eine Sittenwidrigkeit beispielsweise bei Verstößen gegen die ethischen Grundlagen der Ehe und Familie, standeswidrigen Rechtsgeschäften oder bei der Ausnutzung wirtschaftlicher Übermacht.22 4.3. Anfechtung, § 142 BGB Gem. § 142 Abs. 1 BGB wird ein Rechtsgeschäft bei Anfechtung für nichtig erklärt (rechtshindernde Einwendung). Ob ein Rechtsgeschäft anfechtbar ist, ergibt sich aus den Vorschriften über die Anfechtungsgründe (§§ 119, 120, 123, 2078 f. BGB). Die Anfechtung führt in der Regel zur rückwirkenden Nichtigkeit (ex tunc) des Rechtsgeschäftes.23 Das Rechtsgeschäft ist also so zu behandeln, 17 OLG München, Urteil vom 16. 1. 2008 - 3 U 1990/07, EuZW 2008, 773 ff. 18 Vgl. EuGH, Urteil vom 15-03-1994 - Rs. C - 45/93, NJW 1994, 1941; EuGH, Urteil vom 16. 1. 2003 - Rs. C-388/01, EuZW 2003, 186. 19 Armbrüster, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2018, BGB § 134 Rn. 38. 20 Wolf, Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 2016, § 46 Rn. 1, 12. 21 Wendtland, in: BeckOK BGB, 48. Ed. 1.11.2018, BGB § 138 Rn. 1. 22 Dörner, in: Schulze, Bürgerliches Gesetzbuch, 10. Auflage 2019, § 138 BGB, Rn. 1, 7 ff. 23 Mansel, in: Jauernig, Bürgerliches Gesetzbuch: BGB, 17. Auflage 2018, § 142 BGB, Rn. 3. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 007/19 Seite 8 als wäre es nie wirksam gewesen. Bereits ausgetauschte Leistungen sind grundsätzlich nach den §§ 812 ff. BGB (Leistungskondiktion) zurück zu gewähren.24 Als Anfechtungsgründe kommt beispielsweise ein Inhalts- oder Erklärungsirrtum beim Abschluss des Vertrages (§ 119 BGB), die unrichtige Übermittlung einer Willenserklärung (§ 120 BGB) oder eine arglistige Täuschung oder widerrechtliche Drohung, die zum Abschluss des Vertrages führten (§ 123 BGB) in Betracht. 5. Beendigungsmöglichkeiten von Verträgen (Zunächst) wirksame Verträge können auf verschiedene Weise beendet werden. Die Beendigungsmöglichkeiten sind häufig abhängig von der Art des Vertrages. Verpflichtet sich ein Vertragspartner eine einmalige Leistung zu erbringen (z.B. die Lieferung einer Kaufsache), so kommt eine Kündigung beispielsweise nicht in Betracht. Anders stellt es sich aber bei einem sogenannten Dauerschuldverhältnis dar, welches eine auf Dauer angelegte Leistung umfasst (z.B. Mietverträge, Verwahrungsverträge , Wartungs- und Pflegeverträge, Instandhaltungsverträge etc.), für Einzelheiten wird auf die Erläuterungen unter „6.4 Kündigung“ verwiesen. Im Folgenden sollen die wichtigsten zivilrechtlichen Beendigungstatbestände zusammenfassend dargestellt werden. 5.1. Erfüllung, § 362 BGB Gem. § 362 BGB erlischt ein Schuldverhältnis, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. Welches die geschuldete Leistung ist, ergibt sich aus dem jeweiligen Schuldverhältnis . Entsprechend dem Inhalt dieses Schuldverhältnisses muss die Leistung zur richtigen Zeit (§ 271 BGB), am richtigen Ort (§§ 269 f. BGB) und in der richtigen Art und Weise (§§ 242 f. BGB) erbracht werden.25 Werden also alle in einem Vertrag vorgesehenen Leistungen von allen Vertragsparteien erbracht, so wird der Vertrag durch Erfüllung gem. § 362 BGB beendet. 5.2. Aufhebung Im Rahmen der Vertragsfreiheit haben die Vertragsparteien auch die Möglichkeit einvernehmlich einen Aufhebungsvertrag zu schließen. Der Aufhebungsvertrag bringt das Schuldverhältnis als solches , je nach Vereinbarung, ganz oder teilweise zum Erlöschen. Bei einem bereits in Vollzug gesetzten Dauerschuldverhältnis bezieht sich die Vertragsaufhebung in der Regel nur auf die Zukunft , wobei es den Parteien überlassen bleibt auch eine Rückwirkung zu vereinbaren.26 Voraussetzung für einen Aufhebungsvertrag ist es, dass die Parteien sich gemeinsam darauf verständigen den Vertrag zu beenden. Möchte eine Partei hingegen am Vertrag festhalten, so kommt ein Aufhebungsvertrag nicht in Betracht. 24 Wendtland, in: BeckOK BGB, Bamberger/Roth/Hau/Poseck, 48. Edition, Stand: 01.11.2018, § 142 Rn. 6. 25 Schulze, in: Schulze, Bürgerliches Gesetzbuch, 10. Auflage 2019, Rn. 3. 26 Schlüter, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2016, § 397 BGB Rn. 18. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 007/19 Seite 9 5.3. Unmöglichkeit, § 275 BGB § 275 BGB legt fest, dass der Schuldner bei Unmöglichkeit der Leistung, bei einem grob unverhältnismäßigen Aufwand des Schuldners und bei Unzumutbarkeit persönlich zu erbringender Leistungen von seiner Leistungspflicht befreit wird. Es ist nicht ausgeschlossen, dass unter weiteren Voraussetzungen Sekundärverpflichtungen für den Schuldner entstehen können (insbes. Schadens - und Aufwendungsersatz- sowie Rückgewährpflichten).27 § 275 Abs. 1 BGB erfasst die Fälle der rechtlichen oder tatsächlichen Unmöglichkeit und gilt sowohl für die anfängliche (ursprüngliche ) als auch für die nachträgliche Unmöglichkeit. Es kommt daher nicht darauf an, ob das Leistungshindernis vor oder nach Abschluss des Vertrages entstanden ist. Der Schuldner wird gem. § 275 Abs. 1 BGB frei von seiner Leistungsverpflichtung, verliert aber grundsätzlich gem. § 326 BGB seinen Anspruch auf die Gegenleistung.28 Abs. 1 erfasst sowohl Fälle der objektiven als auch der subjektiven Unmöglichkeit der Erbringung von vertraglich geschuldeten Leistungen. Objektiv kann eine Leistung unter anderem dann unmöglich sein, wenn sie aus rechtlichen Gründen nicht erbracht werden kann, etwa wenn die Leistung auf Herbeiführung eines Rechtszustands gerichtet ist, der von der Rechtsordnung nicht anerkannt wird oder die Leistungserbringung gesetzlich verboten ist (§ 134 BGB, vgl. „4.1 Gesetzliches Verbot “). Subjektive Unmöglichkeit liegt hingegen vor, wenn zwar der Schuldner die Leistung nicht erbringen kann, sie aber von einem Dritten erbracht werden könnte (ausschließlich in der Person des Schuldners liegendes Leistungshindernis).29 Grundsätzlich kann auch eine Leistungserbringung , die europarechtswidrig ist als Fall der rechtlichen Unmöglichkeit eingestuft werden. Voraussetzung ist aber, dass die Leistungserbringung selbst europarechtswidrig ist und nicht erst eine hieraus entstehende Folgeverpflichtung. 5.4. Kündigung 5.4.1. Kündigung aus wichtigem Grund, § 314 BGB Dauerschuldverhältnisse können nach § 314 BGB aus wichtigem Grund fristlos gekündigt werden. Eine Kündigung nach § 314 scheidet aber aus, soweit eine Spezialnorm die Kündigung aus wichtigem Grund bei einzelnen Dauerschuldverhältnisses regelt. Dies ist z.B. der Fall bei Darlehen (§ 490), Mietvertrag (§§ 543, 569), Dienstvertrag (§ 626) oder Reisevertrag (§ 651e). Ein Dauerschuldverhältnis ist ein Schuldverhältnis, das auf wiederkehrende, sich über einen längeren Zeitraum wiederholende Leistungen und Gegenleistungen gerichtet ist und nur einmal in einem Vertrag vereinbart werden muss,30 so etwa beim Arbeitsvertrag oder beim Instandhaltungsvertrag . Nach der Definition in Abs. 1 S. 2 liegt ein wichtiger Grund, der zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigt vor, wenn dem Schuldner die weitere Erfüllung des Vertrages un- 27 Schulze, in: Schulze, Bürgerliches Gesetzbuch, 10. Auflage 2019, § 275 Rn. 1. 28 Lorenz, in: BeckOK BGB, Bamberger/Roth/Hau/Poseck, 48. Edition, Stand: 01.08.2018, § 275 Rn. 20. 29 Stadler Jauernig, Bürgerliches Gesetzbuch: BGB, 17. Auflage 2018, § 275 Rn. 12, 15, 17. 30 Gaier, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2016, § 314 Rn. 6. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 007/19 Seite 10 ter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen bis zur vereinbarten Beendigung (bei befristeten Dauerschuldverhältnissen) oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist (bei unbefristeten Dauerschuldverhältnissen) nicht zugemutet werden kann. Kann der Vertragszweck objektiv nicht mehr erreicht werden, besteht für die Parteien grundsätzlich die Möglichkeit des Rücktritts von Vertrag (dazu näher unter „5.6 Rücktritt“). Ferner steht den Parteien ein Kündigungsrecht nach § 314 BGB zu. Die außerordentliche Kündigung ist jedoch in der Regel nur dann gerechtfertigt, wenn die Gründe, die zur Undurchführbarkeit des Vertrages führen, im Risikobereich des Kündigungsgegners liegen und nicht aus Umständen herrühren, die dem Einfluss des Kündigungsgegners entzogen sind und aus der eigenen Interessensphäre des Kündigenden resultieren.31 Konnte der Vertragspartner also damit rechnen, dass der Vertragszweck gegebenenfalls nicht erreicht werden kann, so kommt eine außerordentliche Kündigung für ihn regelmäßig nicht in Betracht. Selbstverständlich werden bestimmte Gründe, die zur außerordentlichen Kündigung berechtigen in der Regel zwischen den Parteien vertraglich vereinbart. Hierbei sind sie im Rahmen der Privatautonomie grundsätzlich frei und können in diesem Zusammenhang auch etwaige Kündigungsfristen oder Schadensersatzansprüche festlegen. Diese vertraglichen Regelungen gehen dem gesetzlichen Kündigungsrecht aus § 314 BGB dann vor. 5.4.2. Ordentliche Kündigung Neben der außerordentlichen fristlosen Kündigung besteht bei unbefristeten Dauerschuldverhältnissen grundsätzlich die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfristen. Bei befristeten Dauerschuldverhältnissen ist demgegenüber die ordentliche Kündigung nur möglich, wenn dies ausdrücklich im Vertrag vereinbart wird. Für zahlreiche gesetzlich geregelte Dauerschuldverhältnisse gibt es spezielle gesetzliche Bestimmungen, z.B. für Mietvertrag (§ 568 ff. BGB) und den Darlehensvertrag (§ 489 BGB). Im Übrigen wird das ordentliche Kündigungsrecht in aller Regel zwischen den Parteien vertraglich vereinbart und eine Regelung über die Kündigungsfristen und –folgen getroffen. 5.4.3. Rechtsfolgen Die Kündigung beendet das Dauerschuldverhältnis mit Wirkung für die Zukunft. Eine Rückabwicklung der bisher erbrachten Leistungen findet nicht statt. Auch bleiben die bis zur Kündigung fällig gewordenen und noch nicht erfüllten Leistungspflichten bestehen.32 Die Möglichkeit Schadensersatz geltend zu machen, bleibt gem. § 314 Abs. 4 BGB unbenommen. 31 Lorenz, in: BeckOK BGB, Bamberger/Roth/Hau/Poseck, 48. Edition, Stand: 01.08.2018, § 275 Rn. 12. 32 Lorenz, in: BeckOK BGB, Bamberger/Roth/Hau/Poseck, 48. Edition, Stand: 01.08.2018, § 275 Rn. 25. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 007/19 Seite 11 5.5. Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB Die Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB betrifft den Fall, dass Umstände von vornherein fehlen oder nachträglich wegfallen, die für eine Vertragspartei so wesentlich sind, dass der Vertrag geändert oder aufgehoben werden muss, weil ein Festhalten am unveränderten Vertrag sich als unzumutbar darstellen würde. § 313 BGB erstreckt sich auf alle schuldrechtlichen Verträge .33 Anwendbar ist § 313 BGB hingegen erst dann, wenn keine spezielleren Regelungen eingreifen . Diese können zum einen im Vertrag selbst vereinbart sein. So können die Parteien beispielsweise ein Rücktrittsrecht oder eine auflösende Bedingung vereinbart haben. Daneben existieren gesetzliche Sonderregelungen, die der Störung der Geschäftsgrundlage vorgehen, z.B. Rücktritts - und Kündigungsvorschriften, die Vorschriften über die Mängelhaftung (§§ 434 ff. BGB) sowie die Vorschriften der Unmöglichkeit (§ 275 BGB).34 Voraussetzung der Störung der Geschäftsgrundlage ist es, dass es sich um die Geschäftsgrundlage handelt, mithin um einen Umstand, dessen Bestand von jedenfalls einer Vertragspartei vorausgesetzt wurde – der zwar nicht Vertragsinhalt geworden ist, aber der nach der Intention zumindest einer Partei erforderlich ist, um den Vertrag als sinnvolle Regelung aufrechtzuerhalten.35 Dies muss für den Vertragspartner auch erkennbar gewesen sein. Dieser Umstand muss sich gem. § 313 BGB nach Abschluss des Vertrages entweder schwerwiegend verändert haben bzw. weggefallen sein oder von vornherein fehlen. Weiterhin muss der Umstand, der von der Vertragspartei vorausgesetzt wurde, so wesentlich sein, dass sie ohne ihn den Vertrag nicht bzw. zu anderen Konditionen abgeschlossen hätte. Hier muss also die Frage gestellt werden, ob die Partei den Vertrag ggf. mit anderem Inhalt abgeschlossen hätte, wenn sie die wesentliche Veränderung des Umstands vorhergesehen hätte. Zudem muss das Festhalten am unveränderten Vertrag für den einen Teil unzumutbar sein. Für die Unzumutbarkeit der unveränderten Vertragsdurchführung ist grundsätzlich erforderlich, dass das Festhalten an der ursprünglichen Regelung zu untragbaren Härten und einem mit Recht und Gerechtigkeit nicht mehr zu vereinbarenden Ergebnis führen würde.36 Wie § 313 I BGB vorgibt, fließen hierbei insbesondere vertragliche oder gesetzliche Risikoverteilungen ein. Unzumutbarkeit ist folglich nicht gegeben, wenn es sich um einen Umstand handelt, der dem Risikobereich der Vertragspartei zuzuordnen ist oder der für eine Partei schon bei Vertragsschluss vorhersehbar war.37 In der Rechtsprechung haben sich im Laufe der Zeit verschiedene Fallgruppen herausgebildet, in denen das Institut der Störung der Geschäftsgrundlage Anwendung findet. Als Beispiel sei die Äquivalenzstörung angeführt, bei der die nachträgliche Veränderung dazu führt, dass das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung erheblich und unvorhersehbar gestört wird, was dem allgemeinen Gedanken der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung widerspricht (z.B. im Falle einer Inflation).38 33 Palandt/Grüneberg, 78. Aufl. 2018, § 313 Rn. 7. 34 Stadler, in: Jauernig, Bürgerliches Gesetzbuch: BGB, 17. Auflage 2018, § 313 Rn. 8-13. 35 Palandt/Grüneberg, 78. Aufl. 2018, § 313 Rn. 8. 36 Schulze, in: Schulze, Bürgerliches Gesetzbuch, 10. Auflage 2019, § 313 Rn. 13-15. 37 Stadler, in: Jauernig, Bürgerliches Gesetzbuch: BGB, 17. Auflage 2018, § 313 Rn. 20 ff. 38 Lorenz, in: BeckOK BGB, Bamberger/Roth/Hau/Poseck, 48. Edition, Stand: 01.08.2018, § 275 Rn. 23. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 007/19 Seite 12 Auch kommt der Wegfall der Geschäftsgrundlage im Rahmen einer sogenannten „Zweckstörung“ in Betracht. Eine solche ist gegeben, wenn die Herbeiführung des Leistungserfolgs zwar noch möglich ist, der Gläubiger aber aufgrund erheblich veränderter Bedingungen kein Interesse mehr an der Leistung hat. Zu beachten ist, dass grundsätzlich den Gläubiger das Risiko der Verwendung der Leistung trifft; demnach kann eine relevante Zweckstörung nur vorliegen, wenn der Vertragspartner sich den Verwendungszweck ebenfalls so zu Eigen gemacht hat, dass das Verlangen nach Vertragserfüllung Treu und Glauben widerspräche.39 Wenn die Voraussetzungen des § 313 BGB vorliegen, kann primär die Anpassung des Vertrags verlangt werden. Nur wenn dies nicht möglich ist oder der anderen Partei nicht zumutbar, kann die benachteiligte Vertragspartei gemäß § 313 III BGB zurücktreten oder – bei Dauerschuldverhältnissen – kündigen .40 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Institut der Störung der Geschäftsgrundlage nur in evidenten Sonderkonstellationen einschlägig ist; da ein von einer Vertragspartei vorausgesetzter Umstand oftmals dem Risikobereich ebendieser Partei zuzuordnen ist, wird ein Festhalten am unveränderten Vertrag regelmäßig zumutbar erscheinen – grundsätzlich müssen sich die Parteien am Vertrag festhalten lassen. 5.6. Rücktritt Eine weitere Beendigungsmöglichkeit von Verträgen stellt der Rücktritt vom Vertrag dar. Voraussetzung für einen wirksamen Rücktritt ist das Bestehen eines gesetzlichen oder vertraglichen Rücktrittsrechts . Zunächst steht es den Parteien offen, eine Rücktrittsmöglichkeit schon im Vertrag festzulegen .41 Daneben bestehen grundsätzlich vier verschiedene gesetzliche Rücktrittsrechte: Rücktritt wegen Nichtleistung (§ 323 I Alt. 1 BGB), Rücktritt wegen nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung (§ 323 I Alt. 2 BGB), Rücktritt wegen Schutzpflichtverletzung (§ 324 BGB) und der Rücktritt wegen Unmöglichkeit nach § 275 BGB (§ 326 V BGB). Bevor man von einem Vertrag zurücktritt muss dem Vertragspartner in der Regel Gelegenheit gegeben worden sein, den Rücktrittsgrund zu beheben, indem er bei einer Schlechtleistung oder Nichtleistung nachbessert oder die Leistung vollständig nachholt. Dazu muss der Rücktrittsberechtigte zunächst eine Frist gesetzt haben42. Diese Fristsetzung kann aber auch entbehrlich sein, insbesondere wenn die Leistung ohnehin unmöglich ist (vgl. § 326 Abs. 5 BGB). Als Rechtsfolge eines wirksamen Rücktritts wird das ursprüngliche Schuldverhältnis nicht aufgehoben , sondern nur inhaltlich verändert: Es entsteht ein Abwicklungs- und Rückgewährschuldverhältnis mit dem Ziel, den ursprünglichen Zustand vor Vertragsschluss wieder herzustellen. Die konkreten Verpflichtungen der Parteien, hängen davon ab, in welchem Stadium der Vertragsdurch- 39 Schulze, in: Schulze, Bürgerliches Gesetzbuch, 10. Auflage 2019, § 313 Rn. 25. 40 Böttcher in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 313 BGB Rn. 40 ff. 41 Staudinger/Dagmar Kaiser (2012) BGB § 346 Rn. 40. 42 Westermann in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 323 BGB Rn. 13 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 007/19 Seite 13 führung der Rücktritt erfolgt. Soweit die Parteien ihre Leistungen noch nicht erbracht haben, erlöschen diese. Hinsichtlich bereits erbrachter Leistungen entsteht eine Pflicht zur Rückgewähr und zur Herausgabe gezogener Nutzungen.43 43 Schulze, in: Schulze, Bürgerliches Gesetzbuch, 10. Auflage 2019, § 346 Rn. 9.