© 2016 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 007/16 Strafbarkeit von gewaltsamen Übergriffen auf Journalisten Sachstand Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 007/16 Seite 2 Strafbarkeit von gewaltsamen Übergriffen auf Journalisten Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 007/16 Abschluss der Arbeit: 20.01.2016 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutz, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 007/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Welche Paragraphen des StGB (und anderen Gesetzen) sind einschlägig bei gewaltsamen Übergriffen: Körperliche Gewalt, Sachbeschädigung, Beschimpfungen/ Beleidigungen, (Mord-)Drohungen (auch im Internet)? 4 2.1. Strafbarkeit der körperlichen Gewaltanwendung gegenüber Journalisten 4 2.1.1. Straftaten gegen das Leben 4 2.1.2. Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit 4 2.2. Strafbarkeit der Sachbeschädigung 5 2.3. Strafbarkeit von Beschimpfungen und Beleidigungen 5 2.3.1. Beleidigungen von Angesicht zu Angesicht 5 2.3.2. Beleidigungen im Internet 7 2.4. Strafbarkeit von Drohungen und Bedrohungen 7 3. Wie viele Anzeigen und Verurteilungen hat es in den vergangenen fünf Jahren bundesweit gegeben (nach Jahren aufgeschlüsselt)? 8 3.1. Allgemeines 8 3.2. Übergriffe der letzten Jahre 9 3.3. Ausblick 10 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 007/16 Seite 4 1. Einleitung Anlass der vorliegenden Ausführungen ist die aktuelle Situation in der Bundesrepublik Deutschland , in welcher sich zunehmend Anfeindungen und Attacken auf Journalisten verzeichnen lassen .1 Die folgenden Ausführungen beschäftigen sich mit der Frage der Strafbarkeit von gewaltsamen Übergriffen auf Journalisten. Unter dem Begriff Journalist werden publizistisch tätige Personen zusammengefasst, „die Informationen, sammeln, auswerten und prüfen und sie analysierend , kommentierend oder unterhaltend aufbereiten, um sie über die Massenmedien an die Öffentlichkeit zu vermitteln“2. Hierbei soll zunächst die Strafbarkeit von gewaltsamen Übergriffen auf Journalisten beleuchtet und im Anschluss die Frage beantwortet werden, wie viele Anzeigen und Verurteilungen es in den vergangenen fünf Jahren gegeben hat. 2. Welche Paragraphen des StGB (und anderen Gesetzen) sind einschlägig bei gewaltsamen Übergriffen: Körperliche Gewalt, Sachbeschädigung, Beschimpfungen/ Beleidigungen, (Mord-)Drohungen (auch im Internet)? Zunächst ist festzustellen, dass eine Differenzierung zwischen solchen Straftaten, die gegenüber Journalisten begangen werden, und solchen gegenüber der Allgemeinheit weder notwendig noch möglich ist. Das Strafgesetzbuch (StGB)3 sieht eine besondere Strafbarkeit von Angriffen gegenüber Journalisten nicht vor. 2.1. Strafbarkeit der körperlichen Gewaltanwendung gegenüber Journalisten 2.1.1. Straftaten gegen das Leben Wer einen Menschen tötet macht sich gemäß § 212 StGB wegen Totschlags, bei der Verwirklichung besonderer weiterer Merkmale wegen Mordes gemäß § 211 StGB strafbar. 2.1.2. Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit Wer körperliche Gewalt gegen einen Menschen anwendet, kann sich nach mehreren Straftatbeständen des Strafgesetzbuches (StGB) strafbar machen, wobei zwischen der reinen Anwendung der Gewalt und einer weiteren Folge dieser Gewaltanwendung eine Unterscheidung stattfindet. 1 Vgl. hierzu: Aktuelle Meldungen des Deutschen Bundestags: Mehr Übergriffe auf Journalisten – Kultur und Medien /Ausschluss – 13.01.2016 - https://www.bundestag.de/presse/hib/201601/-/401722 - zuletzt abgerufen am 15.01.2016. 2 Definition aus: Brockhaus Enzyklopädie Online - https://deutscher-bundestag.brockhaus.de/brockhaus/journalismus #das-berufsbild-des-journalisten – zuletzt abgerufen am 15.01.2016. 3 Strafgesetzbuch (StGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch Art. 5 G zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten vom 10. 12. 2015 (BGBl. I S. 2218). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 007/16 Seite 5 Grundsätzlich macht sich gemäß § 223 Absatz 1 StGB strafbar, wer einen anderen Menschen vorsätzlich körperlich misshandelt oder an der Gesundheit schädigt. Dieser Straftatbestand ist grundsätzlich bei körperlichen Angriffen, wie beispielsweise Schlägen, erfüllt und wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe geahndet. Wird die Tat mit besonderen Mitteln (z.B. Waffen oder sonstigen gefährlichen Werkzeugen) oder einer besonderen Begehungsweise (z.B. mit mehreren gemeinschaftlich) begangen, kommt eine Strafbarkeit wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 StGB in Betracht. Eine solche wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Knüpft sich an die Begehung einer solchen körperverletzenden Handlung eine schwere Folge an (z.B. der Verlust der Sehfähigkeit oder eines wichtigen Glieds des Körpers), so handelt es sich um eine schwere Körperverletzung gemäß § 226 StGB, welche mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren geahndet wird. Verursacht der Täter durch die Körperverletzung den Tod des Opfers, so ist eine Strafbarkeit wegen Körperverletzung mit Todesfolge gemäß § 227 StGB gegeben. In diesem Fall beträgt die Strafe nicht unter drei Jahren Freiheitsstrafe. Die Körperverletzung kann auch fahrlässig begangen werden, sodass insofern eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Körperverletzung, mit einer Strafandrohung von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe, in Betracht kommt, § 229 StGB. 2.2. Strafbarkeit der Sachbeschädigung Die Sachbeschädigung ist gemäß § 303 StGB strafbar. Danach wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer rechtswidrig eine fremde Sache beschädigt oder zerstört. Eine Strafbarkeit wegen Zerstörung wichtiger Arbeitsmittel, wie es § 305 a StGB für beispielsweise technisches Arbeitsmittel der Polizei, Bundeswehr, Feuerwehr oder des Katastrophenschutzes vorsieht, kommt bei der Zerstörung von Arbeitsmitteln von Journalisten hingegen nicht in Betracht. Der Zweck dieser Vorschrift ist es, gewalttätigen Sabotageakten dadurch entgegenzuwirken , dass die Zerstörung bestimmter für die Erfüllung gemeinschaftswichtiger Aufgaben erforderlicher Arbeitsmittel unter eine gegenüber § 303 StGB verschärfte Strafandrohung gestellt wird.4 2.3. Strafbarkeit von Beschimpfungen und Beleidigungen 2.3.1. Beleidigungen von Angesicht zu Angesicht Schutzgut der nachfolgenden Straftatbestände ist die Ehre des Menschen. Die Beleidigung wird gemäß § 185 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Sie setzt einen rechtswidrigen Angriff auf die Ehre eines Menschen durch vorsätzliche 4 Vgl. Stree, in: Schönke/Schröder, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 27. Auflage, § 305a Rn. 1. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 007/16 Seite 6 Kundgabe der Missachtung voraus, die geeignet ist, den Betroffenen verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen.5 Im Rahmen der Beleidigungsdelikte ist jedoch immer eine mögliche Rechtfertigung nach § 193 StGB – die sog. Wahrnehmung berechtigter Interessen – zu berücksichtigen. In dieser Norm findet sich eine besondere Ausprägung der Meinungsfreiheit im Rahmen der politischen Meinungsbildung .6 Das heißt, dass bei den §§ 185 ff. StGB stets die Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG)7 mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG in einen angemessenen Ausgleich zu bringen ist.8 Zu bemerken ist ferner, dass es sich bei den Beleidigungsdelikten um Antragsdelikte handelt – d.h. die Staatsanwaltschaften können nur auf Antrag ein Ermittlungsverfahren einleiten. Ein eigenmächtiges Vorgehen der Staatsanwaltschaft aufgrund eines besonderen öffentlichen Interesses ist nicht vorgesehen .9 Außerdem kann eine Strafbarkeit wegen übler Nachrede gemäß § 186 StGB in Betracht kommen. Danach wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wenn diese Tatsache nicht erweislich wahr ist. Hierbei handelt es sich um Fälle der Tatsachenbehauptungen gegenüber Dritten . Wer schließlich wider besseres Wissen in Beziehung auf einen anderen eine unwahre Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder dessen Kredit zu gefährden geeignet ist, wird gemäß § 187 StGB wegen Verleumdung mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Grundsätzlich ist die Verwirklichung der Beleidigungsdelikte auch durch eine Kollektivbezeichnung möglich – d.h. es können auch mehrere Einzelpersonen als Angehörige einer Personenmehrheit unter einer Kollektivbezeichnung beleidigt werden.10 Dabei muss es sich jedoch um eine ausreichend konkrete Kollektivbezeichnung handeln, die eine nach äußeren Kennzeichen 5 Vgl. Lenckner, in Schönke/Schröder, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 27. Auflage, § 185 Rn. 1. 6 Vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 11.05.1976 – 1 BvR 671/70 – BverfGE 42, 152. 7 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG) vom 23. Mai 1949 (BGBl. S. 1), zuletzt geändert durch Art. 1 ÄndG (Art. 91b) vom 23. 12. 2014 (BGBl. I S. 2438). 8 Vgl. u.a. Valerius in: v. Heintschel-Heinegg, Beck’scher Online-Kommentar StGB, 29. Edition, Stand 01.12.2015, § 185 Rn. 31- https://beck-online.beck.de/?vpath=bibdata /komm/BeckOK_29_BandStGB/StGB/cont/BeckOK.StGB.p185.glC.glIII.gl4%2Ehtm – zuletzt abgerufen am 19.01.2016. 9 Vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 01. März 1955 – 5 StR 53/55 – BGHSt 7, 256-261. 10 Fischer, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 61. Auflage, Vor § 185 Rn. 9. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 007/16 Seite 7 abgegrenzte Mehrheit trifft.11 Es stellt sich jedoch die Frage, ob „die Journalisten“ eine ausreichend konkrete Kollektivbezeichnung darstellen kann, da (wie eingangs erwähnt) der Begriff des Journalisten nicht klar abgrenzbar ist. Zusammenfassend lässt sich bezüglich der Beleidigungsdelikte folgendes festhalten: Soweit es sich um ehrverletzende Äußerungen (Beschimpfungen) gegenüber einem Journalisten selbst handelt, kommt ausschließlich der Straftatbestand der Beleidigung gemäß § 185 StGB in Betracht. Die Straftatbestände der üblen Nachrede und Verleumdung (§§ 186, 187 StGB) erfassen hingegen beleidigende Äußerungen, die gegenüber Dritten (Wortlaut: „in Beziehung auf einen anderen “) getätigt werden. 2.3.2. Beleidigungen im Internet Gerade das Internet scheint ein ideales Betätigungsfeld für ehrverletzende Äußerungen zu sein – der Grund hierfür ist sicherlich darin zu sehen, dass es sich hier um ein leicht zugängliches Forum für Information und Kommunikation handelt und seine Nutzer in dem Glauben von Anonymität lässt.12 Strafrechtlich lassen sich jedoch keine Unterschiede zu persönlich begangenen Beleidigungen und Beschimpfungen qualifizieren. Es gilt das unter 2.3.1. Gesagte entsprechend. 2.4. Strafbarkeit von Drohungen und Bedrohungen Gemäß § 241 Abs. 1 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wer einen Menschen mit der Begehung eines gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten Verbrechens bedroht. Nach Abs. 2 der Vorschrift wird ebenso bestraft, wer wider besseres Wissen einem Menschen vortäuscht, dass die Verwirklichung eines gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten Verbrechens bevorstehe. Hierbei ist zu bemerken, dass die Vorschrift nur die Bedrohung mit einem ‚Verbrechen‘ erfasst – d.h. mit einer rechtswidrigen Tat, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht ist.13 Das bedeutet insofern , dass lediglich die Drohung mit Mord, Totschlag, Raub oder schwerer Körperverletzung (als Beispiele für Verbrechen) nach dieser Norm unter Strafe steht. Wird eine Drohung (beispielsweise mit einer einfachen Körperverletzung) jedoch begangen, um den Gegenüber zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zu bewegen, so ist der Tatbestand der Nötigung gemäß § 240 StGB erfüllt. Danach wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer einen anderen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Dro- 11 Fischer, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 61. Auflage, Vor § 185 Rn. 9. 12 So auch: Heckmann in: Heckmann, jurisPK-Internetrecht, 4. Aufage 2014, Kap. 8, Rn. 305 - http://www.juris .de/jportal/portal/t/j3u/page/jurisw.psml?doc.hl=1&doc.id=jpk-ITR4SR0012&documentnumber=3&numberofresults =7&doctyp=Kommentar&showdoccase=1&doc.part=D¶mfromHL=true#rd_305 – zuletzt abgerufen am 19.01.2016. 13 Legaldefinition in § 12 Abs. 1 StGB – das Strafgesetzbuch nimmt eine Unterscheidung der Straftatbestände zwischen Verbrechen und Vergehen vor. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 007/16 Seite 8 hung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt. Unter diesen Straftatbestand kann insofern das „Wegschubsen“ fallen – denn das abgenötigte Verhalten kann auch durch Gewalt (in Form von körperlicher Gewalt – überwältigende Gewalt, sog. vis absoluta) herbeigeführt werden. Eine weitere Form der Gewalt, die von der Nötigung nach § 240 StGB erfasst wird ist die sog. vis compulsiva – die beeinflussende willensbeugende Gewalt, die nicht mit körperlicher Kraftentfaltung verbunden sein muss.14 Wird schließlich öffentlich, im Rahmen einer Versammlung oder durch das Verbreiten von Schriften zu einer rechtswidrigen Tat aufgefordert erfolgt eine Strafbarkeit über § 111 Abs. 1 StGB. Die Strafandrohung richtet sich hier („wird wie ein Anstifter (§ 26) bestraft“15) nach derjenigen der Haupttat zu welcher aufgefordert werden soll. Selbst wenn die Aufforderung ohne Erfolgt bleibt, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe, wobei die Strafe nicht schwerer sein darf, als diejenige, die für den Fall angedroht wird, dass die Aufforderung Erfolg hat, § 111 Abs. 2 StGB. Auch hier soll wiederholt werden, dass es keine Differenzierung zwischen solchen Drohungen von Angesicht zu Angesicht oder im Internet gibt. 3. Wie viele Anzeigen und Verurteilungen hat es in den vergangenen fünf Jahren bundesweit gegeben (nach Jahren aufgeschlüsselt)? 3.1. Allgemeines Bezüglich genauer Zahlen der körperlichen oder verbalen Angriffe auf Journalisten muss konstatiert werden, dass es solche in streitbarer oder belastbarer Form bisher nicht gibt. Dies erklärt sich zum einen bereits daraus, dass die Bezeichnung der Berufsgruppe der Journalisten nicht klar abgrenzbar ist und zum anderen, dass – wie aufgezeigt – besondere Straftatbestände zum Schutz von Journalisten im Strafgesetzbuch nicht normiert sind. Auch scheint das Bedürfnis für eine statistische Erhebung von Angriffen auf Journalisten in den letzten Jahren nicht derart hoch gewesen zu sein wie im Moment, seitdem sich die Angriffe bei Demonstrationen mehren.16 14 Fischer, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 61. Auflage, § 240 Rn. 9. 15 Wortlaut des § 111 Abs. 1 StGB. 16 Aktuelle Meldungen des Deutschen Bundestags: Mehr Übergriffe auf Journalisten – Kultur und Medien/Ausschluss – 13.01.2016 - https://www.bundestag.de/presse/hib/201601/-/401722 - zuletzt abgerufen am 19.01.2016. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 007/16 Seite 9 Aufgrund der aktuellen Entwicklungen berichtete die ZDF-Korrespondentin Britta Hilpert Anfang des Jahres 2016 dem Kulturausschluss des Deutschen Bundestags von zunehmender Hetze und Gewalt auf Kundgebungen.17 3.2. Übergriffe der letzten Jahre Im Rahmen der hiesigen Nachforschungen ließen sich weder über das Statistische Bundesamt, noch das Bundesamt der Justiz oder die Polizeiliche Kriminalstatistik Daten zu Angriffen auf Journalisten finden. Aufgrund der mangelnden Datenerhebungen erstellte das Europäische Zentrum für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) eine Studie zwischen dem 16. November 2015 und 12. Dezember 2015 auf der Basis von Medienberichten sowie Opferbefragungen.18 Jedoch sei die Datenlage noch lückenhaft, da bisher keine gesonderte Erfassung von Angriffen auf Journalisten durch die Polizei erfolge. Fest stehe jedoch, dass sich ein massiver Anstieg im Vergleich zu den Vorjahren verzeichnen lasse, in denen nur vereinzelt Übergriffe auf Journalisten bekannt wurden. Der Studie zufolge seien im Jahre 2015 mindestens 29 Journalisten wegen ihrer angeblichen Zugehörigkeit zur „Lügenpresse“ körperlich attackiert worden,19 in 13 Fällen handele es sich um Sachbeschädigung und in sieben Fällen um gravierende verbale Bedrohungen.20 Laut der Studie sei innerhalb von eineinhalb Jahren eine Zunahme von Bedrohungen und Übergriffen gegen Journalisten zu verzeichnen, welche ab Sommer 2015 noch einmal erheblich zunähmen. Überdurchschnittlich häufig würden Kameramänner und Fotografen Opfer von körperlicher Gewalt – was sicherlich auch an der Tatsache liege, dass diese als Pressezugehörige leichter zu identifizieren seien. Noch bevor solche Übergriffe in Zusammenhang mit der „Lügenpresse“-Debatte öffentlich wurden , seien in der Region um Dortmund kritisch über die rechtsextreme Szene berichtende Lokal- Journalisten bedroht worden, indem sie Todesanzeigen mit ihren eigenen Namen zugeschickt bekamen .21 Bereits im Zusammenhang mit diesen Vorfällen äußerte sich Henrik Zörner vom Deutschen Journalistenverband (DJV) dahingehend, dass Drohungen gegen Journalisten eine neue 17 Anhörung im Bundestag – Gewalt gegen Journalisten eskaliert – Deutschlandfunk – 18.01.2016 - http://www.deutschlandfunk.de/anhoerung-im-bundestag-gewalt-gegen-journalisten-eskaliert .761.de.html?dram:article_id=342641 – zuletzt abgerufen am 19.01.2016. 18 Pegida: Studie listet Angriffe auf Journalisten auf – 15.12.2015 - http://www.freiepresse.de/NACHRICH- TEN/SACHSEN/Pegida-Studie-listet-Angriffe-gegen-Journalisten-auf-artikel9384346.php - zuletzt abgerufen am 19.01.2016. 19 Ebd. 20 Aktuelle Meldungen des Deutschen Bundestags: Mehr Übergriffe auf Journalisten – Kultur und Medien/Ausschluss – 13.01.2016 - https://www.bundestag.de/presse/hib/201601/-/401722 - zuletzt abgerufen am 15.01.2016. 21 Nazis bedrohen Journalisten – Todesgrüße aus Dortmund – taz vom 05.02.2015 - http://www.taz.de/!5021366/ - zuletzt abgerufen am 20.01.2016. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 007/16 Seite 10 Qualität erreicht hätten. Dies gelte auch bezüglich massiver Schmähungen und Beschimpfungen in den sozialen Medien.22 Grundsätzlich ist jedoch auch zu konstatieren, dass Übergriffe auf Journalisten aus der rechtsextremen Szene kein gänzlich neues Phänomen sind – so wurde Martin Wiese im Jahr 2013 vor dem Landgericht Würzburg wegen Volksverhetzung und Bedrohung zu einem Jahr und drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, weil er bei einer Kundgebung 2011 Journalisten das Todesurteil durch den „Volksgerichtshof“ angedroht hatte.23 Schließlich brachte eine aktuelle Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linken -Fraktion im Bundestag vom 24.11.2015 ebenfalls keine streitbaren Zahlen oder Ergebnisse, denn durch die Landeskriminalämter und die Verfassungsschutzbehörden werden die Berufe von Kriminalitätsopfern nicht statistisch erfasst.24 Es bestünden nach Aussage von Sachsens Innenminister Markus Ulbig schlichtweg nicht die Polizeiressourcen, die nicht nach Berufsbild kategorisierten Fälle händisch zu recherchieren.25 Der aktuellste Vorfall eines Übergriffs ereignete sich Presseberichten zufolge am Montag den 11.01.2016 bei einer Kundgebung aufgrund des ersten Geburtstages des Pediga-Ablegers Lediga in Leipzig – dort habe die MDR-Reporterin Ine Dippmann von einer Demonstrantin einen Schlag ins Gesicht bekommen.26 3.3. Ausblick Aufgrund des kontemporär steigenden Bedarfs an genauen Zahlen von Angriffen auf Journalisten hat das European Centre For Press & Media Freedom (ECPMF) einen Reporting Point eingerich- 22 Ebd. 23 Drohungen gegen Journalisten – Neonazi Martin Wiese zu Haftstrafe verurteilt – Süddeutsche.de vom 25.09.2013 - http://www.sueddeutsche.de/bayern/drohungen-gegen-journalisten-neonazi-martin-wiese-zu-haftstrafe -verurteilt-1.1780294 - zuletzt abgerufen am 20.01.2016. 24 Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage der Abgeordneten Martina Renner, Ulla Jelpke, Petra Pau, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE vom 24.11.2015. – Drucksache 18/6604 – http://dipbt.bundestag .de/dip21/btd/18/067/1806776.pdf - zuletzt abgerufen am 20.01.2016. 25 The Concept of the Enemy by Martin Hoffmann – European Centre for Press & Media Freedom – 15.12.2015 - http://ecpmf.eu/news/ecpmf/pegida - zuletzt abgerufen am 19.01.2016. 26 Gewalt bei Pegida – „Linksversifft, Lügenpresse, das volle Programm“ – tagesspiegel.de vom 12.01.2016 - http://www.tagesspiegel.de/medien/gewalt-bei-pegida-linksversifft-luegenpresse-das-volle-programm /12820420.html - zuletzt abgerufen am 20.01.2016. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 007/16 Seite 11 tet. Um also ein umfassendes Bild der aktuellen Entwicklung erstellen zu können, sind Journalisten , Medienmitarbeiter, Journalistenverbände und andere Beobachter von Übergriffen aufgefordert , jegliche Übergriffe dem ECPMF telefonisch, per Email oder postalisch zu melden.27 Außerdem richtete der Deutsche Journalistenverband (DJV) einen Blog mit dem Namen augenzeugen .info ein, auf welchem Augenzeugen ihre Erlebnisse schildern sollen.28 Im Ergebnis bleiben detaillierte Zahlen von Angriffen auf Journalisten abzuwarten. Ende der Bearbeitung 27 The Concept of the Enemy by Martin Hoffmann – European Centre for Press & Media Freedom – 15.12.2015 - http://ecpmf.eu/news/ecpmf/pegida - zuletzt abgerufen am 19.01.2016. 28 http://www.augenzeugen.info/.