© 2021 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 – 006/21 Die Gestaltung von Erbbauzinsvereinbarungen auf kommunalen Grundstücken Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 – 006/21 Seite 2 Die Gestaltung von Erbbauzinsvereinbarungen auf kommunalen Grundstücken Aktenzeichen: WD 7 - 3000 – 006/21 Abschluss der Arbeit: 29. Januar 2021 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 – 006/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Die Regelung der Erbbauzinshöhe nach geltendem Recht 5 2.1. Erbbaurechtlicher Rahmen 5 2.1.1. Reichweite der erbbaurechtlichen Vertragsfreiheit 5 2.1.2. Grenzen der fortwährenden Anpassung des Erbbauzinses über Wertsicherungsklauseln 6 2.2. Weitere rechtliche Vorgaben bei kommunaler Beteiligung 7 3. Rechtskonformität der Deckelung der Erbbauzinshöhe 8 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 – 006/21 Seite 4 1. Einleitung Das Erbbraurecht gemäß dem Erbbaurechtsgesetz (ErbbauRG)1 begründet das zeitlich begrenzte Recht, vom Grundstückseigentum losgelöstes Eigentum an hierauf errichteten Bauwerken zu begründen.2 Die Aufspaltung der herkömmlichen privatrechtlichen Einheit von Grundstück und sich hierauf befindlichen Gebäuden ermöglicht Bauherren die private oder kommerzielle Nutzung von Baugrundstücken, ohne diese erwerben zu müssen.3 Die zeitliche Begrenzung und die Möglichkeit der Einflussnahme auf Art und Umfang der baulichen Nutzung macht es nicht zuletzt auch für die Entwicklung von sich im gemeindlichen Eigentum befindlichen Grundstücken attraktiv. Für die Nutzungsmöglichkeit des Grundstücks vereinbaren der hierdurch bevorteilte Erbbauberechtigte und der Grundstückseigentümer häufig eine – rechtlich nicht zwingende – wirtschaftliche Gegenleistung.4 Geschieht dies in vorher festgelegten regelmäßigen Abständen, definiert das ErbbauRG dies als Erbbauzins.5 Die Höhe des regelmäßigen Erbbauzinses wird in der Praxis oft als Entgelt nach einem Prozentsatz des Verkehrswertes des belasteten Grundstücks bestimmt.6 Gleichzeitig ist ein Trend zur Verteuerung der Baulandpreise insbesondere in Ballungsräumen zu beobachten.7 In diesem Zusammenhang wurden die Wissenschaftlichen Dienste mit der Prüfung der Frage beauftragt, inwieweit bei kommunalen Grundstücken der Erbbauzins auf den Quadratmeter gerechnet der Höhe nach bundesgesetzlich begrenzt werden könnte („Deckelung“). Es wird darauf hingewiesen, dass die Wissenschaftlichen Dienste nach ihren Verfahrensgrundsätzen weder politische Konzeptionen erstellen noch sich mit Rechtsproblemen auseinandersetzen, 1 Erbbaurechtsgesetz in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 403-6, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 4 Absatz 7 des Gesetzes vom 1. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3719) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/erbbauv/ (letzter Abruf dieser und aller weiteren Internetquellen: 29. Januar 2021). 2 § 1 Abs. 1 ErbbauRG. 3 Der Grundsatz der sachenrechtlichen Einheit von Grundstück und Gebäude ergibt sich aus §§ 93, 94 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/. Vergleiche auch Graf Wolffskeel von Reichenberg, in: Beck’sches Notar-Handbuch, 7. Auflage 2019, § 4, Randnummer 4. 4 Maaß, in: Beck’scher Online-Kommentar BGB, 56. Edition (Stand: 1. November 2020), § 9 ErbbauRG, Randnummern 1 f. 5 Dieser Erbbauzins wird über Eintragung in das Erbbaugrundbuch dinglich gesichert (vergleiche insgesamt § 9 Abs. 1 Satz 1 ErbbauRG). Untechnisch wird oft aber auch bei einmaligen Gegenleistungen von einem „Erbbauzins “ gesprochen (Rapp, in: Staudinger, BGB – Kommentar, Neubearbeitung 2017, § 9 ErbbauRG, Randnummer 1). In der Folge wird unter dem Begriff des „Erbbauzinses“ nur der Erbbauzins nach dem ErbbauRG verstanden . 6 Winkler/Schlögel, in: Von Oefele/Winkler/Schlögel, Handbuch Erbbaurecht, 6. Auflage 2016, § 6, Randnummer 65; Ruge, in: Schreiber/Ruge, Handbuch Immobilienrecht, 4. Auflage 2020, Kapitel 10, Randnummer 59. 7 Vergleiche etwa „Bauland in Deutschland war 2019 so teuer wie nie“, Artikel von „Zeit-Online“ vom 16. September 2020, abrufbar unter: https://www.zeit.de/wirtschaft/2020-09/grundstueckspreise-bauland-wohnraumdeutschland -2019-bodenpreise-immobilien. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 – 006/21 Seite 5 deren Gegenstand kommunalpolitischer Art ist. Sie erteilen auch keine Rechtsberatung im Einzelfall . Vor diesem Hintergrund kann in Bezug auf die Fragestellung lediglich das bestehende Regelungsumfeld abstrakt dargestellt und eventuell entgegenstehendes Recht kursorisch skizziert werden. 2. Die Regelung der Erbbauzinshöhe nach geltendem Recht 2.1. Erbbaurechtlicher Rahmen 2.1.1. Reichweite der erbbaurechtlichen Vertragsfreiheit Die Art und Höhe des Erbbauzinses kann im Ausgangspunkt aus erbbaurechtlicher Sicht als Teil des Privatrechts innerhalb von dessen Grenzen (z.B. Sittenwidrigkeit) frei vereinbart werden – Grundsatz der Vertragsfreiheit.8 Hierbei unterliegt auch eine Gemeinde als juristische Person des öffentlichen Rechts grundsätzlich den gleichen erbbaurechtlichen Regelungen wie Personen oder Personengemeinschaften des Privatrechts.9 Soweit Körperschaften des öffentlichen Rechts Erbbaurechte in Verfolgung eines öffentlichen Zwecks an Private bestellen, hat die Rechtsprechung jedoch das aus dem Städtebaurecht stammende „Gebot der angemessenen Vertragsgestaltung“ aufgestellt.10 Es beruht dem Bundesgerichtshof (BGH) zufolge auf dem allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und bestimmt daher auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung das gesamte Handeln der öffentlich-rechtlichen Körperschaften im Rechtsverkehr mit Privaten.11 Das Gebot angemessener Vertragsgestaltung verlange, dass bei wirtschaftlicher Betrachtung des Gesamtvorgangs die Gegenleistung nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung und dem Wert der von der Behörde erbrachten oder zu erbringenden Leistung stehe und dass die vertragliche Übernahme von Pflichten auch ansonsten zu keiner unzumutbaren Belastung für den Vertragspartner der Behörde führe.12 Inwieweit dieses Rechtsprechungsgebot von vornherein eine Kopplung des Erbbauzinses an stark steigende Grundstückswerte in Ballungsräumen in der Praxis einschränkt, könnte jedoch nur anhand der Umstände des Einzelfalles beurteilt werden. 8 Heinemann, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, Band 8, § 9 ErbbauRG, Randnummer 1. 9 Vergleiche beispielsweise den vom Bundesgerichtshof (BGH) verwendeten privatrechtlichen Prüfungsmaßstab für eine gemeindliche Erbbauzinsvereinbarung: BGH, Urteil vom 22. Januar 2016 – V ZR 27/14 (zitiert nach juris ). Vergleiche näher zur Unterscheidung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts und des Privatrechts Groh, in: Creifelds, Rechtswörterbuch, 25. Auflage 2020, Stichwort „Juristische Person“. 10 BGH, Urteil vom 26. Juni 2015 – V ZR 144/14 –, Randnummern 15 ff. (zitiert nach juris). Das Gebot der angemessenen Vertragsgestaltung ist beim städtebaulichen Vertrag in § 11 Abs. 2 Satz 1 Baugesetzbuch (BauGB) geregelt , abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/bbaug/. 11 BGH (Fußnote 10), Randnummer 17 mit weiterem Rechtsprechungsnachweis. 12 Ebenda, Randnummer 19 mit weiterem Rechtsprechungsnachweis. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 – 006/21 Seite 6 2.1.2. Grenzen der fortwährenden Anpassung des Erbbauzinses über Wertsicherungsklauseln Von großer praktischer Bedeutung in Erbbaurechtsverträgen ist angesichts der regelmäßig langen Dauer des Erbbaurechts die Sicherung des Wertes eines einmal vereinbarten Erbbauzinses mittels Wertsicherungsklauseln.13 Gesetzliche Mindestvoraussetzung ist hierbei die Bestimmbarkeit des Erbbauzinses.14 Die Bestimmbarkeit setzt voraus, dass sich der Mindest- und der Höchstumfang der Belastung sowie Voraussetzung und Umfang der Anpassung aus der Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung und aus der davon gedeckten Wertsicherungsklausel erschließen lassen.15 Hiernach grundsätzlich anerkannte Klauselgestaltungen sind etwa:16 Gleitklauseln, bei denen die Änderung eines Referenzwertes automatisch eine Anpassung des Erbbauzinses bewirkt (z.B. Verbraucherpreisindex, Verkehrswert des Grundstücks); Spannungsklauseln, bei denen die in ein Verhältnis zueinander gesetzten Leistungen im Wesentlichen gleichartig oder wenigstens vergleichbar sind (z.B. Kopplung an erzielte Miet- oder Pachthöhe); Leistungsvorbehaltsklauseln, die hinsichtlich des Ausmaßes der Änderung des geschuldeten Betrages einen Ermessensspielraum lassen, der es ermöglicht, die neue Höhe der Geldschuld nach Billigkeitsgrundsätzen zu bestimmen. Dient das aufgrund eines Erbbaurechts errichtete Bauwerk Wohnzwecken, setzt § 9a Abs. 1 Erbbau RG der inhaltlichen Ausgestaltung von Wertsicherungsklauseln, insbesondere einer Kopplung an sich ändernde Grundstückswertverhältnisse jedoch enge Grenzen: „§ 9a (1) 1Dient das auf Grund eines Erbbaurechts errichtete Bauwerk Wohnzwecken, so begründet eine Vereinbarung, dass eine Änderung des Erbbauzinses verlangt werden kann, einen Anspruch auf Erhöhung des Erbbauzinses nur, soweit diese unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles nicht unbillig ist. 2Ein Erhöhungsanspruch ist regelmäßig als unbillig anzusehen, wenn und soweit die nach der vereinbarten Bemessungsgrundlage zu errechnende Erhöhung über die seit Vertragsabschluss eingetretene Änderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse hinausgeht . 3Änderungen der Grundstückswertverhältnisse bleiben außer den in Satz 4 genannten Fällen außer Betracht. 4Im Einzelfall kann bei Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere 13 Ruge, in: Schreiber/Ruge, Handbuch Immobilienrecht, 4. Auflage 2020, Kapitel 10, Randnummer 59. 14 § 9 Abs. 1 Satz 1 ErbbauRG in Verbindung mit § 1105 Abs. 1 Satz 2 BGB. 15 Kammergericht (KG) Berlin, Beschluss vom 13. Januar 2015 – 1 W 210 - 211/14 –, Randnummer 12 unter Bezugnahme auf BGH, Urteil vom 1. Juni 1990 – V ZR 84/89 –, Randnummer 11 (beide zitiert nach juris). 16 Ruge, in: Schreiber/Ruge, Handbuch Immobilienrecht, 4. Auflage 2020, Kapitel 10, Randnummer 59 mit weiteren Nachweisen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 – 006/21 Seite 7 1. einer Änderung des Grundstückswertes infolge eigener zulässigerweise bewirkter Aufwendungen des Grundstückseigentümers oder 2. der Vorteile, welche eine Änderung des Grundstückswertes oder die ihr zugrunde liegenden Umstände für den Erbbauberechtigten mit sich bringen, ein über diese Grenze hinausgehender Erhöhungsanspruch billig sein. 5Ein Anspruch auf Erhöhung des Erbbauzinses darf frühestens nach Ablauf von drei Jahren seit Vertragsabschluß und, wenn eine Erhöhung des Erbbauzinses bereits erfolgt ist, frühestens nach Ablauf von drei Jahren seit der jeweils letzten Erhöhung des Erbbauzinses geltend gemacht werden.“17 Gesetzgeberisches Motiv der stark eingeschränkten Kopplungsmöglichkeit des Erbbauzinses an Grundstückswertsteigerungen bei der Bestellung von Erbbaurechten zu Wohnzwecken ist die Vermeidung der Benachteiligung von Erbbauberechtigten. Denn diese profitieren in aller Regel nicht wie der Eigentümer vom stark steigenden Grundstückspreis.18 Ein Verstoß gegen § 9a Erbbau RG hat nach herrschender Meinung in der rechtswissenschaftlichen Literatur nicht die Nichtigkeit der Anpassungsklausel oder des übrigen Vertrages zur Folge, etwaige Überzahlungen sollen jedoch zurückgefordert werden können.19 Bei Gleitklauselvereinbarungen in Erbbaurechtsverträgen mit einer Laufzeit von unter dreißig Jahren können zudem zusätzlich die Anforderungen des Preisklauselgesetzes (PrKlG)20 zu beachten sein.21 2.2. Weitere rechtliche Vorgaben bei kommunaler Beteiligung Neben unmittelbaren erbbaurechtlichen Implikationen können durch die spezielle Rechtsstellung von Kommunen bei der Bestellung von Erbbaurechten unter Umständen zusätzliche rechtliche Grenzen bestehen. 17 § 9a Abs. 1 ErbbauRG [Hervorhebungen diesseits]. 18 Bericht und Antrag des Rechtsausschusses zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Verordnung über das Erbbaurecht vom 28. November 1973, BT-Drs. 7/1285, S. 3, abrufbar unter: http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/07/012/0701285.pdf. Diese Argumentation wurde in jüngerer Zeit auch in der Rechtsprechung wiederholt, vergleiche BGH, Urteil vom 11. Dezember 2009 – V ZR 110/09 –, Randnummern 14 f. (zitiert nach juris). 19 Heinemann, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, Band 8, § 9a ErbbauRG, Randnummer 4 mit weiteren Nachweisen. 20 Preisklauselgesetz vom 7. September 2007 (BGBl. I S. 2246, 2247), das zuletzt durch Artikel 8 Absatz 8 des Gesetzes vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2355) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet .de/prkg/. 21 § 1 in Verbindung mit § 4 PrKlG. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 – 006/21 Seite 8 Als juristische Person des öffentlichen Rechts unterliegen Gemeinden dem Haushaltsrecht.22 Dieses bestimmt sich maßgeblich nach den Landesverfassungen und sonstigem Landesrecht, etwa den Gemeindeordnungen.23 So ist beispielhaft in § 109 der Hessischen Gemeindeordnung (HGO)24 geregelt, dass die Nutzungsüberlassung von gemeindlichen Vermögensgegenständen grundsätzlich nur zu ihrem vollen Wert erfolgen kann, was im Zusammenhang mit Erbbaurechten die Bestellung zu marktüblichen Preisen bedeutet.25 Hierbei kann der Gemeindevorstand im Rahmen einer Einzelfallentscheidung allerdings Ausnahmen im öffentlichen Interesse vorsehen .26 Weiter ist umstritten, ob unter Umständen spezifische Regeln des Vergaberechts als Vergabe von Baukonzessionen27 bei der Bestellung eines Erbbaurechts durch öffentliche Träger relevant werden .28 3. Rechtskonformität der Deckelung der Erbbauzinshöhe Wie aus der bisherigen Darstellung ersichtlich, steht bereits das aktuell geltende Erbbaurecht der Vereinbarung eines „gedeckelten“ Erbbauzinsbetrages nicht entgegen. Dabei wird die Höhe des Erbbauzinses durch mehrere Rechtsinstitute reguliert; so unterbindet § 9a ErbbauRG weitgehend eine Kopplung des Erbbauzinses an sich ändernde Grundstückswertverhältnisse im Rahmen von Wertsicherungsklauseln bei Bauwerken die zu Wohnzwecken dienen. Wird das Erbbaurecht durch eine kommunale Gebietskörperschaft bestellt, können danebenstehende gesetzliche Regelungen als auch Vorgaben der Rechtsprechung der rechtskonformen Vertragsgestaltung weitere Grenzen setzen. Für etwaige einfachgesetzliche Änderungen des Erbbaurechts ist grundsätzlich festzuhalten, dass der Bund hierfür die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz besitzt. Denn diese Materie stellt ein Teilgebiet des Sachenrechts dar, das wiederum zum bürgerlichen Recht und somit nach 22 Weber, in: Creifelds, Rechtswörterbuch, 25. Auflage 2020, Stichwort „Haushaltsrecht“. 23 Ebenda. 24 Abrufbar unter: https://www.rv.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/jlr-GemOHE2005V17P40. 25 Zabel u.a., in: Hessische Gemeindeordnung (PdK He B-1), Stand: September 2014, § 109 HGO, Randnummer 8. 26 § 109 Abs. 3 HGO. 27 105 Abs. 1 Nr. 1 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), abrufbar unter: https://www.gesetze-iminternet .de/gwb/. 28 Aktueller Überblick zum Streitstand bei Mainka, Die Baukonzession und das Erbbaurecht – Problem oder Lösung ?, Zeitschrift für das gesamte Vergaberecht (VergabeR) 2020, S. 133. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 – 006/21 Seite 9 Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 1 Grundgesetz (GG)29 zum Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung gehört.30 In Bezug auf den Vorrang des Gesetzes ist jede Änderung des einfachen Bundesrechts an höherrangigem Verfassungsrecht zu messen.31 Hierbei genießt das Recht der Europäischen Union (EU) absoluten Vorrang vor nationalem Recht einschließlich Verfassungsrecht und entfaltet darüber hinaus eine Sperrwirkung gegenüber widersprechendem nationalem Recht.32 Zum Schutz des Wettbewerbes im Binnenmarkt enthalten die EU-Verträge unter anderem ein grundsätzliches Verbot staatlicher Beihilfen bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige.33 Sofern nicht marktübliche Erbbauzinsen zur Privilegierung bestimmter Personengruppen oder Nutzungszwecke unter Beteiligung öffentlicher Träger vereinbart werden, kann dies in Konflikt mit dem EU-Beihilferecht geraten.34 Bei einer Kumulierung von Preisnachlässen (z.B. reduzierte Erbbauzinsen oder Bodenrichtwerte) und Förderung (z.B. soziale Wohnraumförderung) kann es etwa zu einer Überkompensation kommen.35 Das Überkompensationsverbot besagt, dass der Ausgleich nicht über das hinausgehen darf, was erforderlich ist, um die Kosten der Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung unter Berücksichtigung der dabei erzielten Einnahmen und eines angemessenen Gewinns ganz oder teilweise zu decken.36 Aufgrund der benannten Sperrwirkung könnte dies auch bei einer entsprechenden Gesetzesänderung im Blick zu behalten sein. Inwieweit eine entsprechende Änderung des Bundesrechts tatsächlich gegen EU-Beihilferecht oder sonstiges höherrangiges Recht verstieße, hinge allerdings von der Konzeption der Änderungen im Einzelfall ab, zu der die Wissenschaftlichen Dienste keinen Beitrag leisten können. * * * 29 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100- 1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 u. 2 Satz 2 des Gesetzes vom 29. September 2020 (BGBl. I S. 2048) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/gg/. 30 Vergleiche Fuchs, in: Creifelds, Rechtswörterbuch, 25. Auflage 2020, Stichwort „Sachenrecht“ und Seiler, in: Beck’scher Online-Kommentar zum Grundgesetz, 45. Edition (Stand: 15. November 2020), Art. 74 GG, Randnummer 3.1 mit Rechtsprechungsnachweis. 31 Weber, in: Creifelds, Rechtswörterbuch, 25. Auflage 2020, Stichwort „Vorrang des Gesetzes“. 32 Streinz, in: Streinz, EUV/AEUV, 3. Auflage 2018, Art. 4 EUV, Randnummern 35, 39. 33 Vergleiche Art. 107 ff. Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=celex%3A12012E%2FTXT. 34 Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI); Erbbaurechte – ein Beitrag zur Bereitstellung von Wohnbauland für den bezahlbaren Wohnungsbau? – Ergebnisdokumentation zum ExWoSt-Projekt Fachdialog Erbbaurecht, November 2019, S. 42, abrufbar unter: https://www.die-wohnraumoffensive.de/fileadmin/user_upload /aktivitaeten/veroeffentlichungen/B%C3%BCndnis_Fachdialog_Erbbaurecht.pdf. Weitere Informationen bei Thiel, Zum Erfordernis einer „aktiven“ gemeindlichen Liegenschaftspolitik aus vergabe- und beihilfenrechtlicher Sicht, Zeitschrift für deutsches und internationales Bau- und Vergaberecht (ZfBR) 2017, S. 561. 35 BMI (Fußnote 34), S. 42. 36 Ebenda.