© 2017 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 006/17 Zwangsheirat und Minderjährigenehen in Deutschland Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 006/17 Seite 2 Zwangsheirat und Minderjährigenehen in Deutschland Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 006/17 Abschluss der Arbeit: 26. Januar 2017 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 006/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Rechtslage in Deutschland zu Zwangsheirat 5 2.1. Rechtstatsächliche Erhebungen zur Zwangsheirat 5 2.2. Der Ehebegriff i.S.d. Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz 7 2.3. Der Straftatbestand der Zwangsheirat 7 2.3.1. Die Nötigung zur Zwangsheirat, § 237 Abs. 1 StGB 7 2.3.2. Verschleppung zur Zwangsheirat, § 237 Abs. 2 StGB 8 2.3.3. Vorsatz und Strafbarkeit des Versuchs 9 2.4. Verhinderung von Zwangsheirat über die Einschränkung des Ehegattennachzugs 9 3. Rechtslage in Deutschland zu Ehen Minderjähriger 10 3.1. Das materielle Eherecht nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch 10 3.2. Beurteilung im Ausland geschlossener Ehen 10 3.2.1. Allgemeine Regeln zur Beurteilung von im Ausland geschlossener Ehen 10 3.2.2. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Bamberg 12 3.3. Eheschließungen von Flüchtlingen nach Aufnahme in Deutschland 13 4. Reformbestrebungen in Deutschland 15 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 006/17 Seite 4 1. Einleitung In der folgenden Ausarbeitung geht es um die Frage, wie Zwangsheirat und Kinderehen rechtlich geregelt sind. Die Phänomene der Zwangsheirat und Kinderehen sind in Deutschland in den letzten Jahren zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt.1 Besonders dort, wo patriarchalisch geprägte Familienstrukturen herrschen2, ist nach wie vor zu beobachten, dass Väter für ihre Töchter die Ehemänner aussuchen und dabei sehr junge Mädchen bereits im Kindesalter verheiratet werden, teilweise mit einem sehr viel älteren Ehemann.3 Mit dem Zuzug von Flüchtlingen treten daher das Problem der Zwangsheirat und der Kinderehen in Deutschland vermehrt auf.4 Vor diesem Hintergrund ist auch die Prägung des deutschen Rechts durch internationale Übereinkommen sowie die Anwendbarkeit der unterschiedlichen Rechtsquellen von entscheidender Bedeutung. Eine tragende Rolle spielen hierbei das Internationale Privatrecht sowie die Abkommen der Vereinten Nationen. Ein wesentlicher Reibungspunkt innerhalb dieser Konstellation ist die Beurteilung der Ehemündigkeit, mithin die Frage, ab welchem Alter eine Ehe geschlossen werden kann. Als Teilnehmerstaat unterliegt Deutschland dem VN-Übereinkommen über die Erklärung des Ehewillens.5 Nach dessen Art. 2 müssen die Vertragsstaaten im Wege der Gesetzgebung ein Heiratsmindestalter bestimmen. Zwar legt das Übereinkommen selbst keine konkrete Altersgrenze fest, jedoch spricht sich der Europarat für ein gesetzlich normiertes Ehemündigkeitsalter ohne Ausnahme von 18 Jahren aus.6 Diese Altersgrenze sieht auch der deutsche Gesetzgeber vor, wobei jedoch – wie in den meisten europäischen Staaten – eine Befreiungsmöglichkeit von dem erforderlichen Mindestalter vorgesehen ist.7 1 Vgl. dazu auch den Gesetzentwurf der Bundesregierung aus der vorangegangen Wahlperiode vom 13. Januar 2011, Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Zwangsheirat und zum besseren Schutz der Opfer von Zwangsheirat sowie zur Änderung weiterer aufenthalts und asylrechtlicher Vorschriften, BT-Drs. 17/4401, S. 1. 2 Valerius, in: Beck’scher Online Kommentar StGB, hrsg. Von Heintschel-Heinegg, 32. Edition, Stand: 1. September 2016, § 237 Rn. 1, 1.1. 3 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 13. Januar 2011, BT-Drs. 17/4401, S. 7. 4 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 13. Januar 2011, BT-Drs. 17/4401, S. 1; Andrae, Flüchtlinge und Kinderehen , Neue Zeitschrift für Familienrecht (NZF) 2016, 923.; vgl. zu den Hintergründen und Ursachen von Zwangsverheiratungen auch: Karayel, Zwangsverheiratung in Deutschland: Ursachen – Hintergründe – Schutzmöglichkeiten , Das Jugendamt (JAmt) 2016, 297 ff. 5 VN-Übereinkommen über die Erklärung des Ehewillens, das Heiratsmindestalter und die Registrierung von Eheschließungen vom 10. Dezember 1962, BGBl. II 1969, S. 161 ff. 6 Parlamentarische Versammlung des Europarats, Resolution 1468 (2005) vom 5. Oktober 2005, Forced marriages and child marriages, abrufbar unter: http://assembly .coe.int/nw/xml/XRef/XrefXML2HTMLen.asp?fileid=17380&lang=en [letzter Abruf: 23. Januar 2017]. 7 Andrae, Flüchtlinge und Kinderehen, Neue Zeitschrift für Familienrecht (NZF) 2016, 923. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 006/17 Seite 5 2. Rechtslage in Deutschland zu Zwangsheirat 2.1. Rechtstatsächliche Erhebungen zur Zwangsheirat Der Gesetzgeber hat bereits 2011 mit dem „Gesetz zur Bekämpfung der Zwangsheirat und zum besseren Schutz der Opfer von Zwangsheirat sowie zur Änderung weiterer aufenthalts- und asylrechtlicher Vorschriften“ einen eigenständigen Straftatbestand, den § 237 Strafgesetzbuch (StGB)8, aufgenommen9, in dem die Zwangsheirat unter Strafe gestellt ist. Eine Statistik vom Bundeskriminalamt gibt Auskunft über die polizeilich erfassten Fälle von Zwangsheirat in Deutschland für den Zeitraum von 2012 bis 2015.10 8 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch Artikel 2 Absatz 4 des Gesetzes vom 22. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3150); abrufbar unter: http://www.gesetze -im-internet.de/stgb/BJNR001270871.html [letzter Abruf: 20. Januar 2017]. 9 Durch Art. 4 Nr. 2 des Gesetzes, BGBl. I 2011, S. 1266, 1268 f. 10 Die folgende Statistik über „Polizeilich erfasste Fälle von Zwangsheirat in Deutschland von 2012 bis 2015“ stammt vom Bundeskriminalamt, Statista 2016 und ist abrufbar unter: https://de.statista.com/statistik/daten /studie/309403/umfrage/polizeilich-erfasste-faelle-von-zwangsheirat-in-deutschland/ [letzter Abruf: 25. Januar 2017]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 006/17 Seite 6 Dass Fälle von Zwangsheirat polizeilich erfasst werden, bedeutet noch nicht, dass es in diesen Fällen zu einer strafrechtlichen Verurteilung gekommen ist, sondern nur, dass die Polizei jeweils aufgrund eines Anfangsverdachts tätig geworden ist. Die Bundesregierung geht in ihrer Antwort vom 1. März 2016 auf eine Kleine Anfrage davon aus, dass mit einer hohen Dunkelziffer zu rechnen ist.11 In diesem Zusammenhang verweist die Bundesregierung auf eine Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMSFJ) zur Thematik „Zwangsverheiratung in Deutschland – Anzahl und Analyse von Beratungsfällen“12 und auf verschiedene Studien in den Bundesländern13. Statistiken über Verurteilte nach dem neuen § 237 StGB gibt es bisher kaum, da die Vorschrift erst eingeführt wurde und, worauf auch die Bundesregierung in ihrer Antwort verweist, die Kriminalstatistiken erst nach rechtskräftigem Abschluss die Aburteilungen (Verurteilungen und Freisprüche) erfassen. Gemäß der Antwort der Bundesregierung kam es 2012 zu einer Aburteilung , die auch zu einer Verurteilung führte, und 2013 zu zwei Aburteilungen, allerdings nur zu einer Verurteilung und einem Freispruch ohne Maßregeln. Die 2012 und 2013 erfassten Fälle betrafen § 237 Abs. 1 StGB, also die Nötigung zur Zwangsheirat, und nicht den Tatbestand des § 237 Abs. 2 StGB, die Verschleppung zur Zwangsheirat.14 Die Studie des BMSFJ beruht auf einer Befragung von Expertinnen und Experten in Beratungsund Schutzeinrichtungen in ganz Deutschland. Es wurden 2008 in 830 Beratungsstellen insgesamt 3443 von Zwangsheirat Betroffene erfasst. Dabei ging es bei 60 % der Betroffenen um angedrohte und bei 40 % um bereits vollzogene Zwangsverheiratungen. In dem Bericht heißt es, in den erfassten Fällen seien auch in einem bestimmten Umfang Mehrfachzählungen enthalten.15 11 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulle Schauws, Volker Beck (Köln), Dr. Franziska Brantner, weiterer Abgeordneter und der Franktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/7516 – , BT-Drs. 18/7749, S. 3. 12 Die Kurzfassung der Studie ist abrufbar unter: https://www.bmfsfj.de/blob/95584/d76e9536b0485a8715a5910047066b5d/zwangsverheiratung-in-deutschlandanzahl -und-analyse-von-beratungsfaellen-data.pdf [letzter Abruf: 23. Januar 2017]. 13 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulle Schauws, Volker Beck (Köln), Dr. Franziska Brantner, weiterer Abgeordneter und der Franktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/7516 – , BT-Drs. 18/7749, S. 3. 14 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulle Schauws, Volker Beck (Köln), Dr. Franziska Brantner, weiterer Abgeordneter und der Franktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/7516 – , BT-Drs. 18/7749, S. 4 f. 15 BMFSFJ, Kurzfassung der Studie, S. 7. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 006/17 Seite 7 2.2. Der Ehebegriff i.S.d. Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz Nach Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz (GG)16 stehen Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist ein wesentliches Element des Ehebegriffs i.S.d. Art. 6 Abs. 1 GG, dass die Eheschließung auf einem freien und übereinstimmenden Entschluss von Frau und Mann beruht, also in einem freien Konsens auf der Basis gleichberechtigter Entscheidungsteilhabe eingegangen wird.17 2.3. Der Straftatbestand der Zwangsheirat Wie bereits angemerkt, hat der Gesetzgeber 2011 einen neuen Straftatbestand zur Verhinderung von Zwangsheirat eingeführt. Die Regelung lautet wie folgt: „§ 237 Zwangsheirat (1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der Ehe nötigt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist. (2) Ebenso wird bestraft, wer zur Begehung einer Tat nach Absatz 1 den Menschen durch Gewalt, Drohung mit einem empfindlichen Übel oder durch List in ein Gebiet außerhalb des räumlichen Geltungsbereiches dieses Gesetzes verbringt oder veranlasst, sich dorthin zu begeben, oder davon abhält, von dort zurückzukehren. (3) Der Versuch ist strafbar. (4) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.“ § 237 StGB erfasst zwei Tatmodalitäten: In § 237 Abs. 1 StGB wird die Nötigung zur Zwangsheirat unter Strafe gestellt und in § 237 Abs. 2 StGB die Verschleppung zur Zwangsheirat. 2.3.1. Die Nötigung zur Zwangsheirat, § 237 Abs. 1 StGB Die Nötigung zur Zwangsheirat, § 237 Abs. 1 StGB, ist dem Tatbestand der Nötigung nachgebildet . Tatmittel sind Gewalt und die Drohung mit einem empfindlichen Übel. Durch diese Nötigungsmittel muss der zukünftige Ehegatte zur Eheschließung veranlasst werden. Eine arrangierte 16 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100- 1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 23. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2438), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/gg/BJNR000010949.html [letzter Abruf: 23. Januar 2017]. 17 BVerfG, Beschluss vom 7. Oktober 1970 - 1. Senat - 1 BvR 409/67, BVerfGE 29, 166 (176) = Juris Rn. 32; BVerfG, Beschluss vom 14. November 1973 - 1 BvR 719/69, BVerfGE 36, 146 (161) = Juris, Rn. 52; Beschluss des BVerfG vom 30. November 1982 - 1 BvR 818/81, BVerfGE 62, 323 (331) = Juris, Rn. 29. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 006/17 Seite 8 Ehe ist dabei noch keine Nötigung. Entscheidend ist vielmehr, ob die Eheschließenden sich frei für ihren Ehepartner und die Ehe entschließen konnten, und zwar trotz des Arrangements. Bei § 237 Abs. 1 StGB ist der objektive Tatbestand nur dann erfüllt, wenn es auch tatsächlich zur Eheschließung kommt; § 237 Abs. 1 StGB ist also ein Erfolgsdelikt18 Der objektive Tatbestand ist dabei aber immer bereits gegeben, wenn einer der Ehegatten zur Eheschließung genötigt worden ist. Ebenfalls ist eine Strafbarkeit gegeben, wenn der genötigte Ehepartner zwar grundsätzlich zur Eheschließung bereit war, aber die Ehe nicht zu diesem Zeitpunkt geschlossen hätte.19 Umstritten ist, inwieweit die Regelung des § 237 Abs. 1 StGB auch religiöse Eheschließungen, z.B. „Imam-Ehen“, erfasst. Sofern einer religiösen Eheschließung die rechtliche Verbindlichkeit fehlt, wird teilweise die Anwendung des § 237 Abs. 1 StGB abgelehnt.20 Im Hinblick darauf, dass den religiösen Eheschließungen häufig sogar eine höhere Bedeutung beigemessen wird als der staatlichen Eheschließung, wird teilweise die Anwendung des § 237 Abs. 1 StGB bejaht. Denn die Angehörigen könnten sich gerade deshalb veranlasst sehen, den/die Ehegatten zur Schließung der religiösen Ehe zu nötigen, so dass Sinn und Zweck des § 237 Abs. 1 StGB der Anwendung auf religiöse Eheschließungen nicht entgegenstehe.21 Zur Klärung der Rechtslage werden bereits Reformvorschläge gemacht, damit die Vorschrift neben der staatlich geschlossenen Ehe auch religiös geschlossene Ehen erfasst.22 Es ist nicht erforderlich, dass ein Dritter die Nötigungsmittel einsetzt, der Nötigende kann auch der Ehepartner sein. Häufig wird der Nötigende aus dem engeren Umfeld des Genötigten stammen , etwa aus der Familie. Nötigungsopfer sind in der Regel Frauen, die häufig sehr jung oder sogar noch minderjährig sind.23 2.3.2. Verschleppung zur Zwangsheirat, § 237 Abs. 2 StGB Ziel des § 237 Abs. 2 StGB soll vor allem sein, Mädchen und junge Frauen, die in Deutschland aufgewachsen sind, davor zu bewahren, dass sie unter einem Vorwand in die Herkunftsländer 18 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 13. Januar 2011, BT-Drs. 17/4401, S. 12; Valerius, in: Beck'scher Online Kommentar StGB, § 237 Rn. 6. 19 Vgl. Valerius, in: Beck'scher Online Kommentar, § 237 Rn. 6. 20 So etwa: Haas, Der neue Straftatbestand der Zwangsheirat (§ 237 StGB) – eine kriminalpolitische Bewertung, Juristenzeitung (JZ) 2013, 72, (78 f.); Kaiser, Zwangsheirat, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht (FamRZ) 2013, 77(86); Sotiriades, Die Strafbarkeit der Zwangsheirat nach § 237 StGB: Ein Beitrag zum besseren Schutz von Frauenrechten? Zeitschrift für Neue Kriminalpolitik (NK) 2015, 62 (69 f.). 21 Valerius, in: Beck'scher Online Kommentar, § 237 Rn. 6.1; Valerius, Gedanken zum Straftatbestand der Zwangsheirat (§ 237 StGB), Juristische Rundschau (JR) 2011, 430 (432). 22 Dazu vgl. Valerius, in: Beck'scher Online Kommentar, § 237 Rn. 6.2. 23 Dazu Valerius, in: Beck'scher Online Kommentar, § 237 Rn. 7 unter Berufung auf den Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 13. Januar 2011 BT-Drs. 17/4401, S. 8. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 006/17 Seite 9 ihrer Familien gebracht werden, um dort zur Eheschließung gezwungen zu werden.24 Damit erfasst der § 237 Abs. 2 StGB bestimmte Vorbereitungshandlungen zur Zwangsheirat, wobei die Verbringung ins Ausland auch tatsächlich erfolgen muss, damit der Tatbestand des § 237 Abs. 1 StGB erfüllt ist. Nicht erforderlich ist, dass es dort zur Eheschließung kommt.25 Tathandlungen sind das Verbringen, das Veranlassen, sich in das Ausland zu begeben, und das Abhalten von der Rückkehr in das Inland. Alle Tathandlungen können durch Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel, aber auch durch List durchgeführt werden.26 Daran wird deutlich, dass § 237 Abs. 2 StGB dem Straftatbestand der Verschleppung, § 234a StGB, nachgebildet ist.27 2.3.3. Vorsatz und Strafbarkeit des Versuchs Die Strafbarkeit setzt einen bedingten Vorsatz voraus. Der Versuch ist sowohl bei dem Tatbestand der Zwangsheirat als auch bei der Verschleppung zur Zwangsheirat strafbar. 2.4. Verhinderung von Zwangsheirat über die Einschränkung des Ehegattennachzugs Um Zwangsheirat, insbesondere bei Minderjährigen, zu verhindern, hat der Gesetzgeber zudem in § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz – AufenthG)28 festgelegt, dass dem Ehegatten eines Ausländers eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen ist, wenn beide Ehegatten das 18. Lebensjahr vollendet haben. Der Gesetzgeber betonte in der Gesetzesbegründung, dass das Mindestalter für den Ehegattennachzug zwar nicht absolut verhindern könne, dass es zu Zwangsverheiratungen von Minderjährigen komme. Die Regelung trage jedoch wesentlich zum Schutz vor Zwangsheirat bei. Der Gesetzgeber sei auch durch Art. 6 Abs. 1 GG verpflichtet, entsprechende Vorkehrungen gegen Zwangsverheiratungen zu treffen, denn diese verstießen gegen die Eheschließungsfreiheit , gegen Menschenwürde, gegen die sexuelle Selbstbestimmung sowie die persönliche Freiheit und das Recht auf körperliche Unversehrtheit.29 Um Härtefälle auszuschließen, hat der Gesetzgeber in § 30 Abs. 2 Satz 1 AufenthG eine Ausnahme vom Mindestalter für den Ehegattennachzug vorgesehen. 24 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 13. Januar 2011, BT-Drs. 17/4401, S. 8 und 13; Gesetzentwurf des Bundesrates vom 24. März 2010, BT-Dr. 17/1213, S. 7; Valerius, in: Beck'scher Online Kommentar, § 237 Rn. 8.1. 25 Eisele, in: Schönke-Schröder, Strafgesetzbuch, 29. Auflage 2014, § 237 Rn. 20; Valerius, in: Beck'scher Online Kommentar, § 237 Rn. 8. 26 Eisele, in: Schönke-Schröder, § 237 Rn. 21; Valerius, in: Beck'scher Online Kommentar, § 237 Rn. 9. 27 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 13. Januar 2011, BT-Drs. 17/4401, S. 12. 28 Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 22. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3155), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet .de/aufenthg_2004/BJNR195010004.html [letzter Abruf: 23. Januar 2017]. 29 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 23. April 2007, BT-Drs. 16/5065, S. 172. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 006/17 Seite 10 3. Rechtslage in Deutschland zu Ehen Minderjähriger 3.1. Das materielle Eherecht nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch Gemäß § 1303 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) soll eine Ehe nicht vor Eintritt der Volljährigkeit , also nicht vor Vollendung des 18. Lebensjahres (§ 2 BGB), eingegangen werden. Die Vorschrift zur Ehemündigkeit lautet wie folgt: „§ 1303 Ehemündigkeit (1) Eine Ehe soll nicht vor Eintritt der Volljährigkeit eingegangen werden. (2) Das Familiengericht kann auf Antrag von dieser Vorschrift Befreiung erteilen, wenn der Antragsteller das 16. Lebensjahr vollendet hat und sein künftiger Ehegatte volljährig ist. (3) Widerspricht der gesetzliche Vertreter des Antragstellers oder ein sonstiger Inhaber der Personensorge dem Antrag, so darf das Familiengericht die Befreiung nur erteilen, wenn der Widerspruch nicht auf triftigen Gründen beruht. (4) Erteilt das Familiengericht die Befreiung nach Absatz 2, so bedarf der Antragsteller zur Eingehung der Ehe nicht mehr der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters oder eines sonstigen Inhabers der Personensorge.“ Das Familiengericht kann also von dem Heiratsmindestalter von 18 Jahren eine Befreiung erteilen , wenn der Antragsteller mindestens 16 Jahre alt ist und sein Ehegatte volljährig ist. Wird eine Ehe gegen die Regelung des § 1303 BGB geschlossen, so ist sie nicht etwa nichtig, sondern gemäß § 1314 Abs. 1 BGB nur durch eine gerichtliche Entscheidung aufhebbar. Eine Aufhebung der Ehe ist nach § 1315 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB ausgeschlossen, wenn die Voraussetzungen des § 1303 Abs. 2 BGB bei der Eheschließung vorlagen und das Familiengericht, solange der Ehegatte nicht volljährig ist, die Eheschließung genehmigt oder wenn der Ehegatte, nachdem er volljährig geworden ist, zu erkennen gegeben hat, dass er die Ehe fortsetzen will (Bestätigung). 3.2. Beurteilung im Ausland geschlossener Ehen Fraglich ist, wie eine Ehe zu beurteilen ist, die im Ausland unter Beteiligung eines Minderjährigen geschlossen worden ist. 3.2.1. Allgemeine Regeln zur Beurteilung von im Ausland geschlossener Ehen Grundsätzlich durchläuft eine im Ausland geschlossene Ehe in Deutschland kein förmliches Verfahren , um als Ehe anerkannt zu werden. Die Ehe wird nur dann auf ihre Wirksamkeit überprüft, wenn entweder nachträglich eine Beurkundung der Ehe erfolgen soll oder wenn eine andere staatliche Stelle inzidenter (z.B. im Unterhaltsrecht) beurteilen muss, ob eine Ehe besteht oder Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 006/17 Seite 11 nicht. Für die Beurteilung dieser Frage sind nicht die §§ 1303 ff. BGB maßgeblich, sondern gemäß Art. 13 Abs. 1 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB)30 unterliegen die Voraussetzungen der Eheschließung für jeden Verlobten dem Recht des Staates, dem er angehört. Dies bedeutet zum Beispiel, dass die Ehe eines Flüchtlingspaares aus Syrien, das seine Ehe noch im Heimatland geschlossen hat, nach syrischem Recht zu beurteilen ist. Allerdings gilt für die innerstaatliche Anerkennung einer Ehegemeinschaft zwischen Flüchtlingen auch die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK),31 die ebenfalls regelt, nach welchem Rechtsstatut eine Eheschließung zu beurteilen ist. Maßgebend ist nach Art. 12 Abs. 2 GFK das Recht desjenigen Landes, in dem sich zur Zeit der Eheschließung der Wohnsitz befindet, mangels eines solchen das Recht seines Aufenthaltslandes. Dass das Ehestatut sich nach dem Heimatland der Verlobten richtet, kann in Konflikt zu der deutschen Regelung kommen, wonach Kinderehen mit den Ehemündigkeitsregelungen des deutschen Rechts nicht zu vereinbaren sind. Deshalb wird geprüft, ob die Anerkennung der Ehe und die damit einhergehende Anwendung der jeweiligen ausländischen Rechtsnorm gegen Art. 6 EG- BGB und die darin geregelte „öffentliche Ordnung“ („ordre public“) verstoßen. Die Figur des „ordre public“ fungiert als Korrektiv und dient der Durchsetzung inländischer Gerechtigkeitsvorstellungen .32 Die Vorschrift lautet: „Eine Rechtsnorm eines anderen Staates ist nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Sie ist insbesondere nicht anzuwenden, wenn die Anwendung mit den Grundrechten unvereinbar ist.“ Hinsichtlich der in § 1303 Abs. 2 BGB gezogenen Altersgrenze von 16 Jahren soll nicht jede Unterschreitung einen Verstoß gegen den (deutschen) „ordre public“ darstellen.33 Aus Gründen des Kindeswohls und zum Schutz der verfassungsrechtlich garantierten sexuellen Selbstbestimmung wird die im deutschen Sexualstrafrecht gezogene Grenze von 14 Jahren (vgl. § 176 Abs. 1 StGB34) 30 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. September 1994 (BGBl. I S. 2494; 1997 I S. 1061), zuletzt geändert durch Artikel 55 des Gesetzes vom 8. Juli 2016 (BGBl. I S. 1594), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/bgbeg/BJNR006049896.html [letzter Abruf: 24. Januar 2017]. 31 Genfer Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (BGBl. 1953 II, 560). 32 Heinrich/Dörner in: Schulze (Schriftleitung), Bürgerliches Gesetzbuch Handkommentar, 9. Auflage 2017, Art. 6 Rn. 1. 33 Einen ordre public-Verstoß verneinend KG, Urteil vom 7. Juni 1989 - 18 U 2625/88 -, FamRZ 1990, 45 f.; bejahend aber AG Offenbach, Urteil vom 30. Oktober 2009 - 314 F 1132/09 -, FamRZ 2010, 1561. 34 Wer sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft, § 176 Abs. 1 StGB. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 006/17 Seite 12 als unverzichtbarer Mindeststandard herangezogen.35 In der Rechtsprechung ist eine Ehemündigkeit mit neun oder zehn Jahren daher für eindeutig ordre public-widrig befunden worden.36 Gegenteilige Entscheidungen sind für Sachverhalte ergangen, in denen ein Ehepartner das 14. Lebensjahr vollendet hat. Mit Vollendung des 15. Lebensjahres soll eine unter Würdigung aller Umstände stattfindende Einzelfallabwägung für die Vereinbarkeit mit Art. 6 EGBGB maßgebend sein.37 Wird eine ausländische Vorschrift zur Vermeidung eines „ordre-public“-Verstoßes nicht angewendet , ist hinsichtlich der daraus resultierenden Folgen grundsätzlich eine Lösung im fremden Recht zu suchen. Grund hierfür ist, dass das ausländische Recht so wenig wie möglich ausgeschaltet werden soll.38 Maßgebend ist somit, welche Rechtsfolgen die jeweilige ausländische Rechtsordnung für das Fehlen der Ehemündigkeit vorsieht. 3.2.2. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Bamberg Mit der eben beschriebenen Problematik, inwieweit Ehen von minderjährigen Flüchtlingen in Deutschland anerkannt werden, hat sich jüngst auch das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg39 auseinandersetzen müssen. Dem Beschluss des OLG Bamberg hat folgender Sachverhalt zugrunde gelegen: Ein zum Entscheidungszeitpunkt 15 Jahre altes syrisches Mädchen hatte bereits mit 14 Jahren in Syrien ihren sieben Jahre älteren Cousin unter Beachtung von syrischem Recht geheiratet und war mit diesem gemeinsam nach Deutschland geflohen. Nachdem das Paar zunächst einige Zeit zusammen lebte, bestellte das zuständige Familiengericht als Vormund für das Mädchen das Stadtjugendamt, welches die Unterbringung in einem Heim für unbegleitete minderjährige weibliche Flüchtlinge anordnete. Das Familiengericht verfügte später durch Beschluss, dass das Paar jeden Freitag- bis Sonntagabend miteinander unbegleiteten Umgang haben dürfe. Hiergegen legte das Jugendamt Beschwerde ein, da es sich in seinem Aufenthaltsbestimmungsrecht beeinträchtigt sah. Die Beschwerde wurde vom OLG Bamberg zurückgewiesen, da es sowohl von der Wirksamkeit der Eheschließung nach syrischem Recht ausging, als auch davon, dass diese nach deutschem Recht anzuerkennen sei. Dementsprechend stünde auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht im Rahmen der Personensorge nicht dem Jugendamt zu. Das OLG Bamberg stellte zunächst fest, dass 35 Auf diese Vorschrift hinweisend OLG Köln, Beschluss vom 4. September 1995 - 16 Wx 181/96-, FamRZ 1997, 1240 = Juris, Rn. 6. Ebenso: v. Hein, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch (MüKo BGB), Band 10, Hrsg.: Säcker/Rixecker/Oetker/Limperg, 6. Auflage, München 2015, Art. 6 EGBGB Rn. 257-266. 36 OLG Köln, Beschluss vom 4. September 1995 - 16 Wx 181/96 -, FamRZ 1997, 1240 = Juris, Rn. 6. 37 Einen ordre public-Verstoß verneinend KG, Urteil vom 7. Juni 1989 - 18 U 2625/88 -, FamRZ 1990, 45 f.; bejahend aber AG Offenbach, Urteil vom 30. Oktober 2009 - 314 F 1132/09 -, FamRZ 2010, 1561. 38 KG Berlin, Beschluss vom 21. November 2011 − 1 W 79/11, Neue Juristische Online-Zeitschrift (NJOZ) 2012, S. 165 f. 39 OLG Bamberg, Beschluss vom 12. Mai 2016 – 2 UF 58/16 – Juris = Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR) 2016, 772 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 006/17 Seite 13 die Ehe nach dem gemäß den Regelungen der Art. 11, 13 EGBGB anwendbaren syrischen Eheschließungsrecht wirksam geschlossen worden sei. 40 Für Personen mit einem Rechtsstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention lege Art. 12 Abs. 2 GFK zudem fest, dass die vor der Flucht erworbenen Rechte, auch die aus der Eheschließung, zu achten seien. Die Anerkennung der Ehe nach deutschem Recht könne daher allenfalls an dem ordre public- Vorbehalt scheitern (Art. 6 EGBGB), sofern die Anwendung ausländischen Rechts zu einem Ergebnis führe, welches mit den Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar sei. Das Gericht hat es jedoch offengelassen, ob überhaupt ein ordre public-Verstoß gegeben ist, da selbst dann von der Wirksamkeit der Ehe auszugehen sei.41 Denn die Rechtsfolge eines entsprechenden Verstoßes führe nicht etwa zu einer Anwendung des deutschen Rechts, sondern sei in dem entsprechenden anwendbaren Rechtsstatut zu suchen. Nach syrischem Recht führt die Nichtbeachtung des Alterserfordernisses lediglich zur Aufhebbarkeit der Ehe, nicht aber zu dessen Nichtigkeit. Diese Folge könne wiederum nicht gegen Art. 6 EGBGB verstoßen, da das deutsche Recht ebenfalls die Aufhebbarkeit als Rechtsfolge normiere (§§ 1303, 1314 Abs. 1 BGB). Die Ehe bleibe demnach wirksam.42 Das OLG Bamberg würdigte dabei auch die Gesamtumstände des Falles und kam zu dem Schluss, dass es keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Zwangsheirat gebe. Zudem bestünde weder aus Kindeswohl- noch aus Integrationsgesichtspunkten die Notwendigkeit , die Ehe aufzuheben.43 Aufgrund eines eingelegten Rechtmittels wird sich in der nächsten Instanz der BGH mit dem Fall befassen.44 3.3. Eheschließungen von Flüchtlingen nach Aufnahme in Deutschland Welches Recht bei der Eheschließung von Flüchtlingen, die nach ihrer Flucht aus den Herkunftsländern in Deutschland heiraten wollen, maßgeblich ist, wird durch das Eheschließungsstatut entschieden. Hierbei ist eine Reihe von Kriterien zu berücksichtigen. Maßgeblich ist neben der 40 OLG Bamberg, Beschluss vom 12. Mai 2016 – 2 UF 58/16 – Juris, Rn. 20 = MDR 2016, 772 f. 41 OLG Bamberg, Beschluss vom 12. Mai 2016 – 2 UF 58/16 – Juris, Rn. 24 = MDR 2016, 772 f. 42 OLG Bamberg, Beschluss vom 12. Mai 2016 – 2 UF 58/16 – Juris, Rn. 25-27 = MDR 2016, 772 f. 43 OLG Bamberg, Beschluss vom 12. Mai 2016 – 2 UF 58/16 – Juris, Rn. 28-30 = MDR 2016, 772 f. 44 Mit dem Aktenzeichen BGH XII ZB 292/16 ist das Verfahren beim BGH anhängig - OLG Bamberg, Beschluss vom 12. Mai 2016 – 2 UF 58/16 – Juris, siehe dort unter dem Punkt „Verfahrensgang“. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 006/17 Seite 14 Staatsangehörigkeit etwa, ob es sich um Schutzberechtigte nach der GFK oder subsidiär Schutzberechtigte nach dem Asylgesetz45 handelt, sowie die Frage, ob sich der Wohnsitz respektive der Ort des gewöhnlichen Aufenthaltsortes im In-oder Ausland befindet.46 Findet das deutsche Eheschließungsstatut zum Zeitpunkt der Eheschließung Anwendung, so ist für die standesamtliche Trauung § 1303 BGB einschlägig. Demnach hat das Standesamt die Eheschließung abzulehnen, wenn eine der betreffenden Personen noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet hat. Wie aufgezeigt, kann hierbei eine Befreiung von dem Alterserfordernis beantragt werden , wenn jedenfalls das 16. Lebensjahr vollendet wurde. Nach der Rechtsprechung handelt es sich hierbei für die Gerichte wegen Art. 6 Abs. 1, 2 Satz 2 GG um eine gebundene Entscheidung, auf die ein Anspruch besteht.47 Sie ist nur zu versagen, wenn eine Gesamtbewertung der Umstände ergibt, dass das Wohl des Antragstellers voraussichtliche beeinträchtigt wird. Bei einem ausländischen Eheschließungsstatut wird auf die dortige Anforderung an die Ehemündigkeit abgestellt. Typisch ist hierbei, dass Staaten mit am Islam orientierten Familienrecht ein gesetzliches Mindestalter vorsehen, dabei aber ein gerichtlicher Dispens möglich ist, welcher ein sehr niedriges Mindestalter erlaubt. Für die Eheschließung in Deutschland bedarf es dann eines Ehefähigkeitszeugnisses der inneren Behörde des Heimatstaates nach § 1309 Abs.1 BGB, welches je nach Herkunftsstaat zusätzlich noch die Legalisation der deutschen Auslandsvertretung oder die Apostille der zuständigen Behörde erfordert.48 Dies stellt für Flüchtlinge häufig ein unüberwindbares Hindernis dar, so dass in Ausnahmefällen nach § 1309 Abs. 2 BGB auch durch den Präsidenten des zuständigen OLG eine Befreiung von diesen Anforderungen erteilt werden kann. Die Eheschließung nach einem ausländischen Rechtsstatut steht jedoch aufgrund des Inlandsbezugs stets unter dem ordre public-Vorbehalt. Eine weitere Möglichkeit für verlobte Personen, die nicht deutsche Staatsangehörige sind, ist die Eheschließung gemäß Art. 13 Abs. 3 Satz 2 EGBGB, die auch ohne Mitwirkung eines Standesbeamten ausnahmsweise wirksam ist. Voraussetzung hierfür ist, dass die Ehe von einer in Deutschland seitens eines ausländischen Staates ordnungsgemäß ermächtigten Person in der nach dem Recht dieses Staates vorgesehenen Form geschlossen wird. Dabei kann es sich beispielsweise um diplomatische Vertreter, Truppenoffiziere oder Geistliche handeln.49 Ferner muss wenigstens einer der Verlobten die Staatsangehörigkeit des Entsendestaates besitzen. Unschädlich ist dabei, 45 Asylgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch Artikel 2 Absatz 2 des Gesetzes vom 4. November 2016 (BGBl. I S. 24609), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/asylvfg_1992/gesamt.pdf, [zuletzt abgerufen am 24. Januar 2017]. 46 Andrae, NZFam 2016, 923 (925). 47 OLG Hamm, Beschluss vom 28. Dezember 2009, 6 WF 439/09; FamRZ 2010, 1801; Andrae, NZFam 2016, 923. 48 Andrae, NZFam 2016, 923 (925). 49 Dazu siehe: Wissenschaftliche Dienste, Zur Anerkennung von religiösen geschlossenen Ehen und Ehen mit minderjährigen Ehepartnern in der Bundesrepublik Deutschland, Sachstand, WD 7-3000-019/16, S. 5: Für die ordnungsgemäße Ermächtigung eines Geistlichen genügt die gesetzliche Anerkennung der kirchlichen Trauung für katholische und orthodoxe Geistliche allein jedoch nicht. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 006/17 Seite 15 dass der betreffende Verlobte dem deutschen Eheschließungsstatut unterliegt, solange keine deutsche Staatsangehörigkeit gegeben ist. Für Flüchtlinge steht auch die Eheschließung im Ausland nach dem dortigen Rechtsstatut offen, wobei die sogenannte Handschuhehe möglich ist, bei der entweder beide Partner oder einer der Partner nicht anwesend ist und stattdessen eine Vertretung stattfindet.50 Solche Eheschließungen sind regelmäßig möglich in Rechtsordnungen, die am Islam orientiert sind.51 In diesen Fällen ist die Gefahr besonders hoch, dass eine uneingeschränkte Willenseinigung der Eheschließenden nicht vorliegt.52 Dennoch werden diese Ehen grundsätzlich anerkannt, solange die Anforderungen des Ortsrechtes vorliegen. Lebt einer der Beteiligten in diesen Fällen in Deutschland, so ist wiederum auf die ordre public- Regelung abzustellen.53 4. Reformbestrebungen in Deutschland Angesichts des aktuellen Bezugs der Thematik hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe einberufen, die sich mit möglichen Gesetzesreformen hinsichtlich der Ehemündigkeit im internen deutschen Recht und der Anerkennung von Auslandsehen, insbesondere solcher unter Beteiligung Minderjähriger, auseinandersetzt .54 Hierbei hat der Bundesjustizminister Heiko Maas bereits angekündigt, dass mit einer deutlichen Verschärfung der derzeitigen Gesetzeslage zu rechnen sei.55 So sollen Ehen mit Minderjährigen unter 16 Jahren in Deutschland zukünftig ausnahmslos verboten werden.56 Dies gelte im Grundsatz auch für Ehen, bei denen die Beteiligten zwischen 16 – 18 Jahre alt sind, wobei hier jedoch Ausnahmen in besonderen Härtefällen möglich sein sollen.57 Inwieweit diese Reform 50 Andrae, NZFam 2016, 923 (926). 51 Andrae, NZFam 2016, 923 (926). 52 Andrae, NZFam 2016, 923 (926). 53 Andrae, NZFam 2016, 923 (927) 54 Mitteilung des BMJV, Stand 01.Septmeber 2016, abrufbar unter: http://www.bmjv.de/SharedDocs/Zitate /DE/2016/09012016_Kinderehen.html [zuletzt aufgerufen am: 24 Januar 2017]; Thema der Arbeitsgruppe: „Ehemündigkeit im internen deutschen Recht und bei der Anerkennung von Auslandsehen“. 55 Interview Bundesminister Heiko Maas, 04. November 2017, Pressestelle BMJV, Abrufbar unter: http://www.bmjv.de/SharedDocs/Interviews/DE/2016/Print/11052016_Herholz.html [zuletzt aufgerufen am: 24. Januar 2017]. 56 Interview Bundesminister Heiko Maas, 04. November 2017, Pressestelle BMJV, Abrufbar unter: http://www.bmjv.de/SharedDocs/Interviews/DE/2016/Print/11052016_Herholz.html [zuletzt aufgerufen am: 24. Januar 2017]. 57 Interview Bundesminister Heiko Maas, 04. November 2017, Pressestelle BMJV, abrufbar unter: http://www.bmjv.de/SharedDocs/Interviews/DE/2016/Print/11052016_Herholz.html [letzter Abruf: 24. Januar 2017]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 006/17 Seite 16 im Einzelnen von der jetzigen Rechtslage abweichen wird, soll ein baldiger Gesetzesentwurf zeigen . Auch in den Niederlanden wurden die Regelungen verschärft.58 So ist im Dezember 2015 das Gesetz zur Bekämpfung von Heiratszwang (Wet tegengaan huiwelijksdwang) vom 7. Oktober 2015 in Kraft getreten.59 Das Gesetz enthält insbesondere Regelungen zur Ehemündigkeit und zur Anerkennung von im Ausland geschlossenen Ehen: Ehemündigkeit (huwelijksleeftijd) – Heraufsetzung des Mindestalters für die Zukunft auf 18 Jahre (Artikel 31 Buch 1) durch Streichung der bisherigen Regelungen in Art. 31, 35 und 36 Buch I über die Möglichkeit der Eheschließung von Minderjährigen über 16 Jahren. Anerkennung im Ausland geschlossener Ehen (erkenning van in het buitenland gesloten huwelijken) – In Artikel 32 Buch 10 wird ein Katalog von Fällen eingeführt, bei deren Vorliegen die Anerkennung im Ausland geschlossener Ehen verweigert wird, darunter Verwandten- und Minderjährigenehen bei Vorliegen der dort unter Buchstaben b.) und c.) beschriebenen Voraussetzungen. *** 58 Dazu siehe: Wissenschaftliche Dienste, Gesetzgebung zur Bekämpfung von Zwangsehen in den Niederlanden, Dokumentation, WD 7 – 3000 – 108/16. 59 Wet van 7 oktober 2015 tot wijziging van Boek 1 en Boek 10 van het Burgerlijk Wetboek betreffende de huwelijksleeftijd , de huwelijksbeletselen, de nietigverklaring van een huwelijk en de erkenning van in het buitenland gesloten huwelijken (Wet tegengaan huwelijksdwang), (Staatsblatt 2015, 354), abrufbar unter: https://zoek.officielebekendmakingen.nl/dossier/33488/stb-2015-354?resultIndex=1&sorttype=1&sortorder=4. [letzter Abruf: 25. Januar 2017].