AUSARBEITUNG Thema: Geheimdienstliche Agententätigkeit (§ 99 StGB) Fachbereich VII Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Verfasser: Abschluss der Arbeit: 13. Februar 2006 Reg.-Nr.: 3000 - 2. WF VII G – 006/06 Ausarbeitungen von Angehörigen der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung des einzelnen Verfassers und der Fachbereichsleitung. Die Ausarbeitungen sind dazu bestimmt, das Mitglied des Deutschen Bundestages, das sie in Auftrag gegeben hat, bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - 2 - Inhaltsverzeichnis Seite 1. Vorbemerkungen 3 2. Der Entstehungsgeschichte des § 99 StGB 5 3. Der Tatbestand des § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB 7 3.1. Geheimdienst 8 3.2. Fremde Macht 9 3.3. Geheimdienstliche Tätigkeit 9 3.4. „für“ den Geheimdienst 11 3.5. Erlangung, Mitteilung oder Lieferung 11 3.6. Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse 12 3.7. Gegen die Bundesrepublik Deutschland 12 4. Der Tatbestand des § 99 Abs. 1 Nr. 2 StGB 13 5. Zusammenfassung 13 6. Literaturverzeichnis 15 - 3 - 1. Vorbemerkungen § 99 des Strafgesetzbuches (StGB)1 erfasst als „zentraler Spionagetatbestand“ jede für einen Geheimdienst einer fremden Macht gegen die Bundesrepublik Deutschland erfolgende geheimdienstliche Tätigkeit, die auf die Mitteilung oder Lieferung von Tatsachen , Gegenständen und Erkenntnissen gerichtet ist. Es ist nicht erforderlich, dass es sich hierbei um ein Staatsgeheimnis handelt; durch den weiten Tatbestand des § 99 StGB wurde vielmehr eine Vorverlagerung strafrechtlicher Sanktionsmöglichkeiten herbeigeführt. Dies ist auf die so genannte „Mosaik-Theorie“ zurückzuführen, nach der sich die Aufgabenstellung der Geheimdienste auf das Sammeln , die Zusammenstellung und Inbeziehungsetzung auch offenkundiger Tatsachen erweitert hat.2 Zutreffend ging der Gesetzgeber davon aus, dass sich die moderne Geheimdiensttätigkeit nicht mehr nur auf den Verrat oder die Ausspähung einzelner Geheimnisse aus den Bereichen der äußeren Sicherheit oder der auswärtigen Beziehungen beschränkt. Die Gefährlichkeit einer Spionagetätigkeit besteht auch und vor allem in der systematischen Erfassung des Gesamtpotentials an Informationen über ein Zielland mit Hilfe einer Vielzahl von Einzeloperationen, deren Summierung erst die eigentliche Effektivität des Nachrichtendienstes ausmacht.3 Die Rechtsprechung zu § 99 StGB ist in der Literatur vielfach auf Kritik gestoßen. Sie sei rechtstaatlich bedenklich und führe zu bis ans „Absurde“ grenzenden Entscheidungen . Als Beispiele hierfür werden angeführt: - fachbezogene Gespräche eines Wissenschaftlers mit seinem Schwager sowie Übersendung allgemein zugänglicher wissenschaftlicher Schriften,4 - Mitteilung der Namen von Hotelgästen,5 - Nennung der Namen bulgarischer Landsleute, Übergabe von Zeitschriften exilbulgarischer Organisationen, Übergabe der Satzung einer Exilorganisation,6 1 In der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch das 39. StrÄndG vom 1.9.2005 (BGBl. I S. 2674) 2 Vgl. zur historischen Entwicklung ausführlich Schroeder, Friedrich-Christian, Der Schutz staatsbezogener Daten im Strafrecht, NJW 1981, S. 2278, Fußnote 4 unter Hinweis auf bereits RGSt 25, 45 v. 16.12.1893. 3 Vgl. Schriftlicher Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform über den von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Drucksache V/102 – über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Achten Strafrechtsänderungsgesetzes – Drucksache V/898 -, BT-Drs. V/2860, S. 22 4 Vgl. Dammann, Klaus, Geheimdienstliche Agententätigkeit (§ 99 StGB) – Relikt des kalten Krieges, Vierteljahreszeitschrift Demokratie und Recht 1985, S. 195 Fußnote 37 unter Hinweis auf „BGH 3 StR 18/80, Urteil vom 5.3.1980“. 5 Vgl. Dammann, Klaus, a. a. O., S. 195 Fußnote 38 unter Hinweis auf „KG Berlin (2) C Js 11/71 (26/71) Urteil vom 19.8.1971“. - 4 - - Mitteilung der Preise von Winterkartoffeln, Mitteilung einer bevorstehenden Besoldungserhöhung 7 - Mitteilung der Öffnungszeiten eines Gotteshauses durch den Küster einer niederbayerischen Kirchengemeinde an einen DDR-Bürger.8 Auch frühe Entscheidungen des BGH zu § 99 StGB sind in der Literatur auf heftige Kritik gestoßen. Es wurde vor allem kritisiert, dass die Rechtsprechung des BGH die geheimdienstliche Tätigkeit im Sinne des § 99 Abs. 1 StGB in einer Weise umschreibe, die es geradezu zu einer richterlichen Ermessensentscheidung mache, ob eine derartige Tätigkeit vorliege oder nicht. Die Rechtsprechung sei mit einer Vielzahl geltender Auslegungsregeln unvereinbar und widerspreche zudem Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB.9 Der kritisierten Entscheidung des BGH lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Der Angeklagte, seinerzeit Wachtmeister beim Bundesgrenzschutz, hatte aus Anlass einer Dienstpflichtverletzung, die ihn in einer von ihm als ausweglos empfundene Lage brachte, in einem plötzlichen Entschluss das Gebiet der DDR aufgesucht und war dort einer mehrmonatigen Befragung durch Spezialisten der Nationalen Volksarmee (NVA) ausgesetzt worden. Hierbei gab er nahezu sein gesamtes während seiner Dienstzeit erlangtes Wissen durch mündliche und schriftliche Beantwortung der an ihn gestellten Fragen preis.10 Einer weiteren frühen Entscheidung des BGH zu § 99 StGB lag folgender Sachverhalt zu Grunde. Der Angeschuldigte war angeklagt, sich durch die Erklärung seiner Bereitschaft zu einer auf die Erlangung oder Mitteilung von Staatsgeheimnissen gerichteten Tätigkeit gegenüber dem Mittelsmann einer fremden Macht einer Landesverräterischen Vorbereitungstätigkeit nach § 98 Abs. 1 Nr. 2 StGB schuldig gemacht zu haben. Das Oberlandesgericht Celle hat die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt. Es war der Auffassung, ein hinreichender Verdacht gegen den Angeschuldigten, dieser habe eine auf die Mitteilung von Staatsgeheimnissen gerichteten Tätigkeit für die UdSSR ausüben wollen, liege nicht vor; er habe sich außerdem weder im Sinne des § 98 Abs. 1 Nr. 2 StGB noch in dem des § 99 Abs. 1 Nr. 2 StGB zu einer nach diesen Strafvorschriften beachtlichen Tätigkeit bereiterklärt. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft , die vom Generalbundesanwalt vertreten wurde, hatte im Ergebnis Erfolg . Vor dem Hintergrund einer Literaturmeinung, dass die Rechtsprechung des BGH zu einer „uferlosen Ausdehnung“ des Tatbestandes der geheimdienstlichen Tätigkeit nach 6 Vgl. Dammann, Klaus, a. a. O., S. 195 Fußnote 39 unter Hinweis auf „BGH NJW 1980, 26753 ff.“ 7 Vgl. Dammann, Klaus, a. a. O., S. 195 Fußnote 40 unter Hinweis auf „Zit. nach ‚Arbeitsgruppe § 99 StGB’, FN 19, S. 7“. 8 Vgl. Dammann, Klaus, a. a. O., S. 195 Fußnote 41 unter Hinweis auf „Zit. nach Holtfort DuR 81, S. 203“. 9 Vgl. Pabst, Jürgen, Zum Begriff der geheimdienstlichen Tätigkeit in § 99 Abs. 1 StGB, JZ 1977, S. 427. 10 Vgl. BGH, Urteil vom 5.7.1972; BGHSt 24, 369. - 5 - § 99 StGB geführt habe, soll nachfolgend nochmals kurz die Entstehungsgeschichte dieser Strafrechtnorm beleuchtet werden. 2. Der Entstehungsgeschichte des § 99 StGB § 99 StGB ist durch das 8. Gesetz zur Änderung strafrechtlicher Vorschriften11 - 8. StRÄndG - im Jahre 1968 in das StGB eingeführt worden und hat seither folgenden Grundtatbestand: „(1) Wer 1. für den Geheimdienst einer fremden Macht eine geheimdienstliche Tätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland ausübt, die auf die Mitteilung oder Lieferung von Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gerichtet ist, oder 2. gegenüber dem Geheimdienst einer fremden Macht oder einem seiner Mittelsmänner sich zu einer solchen Tätigkeit bereit erklärt, wird mit Freiheitsstrafe …. bestraft, …“ Das bis dahin geltende Staatsschutzstrafrecht sollte durch das 8. StRÄndG eingeschränkt und liberalisiert werden, aber auch vor dem Hintergrund der Ost-West-Teilung den seinerzeitigen besonderen Herausforderungen durch nachrichtendienstliche Angriffe fremder Geheimdienste gerecht werden. Denn Ziel nachrichtendienstlicher Operationen wurde neben militärischen und sicherheitspolitischen Zusammenhängen zunehmend der gesamte Staatsapparat der Bundesrepublik Deutschland, die politischen Parteien, die Wirtschaft, einschließlich der dazugehörenden Verbände, Wissenschaft und Forschung, Technik und darüber hinaus gesellschaftspolitisch relevante Gruppierungen. Der besonderen Situation im geteilten Deutschland wurde der bisherige Spionagetatbestand – die verräterischen Beziehungen nach § 100e StGB – nicht mehr gerecht. Zum einen musste mit Blick auf das Feindbild des Ostblocks bei offiziellen Beziehungen von Bürgern aus der Bundesrepublik in den anderen Teil Deutschlands grundsätzlich damit gerechnet werden, dass der Geheimdienst der DDR, das Ministerium für Staatssicherheit , in irgendeiner Weise daran operativ partizipierte. Bei einem bis dahin geltenden Spionagetatbestand, der bewusste Beziehungen zu einem fremden Nachrichtendienst genügen ließ, liefen Politiker, Gewerkschafter, Sportler, Geschäftsleute und andere Personen mit vergleichbaren Beziehungen in die DDR be- 11 8. StRÄndG vom 25. Juni 1968, BGBl. I S. 741, 746. - 6 - reits bei solchen Kontakten Gefahr, sich wegen Spionage strafbar zu machen. Der zentrale Spionagetatbestand des § 99 StGB in der Fassung des 8. StrÄndG erhielt eine Fassung , die ihn vom Beziehungstatbestand wegführen sollte und eine Integration des Täters in die Ausforschungsbestrebungen des fremden Nachrichtendienstes verlangt. Zum anderen mussten die tatsächlichen operativen Spionageangriffe als umfassendes machtpolitisches Konzept des Ostblocks zur Kenntnis genommen werden, das gesamte Potential der Bundesrepublik systematisch zu erfassen und damit vitale Interessen des freiheitlich verfassten Staates zu gefährden. Soweit die geheimdienstliche Tätigkeit auf die Erlangung oder Mitteilung von Staatsgeheimnissen 12 gerichtet ist, überschneidet sich die Regelung mit § 98 StGB (Landesverräterische Agententätigkeit). Hiernach macht sich unter anderem strafbar, wer für eine fremde Macht eine Tätigkeit ausübt, die auf die Erlangung von Staatsgeheimnissen gerichtet ist. Der Gesetzgeber hat mit § 99 StGB einen zentralen Spionagetatbestand geschaffen, der bewusst nicht mehr an den Begriff des Staatsgeheimnisses anknüpft, sondern darauf abzielt, die gesamte Spionagetätigkeit fremder Geheimdienste einzufangen, ohne auf die Natur der Informationen abzustellen, auf die die Spionagetätigkeit gerichtet ist.13 Durch die Bestrafung jedweder nachrichtendienstlichen Tätigkeit will die Vorschrift der Gefahr entgegenwirken, dass der Bundesrepublik Deutschland irgendwelche Nachteile im Bereich der äußeren Sicherheit, in anderen außenpolitischen, wirtschaftspolitischen oder sonstigen Bereichen daraus entstehen, dass eine fremde Macht sich durch ihren Geheimdienst ein umfassendes und präzises Bild über die Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland verschafft.14 § 99 StGB ist so eindeutig auf die spezifische historische Situation des geteilten Deutschlands an der Nahtstelle zwischen den Machtblöcken im Ost-West-Konflikt ausgerichtet, dass nach dem Wegfall dieser Situation Anlass zur Prüfung bestehen könnte, ob die tragenden Gesichtspunkte des 8. StrÄndG aus dem Jahre 1968 nicht der 12 Zum Begriff des Staatsgeheimnisses vgl. § 93 StGB: „Staatsgeheimnisse sind Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, die nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und vor einer fremden Macht geheim gehalten werden müssen, um die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland abzuwenden.“ 13 Vgl. BVerfG v. 15.5.1995 – 2 BvL 19/91, BVerfGE 92, 277, 316. 14 Vgl. Schriftlicher Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform über den von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Drucksache V/102 – über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Achten Strafrechtsänderungsgesetzes – Drucksache V/898 -,BT-Drs. V/2860, S. 22; BVerfGE 57, 268 f. - 7 - Boden entzogen ist und inwieweit die Anpassungsfähigkeit des Tatbestandes auf gegenwärtige Herausforderungen besteht. Unter Hinweis auf die Rechtsprechung wird hierzu in der Literatur15 die Auffassung vertreten, dass § 99 StGB als wesentlicher Teil des gesamten Staatsschutzstrafrechts zu betrachten sei. Hierbei korrespondiere das Abwehrinteresse der Bundesrepublik Deutschland mit den Auswirkungen der Ausforschungstätigkeit moderner Geheimdienste . Diese – und nicht ein historisches Vorverständnis von „staatenüblicher Spionage“ – seien in den Blick zu nehmen, wenn geprüft werde, ob der Schutzbereich der Norm betroffen ist. Der Verzicht im § 99 StGB auf eine inhaltliche Beschränkung der Informationen , die Gegenstand nachrichtendienstlicher Ausspähung sein könnten, knüpfe an die jeweilige aktuelle Bedrohungslage der Bundesrepublik Deutschland an und ermögliche eine flexible Auslegung der Norm. Im Hinblick auf die aktuellen Herausforderungen durch internationalen Terrorismus, Waffenhandel, Handel mit Massenvernichtungsmittel (Proliferation), Geldwäsche in währungsgefährdenden Dimensionen und allgemeiner international organisierter Kriminalität – wobei in allen Fällen die operative Beteiligung geheimer Strukturen fremder Staaten möglich ist – sei diese Flexibilität in der Rechtsanwendung von besonderer Bedeutung.16 Nachfolgend werden deshalb die einzelnen Tatbestandsmerkmale, die zur Strafbarkeit aus § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB führen, kurz dargestellt. 3. Der Tatbestand des § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB Der objektive Tatbestand des § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB setzt voraus, dass der Täter für den Geheimdienst einer fremden Macht eine geheimdienstliche Tätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland ausübt, die auf Mitteilung oder Lieferung von Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gerichtet ist. Grundsätzlich kann jeder, nicht nur ein deutscher Staatsangehöriger, Täter sein; dazu gehören auch die Angehörigen fremder Geheimdienste selbst.17 15 Vgl. Lampe/Hegmann in: Münchner Kommentar zum StGB, Band 2/2, §§ 80-184 f StGB, 1. Auflage 2005, § 99 Rdnr. 3 unter Hinweis auf BGHSt 24, 369 (371). 16 Vgl. Lampe/Hegmann, a. a. O., § 99 Rdnr. 3 unter Hinweis auf BVerfG v. 4.7.1999 – 1 BvR 2226/94, BVerfGE 100/ 313 – strategische Fernmeldeüberwachung des BND in diesen Bereichen zum Schutz der äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland. 17 Vgl. BVerfGE 97, 277 (317f.); BGHSt 24, 369 (370 f.); BGHSt 39,260 (262). - 8 - Seit seinem Inkrafttreten ist § 99 StGB durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofes judiziert worden und durch die Literatur kritisch begleitet worden. Die nachfolgende Darstellung der einzelnen Tatbestandsmerkmale orientiert sich deshalb zunächst an der Rechtsprechung oberster Gerichte, verweist aber auch auf abweichende Auffassungen in der Literatur. 3.1. Geheimdienst § 99 StGB verlangt zunächst, dass für den Geheimdienst einer fremden Macht eine geheimdienstliche Tätigkeit ausgeübt wird. Geheimdienst i. S. d. § 99 StGB ist eine im engen, technischen Sinne zu verstehende Agentenorganisation18, deren Aufgabe es ist, Nachrichten beliebiger Art in fremden Machtbereichen unter Geheimhaltung vor den fremden Behörden und unter Anwendung konspirativer Methoden zu sammeln. Nicht erfasst sind daher nichtstaatliche Organisationen, wie beispielsweise private Pressedienste oder von privaten Industrieunternehmen zum Zwecke der Wirtschaftsspionage eingerichtete Organisationen, es sei denn, es handele sich lediglich um Tarnorganisationen , die im staatlichen Auftrag tätig werden.19 Die äußere Form, in der der Geheimdienst gekleidet ist, ist daher unerheblich.20 Mit Blick auf Revolutionsregime und „Gottesstaaten“, die ihre Machtstrukturen bewusst von europäischen Mustern abheben, kann das Verständnis von Geheimdiensten nicht auf europäische Vorstellungen eingeengt werden. Nachrichtendienste nutzen nicht nur Botschaften, Fluggesellschaften oder Außenhandelsfirmen als Tarnung, sondern besondere operative Möglichkeiten jeder Art bis hin zu Strukturen der organisierten Kriminalität .21 Es setzt sich daher eine funktionale Betrachtung bei der Prüfung des Tatbestandsmerkmals „Geheimdienst einer fremden Macht“ durch, dem der BGH gefolgt ist, soweit es um die Beschaffung von embargobehinderter Hochtechnologie durch Staatsfirmen der DDR ging, die vom Ministerium für Staatssicherheit gesteuert waren.22 18 Vgl. Stree/Steinberg-Lieben in: Schönke/Schröder, StGB, Kommentar, 25. Auflage 2001, § 99 Rdnr. 5 19 Vgl. Rudoplhi/Horn/Günther/Samson, Systematischer Kommentar zum StGB, 7. teilweise 8. Auflage , Stand: 63. Lieferung (März 2005), § 99 Rdnr. 3. 20 Vgl. Stree/Steinberg-Lieben in: Schönke/Schröder, StGB, Kommentar, 25. Auflage 2001, § 99 Rdnr. 5. 21 Vgl. Lampe/Hegemann in: Münchner Kommentar zum StGB, Band 2/2, §§ 80-184 f StGB, 1. Auflage 2005, § 99 Rdnr. 6 22 Vgl. Lampe/Hegemann, a. a. O., § 99 Rdnr. 6 Fußnote 15 unter Hinweis auf OLG Celle vom 7.02.1986 – 6 StE 2/85 -. - 9 - Als richtungsweisend kann ein Beschluss des BGH vom 26.3.1998 – 2 BGs 87/98 – gesehen werden, in dem es um die Geheimdienstqualität eines so genannten „Koordinierungsbüros “ in einem mittelörtlichen Staat ging. Den fachkundigen Angehörigen oblag es, Waffen- und Hochtechnologiekomponenten auf dem ABC-Sektor einschließlich der Trägertechnologie zu beschaffen; hierzu zerlegten sie die Projekte in einzelne, unverdächtig erscheinende Komponente. 3.2. Fremde Macht Es muss sich um einen Geheimdienst einer fremden Macht handeln. Mit dem Begriff der fremden Macht sind zunächst die Regierungen ausländischer Staaten sowie zwischenstaatliche Einrichtungen mit selbständiger, von mehreren Staaten abgeleiteter Gewalt zu verstehen. Ob das Tatbestandsmerkmal „Geheimdienst einer fremden Macht“ auch den Geheimdienst einer verbündeten Macht erfasst, ist streitig.23 Nicht erforderlich ist, dass es sich bei dieser Macht um ein völkerrechtlich anerkanntes Staatsgebilde oder um dessen legale Regierung handelt. Auch Exilregierungen oder aufständische Gruppen innerhalb eines fremden Staatsgebietes können eine derartige Macht darstellen, sofern sie staatliche Funktionen wahrnehmen wollen.24 3.3. Geheimdienstliche Tätigkeit Als Tathandlung setzt § 99 Abs. 1 StGB das Ausüben einer geheimdienstliche Tätigkeit voraus; das gilt auch für so genannte25 Probeagenten. Die Tätigkeit, die heimlich für einen fremden Nachrichtendienst vorgenommen wird, ist geheimdienstlich, sei es, dass die Tätigkeit selbst heimlich entfaltet wird, oder völlig offen und lediglich die nachrichtendienstliche Anleitung verheimlicht wird. Unter geheimdienstliches, konspiratives Verhalten sind z. B. zu zählen: - Anbahnungs- und Verstrickungsgespräche mit nachfolgender Verpflichtungserklärung , - Empfang von Agentenlohn gegen unverfängliche Quittung, 23 Vgl. Paeffgen Hans-Ullrich in: Kindhäuser, Urs/ Neumann, Ulfrid/ Paeffgen, Hans-Ullrich, StGB, Kommentar, Band 1, 2. Auflage 2005, § 99 Rdnr.5 ist für die Einbeziehung des Geheimdienstes einer verbündeten Macht, aber unter Hinweis auf „a. A. wohl LK-Träger Rn 5, der dies deshalb ‚sorgfältig zu prüfen’ verlangt.“ 24 Vgl. Stree/Steinberg-Lieben in: Schönke/Schröder, StGB, Kommentar, 25. Auflage 2001, § 93 Rdnr. 15 unter Hinweis auf Bay NStZ 1992, S. 281. 25 Vgl. BGHSt 31, 317 (318) - 10 - - das Führen von Decknamen, - Besitz gefälschter Ausweispapiere, - Leben unter entsprechender Legende, - getarnte und abgesicherte Treffen mit Instrukteuren, Führungsoffizieren, - Verwenden sichtbarer und unsichtbarer Geheimschriften, - Verbindung über Kuriere, sog. tote Briefkästen und über Agentenfunk, - die Benutzung besonderer Kameras und Filme, - eigene präparierte Aufbewahrungsverstecke und Transportbehältnisse, - schließlich auch der Besitz von Fluchtpapieren und –geld.26 Es versteht sich von selbst, dass auch das Agieren über multimediale Medien, wie Internet , Mobil-Funk etc. ein geheimdienstliches, konspiratives Verhalten darstellen kann. Wird jemand im Rahmen berufsüblicher Kontakte sukzessive zur geheimdienstlichen Mitarbeit hingeführt, so ist die Grenze zum Strafbaren überschritten, wenn der Betroffene das Bestreben durchschaut oder es zumindest billigend in Kauf nimmt und sich demnach in die intensivierten Kontakte aktiv so einfügt, dass er nach seinem Gesamtverhalten als Mitarbeiter des fremden Geheimdienstes anzusehen ist.27 Geheimdienstlich ist eine Tätigkeit, wenn sie dem äußeren Bild entspricht, das für die Arbeit von Agenten und anderen Hilfspersonen solcher Dienste, die für nachrichtendienstliche Zwecke eingesetzt werden, kennzeichnend ist.28 Auch ein einmaliges Handeln kann, sofern der Täter dabei geheimdienstliche Methoden anwendet oder sich dadurch funktionell in den fremden Geheimdienst – wenn auch nur für kurze Zeit – eingliedert, genügen. Keine geheimdienstliche Tätigkeit entfalten mithin Personen, die lediglich Opfer der Ausforschungstätigkeit eines fremden Geheimdienstes sind, wie beispielsweise Personen aus Wissenschaft, Industrie, Handel und Politik, die im Rahmen normaler Kontakte mit Personen oder Stellen fremder Mächte Mitteilungen über Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse in der Bundesrepublik machen.29 26 Zitiert nach Poeffgen Hans-Ullrich in: Kindhäuser, Urs/ Neumann, Ulfrid/ Paeffgen, Hans-Ullrich, StGB, Kommentar, Band 1, 2. Auflage 2005, § 99 Rdnr. 15. 27 Vgl. BGHSt 43, 321 (Fall Wienand). 28 Vgl. BGHSt 24, 371 ff.; BGHSt 31, 317 (318); kritisch Pabst JZ 1977, S. 427; OLG Hamburg, NJW 1989, S. 1371 in einem Fall, in dem ein Postbediensteter ein an den MAD adressiertes Paket in die DDR umleitet, um es dort den zuständigen Geheimdienststellen zuzuleiten. 29 Vgl. BVerfGE 57, 65 f; BGHSt 24, 370. - 11 - Nicht vom Tatbestand des § 99 Abs. 1 StGB erfasst werden auch Aussagen, die Personen im Rahmen von Vernehmungen durch einen fremden Geheimdienst machen.30 Dies gilt jedoch nicht, wenn die vernommene Person z. B. aus eigenem Antrieb Erkenntnisse und Tatsachen von nachrichtendienstlichem Wert preisgibt und sich funktionell in den fremden Nachrichtendienst eingliedert. 3.4. „für“ den Geheimdienst Die geheimdienstliche Tätigkeit muss für einen fremden Geheimdienst ausgeübt werden . Es reicht aus, wenn der Täter billigend in Kauf nimmt, dass die Ergebnisse des Handels dem Geheimdienst der fremden Macht zugute kommen zu lassen. Unbeachtlich für ein derartiges Handeln ist, ob der Täter sich zuvor bereits zu einer solchen geheimdienstlichen Tätigkeit gegenüber dem fremden Geheimdienst bereit erklärt oder in dessen Organisation eingegliedert hat.31 3.5. Erlangung, Mitteilung oder Lieferung Nach § 98 Abs. 1 Nr. 1 StGB macht sich strafbar, wer für eine fremde Macht eine Tätigkeit ausübt, die auf die Erlangung oder Mitteilung von Staatsgeheimnissen gerichtet ist. Nach dem Wortlaut des § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB macht sich strafbar, wer für den Geheimdienst einer fremden Macht eine geheimdienstliche Tätigkeit ausübt, die auf die Mitteilung oder Lieferung von Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gerichtet ist. Erfasst sind aber auch die auf Erlangung von Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gerichteten geheimdienstlichen Tätigkeiten32, also die sog. eigentlichen Ausspähungstätigkeiten . Im Gegensatz zu § 98 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist in § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB die auf Erlangung solcher Tatsachen etc. gerichtete Tätigkeit nicht ausdrücklich genannt. Nach der Rechtsprechung des BGH führt dies jedoch, da die Nichterwähnung der „auf Erlangung solcher Tatsachen gerichteten Tätigkeit“ allein auf ein Redaktionsversehen beruhe, zu keiner Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB33. 30 Vgl. Rudoplhi/Horn/Günther/Samson, Systematischer Kommentar zum StGB, 7. teilweise 8. Auflage , Stand: 63. Lieferung (März 2005), § 99 Rdnr. 6 unter Hinweis auf BGHSt 24, 371; 30, 296 ff., BGH NJW 1970, S. 1887. 31 Vgl. Rudoplhi/Horn/Günther/Samson, Systematischer Kommentar zum StGB, 7. teilweise 8. Auflage , Stand: 63. Lieferung (März 2005), § 99 Rdnr. 8 unter Hinweis auf BGHSt 24, 372; 25, 146. 32 Vgl. Stree/Steinberg-Lieben in: Schönke/Schröder, StGB, Kommentar, 25. Auflage 2001, § 99 Rdnr. 15 33 Vgl. BGHSt. 24, 377. - 12 - 3.6. Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse Als Objekte der geheimdienstlichen Tätigkeit werden in § 99 StGB Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse aufgeführt, die weder geheim noch von besonderer Bedeutung zu sein brauchen; auch illegale bzw. rechtswidrige Tatsachen werden erfasst. 3.7. Gegen die Bundesrepublik Deutschland Die geheimdienstliche Tätigkeit muss schließlich gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtet sein. Nicht erforderlich ist, dass die Tätigkeit sich gegen die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland richtet. Erfasst sind auch geheimdienstliche Aktivitäten, die sich nur gegen das Ansehen der Bundesrepublik im Ausland oder gegen ihre Interessen auf wirtschaftlichen, wissenschaftlichen oder sonstigen Gebieten richten. Nach dem Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform in der 5. Legislaturperiode enthält das von diesem Ausschuss eingefügte Merkmal „gegen die Bundesrepublik Deutschland“ eine wichtige Begrenzung des Tatbestandes: „Es erfasst nur die geheimdienstlichen Operationen fremder Mächte, die sich gegen die Bundesrepublik Deutschland als Zielland richten und ihre Interessen beeinträchtigen. Das ist in der Regel nicht der Fall, wenn ein fremder Geheimdienst nur gegen Angehörige des eigenen Landes oder dritter Länder tätig wird.“ Inwieweit sich geheimdienstliche Tätigkeiten gegen die Bundesrepublik Deutschland richten, wenn sich die fremde geheimdienstliche Tätigkeit gegen in der Bundesrepublik lebende Ausländer oder deren Organisationen richtet, ist streitig.34 Sind Dienststellen oder inhaltliche Vorgänge der NATO allgemein Ausspähungsziel, ist die Spionage auch gegen Deutschland gerichtet. Die Erweiterung des strafrechtlichen Schutzes über Art. 7 Abs. 1 Nr. 7 des 4. StRÄndG35 wird relevant, wenn deutsche Interessen nicht oder nur mittelbar betroffen sind. Geschützt sind dann die NATO- Vertragsstaaten, die Truppen in Deutschland stationiert haben.36 34 Vgl. hierzu besonders Lampe/Hegemann in: Münchner Kommentar zum StGB, Band 2/2, §§ 80-184 f StGB, 1. Auflage 2005, § 99 Rdnr. 18. 35 Viertes Strafrechtsänderungsgesetz vom 11. Juni 1957 (BGBl. I S. 597). 36 Vgl. Lampe/Hegemann, a a. O., § 99 Rdnr. 20 : „Tatort kann dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift zu folge nur im Inland sein.“ - 13 - 4. Der Tatbestand des § 99 Abs. 1 Nr. 2 StGB § 99 Abs. 1 Nr. 2 StGB erfasst die Fälle, in denen der Täter sich ernstlich schriftlich oder mündlich ausdrücklich oder auch konkludent gegenüber dem Geheimdienst einer fremden Macht zur geheimdienstlichen Agententätigkeit i. S. d. Nr. 1 des § 99 Abs. 1 StGB bereiterklärt.37 5. Zusammenfassung Rechtstatsächlich gehört § 99 StGB zu den am häufigsten verwirklichten Straftatbeständen aus dem gesamten Bereich der Staatsschutzdelikte; gleichwohl wird derartiges Verhalten nur selten abgeurteilt. Abgesehen von dem bestehenden Dunkelfeld erzwingen politische Rücksichten oft nur eine diskrete Erledigung.38 Angesichts der Weite des Tatbestandes kann es nicht zweifelhaft sein, dass sehr leicht der Verdacht einer geheimdienstlichen Agententätigkeit mit einem entsprechenden und oft langwierigen Ermittlungsverfahren gegeben sein kann.39 § 99 StGB verstößt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts weder gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG noch gegen sonstiges Verfassungsrecht . Die „verfassungsrechtliche Billigung“40 erfasst auch die Reichweite des Schutzbereichs, also dass die Strafbarkeit auf im Ausland begangene Tathandlungen aufgrund des strafrechtlichen Schutzprinzips (§ 5 Nr. 4 StGB) oder der Vorschriften über den Tatort (§ 9 StGB) erstreckt wird. Das Ausüben einer geheimdienstlichen Tätigkeit ist nach einer Literaturmeinung „unüberbietbar dunkel“41 formuliert; die Tätigkeit selbst kann heimlich/konspirativ entfaltet werden oder völlig offen und lediglich die nachrichtendienstliche Anbindung verheimlicht werden. 37 Ebenso wie in § 98 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist nur das ernstgemeinte Sich-bereit-Erklären strafbar (vgl. BT-Drs. V/2860 S. 23). Gegenüber dem „Ausüben einer Tätigkeit nach § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist die 2. Modalität subsidiär, vgl. BGHSt 43, 1 (8). 38 Vgl. Paeffgen, Hans-Ullrich in: Kindhäuser, Urs/ Neumann, Ulfrid/ Paeffgen, Hans-Ullrich, StGB, Kommentar, Band 1, 2. Auflage 2005, § 99 Rdnr.5 unter Hinweis auf die Einstellung eines Verfahrens gegen syrische Agenten, obwohl Anklage des Generalbundesanwaltes beim OLG Koblenz am 15.07.2002 gerade zugelassen worden war (Frankfurter Rundschau v. 13.05.02, S. 7; 16.07.2002, S. 4; 23.07.2002, S. 1). 39 Aus der Sicht von Betroffenen hierzu: Perger, Die Verdächtigung oder wie aus Personen Spione gemacht werden (1978); Flemming Sörensen, Verdächtigt sind wir alle. Die Paranoia der Staatsmacht (1983), Vgl. Dammann, Klaus, Geheimdienstliche Agententätigkeit (§ 99 StGB) – Relikt des kalten Krieges, Vierteljahreszeitschrift Demokratie und Recht 1985, S. 197 mit weiteren Beispielen. 40 Vgl. Paeffgen, Hans-Ullrich, a. a. O., § 99 Rdnr. 4 unter Hinweis auf BVerfGE 57, 250 (263 ff.); 92,277 (317 ff.). 41 Vgl. Paeffgen, Hans-Ullrich, a. a. O., § 99 Rdnr. 8. - 14 - Anliegen des 8. StrÄndG war es, § 99 StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt auszugestalten . Er hat hierbei auf die tatsächlichen Arbeitsweisen fremder Nachrichtendienste abgestellt und darauf verzichtet, ein spezifisches Verhalten als wesensgleich für Spionage zu definieren und unter Strafe zu stellen. Als Folge davon können „an sich wertneutrale Allerweltshandlungen“42 vom Tatbestand des § 99 StGB erfasst werden, was die Notwendigkeit einer näheren Eingrenzung und Bestimmtheit der Tatbestandsbeschreibung nahe legt. Dieses Anliegen verfolgt das Adjektiv „geheimdienstlich“. Es verknüpft die – für sich betrachtet möglicherweise wertneutrale – Tätigkeit mit der unwerten Beziehung zum Geheimdienst einer fremden Macht und wirft im konkreten Fall die Frage auf, ob sich in der fraglichen Tätigkeit die Integration in die Ausforschungsbestrebungen des fremden Dienstes verwirklicht. 42 Vgl. Lampe/Hegmann in: Münchner Kommentar zum StGB, Band 2/2, §§ 80-184 f StGB, 1. Auflage 2005, § 99 Rdnr. 9. - 15 - 6. Literaturverzeichnis Dammann, Klaus, Geheimdienstliche Agententätigkeit (§ 99 StGB) – Relikt des kalten Krieges, Vierteljahresschrift Demokratie und Recht 1985, S. 188 – 201 Pabst, Jürgen, Zum Begriff der geheimdienstlichen Tätigkeit in § 99 Abs. 1 StGB, JZ 1977, S. 427 – 430 Joecks, Wolfgang/Miebach, Klaus/Sander, Günther M., Münchner Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band 2/2, §§ 80 – 184 f. StGB, 1. Auflage 2005 Schönke, Adolf/Schröder, Horst, Strafgesetzbuch, Kommentar, 26. Auflage 2001 Kindhäuser, Urs/Neumann, Ulfrid/Paeffgen, Hans/Ullrich, Strafgesetzbuch, Band 1, 2. Auflage 2005 Schroeder, Friedrich-Kristian, Der Schutz staatsbezogener Daten im Strafrecht, Neue juristische Wochenschrift, 1981, S. 2278 – 2283 Vogel, Friedrich, Der Straftatbestand der geheimdienstlichen Agententätigkeit – Kein Experimentierfeld für den Gesetzgeber, Zeitschrift für Rechtspolitik 1982, S. 38 – 40 Tröndle, Herbert/Fischer, Thomas, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, Kommentar, 49. Auflage 1999 Radden Keefe, Patrick, Der globale Lauschangriff, aus Politik und Zeitgeschichte 2006, S. 24 – 31 Rudolphi, Hans-Joachim/Horn, Eckard/Günther, Hans-Ludwig/Samson, Erich, Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band II Besonderer Teil (§§ 80 – 358) Loseblattsammlung (Stand: März 2005)