WD 7 - 3000 - 005/19 (8. Januar 2019) © 2019 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. In nicht alltäglichen Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung sind gemeinsam sorgeberechtigte , getrennt lebende Eltern grundsätzlich gemeinsam zur Entscheidung berechtigt und verpflichtet (§ 1687 Absatz 1 BGB [Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch Artikel 4d des Gesetzes vom 18. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2651) geändert worden ist]). Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung sind im Regelfall solche, die nicht häufig vorkommen und auch deshalb in aller Regel erhebliche Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben oder haben können und in ihren Folgen nur mit einigem Aufwand zu beseitigen sind (Hennemann, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 1687 BGB Rn. 5). Auch für Auslandsaufenthalte des Kindes gilt infolgedessen, dass sie bei gemeinsamer Sorge nicht generell beiderseits zustimmungsbedürftig sind, sondern nur, wenn sie im Einzelfall unter den konkreten Umständen eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind darstellen (Lenz, Anm. zu OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 21.07.2016 – Az. 5 UF 206/16, BeckRS 2016, 13326). Im Einzelnen gilt demnach Folgendes: – Urlaubsreisen haben nur ausnahmsweise schwer abzuändernde Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29.05.2007, Az. 16 WF 83/07, BeckRS 2008, 7632). Bei einer kurzen Auslandsreise zu Urlaubszwecken kann relevant sein, ob mit der Reise außergewöhnliche Gefährdungen verbunden sein können, etwa weil die Reise in ein Krisengebiet erfolgen soll, oder ob die Reise in einen dem Kind nicht umfassend vertrauten Kulturkreis erfolgen soll. Gerichtsentscheidungen zufolge kann bei solchen Konstellationen eine bedeutende Angelegenheit vorliegen und infolgedessen das Einvernehmen beider Elternteile hinsichtlich der Reise erforderlich sein (vgl. OLG Frankfurt a.M. a.a.O. [Türkei-Reise]; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.08.2014, Az. 5 WF 115/14, NZFam 2015, 235 [Ukraine-Reise]; OLG Köln, Beschluss vom 04.06.2004, Az. 4 WF 4/04, NJR-RR 2005, 90 [Katar-Reise]). Im Umkehrschluss belegen diese Entscheidungen, dass bei einer üblichen Urlaubsreise mit einem Elternteil in ein als sicher eingestuftes Land in Ermangelung besonderer Umstände des Einzelfalles eine gemeinsame Entscheidung der Eltern grundsätzlich nicht erforderlich ist. Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Gemeinsames Sorgerecht getrennt lebender Eltern bei der Entscheidung über Auslandsaufenthalte ihres Kindes Kurzinformation Gemeinsames Sorgerecht getrennt lebender Eltern bei der Entscheidung über Auslandsaufenthalte ihres Kindes Fachbereich WD 7 (Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Bau und Stadtentwicklung) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 – Handelt es sich im Gegensatz zu solch einer kurzen, gemeinsam mit einem Elternteil durchgeführten Urlaubsreise um einen sich über einen langen – etwa mehrmonatigen oder gar ein ganzes Jahr umfassenden – Zeitraum erstreckenden Auslandsaufenthalt eines Schülers ohne Elternteil im Rahmen eines Praktikums oder eines Schulaustausches, dürfte es sich hierbei im Regelfall nicht mehr um eine bloße Alltagsangelegenheit handeln, sondern um eine wichtige Angelegenheit von erheblicher Bedeutung. Hierfür spricht, dass das betroffene Kind bei einer solchen Situation vor besondere persönliche Herausforderungen gestellt wird, indem es sein gewohntes Lebensumfeld nicht nur vorübergehend verlässt und sich sowohl persönlich als auch schulisch sowie kulturell vollkommen neu orientieren muss. Insbesondere hat ein solcher Aufenthalt zudem in der Regel erhebliche Auswirkungen auf den heimischen Schulbesuch, namentlich dessen Unterbrechung und damit einhergehend die Verzögerung der heimischen Schullaufbahn sowie das Erfordernis der Wiedereingliederung in ein neues schulisches Umfeld nach Rückkehr. Im Ergebnis dürfte es sich deshalb bei der Entscheidung über einen langfristigen Auslandsaufenthalt im Rahmen eines Schüleraustausches bzw. eines Praktikums im Regelfall um eine Angelegenheit handeln, die gemeinsam sorgeberechtigte Eltern gemäß § 1687 BGB gemeinsam im Einvernehmen zu treffen haben. Können sich die Eltern in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten der elterlichen Sorge, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen, so kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen (§ 1628 BGB, vgl. Hennemann, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 1687 BGB Rn. 15). * * *