© 2021 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 003/21 Baurechtliche Einzelfragen der dauerhaften Nutzung von Bauwagen zu Wohnzwecken Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 003/21 Seite 2 Baurechtliche Einzelfragen der dauerhaften Nutzung von Bauwagen zu Wohnzwecken Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 003/21 Abschluss der Arbeit: 21. Januar 2021 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 003/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Baurechtliche Rahmenbedingungen 4 2.1. Bauplanungsrechtliche Rahmenbedingungen 4 2.2. Bauordnungsrechtliche Rahmenbedingungen 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 003/21 Seite 4 1. Einleitung Verschiedene Faktoren bewegen offenbar immer mehr Menschen zu der Entscheidung, dauerhaft in einem Bauwagen leben zu wollen.1 Die Genehmigungsfähigkeit eines solchen Vorhabens bestimmt sich nach den Umständen eines jeden Einzelfalls. Allgemein sind bei der Frage der rechtlichen Zulässigkeit einer dauerhaften Nutzung von Bauwagen zu Wohnzwecken sowie dem Betrieb eines hierfür erforderlichen Wagenplatzes jedoch insbesondere auch verschiedene Vorschriften aus dem Bau- und Bauordnungsrecht zu beachten. Diese sollen nachfolgend überblicksartig und summarisch dargestellt werden. 2. Baurechtliche Rahmenbedingungen Das deutsche Baurecht ist nicht einheitlich geregelt, sondern setzt sich aus verschiedenen landesund bundesrechtlichen, gesetzlichen und untergesetzlichen Normierungen zusammen. Das bundesrechtlich geregelte Bauplanungsrecht bestimmt die bauliche Nutzbarkeit von Grundstücken in Bezug auf ihre Einfindung in der Umgebung.2 Das wohl wichtigste und grundlegendste Regelungswerk im Bauplanungsrecht ist das Baugesetzbuch (BauGB).3 Die Landesbauordnungen regeln primär das Verwaltungsverfahren rund um die Baugenehmigung , die durch die jeweils zuständige Bauaufsichtsbehörde der Bundesländer erteilt wird.4 Allerdings enthalten sie auch von Bauherren einzuhaltende sicherheitsrechtliche und technische Bestimmungen rund um das Bauwerk (z.B. Abstandsflächen).5 Dies bezeichnet man auch als Bauordnungsrecht .6 2.1. Bauplanungsrechtliche Rahmenbedingungen Voraussetzung der Anwendung der bauplanungsrechtlichen Regelungen des BauGB ist die Errichtung , Änderung oder Nutzungsänderung einer baulichen Anlage im Sinne des Bauplanungsrechts , die in einer auf Dauer gedachten Weise künstlich mit dem Erdboden verbunden ist und 1 Vgl. etwa Schober, in: Süddeutsche Zeitung vom 14. November 2017, „Ein Biotop für Anderswohner“, abrufbar unter: https://www.sueddeutsche.de/muenchen/leben-im-bauwagen-wagenburg-1.3749250 (Stand dieser und aller nachfolgenden Internetquellen 21. Januar 2021); Achinger, in: ZEIT online vom 21. Oktober 2008, „Mein Auto, mein Haus“, abrufbar unter https://www.zeit.de/zuender/2007/38/leben-im-bauwagen. 2 Ebenda, Stichwort: „Bauplanungsrecht“. 3 Baugesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. November 2017 (BGBl. I S. 3634), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 8. August 2020 (BGBl. I S. 1728) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/bbaug/. 4 Vgl. Weber, in: Creifelds, Rechtswörterbuch, 24. Auflage 2020, Stichwort: „Baubehörden“. 5 Ebenda, Stichwort: „Bauordnungsrecht“. 6 Ebenda. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 003/21 Seite 5 bodenrechtliche Relevanz7 aufweist.8 Bauwagen sind in der Regel nicht mit dem Erdboden verbunden . Allerdings stellen solche Wagen, die dauerhaft bewohnt werden und ortsfest gemacht sind, einen Ersatz für Wohngebäude dar und sind nach der Rechtsprechung folglich dennoch als bauplanungsrechtlich relevante Vorhaben anzusehen.9 Für die Prüfung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit ist die räumliche Lage des jeweiligen Vorhabens ausschlaggebend, insbesondere etwa ob dieses innerhalb eines Bebauungsplans oder im (unbeplanten) Innen- oder Außenbereich liegt. So muss für die Zulässigkeit eines Vorhabens im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans im Sinne von § 30 BauGB die Erschließung gesichert sein und den Planfestsetzungen entsprochen werden (vgl. § 30 Abs. 1 BauGB). Die gesicherte Erschließung erfordert dabei mindestens einen Anschluss an das Strom-, Wasser- und Abwassernetz.10 Gerade eine solche Anbindung an das öffentliche Ver- und Entsorgungsnetz besteht bei dauerhaft als Wohnung genutzten Bauwagen jedoch teilweise nicht.11 Daher kann sich die Unzulässigkeit des Vorhabens von Bauwagen sowohl aus der Nichteinhaltung der Planfestsetzungen als auch aus der mangelnden Erschließung ergeben. Die Zulässigkeit eines Vorhabens im unbeplanten Innenbereich setzt gemäß § 34 Abs. 1 BauGB grundsätzlich voraus, dass es sich in die nähere Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Ob sich ein Vorhaben nach der Art der baulichen Nutzung in die Umgebung einfügt, bestimmt sich nach den für die einzelnen Baugebiete in der Baunutzungsverordnung (BauNVO)12 dargestellten Nutzungsarten, soweit diese in der näheren Umgebung hervortreten.13 Nach einer in der Rechtsprechung vertretenen Ansicht ist ein dauerhaft bewohnter Bauwagen dabei weder als Wohn- noch als Gewerbegebäude zu betrachten und infolgedessen die Aufstellung von Bauwagen zur Wohnnutzung in keinem der in den §§ 2 – 10 BauNVO festgelegten Gebietstypen vorgesehen .14 Vielmehr handele es sich bei dauerhaft bewohnten Bauwagen um eine außerhalb des Bauplanungsrechts liegende bauliche Nutzung, die sich im unbeplanten Innenbereich nicht in die 7 Bodenrechtliche (bauplanungsrechtliche) Relevanz liegt vor, „wenn das Vorhaben geeignet ist, ein Bedürfnis nach einer seine Zulässigkeit regelnden verbindlichen Bauleitplanung hervorzurufen“, vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 1993, Az.: 4 C 22/92, NVwZ 1994, 1010, 1011. 8 Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 7. Mai 2001, Az.: 6 C 18.00, ZfBR 2001, 481. 9 Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26. Juni 1970, Az.: 4 C 116.68 , juris, Rn. 11; Oberverwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 22. Januar 2003, Az.: 2 S 45.02,juris, Rn. 7. 10 Mitschang, in: Battis/Krautzberger/Löhr (Hrsg.), Baugesetzbuch, 14. Auflage 2019, § 30 BauGB, Rn. 21. 11 Vgl. etwa Oberverwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 13. März 1998, Az.: 2 S 2.98, juris, Rn. 1. 12 Baunutzungsverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. November 2017 (BGBl. I S. 3786), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/baunvo/BJNR004290962.html#BJNR004290962BJNG000102116. 13 Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 3. April 1987, Az.: 4 C 41/84, NVwZ 1987, 884. 14 Oberverwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 13. März 1998, Az.: 2 S 2.98, juris, Rn. 21. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 003/21 Seite 6 nähere örtliche Umgebung einfügen könne.15 Eine dem entgegenstehende – mithin baugebietsfremde – Nutzung kann das aus § 34 Abs. 1 BauGB abzuleitende Rücksichtnahmegebot verletzen 16 und in der Rechtsfolge etwa zu einem Beseitigungsanspruch von Nachbarn führen.17 Im Außenbereich sollen gemäß § 35 BauGB vorwiegend privilegierte Bauvorhaben – vor allem aus dem Landwirtschafts- und Energiesektor – verwirklicht werden, sofern öffentliche Belange nicht entgegenstehen und die ausreichende Erschließung gesichert ist (vgl. § 35 Abs. 1 BauGB). Sonstige Vorhaben können nur im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt (vgl. § 35 Abs. 2 BauGB). Die Aufstellung von Bauwagen zu Wohnzwecken ist im Außenbereich nicht privilegiert. Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange könnte sich im Außenbereich beispielsweise aus einem Widerspruch zum Flächennutzungsplan (vgl. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB) oder aufgrund der drohenden Entstehung einer Splittersiedlung (vgl. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB) ergeben. Folgt man der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Berlin, kann die Errichtung eines Wagenplatzes in keinem der in §§ 2 bis 10 BauNVO festgelegten Baugebiete realisiert werden.18 Gebiete, die sich wesentlich von den in den §§ 2 bis 10 BauNVO genannten Baugebieten unterscheiden , sind als sonstige Sondergebiete darzustellen (vgl. § 11 Abs. 1 BauNVO). Der Katalog der in § 11 Abs. 2 BauNVO für ein sonstiges Sondergebiet „insbesondere“ infrage kommenden Nutzungsarten sieht eine reine dauerhafte Wohnnutzung nicht vor, ist aber auch nicht abschließend . Vielmehr besteht bei der Festsetzung eines Sondergebietes keine Bindung an die in den §§ 2 – 10 BauNVO vorgesehenen Nutzungsarten und es kann festgelegt werden, welche Anlagen zulässig sind.19 Demnach kann die Ausweisung eines sonstigen Sondergebietes zur Errichtung eines Wagenplatzes gemäß § 11 BauNVO einzelfallabhängig in Betracht kommen. Dies setzt voraus, dass die Nutzung als Wagenplatz in dem Sondergebiet als zulässig ausgewiesen wird (vgl. § 11 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO). Ein konkretes Beispiel hierfür findet sich etwa in der Hansestadt Rostock.20 2.2. Bauordnungsrechtliche Rahmenbedingungen Die bauordnungsrechtliche Zulässigkeit hängt von den spezifischen landesrechtlichen Ausgestaltungen ab; eine allgemeingültige Aussage über die etwaige Zulässigkeit einer Wohnnutzung 15 Oberverwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 22. Januar 2003, Az.: 2 S 45.02, juris, Rn.8; Oberverwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 13. März 1998, Az.: 2 S 2.98, juris, Rn. 21. 16 Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 15. Dezember 1994, Az.: 4 C 13/93, juris, Rn. 22. 17 Oberverwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 22. Januar 2003, Az.: 2 S 45.02, juris, Rn. 10; Oberverwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 13. März 1998, Az.: 2 S 2.98, juris, Rn. 27. 18 Oberverwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 13. März 1998, Az.: 2 S 2.98, juris Rn. 21. 19 Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (Hrsg.), Baugesetzbuch Kommentar, Werkstand: 139. EL August 2020, § 11 BauNVO, Rn. 30. 20 Hansestadt Rostock, 13. Änderung des Flächennutzungsplanes, Ausweisung eines Sondergebietes Wagenplatz, abrufbar unter: https://geo.sv.rostock.de/download/pdf/flaechennutzungsplan_2009_aenderungen/5d07bbaf- 0c99-42e6-9dcf-ecd569e5d19d_zusammenfassende-erklaerung.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 003/21 Seite 7 kann mithin nicht getroffen werden. Nachfolgend sollen daher Einzelaspekte lediglich beispielhaft anhand der Berliner Bauordnung (BauO Bln)21 und der Niedersächsischen Bauordnung (NBauO)22 vorgestellt werden, die der Wohnraumnutzung von Bauwagen potenziell entgegenstehen können. Auf Dauer bewohnte Bauwagen werden überwiegend ortsfest benutzt und stellen daher nach bauordnungsrechtlichen Kriterien bauliche Anlagen dar23; sie bedürfen folglich einer Genehmigung (vgl. § 59 Abs. 1 BauO Bln; § 59 Abs. 1 NBauO). Der Erhalt einer solchen bauordnungsrechtlichen Genehmigung hängt von einer Vielzahl von verschiedenen Faktoren ab, von denen nachstehend in Bezug auf die Wohnnutzung von Bauwagen in Betracht kommende Bestimmungen exemplarisch aufgezählt werden. So müssen bauliche Anlagen zunächst der Entstehung eines Brandes vorbeugen (vgl. § 59 Abs. 1 BauO Bln; § 59 Abs. 1 NBauO), was zumindest bei hölzernen Bauwagen als problematisch anzusehen scheint. Daneben muss die Beseitigung des Abwassers sichergestellt (vgl. § 44 Abs. 1 BauO Bln; § 41 Abs. 2 Satz 1 NBauO.) und ein Kaltwasserzähler vorhanden sein (vgl. § 43 Abs. 3 Satz 1 BauO Bln; § 41 Abs. 3 Satz 1 NBauO). Wohnungen müssen zudem sowohl über eine Küche oder Kochnische (vgl. § 48 Abs. 1 Satz 1 BauO Bln; § 44 Abs. 3 Satz 1 NBauO) als auch ein Bad mit Dusche und Toilette (vgl. § 48 Abs. 3 BauO Bln; § 45 Abs. 1 NBauO) verfügen, deren ausreichende Belüftung gewährleistet ist. *** 21 Bauordnung für Berlin (BauO Bln) vom 29. September 2005, die zuletzt durch Artikel 23 des Gesetzes vom 12.10.2020 (GVBl. S. 807) geändert worden ist, abrufbar unter: https://gesetze.berlin.de/bsbe/document/jlr- BauOBE2005rahmen. 22 Niedersächsische Bauordnung vom 3. April 2012, die zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 10. November 2020 (Nds. GVBl. S. 384) geändert worden ist, abrufbar unter: http://www.nds-voris.de/jportal /?quelle=jlink&query=BauO+ND&psml=bsvorisprod.psml&max=true&aiz=true. 23 Vgl. Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Beschluss vom 18. Oktober 2004, Az.: 1 ME 205/04, juris, Rn. 28; Oberverwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 22. Januar 2003, Az.: 2 S 45.02, juris, Rn. 6.