© 2016 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 002/16 Vergaberechtliche Aspekte zum Honorar für Lehrkräfte in Integrationskursen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 002/16 Seite 2 Integrationskursen Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 002/16 Abschluss der Arbeit: 20. Januar 2016 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr , Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 002/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Neustrukturierung des GWB, §§ 97 ff. GWB 5 2.1 Auftragsausführung, §128 GWB n. F. 6 2.2 Steuerungsmöglichkeiten aus vergaberechtlicher Sicht 7 3. Fazit 7 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 002/16 Seite 4 1. Einleitung Die Fachbereiche des Wissenschaftlichen Dienstes haben sich bereits mehrfach ausführlich mit der Vergütung von Lehrkräften für Integrationskurse auseinandergesetzt.1 Auch unter vergaberechtlichen Aspekten wurden das Mindesthonorar und die Steuerungsmöglichkeiten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bereits eingehend durchleuchtet. Dabei ist insbesondere auf § 97 Abs. 4 GWB2 sowie § 43 Abs. 4 AufenthG3 in Verbindung mit § 20 Abs. 5 IntV4 eingegangen worden5. Durch das Vergaberechtsmodernisierungsgesetz (VergRModG)6 werden die wesentlichen Regelungen der neuen EU-Vergaberichtlinien7 in nationales Recht umgesetzt. Aus diesem Anlass wurde der bisherige vierte Teil des GWB „Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen “ umfassend überarbeitet und neu strukturiert.8 Folgende Ausführungen beschäftigen sich mit der Frage, inwiefern diese Gesetzesänderungen Einfluss auf die vergaberechtlichen Aspekte hinsichtlich des Honorars von Lehrkräften für Integrationskurse haben. 1 Vgl. , in: Wissenschaftliche Dienste des Bundestages (Hrsg.): Mindesthonorare für Honorarkräfte in Integrationskursen , WD 7-3000- 238/11-Anlage 1; Steuerungsmöglichkeiten zur Höhe von Honorare für Integrationskur -se, WD 7-3000-246/11, Anlage 2; Mindesthonorare für Lehrkräfte in Integrationskursen, WD 7-3000-089/12, Anlage 3.; Vgl. , in Wissenschaftliche Dienste des Bundestages (Hrsg.): Rechtliche Rahmenbedingungen von Honorarlehrkräften in Integrationskursen, WD 6-3000-117/09. 2 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1750, ber. S. 3245), zuletzt geändert durch Art. 258 Zehnte ZuständigkeitsanpassungsVO vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474). 3 Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 5 G zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und weiterer Vorschriften vom 21. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2557). 4 Verordnung über die Durchführung von Integrationskursen für Ausländer und Spätaussiedler (Integrationskursverordnung - IntV) vom 13. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3370), zuletzt geändert durch Art. 2 VO zum Asylverfahrensbeschleunigungs G vom 24. Oktober 2015 (BGBl. I S. 1789). 5 Auf folgende Arbeit wird zur Vermeidung von Wiederholungen (zum AufenthaltsG und IntV) Bezug genommen: Vgl. , in Wissenschaftliche Dienste des Bundestages (Hrsg.): Steuerungsmöglichkeiten zur Höhe von Honorare für Integrationskurse, WD 7-3000-246/11, Anlage 2, S. 6. 6 Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts, BT-Drs. 18/6281, Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie (9. Ausschuss), BT-Drs. 18/7086. 7 Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG, (ABl. Nr. L 94 S. 65); Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/17/EG, (ABl. Nr. L 94 S. 243); Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Konzessionsvergabe, (ABl. Nr. L 94 S. 1, ber. ABl. 2015 Nr. L 114 S. 24). 8 Das Gesetz soll spätestens am 18. April 2016 in Kraft treten, vgl. BR-Drs. 596/15. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 002/16 Seite 5 2. Neustrukturierung der §§ 97 ff. GWB Bisher war die Möglichkeit zur Vorgabe von Ausführungsbedingungen in § 97 Abs. 4 GWB niedergelegt . Im Vorlaut lautet § 97 Abs. 4 GWB bisher: „(4) Aufträge werden an fachkundige, leistungsfähige sowie gesetzestreue und zuverlässige Unternehmen vergeben. Für die Auftragsausführung können zusätzliche Anforderungen an Auftragnehmer gestellt werden, die insbesondere soziale, umweltbezogene oder innovative Aspekte betreffen, wenn sie im sachlichen Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen und sich aus der Leistungsbeschreibung ergeben. Andere oder weitergehende Anforderungen dürfen an Auftragnehmer nur gestellt werden, wenn dies durch Bundes- oder Landesgesetz vorgesehen ist.“ Die Mindestlohnanforderung wurde bislang nach einer Ansicht als „sozialer Aspekt“ im Sinne des § 97 Abs. 4 S. 2 GWB verstanden, nach einer anderen Ansicht unter einer „andere oder weitergehenden Anforderung“ im Sinne des Satzes 3 gefasst.9 Diese Unterscheidung konnte deshalb bedeutsam werden, weil im Gegensatz zu Satz 3 im Satz 2 keine Anforderungen zur Rechtsgrundlage gestellt werden. Dafür muss jedoch ein Sachzusammenhang zum Auftragsgegenstand bestehen oder sich aus der Leistungsbeschreibung ergeben. Satz 2 konnte jedoch nur im Lichte der Entsenderichtlinie auszulegen sein. So durfte ein Mindesthonorar nur dann als Anforderung im Sinne eines „sozialen Aspektes“ auferlegt werden, wenn dies aufgrund eines Bundes- oder Landesgesetzes oder aufgrund eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrages erfolgen würde.10 Die Neuregelung des §97 Abs. 4 GWB soll eine solche Unterscheidung nicht mehr vorsehen. Dieser soll im Wortlaut lauten: „(4) Mittelständische Interessen sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Wird ein Unternehmen, das nicht öffentlicher Auftraggeber oder Sektorenauftrag-geber ist, mit der Wahrnehmung oder Durchführung einer öffentlichen Aufgabe betraut, verpflichtet der öffentliche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber das Unternehmen, sofern es Unteraufträge vergibt, nach den Sätzen 1 bis 3 zu verfahren.“ Damit entspricht § 97 Absatz 4 GWB n. F. wortgleich dem bisherigen § 97 Abs. 3 GWB11. Der allgemeine Grundsatz der Vergabe unter sozialen und umweltbezogenen Aspekten soll sich nunmehr im § 97 Abs. 3 GWB n. F. wiederfinden in dem es heißt: 9 Vgl. , in: Wissenschaftliche Dienste des Bundestages (Hrsg.): Steuerungsmöglichkeiten zur Höhe von Honorare für Integrationskurse, WD 7-3000-246/11, Anlage 2, S. 9. 10 Ebenda. 11 Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts, BT- Drs. 18/6281, S. 68. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 002/16 Seite 6 „(3) Bei der Vergabe werden soziale und umweltbezogene Aspekte sowie Aspekte der Qualität und der Innovation nach Maßgabe dieses Teils berücksichtigt.“ 2.1 Auftragsausführung, §128 GWB n. F. Nunmehr soll §128 GWB in seiner novellierten Form Näheres zu den Auftragsausführen regeln. Während Abs. 1 die Rechtsvorschriften, die bei der Auftragsausführung zu beachten sind benennt , stellt Abs. 2 klar, dass der Gesetzgeber auch über die gesetzlich zwingend vorgeschriebenen Vorgaben hinaus individuelle Ausführungsbedingungen auferlegen kann, sofern sie mit dem Auftragsgegenstand im Zusammenhang stehen.12 § 129 GWB n. F. stellt dabei jedoch klar, dass jede Ausführungsbedingung die vom öffentlichen Auftraggeber auferlegt wird, auf ein Bundesoder Landesgesetzes beruhen muss.13 § 128 Abs. 1 GWB n.F. wird im Wortlaut lauten: „(1) Unternehmen haben bei der Ausführung des öffentlichen Auftrags alle für sie geltenden rechtlichen Verpflichtungen einzuhalten, insbesondere Steuern, Abgaben und Beiträge zur Sozialversicherung zu entrichten, die arbeitsschutzrechtlichen Regelungen einzuhalten und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wenigstens diejenigen Mindestarbeitsbedingungen einschließlich des Mindestentgelts zu gewähren, die nach dem Mindestlohngesetz, einem nach dem Tarifvertragsgesetz mit den Wirkungen des Arbeitnehmer - Entsendegesetzes für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrag oder einer nach § 7, § 7a oder § 11 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes oder einer nach § 3a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes erlassenen Rechtsverordnung für die betreffende Leistung verbindlich vorgegeben werden.“ Mit dieser Regelung wird Artikel 18 Abs. 2 der Richtlinie 2014/24/EU umgesetzt. Die Mitgliedstaaten werden darin verpflichtet sicherzustellen, dass die beauftragten Unternehmen den jeweils geltenden umwelt-, sozialen und arbeitsrechtlichen Verpflichtungen nachkommen. Über diese Vorgabe hinaus wird (deklaratorisch) festgestellt, dass alle für die Unternehmen rechtlich geltenden Vorschriften eingehalten werden müssen. Die Einhaltung dieser Verpflichtungen bemisst sich nach der jeweils einzuhaltenden Regelung, da in ihr sämtliche Sanktionsmechanismen geregelt werden14. Damit erweitert Abs. 1 nicht die gesetzlichen Verpflichtungen oder stellt gar eine eigene Verpflichtungsgrundlage dar, vielmehr werden die bereits bestehenden Pflichten Vertragsbestandteil , die im Falle ihrer Verletzung Gegenstand von zivilrechtlichen Folgen sein können. 12 Entsprechend § 127 Abs. 3 GWB n. F, vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts , Vergabemodernisierungsgesetz – VergRModG, BT - Drs. 18/6281, S. 113. 13 Vgl. Wortlaut des §129 GWB n. F: „Ausführungsbedingungen, die der öffentliche Auftraggeber dem beauftragten Unternehmen verbindlich vorzugeben hat, dürfen nur aufgrund eines Bundes- oder Landes-gesetzes festgelegt werden.“. 14 Vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts, Vergabemodernisierungsgesetz – VergRModG, BT - Drs. 18/6281, S. 113. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 002/16 Seite 7 Demnach hat der öffentliche Auftraggeber zwar die Möglichkeit, bei der Vergabe von Aufträgen die Sicherstellung des allgemeinen Mindestlohns je Zeitstunde bei den Beschäftigten zu gewährleisten . Das Mindestlohngesetz (MiLoG)15 findet jedoch nur auf Arbeitnehmer und gerade nicht auf Honorarkräfte Anwendung. Auch ein für allgemeinverbindlich erklärter Tarifvertrag oder eine Honorarordnung die eine Mindestentlohnung vorgeben, bestehen für Honorarkräfte in Integrationskursen insoweit nicht16. Darüber hinaus dürfen nach §128 Abs. 2 GWB öffentliche Auftraggeber „besondere Bedingungen “ für die Ausführung eines Auftrags festlegen, sofern sie mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen. Dabei werden diese besonderen Bedingungen Vertragsbestandteil. Der öffentliche Auftraggeber hat darüber hinaus die Möglichkeit, sich deren Einhaltung gesondert zusichern zu lassen. Im Falle einer Vertragsverletzung müsste so gegebenenfalls eine Vertragsstrafe gezahlt werden. Auch ein Sonderkündigungsrecht könnte für solch ein Fall eingeräumt werden. Die Anforderungen können dabei wirtschaftliche-, innovations-, umweltrechtsbezogene, soziale und beschäftigungspolitische Bereiche17 berühren, sofern sie mit dem Auftragsgegenstand in Zusammenhang stehen und sie sich aus den Vergabeunterlagen ergeben. Diese Anforderungen müssen jedoch auf einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage beruhen18. Eine solche Gesetzesgrundlage, welche die Bundesregierung zur Festlegung eines Mindesthonorars für Integrationslehrkräfte ermächtigt , ist jedoch weiterhin nicht ersichtlich. 2.2 Steuerungsmöglichkeiten aus vergaberechtlicher Sicht Im Rahmen des Zulassungsverfahrens hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) jedoch die Möglichkeit, mittelbar Einfluss auf die Preisentwicklung zu nehmen, indem sie die Zulassung der Kursträger auf einem Jahr, statt auf den üblichen drei Jahren beschränkt, falls den Lehrkräften weniger als 23 Euro19 pro Unterrichtseinheit gezahlt wird. 3. Fazit Auch die Novellierung des Vergaberechts hat die Einflussnahmemöglichkeiten des öffentlichen Auftraggebers hinsichtlich Honorarkräfte für Integrationskurse nicht geändert. Eine allgemeinverbindliche Regelung, welche die Bundesregierung ermächtigen könnte im Rahmen eines Vergabeverfahrens Mindesthonorare vorzugeben besteht insoweit nicht. Weder das Aufenthaltsgesetz 15 Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (Mindestlohngesetz - MiLoG) vom 11. August 2014 (BGBl. I S. 1348). 16 Ein für allgemeinverbindlich erklärter Tarifvertrag besteht zwar für pädagogisches Personal im Bereich von Ausund Weiterbildungsdienstleistungen, dieser umfasst in seinem Geltungsbereich jedoch nur Angestellte für Weiterbildungsmaßnahmen nach dem Zweiten oder Dritten Sozialgesetzbuches (vgl. SGB II, III) und gerade nicht Integrationskurse und Honorarkräfte. 17 Die Gesetzesbegründung stellt dabei fest, dass die Aufzählung nicht abschließender Natur ist, vgl. Vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts, Vergabemodernisierungsgesetz – VergR- ModG, BT - Drs. 18/6281, S. 113. 18 Vgl. § 129 n. F. (s.o.). 19 Die Honorar-Untergrenze wurde von 20 Euro auf 23 Euro angehoben, http://www.bamf.de/DE/Infothek/Traeger- Integrationskurse/Organisatorisches/Zulassung/Voraussetzungen/voraussetzungen-node.html Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 002/16 Seite 8 noch die aufgrund § 43 Abs. 4 AufenthG erlassene Rechtsverordnung (IntV), noch eine Honorarordnung bzw. ein bestehender und bindender Tarifvertrag bieten hierfür zum jetzigen Zeitpunkt eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage. Ende der Bearbeitung