© 2021 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 001/21 Regelungen des Mindestabstands von Windenergieanlagen zu Wohngebieten in ausgewählten europäischen Staaten Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Einleitung Windenergie hat sich in den vergangenen Jahren in Deutschland zu einer tragenden Säule der Energiewende entwickelt.1 Immer mehr Windenergieanlagen werden hierzulande errichtet.2 Auch im europäischen Ausland nimmt die Gesamtmenge der neu installierten Windenergieanlagenleistung stetig zu.3 Insbesondere vor dem Hintergrund der hierdurch mitunter entstehenden Licht- und Lärmemissionen sollen daher nachstehend überblicksartig und summarisch die rechtlichen Rahmenbedingungen etwaiger Mindestabstände von Windenergieanlagen zu Wohngebieten in ausgewählten europäischen Ländern dargestellt werden. 2. Rechtslage in Deutschland In Deutschland ergeben sich die für Windkraftanlagen jeweils einzuhaltenden Abstände zu Wohngebieten aus einer Mehrzahl von Vorgaben, etwa aus solchen des Immissionsschutzrechts, des Baurechts und des Naturschutzrechts.4 Der Bundesgesetzgeber gibt hierbei nur einen groben Rahmen vor und überlässt die nähere Ausgestaltung den einzelnen Bundesländern. So können die Bundesländer insbesondere Mindestabstände im Zusammenhang mit ihrer Raumplanung für die einzelnen Gemeinden oder Kommunen, die letztendlich im Einzelfall über die Aufstellung von Windkraftanlagen entscheiden, empfehlen. Exemplarisch sei hier erwähnt, dass das Bundesland Hessen in seiner Handlungsempfehlung „Windenergieanlagen“ einen vorsorglichen Abstand von 1.000 Metern zu Gebieten vorsieht, die dem Wohnen dienen.5 1 Vgl. die Aussagen des Umweltbundesamts zu „Windenergie“ vom 14. August 2020, abrufbar unter: https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/erneuerbare-energien/windenergie#strom (letzter Abruf dieses und aller weiteren Links am 10. Februar 2021). 2 Vgl. Statista, Statistik über die Anzahl der Onshore-Windenergieanlagen in Deutschland in den Jahren 2000 bis 2019, Stand Februar 2020, abrufbar unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/20116/umfrage/anzahlder -Windenergieanlagen-in-deutschland-seit-1993/. 3 Vgl. Statista, Statistik über die Verteilung der neu installierten Windenergieanlagenleistung in Europa im Jahr 2019 (letztes verfügbares Berichtsjahr), abrufbar unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/253271/umfrage /verteilung-der-neu-installierten-leistung-von-wea-nach-laendern-in-europa/. 4 Vgl. zur Rechtslage in Deutschland: Wissenschaftliche Dienste, Sachstand WD 7 - 3000 - 140/20, Rechtliche Einzelfragen des Mindestabstands von Windenergieanlagen zu Wohngebieten. 5 Vgl. Handlungsempfehlungen des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung und des Ministeriums für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu Abständen von raumbedeutsamen Windenergieanlagen zu schutzwürdigen Räumen und Einrichtungen für das Jahr 2010, S. 2, abrufbar unter: https://www.energieland.hessen.de/mm/Handlungsempfehlung_Windenergieanlagen_Staatsanzeiger _Nr_22_2010.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 001/21 Seite 5 3. Rechtslage in ausgewählten europäischen Staaten6 3.1. Österreich In Österreich sind in drei von neun Bundesländern Abstandsvorschriften zu Wohngebieten für Windkraftanlagen gesetzlich festgelegt. In einem vierten Bundesland gibt ein zentrales Fachkonzept Abstände vor. Das Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2010 (ElWOG 2010)7 des Bundes stellt in § 12 die Grundsätze für die Errichtung und den Betrieb von Elektrizitätserzeugungsanlagen dar; die Details finden sich in den jeweiligen Landes-Ausführungsgesetzen. So sieht das Land Oberösterreich in § 12 Abs. 2 OÖ ElWOG8 als Genehmigungsvoraussetzung für Windkraftanlagen folgende Abstandsvorschriften vor: „(2) Bei Windkraftanlagen ist ein Mindestabstand 1. zu überwiegend für Wohnzwecke genutzten Gebäuden im Grünland, 2. zu Flächen, die als Bauland gewidmet sind und 3. zu Flächen, die gemäß dem örtlichen Entwicklungskonzept als künftiger Baulandbedarf festgelegt sind, einzuhalten. Davon ausgenommen sind Flächenwidmungen für Betriebsbaugebiete, Industriegebiete , Gebiete für Geschäftsbauten und Flächen, die dazu bestimmt sind, Betriebe aufzunehmen , die unter den Anwendungsbereich der SEVESO II-Richtlinie fallen (§ 22 Abs. 6 und 7 und § 23 Abs. 3 und 4 Ziffer 3 Oö. ROG 1994). Der jedenfalls einzuhaltende Abstand beträgt bei Windkraftanlagen mit einer installierten Engpassleistung - bis zu 30 kW: mindestens 100 m - über 30 kW bis zu 0,5 MW: mindestens 500 m - über 0,5 MW und Windparks: bei wesentlichen Änderungen am gleichbleibenden Standort mindestens 800 m; bei Neuerrichtungen mindestens 1.000 m. Gegebenenfalls ist ein größerer Abstand einzuhalten, wenn dies gemäß Abs. 1 Ziffer 1 erforderlich ist.“ 6 Die Angaben unter diesem Gliederungspunkt basieren auf einer Abfrage bei den Parlamentsverwaltungen der entsprechenden Mitgliedsstaaten. Die erhaltenen Antworten in englischer und französischer Sprache wurden im Rahmen einer Arbeitsübersetzung ins Deutsche übersetzt. Bei der deutschen Wiedergabe von Rechtsvorschriften im nachfolgenden Gliederungspunkt handelt es sich folglich nicht um amtliche Übersetzungen. 7 Abrufbar unter: https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer =20007045. 8 Abrufbar unter: https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=LROO&Gesetzesnummer=20000397. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 001/21 Seite 6 Daneben können in Österreich auch im Raumordnungsrecht der Bundesländer einschlägige Regelungen für Windkraftanlagen vorgesehen sein. So sind etwa in Niederösterreich für die Widmung einer „Grünland-Windkraftanlage“ im Sinne des § 20 Abs. 3a NÖ Raumordnungsgesetz9 folgende Abstandsvorschriften zu finden: „(3a) Bei der Widmung einer Fläche für Windkraftanlagen müssen 1. eine mittlere Leistungsdichte des Windes von mindestens 220 Watt/m² in 130 m Höhe über dem Grund vorliegen und 2. folgende Mindestabstände eingehalten werden: - 1.200 m zu gewidmetem Wohnbauland und Bauland-Sondergebiet mit erhöhtem Schutzanspruch - 750 m zu landwirtschaftlichen Wohngebäuden und erhaltenswerten Gebäuden im Grünland (Geb), Grünland Kleingärten und Grünland Campingplätzen - 2.000 m zu gewidmetem Wohnbauland (ausgenommen Bauland-Gebiete für erhaltenswerte Ortsstrukturen), welches nicht in der Standortgemeinde liegt. Wenn sich dieses Wohnbauland in einer Entfernung von weniger als 800 m zur Gemeindegrenze befindet, dann beträgt der Mindestabstand zur Gemeindegrenze 1.200 m. Mit Zustimmung der betroffenen Nachbargemeinde (n) kann der Mindestabstand von 2.000 m auf bis zu 1.200 m reduziert werden. Bei der Widmung derartiger Flächen ist auf eine größtmögliche Konzentration von Windkraftanlagen hinzuwirken und die Widmung von Einzelstandorten nach Möglichkeit zu vermeiden .“ In Kärnten legt die Windkraftstandorträume-Verordnung 201610 in § 5 Abs. 6 fest: „(6) Die Entfernung von Windparks zu ständig bewohnten Gebäuden und zu gewidmetem Bauland, das für dauergenutzte Wohngebäude bestimmt ist, muss mindestens 1.500 m betragen . Eine Unterschreitung dieser Distanz ist dann zulässig, wenn aufgrund der geländespezifischen Gegebenheiten, zB durch die Abschirmungswirkung vorgelagerter Berge, unzumutbare Belastungen von ständig bewohnten Gebäuden nicht möglich und sicherheitstechnische Anforderungen im erforderlichen Ausmaß berücksichtigt sind.“ Das Raumordnungsrecht im Burgenland kennt keine zahlenmäßig festgelegten Mindestabstände. Der Windkraft-Zonierung werden aber die in einem Fachkonzept festgelegten Kriterien zu Grunde gelegt, die strikt eingehalten werden. Dabei ist zu Wohngebieten ein Mindestabstand von 1.200 m einzuhalten. Zusätzlich wird eine Dominanzanalyse vorgenommen, die bei bestimmten topografischen Gegebenheiten auch zu höheren Abständen führen kann. Die Wirkung einer 9 Abrufbar unter: https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=LrNO&Gesetzesnummer=20001080. 10 Abrufbar unter: https://www.ris.bka.gv.at/eli/lgbl/ka/2016/46/20160713. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 001/21 Seite 7 Windkraftanlage wird dabei als dominant angesehen, wenn sie das menschliche Blickfeld zu einem Viertel ausfüllt. 3.2. Schweden In Schweden gibt es keine spezifischen Rechtsvorschriften zur Entfernung zwischen Windenergieanlagen und Wohngebieten. In der Praxis sind jedoch die Vorschriften des Umweltgesetzbuchs zusammen mit den Empfehlungen der schwedischen Umweltschutzbehörde maßgeblich für die Errichtung von Windenergieanlagen in Wohngebieten. Relevant sind insbesondere die in den Kapiteln 2 und 9 des schwedischen Umweltgesetzbuchs11 enthalten Bestimmungen zur Lärmbelästigung und zu anderen Faktoren, die die Umgebung schädigen können (Vibration, Licht usw.). Darüber hinaus empfiehlt die schwedische Umweltschutzbehörde, dass die Geräuschemission von Windenergieanlagen im Freien einen Richtwert von 40 Dezibel in einem Wohngebiet nicht überschreiten sollte. Das schwedische Planungs- und Baugesetz12 überträgt die Hauptverantwortung für die Planung von Land- und Wasserflächen sowie Gebäuden auf die Gemeinden . Diese entscheiden daher in jedem Einzelfall über die letztendlich angemessene Entfernung zwischen einer Windenergieanlage und einem Wohngebäude. 3.3. Dänemark Nach der „Executive-Order“ über die Planung und Erlaubnis zur Errichtung von Windkraftanlagen 13 dürfen Windkraftanlagen in Dänemark nur in Bereichen errichtet werden, die im örtlichen Bebauungsplan für diesen Zweck ausgewiesen sind. Eine Genehmigung wird zudem nur erteilt, wenn die jeweilige Anlage einen Mindestabstand zum nächsten Wohngebiet aufweist, der wenigstens das Vierfache der Gesamthöhe der Turbine beträgt, wobei diese Mindestentfernung nicht für den Wohnsitz des Windkraftanlagenbesitzers gilt. Der Abstand zwischen Windkraftanlagen und Wohnbebauung wird nach den Regeln des dänischen Baurechts gemessen, mithin horizontal von der äußeren Grenze des Anlagenturms bis zum nächstgelegenen Gebäudeteil des Wohngrundstücks . 3.4. Polen In Polen wurde im Jahr 2016 das Gesetz über Investitionen in Windparks14 verabschiedet. Das Gesetz legt die Bedingungen und Verfahren für den Standort und den Bau von Windenergieanlagen und Windparks sowie die Bedingungen für den Bau solcher Anlagen in der Nähe bestehender oder geplanter Wohnbebauung fest. Das Gesetz gilt nur für Onshore-Anlagen, nicht für Seegebiete. Artikel 4 des Gesetzes legt die Entfernung fest, in der sich Windenergieanlagen von Wohngebäu- 11 Abrufbar in englischer Sprache unter: https://www.government.se/contentassets /be5e4d4ebdb4499f8d6365720ae68724/the-swedish-environmental-code-ds-200061. 12 Abrufbar in englischer Sprache unter: https://www.boverket.se/globalassets/publikationer/dokument/2018/legislation -edition-3.pdf. 13 Abrufbar in dänischer Sprache unter: https://www.retsinformation.dk/eli/lta/2019/923. 14 Abrufbar in polnischer Sprache unter: https://dziennikustaw.gov.pl/D2021000023401.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 7 - 3000 - 001/21 Seite 8 den oder Gebäuden mit gemischter Funktion, einschließlich einer Wohnfunktion, befinden können . Der Abstand muss demnach mindestens das Zehnfache der Höhe der Windenergieanlage betragen , gemessen vom Boden bis zum höchsten Punkt der Anlage, einschließlich technischer Komponenten, insbesondere des Rotors mit seinen Schaufeln (Gesamthöhe der Windkraftanlage). 3.5. Frankreich Seit dem 14. Juli 2011 unterliegen Onshore-Windenergieanlagen in Frankreich der Gesetzgebung für Anlagen, die dem Umweltschutz dienen. Der entsprechende Rechtsrahmen wurde durch drei Dekrete vom 26. August 2020 ergänzt, die wichtige Anforderungen an die Standards stellen. Demnach sind Windenergieanlagen nur dann zu genehmigen, sofern ein Mindestabstand von 500 m zu bewohnten Gebäuden oder Wohngebieten eingehalten wird. Das französische Energiewendegesetz 15 sieht zudem vor, dass dieser Mindestabstand durch Dekrete der jeweiligen Präfektur im Einzelfall eine Entfernung von mehr als 500 m betragen kann, sofern sich dies als notwendig erweist. In diesem Zusammenhang empfiehlt ein Bericht der Académie nationale de médicine vom Mai 2017 zudem, dass die Lärmbelästigung von Windkraftanlagen der neuen Generation nicht ausreichend zu sein scheint, um eine Entfernung von mehr als 1.000 m zu rechtfertigen. 3.6. Niederlande In den Niederlanden können Windkraftanlagen grundsätzlich in der Nähe von Häusern gebaut werden. Es bestehen jedoch Regeln, um dem entstehenden Lärm sowie einer etwaigen Belästigung durch sich bewegende Schatten vorzubeugen. Um Lärmbelästigungen zu vermeiden, darf eine Windenergieanlage demnach in der Nähe von Wohnbebauung im Schnitt nicht mehr als 47 Dezibel Lärm verursachen (nachts 41 Dezibel). Um dies zu gewährleisten, werden entsprechende Messungen an den Fassaden der angrenzenden Wohnbebauung vorgenommen.16 Hinsichtlich einer etwaig auftretenden Beschattung gilt in den Niederlanden, dass eine mit Fenstern versehene Fassade grundsätzlich an maximal 17 Tagen im Jahr für maximal 20 Minuten von einem sich bewegenden Schatten einer Windkraftanlage getroffen werden darf. * * * 15 Abrufbar in französischer Sprache unter: https://www.legifrance.gouv.fr/loda/id/JORFTEXT000039355955/. 16 Abrufbar in niederländischer Sprache unter: https://zoek.officielebekendmakingen.nl/stb-2010-749.html.