© 2019 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 001/19 Das Verhältnis der Bundesnotarordnung zu § 613a BGB Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 001/19 Seite 2 Das Verhältnis der Bundesnotarordnung zu § 613a BGB Aktenzeichen: WD 7 - 3000 - 001/19 Abschluss der Arbeit: 28.01.2019 Fachbereich: WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Bau und Stadtentwicklung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 001/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Entsprechende Anwendung des § 613a BGB auf die Bundesnotarordnung 5 2.1. Die Voraussetzungen im Einzelnen 5 2.1.1. Wirtschaftlichkeit des Betriebs 5 2.1.2. Einheitlichkeit des Betriebsübergangs 6 2.1.3. Rechtsgeschäftlicher Betriebsübergang 7 2.2. Zusammenfassung 8 3. Fazit 8 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 001/19 Seite 4 1. Einleitung Mit dem Ziel der Verbesserung des Arbeitsschutzes für Arbeitnehmer startete am 02.02.2017 die Petition1 69807. Erwünscht ist eine Änderung der Bundesnotarordnung, wonach immer ein rechtsgeschäftlicher Betriebsübergang gem. § 613a BGB2 vorliegen soll, sofern ein zur hauptberuflichen Amtsausübung neu bestellter Notar die Kanzlei und das Personal eines aus dem Amt entlassenen Notars übernimmt. Die Besetzung mit einem neuen Notar bedeutet nicht nur für diesen eine Umstellung, sondern insbesondere für die bestehende Belegschaft ein großes Wagnis – „bleibt es bei dem bloßen Namenswechsel , oder kommt es zur umfänglichen Umstrukturierung? Ist der Arbeitskräftebedarf weiterhin konstant hoch oder gibt es personelle Veränderungen? Plant der neue Arbeitgeber mit mir und wird er mit meiner Arbeit zufrieden sein?“ – all jene Fragen werden durch einen Arbeitgeberwechsel , auf den die zum Teil langjährigen Arbeitnehmer keinen Einfluss haben, aufgeworfen . Während der „Neue“ alles in seiner Hand hat, sind die Arbeitnehmer auf Vorlage eines neuen Arbeitsvertrags durch den Übernehmenden angewiesen. Selbst bei Zustandekommen eines neuen Arbeitsverhältnisses beginnt eine neue sechsmonatige Wartezeit gem. § 1 Abs. 1 KSchG3. Für den Arbeitnehmer von essentieller Bedeutung wäre daher ein gesetzlicher Übergang aller Rechte und Pflichten aus dem alten Arbeitsvertrag auf den neuen Arbeitgeber.4 § 613a BGB würde somit der Sicherung des Status Quo dienen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die Regelung des § 613a BGB in die Bundesnotarordnung5 integriert werden kann. Im Folgenden werden die Voraussetzungen des § 613a BGB näher erläutert sowie die aktuelle Rechtsprechung zu der Thematik. 1 https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2017/_02/_02/Petition_69807.nc.html 2 In der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), zuletzt geändert durch Artikel 4d QualifizierungschancenG vom 18. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2651), zuletzt aufgerufen am 16.01.2019: https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/BGB.pdf . 3 In der Fassung der Bekanntmachung vom 25. August 1969 (BGBl. I S. 1317), zuletzt geändert durch Artikel 4 EM-LeistungsverbesserungsG vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2509), zuletzt aufgerufen am 16.01.2019: https://www.gesetze-im-internet.de/kschg/KSchG.pdf . 4 Vgl. Pfrogner, Julia/Serr, Stephan, Betriebsübergang im hauptberuflichen Notariat, Betriebs-Berater (BB) 2015, 501. 5 In der Fassung der Bekanntmachung vom 24.Februar 1961 (BGBl. I S. 97), zuletzt geändert durch Art. 4 G zur Neuregelung des Schutzes von Geheimnissen bei der Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen vom 30.10.2017 (BGBl. I S. 3618), zuletzt aufgerufen am 16.01.2019: http://www.gesetzeim -internet.de/bnoto/BNotO.pdf . Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 001/19 Seite 5 2. Entsprechende Anwendung des § 613a BGB auf die Bundesnotarordnung Grundsätzlich ist das Notariat gem. Art. 74 Ziff. 1 GG Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung . Durch die Bundesnotarordnung (BNotO) hat der Bund jedoch von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht. Folglich steht es dem Bund frei die Bundesnotarordnung zu ändern . Eine Integrierung des § 613a BGB in die Bundesnotarordnung kann aber nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen der Norm nicht im Widerspruch zur BNotO stehen. Voraussetzungen des § 613a BGB sind Übergang eines Betriebs oder Betriebsteils, durch Rechtsgeschäft auf einen neuen Inhaber. 2.1. Die Voraussetzungen im Einzelnen Nach der Rechtsprechung des EuGH, der sich das BAG angeschlossen hat, handelt es sich bei einem Betriebsübergang um den „Übergang einer auf Dauer angelegten wirtschaftlichen Einheit, deren Tätigkeit nicht auf die Ausführung eines bestimmten Vorhabens beschränkt ist. Der Begriff Einheit bezieht sich dabei auf eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung“6. 2.1.1. Wirtschaftlichkeit des Betriebs Problematisch ist bereits der Begriff der Wirtschaftlichkeit. Anders als vom Betriebsbegriff gefordert , könnte es sich beim Notariat um eine hoheitliche Aufgabe handeln. Hoheitliche und wirtschaftliche Tätigkeiten schließen sich dem Grunde nach aus.7 Der Notar nimmt im Zuge seiner Beurkundungstätigkeit und den damit verbundenen Belehrungen und Beratungen originäre Staatsaufgaben wahr.8 Durch das Formerfordernis der notariellen Beurkundung werden wichtige Rechtsgeschäfte bereits bei ihrem Abschluss vorab einer „qualifizierten rechtlichen Überprüfung unterworfen“9, so dass die Tätigkeit richterlichen Funktionen10 sehr nahe kommt und das Notariat eine bedingte Nähe zum öffentlichen Dienst aufweist. Dafür spricht auch die Ableistung eines Amtseids (§ 13 BNotO), die Zuweisung eines Amtssitzes (§ 10 BNotO) oder insbesondere § 1 BnotO, wonach das Notaramt als öffentliches Amt deklariert wird. Auf der anderen Seite ist der Notar wirtschaftlich selbständig. Während der Staat für den Lebensunterhalt seiner Beamten zu sorgen hat, gilt das nicht für den Notar, der auf die ihm zufließenden 6 EuGH, Urteil vom 11.03.1997 – Rs. C-13/95, NZA 1997, 433. 7 BAG, Urteil vom 26.08.1999 – 8 AZR 827/98 mit Anmerkung Hermanns, Marc/Bezani, Thomas, DNotZ 2000, 540 (546). 8 BVerfG, Beschluß vom 18.06.1986 – 1BvR 787/80, Juris, Rn. 29, NJW 1987, 887. 9 BVerfG, Beschl. v 19.06.2012 – 1 BvR 3017/09, Juris, Rn. 49, NJW 2012, 2639 Rn. 49. 10 BVerfG, Beschluß vom 05.05.1964 – 1 BvL 8/62, Juris, Rn. 13, NJW 1964, 1516 (1517). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 001/19 Seite 6 Gebühren aus seiner Tätigkeit angewiesen ist.11 Ferner sind Notare für die Organisation ihrer Geschäftsstellen und ihrer dienstlichen Tätigkeit selbst verantwortlich12 und stehen in, wenn vielleicht auch abgeschwächter, Konkurrenz zu anderen Notaren.13 Demzufolge ist die Tätigkeit des Notars weder rein hoheitlich, noch rein wirtschaftlich zu verstehen. Im Ergebnis würde damit eine Einfügung eines neuen Paragraphen in die BNotO zwar keinen kompletten Bruch bedeuten, dennoch birgt die Subsumtion des Notariats unter den Betriebsbegriff durchaus Schwierigkeiten. Dennoch bleibt vorerst festzuhalten, dass die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben dem Betriebsbegriff nicht von vornherein entgegensteht.14 2.1.2. Einheitlichkeit des Betriebsübergangs Ob ein einheitlicher Betriebsübergang vorliegt bestimmt sich nach einer Gesamtwürdigung, die insbesondere sieben verschiedene Kriterien umfasst: Art des betreffenden Betriebes oder Unternehmens , Ähnlichkeit der Tätigkeit vor und nach dem Übergang, Übernahme von Betriebs-/ Produktionsmethoden , Übernahme der Kundschaft, Übernahme der Betriebsmittel (materielle/immaterielle ), Übernahme der Führungskräfte/ des Personals (Hauptbelegschaft) sowie Dauer der Unterbrechung der Betriebstätigkeit.15 Der Übergang setzt auf jeden Fall das Fortbestehen des Betriebes voraus.16 Vorliegend könnte sich, zumindest beim Einzelamt, durch den Notarwechsel allerdings der Betrieb in Gestalt des alten Notars aufgelöst und im Zuge des Neu-Notars neu gegründet haben. Für diese zwischenzeitliche Auflösung des Betriebes spricht die Bundesnotarordnung mit ihren Bestimmungen selbst. Die BNotO sieht keine Stellenkontinuität vor. Gemäß § 47 BNotO erlischt das Amt des Notars, sobald dieser u.a. entlassen wird oder die Altersgrenze erreicht. Nach Erlöschen der alten Notariatsstelle stellt sich nach „allgemeinen organisationsrechtlichen Maßstäben“17 die Frage, ob die Rechtspflegebelange es erfordern einen neuen Notar einzustellen, § 4 BNotO. Die Frage der Einstellung obliegt nicht der Absprache zwischen ausscheidendem und 11 BVerfG, Beschluß vom 14-05-1985 - 1 BvL 6/82 (Ergangen auf Vorlagebeschl. des OLG Frankfurt), NJW 1986, 307. 12 BVerfG, Beschl. V.v 19.06.2012 – 1 BvR 3017/09, Juris, Rn. 52, NJW 2012, 2639, Rn. 52. 13 Vgl. Pfrogner, Julia/Serr, Stephan, Betriebsübergang im hauptberuflichen Notariat, Betriebs-Berater (BB) 2015, 501 (503). 14 BAG, Urteil vom 25. 9. 2003 - 8 AZR 421/02 (LAG Niedersachsen Urteil 7. 6. 2002 16 Sa 1803/01), Juris, Rn. 20, NZA 2004, 316 (318). 15 Vgl. Seel, Henning-Alexander, Wie funktioniert § 613a BGB? – Betriebsübergang und seine Rechtsfolgen, Juristische Arbeitsblätter (JA) 2008, 874 (875). 16 BAG, Urteil vom 26.08.1999 - 8 AZR 827/98 (Köln), Juris, Rn. 16, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2000, 1739 (1740). 17 BAG, Urteil vom 26.08.1999 - 8 AZR 827/98 (Köln), Juris, Rn. 21, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2000, 1739 (1740). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 001/19 Seite 7 potenziellem neuen Notar, sondern liegt allein in der Organisationsgewalt des Staates.18 Das wesentliche Substrat des Notariats, die höchstpersönliche Notarbefugnis, wird aufgelöst19 und somit liegt unter diesem Gesichtspunkt kein weiteres Fortbestehen des Betriebes vor. Anders könnte die Situation sein, wenn das Notariat von zwei Notaren quasi gemeinsam betrieben wird und nur ein Notar wechselt. Im Falle einer solchen Sozietät wird der Betrieb ja zumindest in Form des verbleibenden Notars weiter geführt.20 Die wirtschaftliche Einheit bliebe demnach also bestehen. Hier ist es aber erneut die Bundesnotarordnung, die selbst Zweifel an dieser Auslegung aufkommen lässt. Gem. § 9 Abs. 3 BNotO führt eine gemeinsame Berufsausübung eben nicht zu einem gemeinsam Betrieb und darf die persönliche und eigenverantwortliche Amtsführung, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Notars nicht beeinträchtigen.21 Folglich würde es bei zwei Betrieben bleiben, von denen der eine dann erlöschen würde und somit keinen Betriebsübergang nach § 613a BGB darstellen würde. 2.1.3. Rechtsgeschäftlicher Betriebsübergang Auch die letzte Voraussetzung durch Rechtsgeschäft stellt eine schwierig zu überwindende Hürde dar. Grundsätzlich ist der Begriff des Rechtsgeschäfts weit auszulegen. Er erfasst alle Fälle, „in denen die für den Betrieb verantwortliche natürliche oder juristische Person, die die Arbeitgeberverpflichtung gegenüber den Beschäftigten eingeht, im Rahmen vertraglicher oder sonst rechtsgeschäftlicher Beziehungen wechselt, ohne dass unmittelbare Vertragsbeziehungen zwischen dem bisherigen Inhaber und dem Erwerber bestehen müssen“.22 Unumstritten erfolgt die Übertragung der Notarbefugnis allerdings mittels Verwaltungsakt durch einen Hoheitsakt der Landesjustizverwaltung. Auch die rechtsgeschäftliche Übernahme des Personals, des Inventars bzw. der Räumlichkeiten stellt keinen rechtsgeschäftlichen Betriebsübergang i.S.d. § 613 a BGB dar, da das Rechtsgeschäft darauf gerichtet sein muss die Arbeitsaufgabe unverändert fortzuführen .23 Eben dies ist ohne Hoheitsakt nicht möglich, obgleich der neue Notar die Betriebsmittel etc. rechtsgeschäftlich übernehmen kann. Ohne Hoheitsakt ist keine Fortführung des Notariats möglich. 18 BVerfGE 73, 280 (292). 19 BAG, Urteil vom 26.08.1999 - 8 AZR 827/98 (Köln), Juris, Rn. 22, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2000, 1739 (1740). 20 So auch: LAG München, Urteil vom 08.Juli 2014 – 2 Sa 94/14; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 06.10.2005 – 6 Sa 461/05. 21 Vgl. Pfrogner, Julia/Serr, Stephan, Betriebsübergang im hauptberuflichen Notariat, Betriebs-Berater (BB) 2015, 501 (503). 22 EuGH, Urteil vom 07.03.1996 - verb. Rs. C-171/94 u. C-172/94, Juris, Rn. 30, NZA 1996, 413 (415); BAG, Urteil vom 26.08.1999 - 8 AZR 827/98 (Köln), Juris, Rn. 27, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2000, 1739 (1741). 23 BAG, Urteil vom 11.12.1997 - 8 AZR 729/96, Juris, Rn. 33, Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (NZA) 1998, 534 (536). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 7 - 3000 - 001/19 Seite 8 2.2. Zusammenfassung Alle dargestellten Voraussetzungen, die einen Betriebsübergang nach § 613a BGB erst ermöglichen , begegnen im Hinblick auf das Notariat erheblichen Bedenken. Angefangen mit der Wirtschaftlichkeit , fortgeführt mit der Einheitlichkeit und schlussendlich das geforderte Rechtsgeschäft stellt einen mehr oder weniger deutlichen Bruch zur bestehenden Bundesnotarordnung dar. Nur durch eine sehr weite Auslegung und Übergehung wesentlicher Bedenken lässt sich der § 613a BGB auf Notariate anwenden. 3. Fazit Im Ergebnis ist festzuhalten, dass eine entsprechende Anwendung des § 613a BGB auf die Bundesnotarordnung problematisch ist. Ein Verweis auf § 613a BGB innerhalb der BNotO würde, ohne teilweise Anpassung der anderen Normen der BNotO, wohl zu einem Wertungswiderspruch innerhalb des Gesetzes selbst führen. Die Judikatur selbst sieht den Betriebsübergang nach § 613a BGB überwiegend als schwer vereinbar mit dem Notariat an. ***