Elementarschadensversicherung Die Diskussion zur Einführung einer Pflichtversicherung - Sachstand - © 2009 Deutscher Bundestag WD 7 - 3000 - 001/09 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser: Elementarschadensversicherung Diskussion zur Einführung einer Pflichtversicherung Sachstand WD 7 - 3000 - 001/09 Abschluss der Arbeit: 19. Januar 2009 Fachbereich WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Umweltschutzrecht, Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W. Inhalt 1. Einleitung 3 2. Aktuelle Situation 3 3. Die Diskussion um die Einführung einer Pflichtversicherung 4 4. Fazit 6 - 3 - 1. Einleitung Wohngebäude in Deutschland sind häufig nicht umfassend gegen Elementarschäden1 versichert. Während Eigentümer Gefahren wie Blitzschlag, Frost, Sturm, Feuer und Hagel für gewöhnlich versichert haben, haben sie Versicherungen zum Schutz vor weiteren Elementarschäden größtenteils nicht abgeschlossen. Das ist der Grund, weshalb zuletzt nach dem Elbehochwasser im Jahr 2002 und den damit einhergegangenen erheblichen Schäden die Forderung nach einer Pflicht zum Abschluss einer umfassenden Elementarversicherung erhoben wurde.2 2. Aktuelle Situation Hinsichtlich des Versicherungsschutzes vor Elementarschäden muss unterschieden werden . Zur Grunddeckung einer Wohngebäudeversicherung gehören in der Regel Gefahren wie Blitz, Frost, Sturm, Feuer und Hagel.3 Will der Versicherungsnehmer sich auch gegen weitere – meist gebietsspezifische – Elementargefahren wie etwa Überschwemmungen , Sturmfluten, Erbeben oder Lawinen absichern, so ist dafür eine Erweiterung der Grunddeckung nötig.4 Während der Schutz von Wohngebäuden aktuell durch verbundene5 Gebäudeversicherungen in Deutschland weit verbreitet ist6, besteht bezüglich der über die Grunddeckung hinausgehenden weiteren Elementarschäden nur eine geringe Versicherungsdichte.7 Eine Ausnahme stellt Baden-Württemberg dar, hier besteht aufgrund einer ehemaligen 1 Das sind Schäden, die auf Naturereignisse zurückzuführen sind, wie zum Beispiel Erdbeben, Sturm, Hagel, Blitzschlag und Überschwemmung; vgl. VGH Baden-Württemberg, in: Zeitschrift für Versicherungsrecht , Haftungs- und Schadensrecht 1988, S. 924; Wussow, Versicherung gegen die Folgen von Naturereignissen in der erweiterten Elementarversicherung, in der Zeitschrift für Versicherungsrecht , Haftungs- und Schadensrecht 2008, S. 1292 ff. 2 Schwarze und Wagner, Versicherungspflicht gegen Elementarschäden – Ein Lehrstück für Probleme der volkswirtschaftlichen Politikberatung, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Research Notes 2005, Nr. 3, S. 2. 3 Vgl. die Musterbedingungen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) für die Allgemeinen Wohngebäudeversicherungsbedingungen (VGB 2008, VGB 2000 und VGB 88), abrufbar unter http://www.gdv.de (Stand: 12. Januar 2009). 4 Vgl. die Musterbedingungen des GDV für die Besonderen Bedingungen für die Versicherung weiterer Elementarschäden in der Wohngebäudeversicherung (BEW 2000), abrufbar unter http://www.gdv.de (Stand: 12. Januar 2009). 5 Verbundene Wohngebäudeversicherungen sind sogenannte kombinierte Versicherungen, die Versicherungsschutz gegen die Gefahren Brand, Blitzschlag, Explosion, Leitungswasser, Sturm und Hagel bieten. 6 Im Jahre 2007 gab es in Deutschland etwa 20,6 Mio. abgeschlossene Wohngebäudeversicherungsverträge , vgl. Statistik der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht „Erstversicherungsunternehmen 2007“ Tabelle 550, abrufbar unter http://www.bafin.de (Stand: 12. Januar 2009). 7 Schwarze und Wagner (Fn. 2), S. 4. - 4 - Versicherungspflicht8 eine nahezu flächendeckende Absicherung gegen Elementarschäden 9. Eine ebenfalls erhöhte Versicherungsdichte besteht in den neuen Bundesländern aufgrund des Fortbestandes vieler Policen aus der Zeit der DDR.10 Im restlichen Bundesgebiet liegt die Versicherungsdichte bei etwa 10 %.11 Die Ursachen hierfür sind vielfältig .12 3. Die Diskussion um die Einführung einer Pflichtversicherung Bis zum Jahr 1994 gab es in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz eine Pflicht zum Abschluss einer Gebäudeversicherung.13 Die Versicherungspflicht umfasste auch hier jedoch nicht sämtliche Elementarschäden, sondern lediglich den Schutz gegen das Risiko Feuer.14 Ausnahmen bildeten lediglich Hamburg und Baden-Württemberg, die die Versicherungspflicht auch auf den Schutz gegen Sturm- und Hagelschäden (Hamburg) respektive auf den Schutz vor Gefahren durch Sturm, Hagel, Hochwasser, Überschwemmung, Schneedruck, Lawinen, Bergsturz, Erdrutsch und Erdfall (Baden-Württemberg) erweitert hatten.15 Aufgrund von Art. 3 der Dritten EG-Richtlinie Schadenversicherung16 waren die Monopolrechte der Gebäudeversicherer bis spätestens zum 1. Juli 1994 abzuschaffen. Dies wirkte sich auch auf die Versicherungspflicht aus, da sie in den damaligen Gesetzen mit den staatlichen Versicherungsanstalten verknüpft waren. Die Versicherungspflichten in 8 Vgl. Gesetz über die Versicherung der Gebäude gegen Unwetter und andere Elementarschäden vom 7. März 1960 (GBl. S. 70), seit dem 1. Juli 1994 außer Kraft durch das Gesetz zur Neuordnung der Gebäudeversicherung vom 28. Juni 1993 (GBl. S. 505). 9 Schwarze und Wagner (Fn. 2), S. 4. Die Versicherungsdichte soll etwa bei 75% liegen, vgl. Landesregierung Baden-Württemberg, Antwort vom 26. Juni 2008 auf die Kleine Anfrage „Gebäudeversicherung gegen Elementarschäden“ des Abg. Hans-Martin Haller (SPD) , Landtag Baden- Württemberg Drs. 14/2917, S. 3. 10 Etwa 50%, vgl. Schwarze und Wagner (Fn. 2), S. 4. 11 Vgl. Landesregierung Baden-Württemberg (Fn. 9), S. 3. 12 Wie zum Beispiel hohe Prämien, die Unterschätzung der Risiken durch die Betroffenen oder das staatliche Fürsorgeverhalten im Schadensfall, vgl. Schwarze und Wagner (Fn. 2), S. 4 ff. 13 Vgl. Thode, Monopol- und Pflichtversicherung nach der 3. Schadensrichtlinie, in: Zeitung für Versicherungswirtschaft 1994, S. 428; Kummle, Versicherungspflicht, Versicherungsmonopol und Versicherungsverhältnis in der Gebäudeversicherung, 1989, S. 5. 14 Vgl. Thode, Veräußerung öffentlich-rechtlicher Versicherungsunternehmen in der Bundesrepublik Deutschland unter Berücksichtigung vergleichbarer Probleme bei öffentlich-rechtlichen Sparkassen und Landesbanken, 1994, S. 42 ff. 15 Vgl. für Hamburg: Feuerkassengesetz vom 16. Dezember 1929 (HambGVBl S. 562); für Baden- Württemberg: Gesetz über die Versicherung der Gebäude gegen Unwetter und andere Elementarschäden vom 7. März 1960 (GBl. S. 70). 16 Richtlinie 92/49/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG und 88/357/EWG (Dritte Richtlinie Schadenversicherung), Amtsblatt Nr. L 228 vom 11. August 1992, S. 1. - 5 - den Ländern endeten daher durch die legislative Umsetzung der EG-Richtlinie mit Ablauf des 30. Juni 1994.17 Nach der Abschaffung der Versicherungspflicht stellte ein Arbeitskreis der Versicherungsaufsichtsbehörden der Länder bereits 1995 fest, dass eine eigenständige Pflichtversicherung gegen Elementarschäden „rechtlich und faktisch nicht darstellbar“ sei.18 Nach dem Elbehochwasser 2002 wurde die Diskussion erneut geführt. Befürworter einer Versicherungspflicht führten an, für die Einführung einer solchen Pflicht sprächen „der Schutz des Einzelnen und der Schutz der Gemeinschaft vor Einzelinsolvenzen und allgemeinen wirtschaftlichen Einbrüchen“.19 Auch sei die Herstellung eines Versicherungskollektivs nur durch eine Pflichtversicherung zu erreichen.20 Demgegenüber wurde darauf hingewiesen, dass zum einen verfassungsrechtliche21 und gemeinschaftsrechtliche 22 Bedenken, zum anderen Bedenken hinsichtlich der praktischen Umsetzung einer solchen Pflicht bestünden.23 Auch die Bundesregierung sah verfassungsrechtliche und europarechtliche Probleme.24 Auf Bitten der Ministerpräsidenten der Länder, die sich für eine Pflichtversicherung aussprachen25, wurde unter der Leitung des Bundesjustizministeriums 2003 eine Bund- Länder-Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, um die hochkomplexen rechtlichen und versicherungswirtschaftlichen Fragen im Zusammenhang mit der Einführung einer Pflicht zum Abschluss einer Versicherung, die die durch Naturkatastrophen entstehenden Elementarschäden absichert, erneut und vertieft zu prüfen.26 Ein in diesem Rahmen von der Arbeitsgruppe entwickeltes Modell sah eine Pflicht zur Versicherung privat und gewerblich genutzter Gebäude für die Gefahren Erdbeben, 17 Vgl. für Baden-Württemberg § 4 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Neuordnung der Gebäudeversicherung vom 28. Juni 1993 (GBl. S. 505). 18 Vgl. Landesregierung Baden-Württemberg (Fn. 9), S. 3.. 19 Vgl. Pohlhauser, Pflichtversicherung - Segnung oder Sündenfall: Dokumentation über ein Symposium vom 28. bis 30. Oktober 2004 im Schloss Marbach, 2005, S. 79. 20 Vgl. Pohlhauser (Fn. 19), S.79; Schwarze und Wagner (Fn. 2), S. 8. 21 Es geht um lokal begrenzte Risiken, vgl. Pohlhausen (Fn. 19), S. 80. 22 Näheres zur Diskussion bezüglich der Richtlinie 92/49/EWG (s.o. Fn. 16): Thode (Fn. 13), S. 428 f.. 23 Die Kontrolle der Einhaltung des Zwanges sei ebenso problematisch wie die Einbeziehung von gewerblich genutzten Gebäuden und deren Abgrenzung bei gemischt genutzten Gebäuden. Außerdem bestünde die Notwendigkeit eines Annahmezwanges für die Versicherer und der Aufbau eines Rückversicherungssystems sei mit erheblichem Verwaltungsaufwand verbunden vgl. Pohlhausen (Fn. 19), S. 80. 24 Vgl. Bundesministerin Zypries, Funktionierende Aufsicht ist im Interesse der Versicherungsnehmer als auch der Versicherungsunternehmen, Vortrag auf der Mitgliederversammlung des GDV am 13. November 2003, abrufbar unter http://www.bmj.bund.de/enid/0,0/Ministerin/Reden_129.html (Stand: 12. Januar 2009). 25 König, Die Elementarschadenversicherung in der Bundesrepublik Deutschland als Element der finanziellen Risikovorsorge gegen Naturereignisse, 2006, S. 291. 26 Vgl. Zypries (Fn. 24). - 6 - Überschwemmung, Starkregen, Erdsenkung, Lawinen, Schneedruck, Sturm, Hagel und Sturmflut vor.27 Dabei sollten die Prämienkalkulation und die Selbstbeteiligung individuell gestaltet werden. Das System sollte an den internationalen Rückversicherungsmärkten abgesichert werden, der nach den Vorstellungen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) dafür Kapazitäten von bis zu acht Milliarden Euro hätte bereitstellen können. Darüber hinaus hätte der Staat die finanziellen Risiken der Rückversicherung tragen sollen.28 Dem Vernehmen nach waren die Länder jedoch nicht bereit, sich an diesen finanziellen Risiken zu beteiligen. Auch der Bund sei nicht bereit gewesen, die geforderte Garantie allein zu übernehmen.29 Die Arbeitsgruppe wurde schließlich im Februar 2004 aufgelöst.30 Seitdem sind weitere Bestrebungen, eine solche Versicherungspflicht einzuführen, nur vereinzelt zu verzeichnen .31 4. Fazit Eine Pflicht zum Abschluss einer Versicherung gegen Elementarschäden besteht in Deutschland nicht. Es gab und gibt immer wieder Diskussionen über die Einführung einer solchen Pflicht. Für das Scheitern war neben verfassungs- und gemeinschaftsrechtlichen Bedenken letztlich die Frage der Finanzierung eines Rückversicherungssystems ausschlaggebend. 27 Näheres zu diesem Modell: König (Fn. 25), S. 292. 28 Vgl. Zypries (Fn. 24). 29 König (Fn. 25), S. 293. 30 Schwarze und Wagner (Fn. 2), S. 2. 31 Vgl. Bundesregierung, Antwort vom 7. Dezember 2007 auf die Kleine Anfrage „Stand Planfeststellungsverfahren für die Elbvertiefung und Seehafenkonzept “ (BT-Drs. 16/7442), S. 6, sowie Landesregierung Baden-Württemberg (Fn. 9), S. 3.