© 2014 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 253/14 Staatliche Leistungen für Asylbewerber Sachstand Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 253/14 Seite 2 Staatliche Leistungen für Asylbewerber Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 253/14 Abschluss der Arbeit: 16. Dezember 2014 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 253/14 Seite 3 1. Das Asylrecht im Grundgesetz (GG) Das Asylrecht für politisch Verfolgte ist im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankert (Art. 16a Abs. 1 GG).Verfolgungsmaßnahmen sind politisch, wenn sie auf asylerhebliche persönliche Merkmale oder Eigenschaften abzielen. Diese Merkmale sind nach der Genfer Flüchtlingskonvention : Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe und die politische Überzeugung.1 Voraussetzung für das Vorliegen einer politischen Verfolgung ist zudem, dass der Asylsuchende Verfolgungsmaßnahmen mit Gefahr für Leib und Leben oder Beschränkungen seiner persönlichen Freiheit aus politischen Gründen ausgesetzt ist.2 2. Staatliche Leistungen für Asylbewerber Asylbewerber und andere Gruppen von Ausländern, die keinen dauerhaft gesicherten ausländeroder asylrechtlichen Aufenthaltsstatus haben und damit ohne ein dauerhaftes Bleiberecht sind, erhalten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz3 (AsylbLG).4 Mit dem AsylbLG wurde erstmals ein eigenständiges Leistungsgesetz zur Sicherung des Existenzminimums für Asylbewerber und andere Flüchtlingsgruppen eingeführt. Bis dahin erhielten diese Personengruppen Sozialhilfe nach dem damaligen Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Asylsuchende werden in der Bundesrepublik Deutschland mit Hilfe eines speziellen Verfahrens – Erstverteilung von Asylbegehrenden (EASY) – der zuständigen Erstaufnahmeeinrichtung zugeteilt . Sie leben zu Beginn ihres Aufenthalts mindestens sechs Wochen und maximal drei Monate in diesen Erstaufnahmeeinrichtungen, anschließend in Gemeinschaftsunterkünften oder dezentral in angemieteten Wohnungen oder Zimmern (§ 47 Abs. 1 und 53 AsylVfG). Die Gewährung der sogenannten Grundleistungen für Asylbewerber und andere Leistungsberechtigte wird in § 3 AsylbLG geregelt. Mit Grundleistungen gemäß § 3 Abs. 1 und 2 AsylbLG soll Asylbewerbern und anderen Ausländergruppen ein menschenwürdiger Aufenthalt in Deutschland ermöglicht werden. Gestellt wird der notwendige Bedarf an Ernährung, Unterkunft, Heizung , Kleidung, Gesundheits- und Körperpflege sowie an Gebrauchs- und Verbrauchsgütern (bei einer Unterbringung in Aufnahmeeinrichtungen im Sinne von § 44 des Asylverfahrensgesetzes).5 1 BERGMANN, Jan, in: Renner, Ausländerrecht, 9. Auflage 2011, Art. 16a GG Rn 40 - 43. 2 MAASSEN, Hans-Georg, in: Beck'scher Online-Kommentar zu GG, Stand: 1. Dezember 2014 Art. 16a Rn 13. 3 Asylbewerberleistungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. August 1997 (BGBl I S. 2022), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 22. November 2011 (BGBl I S. 2258) geändert worden ist. 4 HOHM, Karl-Heinz (2010). Menschenwürdiges Existenzminimum für Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz . In: ZFSH SGB, 49, (5), S. 273 5 In Klammern die Änderungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG nach dem Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern, Bundestagsdrucksache 18/3144 vom 11. November 2014. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 253/14 Seite 4 Den Umfang der Sachleistungen schreibt das AsylbLG nicht im Einzelnen fest. Er wird vielmehr durch den Begriff des „notwendigen Bedarfs“ abstrakt bestimmt und ist durch die zuständige Behörde aufgrund der persönlichen Situation, der Art der Unterbringung und der örtlichen Gegebenheiten näher auszufüllen. Die Form der Grundleistungen richtet sich nach der Art der Unterbringung des Leistungsberechtigten und erstreckt sich von (noch) vorrangig zu erbringenden Sachleistungen über Wertgutscheine, andere vergleichbare unbare Abrechnungen bis hin zu Geldleistungen, die aber als Ersatzformen zur Sachleistung zu sehen sind. Zusätzlich wird ein monatliches Taschengeld zur Deckung persönlicher Bedürfnisse (sozio-kulturelles Existenzminimum ) im Jahr 2014 (2015)6 - für den Haushaltsvorstand in Höhe von 140 € (143€), - für den Lebenspartner in Höhe von 126 € (129 €), - für volljährige Haushaltsangehörige in Höhe von 112 € (114 €), - von Beginn des 15. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres in Höhe von 83 € (85 €), - von Beginn des 7. bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres in Höhe von 90 € (92 €) und - bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres in Höhe von 82 € (84 €) gezahlt. Von dem grundsätzlichen Vorrang der Sachleistungen kann nach dem AsylbLG abgewichen werden , wenn Leistungsberechtigte außerhalb von Erstaufnahmeeinrichtungen im Sinne des § 44 AsylVfG untergebracht sind. Sind Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG in einer Gemeinschaftsunterkunft oder dezentral untergebracht, so können, soweit es nach den Umständen der Unterbringung oder nach den örtlichen Gegebenheiten erforderlich ist, anstelle von Sachleistungen Leistungen in Form von Wertgutscheinen, von anderen vergleichbaren unbaren Abrechnungen oder von Geldleistungen (physisches Existenzminimum) gewährt werden.7 Die Höhe der Leistungen beträgt im Jahr 2014 (2015) monatlich - für den Haushaltsvorstand 222 € (227€), - für den Lebenspartner 200 € (204 €), - für volljährige Haushaltsangehörige 178 € (181 €), - von Beginn des 15. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres 197 € (201 €), - von Beginn des 7. bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres 157 € (160 €) und - bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres 133 € (136 €) 6 Am 18. Juli 2012 erklärte das Bundesverfassungsgericht (Az.: 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11) die bis dahin geltenden Regelsätze nach § 3 AsylbLG für evident verfassungswidrig und nichtig. Die Leistungshöhe sei weder nachvollziehbar berechnet worden noch sei eine realitätsgerechte, auf Bedarfe orientierte und insofern aktuell existenzsichernde Berechnung ersichtlich. Der Gesetzgeber wurde verpflichtet, eine Neuregelung für die Grundleistungen im AsylbLG zu treffen. Bis dahin haben die Richter eine Übergangsregelung getroffen, nach der die Höhe der Leistungen gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1, 2 und 3 AsylbLG (physisches Existenzminimum) und gemäß § 3 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 und 2 AsylbLG (soziokulturelles Existenzminimum) auf der Grundlage des Regelbedarfs- Ermittlungsgesetzes (RBEG) zu berechnen ist. Die oben angegebenen Bedarfssätze entsprechen der Übergangsregelung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts. 7 Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.). Übersicht über das Sozialrecht, Band 11. 2014/15, Nürnberg : BW, Bildung und Wissenschaft, Rechtsstand: 1. Januar 2014, S.1081. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 253/14 Seite 5 zuzüglich der notwendigen Kosten für Unterkunft, Heizung und Hausrat (§ 3 Abs. 2 Satz 2 AsylbLG). Diese Geldbeträge stellen das Referenzsystem für die Höhe der in § 3 Abs. 1 AsylbLG festgelegten Sachleistungen dar.8 Ab April 2015 werden voraussichtlich nach § 3 Abs. 2 AsylVfG in der neuen Fassung bei einer Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen im Sinne des § 44 des Asylverfahrensgesetzes vorrangig Geldleistungen zur Deckung des notwendigen Bedarfs gewährt. Anstelle der Geldleistungen können, soweit es nach den Umständen erforderlich ist, zur Deckung des notwendigen Bedarfs Leistungen in Form von unbaren Abrechnungen, von Wertgutscheinen oder von Sachleistungen gewährt werden. Der Bedarf für Unterkunft, Heizung und Hausrat soll gesondert als Geld- oder Sachleistung erbracht werden.9 Wer über einen Zeitraum von 48 Monaten Grundleistungen nach dem AsylbLG erhalten hat, bekommt gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG der Sozialhilfe entsprechende Leistungen. Diese sogenannten Analogleistungen stellen eine Sonderregelung für einzelne Gruppen von Leistungsberechtigten dar, bei denen aufgrund ihres längeren Aufenthalts eine stärkere Angleichung an die Lebensverhältnisse erforderlich ist.10 Ab April 2015 wird diese sogenannte Wartefrist von 48 Monaten auf 15 Monate gekürzt. Zukünftig werden also schneller Leistungen entsprechend der Sozialhilfe gewährt .11 Für besondere Bedarfe im Einzelfall, die nicht durch die Grundleistungen gedeckt werden, gibt es gemäß § 6 Abs. 1 AsylbLG die so genannten „sonstigen Leistungen“. Hiermit sollen zum Beispiel die besonderen Bedürfnisse von Kindern gedeckt werden. Sonstige Leistungen werden auch gewährt, wenn sie zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit unerlässlich sind. Es handelt sich um eine Ermessensnorm. Unbegleitete Minderjährige oder Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben, erhalten gemäß § 6 Abs. 2 AsylbLG die erforderliche medizinische oder andere Hilfe. Hier handelt es sich um eine Sonderregelung für Ausländer, die eine Aufenthaltserlaubnis zum vorübergehenden Schutz gemäß § 24 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz haben. Ansonsten wird die erforderliche ärztliche und zahnärztliche Versorgung bei akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen gewährt. Die Versorgung mit Zahnersatz erfolgt nur, soweit diese im Einzelfall aus medizinischen Gründen unaufschiebbar ist. Werdende Mütter und Wöchnerinnen erhalten ärztliche und pflegerischen Hilfe und Betreuung. Die zuständigen Behörden stellen die 8 Wahrendorf, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII Sozialhilfe, 3. Auflage 2010, 3 AsylbLG Rn 5. 9 Bundestagsdrucksache 18/3144 vom 11. November 2014 10 Wahrendorf, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII Sozialhilfe, 4. Auflage 2012, § 2 AsylbLG Rn 1. Vgl. auch BT-Drs. 12/5008 vom 24. Mai 1993, Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie und Senioren, S. 15. 11 Pressemitteilung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 27. August 2014, abrufbar unter: http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2014/08/2014-08-27-asylbewerberleistungsgesetz-kabinett .html [Abruf: 16. Dezember 2014]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 253/14 Seite 6 amtlich empfohlenen Schutzimpfungen und medizinisch gebotenen Vorsorgeuntersuchungen sicher (§ 4 AsylbLG).