© 2014 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 227/14 Arbeitsmarktneutralität im Bereich des bürgerschaftlichen Engagements Ausgewählte Fragestellungen Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 227/14 Seite 2 Arbeitsmarktneutralität im Bereich des bürgerschaftlichen Engagements Ausgewählte Fragestellungen Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 227/14 Abschluss der Arbeit: 5. Dezember 2014 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 227/14 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Ehrenamtliche Tätigkeit / Bürgerschaftliches Engagement 5 3. Abhängige Beschäftigung als Arbeitnehmer 5 4. Auslegungen des Begriffs der Arbeitsmarktneutralität 6 4.1. Gesetzliche Definitionsansätze 6 4.2. Entwicklung der Definition der Arbeitsmarktneutralität 8 5. Ausblick 10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 227/14 Seite 4 1. Einleitung Im April 2011 verabschiedeten Bundestag und Bundesrat als Reaktion auf die Aussetzung der gesetzlichen Verpflichtung zur Ableistung des Grundwehrdienstes das Bundesfreiwilligendienstgesetzes (BFDG)1. Der darin geregelte Bundesfreiwilligendienst steht nicht nur jungen Männern und Frauen nach Erfüllung der Vollzeitschulpflicht offen, sondern ist im Gegensatz zu den seit Jahrzehnten etablierten Jugendfreiwilligendiensten Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) und Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ) altersoffen gestaltet und kann auch von Menschen nach Vollendung des 27. Lebensjahres wahrgenommen werden. Gerade aufgrund der „Altersöffnung“ des Bundesfreiwilligendienstes stellt sich die Frage nach der Arbeitsmarktneutralität in den Freiwilligendiensten verstärkt.2 Es wird eine Monetarisierung des Bereichs befürchtet.3 Auch besteht unter Umständen die Gefahr, dass die Freiwilligendienste zum Ersatz für soziale Arbeit, arbeitsmarktpolitische oder Wiedereingliederungsmaßnahmen werden .4 Im November 2014 waren von 39.397 Personen, die am Bundesfreiwilligendienst teilnahmen, 13.457 Personen über 27 Jahren alt.5 Somit waren über ein Drittel der am Bundesfreiwilligendienst insgesamt teilnehmenden Personen bereits über 27 Jahre alt. Dabei befinden sich gerade die Freiwilligendienste für über 27-jährige im Spannungsfeld von Erwerbsarbeit und Engagement .6 Dem Bundestag liegt zurzeit ein Gesetzentwurf des Bundesrates zur Änderung des Bundesfreiwilligendienstgesetzes vor, welcher jedoch noch nicht beraten wurde.7 Es soll der Freiwilligendienst aller Generationen eingeführt werden, welcher ebenfalls „arbeitsmarktneutral“ ausgestaltet werden soll. 1 Gesetz über den Bundesfreiwilligendienst vom 28. April 2011 (BGBl. I S. 687). 2 Bundestagsdrucksache 17/9926 vom 12. Juni 2012. 3 JAKOB, Gisela, Freiwilligendienst zwischen Staat und Zivilgesellschaft, Arbeitskreis Bürgergesellschaft und Aktivierender Staat der Friedrich-Ebert-Stiftung, Oktober 2013, S. 3, abrufbar unter http://www.fes.de/buergergesellschaft /documents/BB-40FreiwilligendiensteInternet.pdf [Abruf: 4. Dezember 2014]. 4 Bundesratsdrucksache 373/12 vom 27. Juni 2012 5 Quelle: Bundesamt für Familie und Zivilgesellschaft, Stand: 28. November 2014, abrufbar unter: http://www.bafza.de/presse/statistiken.html [Abruf: 4. Dezember 2014]. 6 Ausschuss Ehrenamt, Bürgerschaftliches Engagement und Freiwilligendienste der LIGA der freien Wohlfahrtspflege in Baden-Württemberg e.V.: Mindest-Qualitätsstandards für Freiwilligendienste im Inland. 24. Oktober 2014, abrufbar unter: http://www.liga-bw.de/fileadmin/content/liga-bw/docs/Veroeffentlichungen/Freiwilligendienste /Mindest-Qualitaetsstandards-Freiwilligendienste.pdf [Abruf: 4. Dezember 2014]. 7 Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über den Bundesfreiwilligendienst um Regelungen des Freiwilligendienstes aller Generationen. Bundestagsdrucksache 18/1472 vom 21. Mai 2014. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 227/14 Seite 5 2. Ehrenamtliche Tätigkeit / Bürgerschaftliches Engagement Eine befriedigende wissenschaftliche Definition der als „Ehrenamt“ bezeichneten Tätigkeiten gibt es bisher nicht.8 Gemeinsames Merkmal der unter diesem Begriff zusammengefassten Tätigkeiten ist, dass sie freiwillig, unentgeltlich und gemeinwohlorientiert sind.9 Die Erscheinungsformen ehrenamtlichen Engagements reichen von öffentlichen Ehrenämtern in der Sphäre des Staates, wie ehrenamtliche Bürgermeister oder ehrenamtliche Richter, Schöffen oder Vormunde, über private Ehrenämter in der freien Wohlfahrtspflege, in Kirchen, Vereinen, Kultur, Sport, Wissenschaft, Gesundheitswesen oder Selbsthilfeorganisationen bis hin zu ehrenamtlich Tätigen in der Wirtschaft wie den Betriebsräten oder Mitgliedern von Personalvertretungen . Auch der Dienst in einer Freiwilligen Feuerwehr und freiwilliges Tätigwerden im Katastrophenschutz und Rettungswesen ist den ehrenamtlichen Tätigkeiten zuzuordnen. Teilweise wird die Verwendung des Begriffs „Ehrenamt“ insgesamt kritisiert. Die Bezeichnung von den oben definierten Tätigkeiten als „Ehrenamt“ greife zu kurz. Vielmehr habe sich inzwischen der Begriff des „Bürgerschaftliches Engagement“ etabliert.10 3. Abhängige Beschäftigung als Arbeitnehmer Zur Abgrenzung des bürgerschaftlichen Engagements von der arbeitsrechtlich relevanten Beschäftigung ist zunächst deren Definition erforderlich. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG ist Arbeitnehmer, „wer auf Grund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist.“11 Der Arbeitsvertrag ist dabei ein zweiseitiger Vertrag (Austauschvertrag), dessen Hauptleistungspflichten – die weisungsgebundene Tätigkeit einerseits und die vertraglich vereinbarte Vergütung andererseits – in einem Synallagma stehen.12 In Abgrenzung zur ehrenamtlichen Tätigkeit bzw. zum bürgerlichen Engagement wird vor allem auf die Unterscheidungskriterien des Vorliegens 8 PETZKE, Lydia (2004): Ehrenamt und Rechtsordnung. Regelung ehrenamtlichen und freiwilligen Engagements. Berlin: VWF, S. 7 mit weiteren Nachweisen; DETER, Gerhard / BRÄMER, Markus, Die Stellung des Ehrenamtes und seine sozialrechtliche Berücksichtigung in der Bundesrepublik Deutschland, in: Zeitschrift für Sozialhilfe und Sozialgesetzgebung, H. 2, 1994, S. 57-64. 9 PETZKE (Fn. 8), S. 16 ff. 10 Vgl. hierzu im Detail das Plenarprotokoll 17/220 vom 1. Februar 2013, S. 27337 – 27358. 11 Vgl. nur BAG, Urteil vom 24. Oktober 2001, Az.: 5 AZR 33/00. 12 PREIS, Ulrich, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 15. Aufl. 2015, § 611 Rn. 3. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 227/14 Seite 6 einer Vergütung für die erbrachte Tätigkeit sowie die Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers und die Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers abzustellen sein.13 4. Auslegungen des Begriffs der Arbeitsmarktneutralität Zweck des Begriffs der Arbeitsmarktneutralität ist es, betriebliche Tätigkeiten außerhalb des Arbeitsverhältnisses und mit anderer Zielsetzung – also z.B. das bürgerschaftliche Engagement – von beruflichen Tätigkeiten abzugrenzen.14 Die Abgrenzung – vor allem des Bundesfreiwilligendienstes – zur Erwerbsarbeit bereitet jedoch in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten.15 Der Begriff der „Arbeitsmarktneutralität“ benötigt eine eindeutige Definition.16 Es handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, welcher durch eine Auslegung zu konkretisieren ist.17 Im Folgenden werden die aktuellen Definitionsansätze dargestellt und untersucht, ob der Begriff der Arbeitsmarktneutralität in den letzten Jahrzehnten eine Entwicklung erfahren hat. 4.1. Gesetzliche Definitionsansätze § 3 Abs. 1 Satz 2 des BFDG ordnet an, dass der Bundesfreiwilligendienst arbeitsmarktneutral auszugestalten ist: „Der Bundesfreiwilligendienst wird in der Regel ganztägig als überwiegend praktische Hilfstätigkeit in gemeinwohlorientierten Einrichtungen geleistet, […]. Der Bundesfreiwilligendienst ist arbeitsmarktneutral auszugestalten.“ Zudem heißt es in § 2 Nr. 2 BFDG: „Freiwillige im Sinne dieses Gesetzes sind Personen, die einen freiwilligen Dienst […] vergleichbar einer Vollzeitbeschäftigung, oder, sofern sie das 27. Lebensjahr vollendet haben, 13 So auch die von § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB VI definierten Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Beschäftigung im Anwendungsbereich der Sozialrechts. 14 LEUBE, Konrad, Bundesfreiwilligendienstverhältnis und Arbeitsmarktneutralität. In: ZTR 2014, S. 141-146. 15 Hierzu ausführlich ANHEINER/ BELLER/ HAß/ MILDENBERGER/ THEN, Ein Jahr Bundesfreiwilligendienst – Erste Erkenntnisse einer begleitenden Untersuchung, Juni 2012, S. 16 f., abrufbar unter: http://www.hertieschool .org/fileadmin/images/Downloads/bundesfreiwilligendienst/Report_Bundesfreiwilligendienst.pdf [Abruf: 4. Dezember 2014]. 16 LIGA der freien Wohlfahrtspflege in Baden-Württemberg e.V. (Fn. 6) S. 3. 17 LEUBE, Konrad, (Fn. 14). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 227/14 Seite 7 vergleichbar einer Voll- oder Teilzeitbeschäftigung von mehr als 20 Stunden pro Woche leisten .“ Der Begriff der Arbeitsmarktneutralität wird dabei im Gesetz selbst nicht definiert. In der Begründung zum Gesetzentwurf des BFDG in der 17. Legislaturperiode führt die Bundesregierung jedoch aus, Arbeitsmarktneutralität bedeute, dass die Freiwilligen unterstützende, zusätzliche Tätigkeiten verrichten und keine hauptamtlichen (Fach-)Kräfte ersetzen.18 Die Arbeitsmarktneutralität ist somit dann gewährleistet, wenn durch den Einsatz von Freiwilligen die Einstellung von neuen Beschäftigten nicht verhindert wird und keine Kündigung von bereits Beschäftigten erfolgt. Das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) ist eine dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) nachgeordnete Behörde und für den Vollzug des Bundesfreiwilligendienstes zuständig.19 Es prüft die Einhaltung der Arbeitsmarktneutralität vor jeder Anerkennung eines Bundesfreiwilligendienstplatzes und überwacht sie anschließend. Nach Ziff. 2.6. Satz 2 der Richtlinien zur Durchführung des Bundesfreiwilligendienstes (BFD-Anerkennungsrichtlinie ) dürfen keine Plätze anerkannt werden, wenn sie nachweislich einen bisherigen Arbeitsplatz ersetzen oder die Einrichtung eines neuen Arbeitsplatzes erübrigen sollen. Dabei ist die Arbeitsmarktneutralität „insbesondere gewährleistet, wenn die Arbeiten ohne Freiwillige nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt würden oder auf dem Arbeitsmarkt keine Nachfrage besteht.“20 Ferner müssen sich die Einsatzstellen für den Bundesfreiwilligendienst nach Ziff. 2.6. Satz 4 der BFD-Anerkennungsrichtlinie schriftlich gegenüber dem Bund zur Wahrung der Arbeitsmarktneutralität verpflichten.21 Auch soll das BAFzA nach Abschluss des Anerkennungsverfahrens allen Hinweisen über Verstöße gegen die Arbeitsmarktneutralität nachgehen. Kann ein Verstoß nachgewiesen werden, prüft das BAFzA den Widerruf der Anerkennung als Einsatzstelle im Bundesfreiwilligendienst .22 18 Begründung zum Gesetzesentwurf, Bundestagsdrucksache 17/4803 vom 17. Februar 2011, S. 13. 19 Bundesratsdrucksache 373/12 vom 27. Juni 2012. 20 Richtlinie zur Durchführung des Bundesfreiwilligendienstes, Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Stand. 04. Juli 2011, abrufbar unter: https://www.bundesfreiwilligendienst.de/fileadmin/de.bundesfreiwilligendienst /content.de/Service/Downloads/Anerkennungsrichtlinie.pdf [Abruf: 4. Dezember 2014]. 21 Bundesratsdrucksache 373/12 vom 27. Juni 2012. 22 Bundesratsdrucksache 474/13 vom 3. Juni 2013. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 227/14 Seite 8 Der Gesetzgeber ging bei Erlass des BFDG davon aus, dass sich die in Zivildienst und Jugendfreiwilligendiensten praktizierte Arbeitsmarktneutralität bewährt habe und nun auch den Bundesfreiwilligendienst bestimme.23 4.2. Entwicklung der Definition der Arbeitsmarktneutralität Die Forderung der Arbeitsmarktneutralität – früher noch des Zivildienstes – wurde erstmalig 1973 im Zusammenhang mit der Schaffung des Beirates für den Zivildienst thematisiert, „in dem die Einbeziehung der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände in den Kreis der zu beteiligenden Interessengruppen u.a. mit der Sicherung der arbeitsmarktpolitischen Neutralität des Zivildienstes begründet wurde.“24 Die Enquête-Kommission des Bundestages in der 14. Wahlperiode plädierte 2002 für die möglichst eindeutige Trennung von bürgerschaftlichen Engagement und Erwerbsarbeit.25 Freiwillige, nicht auf materiellen Gewinn ausgerichtete Tätigkeiten hätten für das Gemeinwohl eine eigene Handlungslogik, einen Eigensinn. Gleichwohl sei es sinnvoll und ergäbe sich häufig von selbst, dass die durch bürgerschaftliches Engagement erworbenen Fähigkeiten in einer Erwerbsarbeit nutzbar gemacht würden. Die Enquête-Kommission spricht insoweit von der „Brückenfunktion“ des bürgerschaftlichen Engagements. In Abgrenzung zur Erwerbsarbeit sei das bürgerschaftliche Engagement damit nicht auf die Erzielung eines materiellen Gewinns gerichtet. Auch setzte die Freiwilligkeit der Einordnung in betriebliche Handlungs- und Weisungszusammenhänge Grenzen . Nach Ansicht der Enquête-Kommission könnten Bürgerschaftlich Engagierte deshalb nicht – wie ein Erwerbstätiger – in die Betriebs- und Unternehmensverfassung oder in die Personal- und Schwerbehindertenvertretung einbezogen werden. Vor allem durch außergewöhnliche monetäre Anreize für einzelne Engagierte könnte die Grenze zur Erwerbsarbeit verwischt werden; „allerdings sollten Engagierte durch ihre Tätigkeit auch keine materiellen Nachteile erleiden – eine Abwägungsfrage vor allem bei steuerrechtlichen Regelungen.“26 Die Abgrenzungskriterien der Enquête -Kommission blieben damit sehr vage. Ein Gutachten zum Thema „Zivildienst und Arbeitsmarkt“ ebenfalls aus dem Jahr 2002 – welches im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erstellt wurde –unterbreitete einen Definitionsvorschlag zum Begriff der Arbeitsmarktneutralität: Von der „Arbeitsmarktneutralität“ des Zivildienstes könne demnach gesprochen werden, wenn 23 Gesetzesbegründung zum BFDG, Bundestagsdrucksache 17/4803 vom 17. Februar 2011, zu § 3 BFDG S. 15. 24 In: Zivildienst und Arbeitsmarkt, Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend [BMFSFJ] (Hrsg.) Stuttgart: Kohlhammer, 2002 [=Band 222 Schriftenreihe des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend], S. 35. 25 Für die nachfolgenden Ausführungen: Bericht der Enquête-Kommission des Bundestages: Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements. Bundestagsdrucksache 14/8900, S. 284f. 26 Bericht der Enquête-Kommission (Fn. 26) S. 285. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 227/14 Seite 9 • dieser Dienst grundsätzlich keine bestehenden Arbeitsplätze substituiert und die Einrichtung neuer Beschäftigungsmöglichkeiten nicht verhindert, • d. h. Zivildienstplätze zusätzlich zum Stellenplan eingerichtet und die sogenannten „Regelaufgaben “ in den Beschäftigungsstellen nicht durch Zivildienstleistende übernommen werden , • die Dienstpflichtigen additiv und ergänzend zum ehrenamtlichen und hauptamtlichen Personal eingesetzt werden und • sie hierbei beide Mitarbeitergruppen unterstützen sowie von notwendigen und stark nachgefragten Tätigkeiten, für die keine besondere Ausbildung erforderlich ist, entlasten, • für diese Arbeiten kein entsprechendes und geeignetes Arbeitskräfteangebot auf dem regulären Arbeitsmarkt besteht und durch den Einsatz von Zivildienstleistenden Lücken geschlossen werden, die wegen der knappen finanziellen Ressourcen sonst nicht vermeidbar wären, weil die Träger nicht über die erforderlichen Finanzmittel zur Errichtung dieses Arbeitsplatzes verfügen.“27 KLENTER greift diesen Definitionsansatz aktuell auf, fordert jedoch eine konsolidierte Definition der Arbeitsmarktneutralität. Die oben genannten Punkte seien in diesem Zusammenhang durch das Erfordernis, dass „die Begleitung der Dienstleistenden auf der Grundlage einer pädagogischen Konzeption stattfindet,“ zu ergänzen.28 Kritisch äußert sich derzeit LEUBE zu einer „fiskalischen Ausrichtung“ der Definition des Begriffs der Arbeitsmarktneutralität.29 Denn die Arbeitsmarktneutralität läge schon vor, wenn die finanziellen Mittel für einen regulären Arbeitsplatz fehlten. Er schlägt daher vor, den Begriff der „Arbeitsmarktneutralität“ in § 3 Abs. 1 Satz 2 BFDG durch die Begriffe „Zusätzlichkeit“ und „Wettbewerbsneutralität“ entsprechend § 16d Abs. 2 und Abs. 4 des Zweites Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) zu ersetzen. Im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitssuchende können danach erwerbsfähige Leistungsberechtige zur Aufnahme von Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung angewiesen werden, wenn die zu verrichtenden „Arbeiten“ zusätzlich erfolgen , im öffentlichen Interesse liegen und wettbewerbsneutral sind. Die Arbeitsmarktneutralität 27 Studie des BMFSFJ, (2002) (Fn. 24) S. 36 f. 28 KLENTER, Peter, Arbeitsmarktneutralität von Freiwilligendiensten und Mitbestimmungsrechten des Betriebsrates . In: Zivil - Gesellschaft - Staat : Freiwilligendienste zwischen staatlicher Steuerung und zivilgesellschaftlicher Gestaltung, Bibisidis, Thomas u.a. (Hrsg.), Bd. 44 Bürgergesellschaft und Demokratie, 2014, S. 151-166 (155). 29 LEUBE, Konrad, (Fn. 14). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 227/14 Seite 10 der zugewiesenen Arbeitsgelegenheiten ergibt sich aus der geforderten Zusätzlichkeit und der Wettbewerbsneutralität. Nach § 16d Abs. 2 SGB II sind Arbeiten „zusätzlich“, „wenn sie ohne die Förderung nicht, nicht in diesem Umfang oder erst zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt würden. Arbeiten, die auf Grund einer rechtlichen Verpflichtung durchzuführen sind oder die üblicherweise von juristischen Personen des öffentlichen Rechts durchgeführt werden, sind nur förderungsfähig, wenn sie ohne die Förderung voraussichtlich erst nach zwei Jahren durchgeführt würden. Ausgenommen sind Arbeiten zur Bewältigung von Naturkatastrophen und sonstigen außergewöhnlichen Ereignissen.“ „Wettbewerbsneutral“ sind Arbeiten nach § 16d Abs. 4 SGB II, „wenn durch sie eine Beeinträchtigung der Wirtschaft infolge der Förderung nicht zu befürchten ist und Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt weder verdrängt noch in ihrer Entstehung verhindert wird.“ 5. Ausblick Das Land Nordrhein-Westfalen stellte in der 17. Legislaturperiode im Bundesrat den Antrag, die Bundesregierung aufzufordern, die Arbeitsmarktneutralität der Freiwilligendienste sicherzustellen .30 Dieser Antrag wurde vom Bundesrat angenommen. Die Bundesregierung ging jedoch davon aus, dass im Bundesfreiwilligendienst und bei den Jugendfreiwilligendiensten die Arbeitsmarktneutralität bereits durch verschiedene Maßnahmen sichergestellt werde; dies gelte sowohl für die Anerkennung als Einsatzstelle als auch für die Durchführung dieser Freiwilligendienste.31 Das Kriterium der „Arbeitsmarktneutralität“ wird jedoch beispielsweise von STRACHWITZ insgesamt kritisch bewertet. So seien die Freiwilligendienste nicht vollständig arbeitsmarktneutral, seien aber darauf auch nicht ausgerichtet. Vielmehr verfolgten die Freiwilligendienste im Wesentlichen das Ziel, den sozialen Diensten, denen die Rekrutierung von Arbeitskräften tatsächlich und wirtschaftlich schwer falle, „vergleichsweise billige Arbeitskräfte zuzuführen.“ Die nicht sehr hohe Zahl der Dienstleistenden führe jedoch nach Ansicht von STRACHWITZ im Ergebnis trotz alledem zu keiner wesentlichen Berührung des Arbeitsmarktes.32 30 Bundesratsdrucksache 373/12 vom 27. Juni 2012. 31 Bundesratsdrucksache 474/13 vom 03. Juni 2013. 32 STRACHWITZ, Graf Rupert, Der neue Bundesfreiwilligendienst – Eine kritische Bewertung aus Sicht der Zivilgesellschaft . Opusculum Nr. 48, Maecenata Institut für Philanthropie und Zivilgesellschaft an der Humboldt- Universität zu Berlin, Juni 2011, S. 31, abrufbar unter: http://www.institut.maecenata.eu/resources/2011_Opusculum 48.pdf [Abruf: 4. Dezember 2014]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 227/14 Seite 11 Vermehrt wird aber die fehlende klare Abgrenzung zwischen ehrenamtlicher Tätigkeiten und Freiwilligendiensten auf der einen und den betrieblichen und dienstlichen Regelaufgaben auf der anderen Seite bemängelt. KLENTER will diese durch eine Gewährleistung der Arbeitsmarktneutralität bzw. der Zusätzlichkeit ehrenamtlicher Tätigkeiten und der Freiwilligendienste und einer entsprechende Stärkung der Mitbestimmungsrechte der betrieblichen und dienstlichen Interessenvertretungen erreichen. Ferner müsse der Anwendungsbereich des Arbeitsplatzschutzgesetzes (ArbPlatzSchG) auf ehrenamtliche Tätigkeiten und Freiwilligendienste ausgedehnt werden, um Erwerbsarbeit und bürgerschaftliches Engagement ohne Risiko für das bestehende Arbeitsverhältnis vereinbar zu machen .33 Eine konkrete Neufassung des § 3 Abs. 1 Satz 2 BFDG schlägt LEUBE vor. Die gesetzliche Festschreibung der Arbeitsmarktneutralität müsse durch die Begrifflichkeiten der „Zusätzlichkeit“ und der „Wettbewerbsneutralität“ der Tätigkeit ersetzt werden, welche bereits für Arbeitsgelegenheiten nach § 16d Abs. 2 und Abs. 4 des SGB II zum Tragen kommen. Die Vorschrift des § 3 Abs. 1 Satz 2 BFDG sollte nach Ansicht LEUBES „unbedingt neu gefasst und ergänzt werden, um die Voraussetzungen für den BFD eindeutig zu determinieren.“34 Als Vorteil einer solchen neugefassten Regelung wird eine damit begründete Rechtssicherheit angeführt . KLENTER weist jedoch darauf hin, dass dadurch „der Spielraum für Freiwilligendienste in konkreten betrieblichen Zusammenhängen erheblich eingeschränkt würde.“35 33 KLENTER, Peter, „Gute Arbeit“ und „bürgerschaftliches Engagement“ – ein Spannungsfeld. In BBE-Newsletter 19/2014, abrufbar unter: http://www.b-b-e.de/fileadmin/inhalte/aktuelles/2014/10/NL19_Gastbeitrag_Klenter .pdf [Abruf: 4. Dezember 2014]. 34 LEUBE, Konrad, (Fn. 14). 35 KLENTER, Peter, (Fn. 28) S. 155.