© 2015 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 224/14 Statistische Daten zur materiellen Deprivation Sachstand Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 224/14 Seite 2 Statistische Daten zur materiellen Deprivation Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 224/14 Abschluss der Arbeit: 19. November 2014 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 224/14 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Materielle Deprivation 4 2. Zusammenhang zwischen Einkommensarmut und materieller Deprivation 5 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 224/14 Seite 4 1. Materielle Deprivation Die Quote der materiellen Deprivation ist ein Indikator der europaweit durchgeführten Gemeinschaftsstatistik über Einkommen und Lebensbedingungen „EU-SILC“1. Eurostat, das Statistik-Portal der Europäischen Kommission, hat die Quote der materiellen Deprivation folgendermaßen definiert : „Die Quote der materiellen Deprivation ist ein Indikator der EU-SILC, der die Unfähigkeit ausdrückt , sich verschiedene Ausgaben leisten zu können, die von den meisten Menschen als für eine angemessene Lebensführung wünschenswert oder gar notwendig angesehen werden. Bei diesem Indikator wird unterschieden zwischen Personen, die sich bestimmte Waren oder Dienstleistungen nicht leisten können, und Personen, die diese Waren oder Dienstleistungen aus einem anderen Grund nicht besitzen – etwa weil sie sie bewusst nicht wollen oder nicht benötigen. Mit diesem vom Ausschuss für Sozialschutz festgelegten Indikator wird der prozentuale Anteil der Bevölkerung gemessen, der für mindestens drei der neun folgenden Ausgaben nicht aufkommen kann: 1. Hypotheken- oder Mietschulden oder Rechnungen für Versorgungsleistungen; 2. angemessene Beheizung der Wohnung; 3. unerwartete Ausgaben; 4. regelmäßige fleisch- oder eiweißhaltige Mahlzeiten; 5. Urlaubsreisen; 6. Fernseher; 7. Kühlschrank; 8. Auto; 9. Telefon. 1 LEBEN IN EUROPA ist die Bezeichnung der deutschen Befragung im Rahmen der europaweit durchgeführten Gemeinschaftsstatistik über Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC). Themen der Befragung sind neben den verschiedenen Bestandteilen des Einkommens weitere wichtige Lebensbereiche wie etwa die Wohnsituation oder die Gesundheit. EU-SILC ist die Standarddatenquelle für die Messung von Armut und Lebensbedingungen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Rechtsgrundlage der Erhebung ist die Verordnung (EG) Nr. 1177/2003 des Europäischen Parlamentes und des Rates in Verbindung mit dem Bundesstatistikgesetz. EU- SILC wird seit 2005 in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie in Norwegen und Island durchgeführt . Um die Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu gewährleisten, werden EU-weit die gleichen Merkmale erhoben . Für die Erhebungsmethoden gelten verbindliche Mindeststandards. Die Befragung wurde insbesondere auf die Berechnung vergleichbarer Indikatoren für die soziale Eingliederung (sogenannte Laeken-Indikatoren) zugeschnitten und ist damit eine wichtige Basis für die Europäische Sozialpolitik. Quelle: Statistisches Bundesamt Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 224/14 Seite 5 Die Quote der erheblichen materiellen Deprivation ist definiert als die unfreiwillige Unfähigkeit, für mindestens vier der vorstehend genannten Ausgaben aufkommen zu können.“2 Die entsprechende Fachabteilung des Statistischen Bundesamtes3 hat auf Anfrage die folgenden Ausführungen übermittelt. „Materiell deprivierte Menschen unterliegen wirtschaftlichen Einschränkungen und materiellen Entbehrungen. Sie verfügen nicht über die finanziellen Mittel, um in angemessener Weise an dem Lebensstandard teilhaben zu können, der in der Gesellschaft, in der sie leben, als „normal“ gilt. Die EU hat neun Deprivationskriterien (siehe Tabelle) aufgestellt, um den Grad materieller Entbehrung innerhalb der EU-Bevölkerung zu messen. Bei der Erhebung der Angaben zur materiellen Deprivation gibt der befragte Haushalt seine eigene Einschätzung für jedes Einzelkriterium selbst an, inwieweit dieses Kriterium für seinen Haushalt zutrifft oder nicht („Ja/ Nein“). Sind mindestens drei der neun festgelegten Deprivationskriterien für einen Haushalt erfüllt, so spricht man von materieller Entbehrung, bei vier oder mehr erfüllten Kriterien von erheblicher materieller Entbehrung. Die entsprechende Tabelle zur materiellen Deprivation befindet sich hier: http://appsso.eurostat.ec.europa.eu/nui/show.do?dataset=ilc_mddd03&lang=de“ 2. Zusammenhang zwischen Einkommensarmut und materieller Deprivation Ferner übermittelte das Statistische Bundesamt folgende Auswertungen sowie eine entsprechende Excel- Tabelle: Prozent der Einkommensarmen und Nicht-Einkommensarmen, die materiell depriviert sind – „11,6% der Bevölkerung in Deutschland waren 2013 materiell depriviert (d.h. diese Personen hatten geantwortet, dass aus finanziellen Gründen mindestens drei der neun Kriterien auf sie zutrafen). – Genau drei Kriterien waren bei 6,1% der Bevölkerung erfüllt; bei 18,1% der armutsgefährdeten Personen und bei 3,8% der nichtarmutsgefährdeten Personen. Bereiche der materiellen Deprivation – 70,2% der armutsgefährdeten Personen hatten angegeben, unerwartete Ausgaben in Höhe von mind. 952 Euro (2013) nicht aus eigenen Finanzmitteln bestreiten zu können. Und 2 Quelle: Eurostat, Glossar, http://epp.eurostat.ec.europa.eu/statistics_explained/index.php/Glossary:Material_deprivation /de. 3 Antwort des Statistischen Bundesamtes vom 17. November 2014 auf eine Anfrage des Wissenschaftlichen Dienstes: KMS: 95444 / 476918, Bearbeitung: Referat H 304 – Veröffentlichungen, Analysen, Öffentlichkeitsarbeit , Internationale Kontakte. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 224/14 Seite 6 58,7% der armutsgefährdeten Personen gaben an, aus finanziellen Gründen jährlich nicht eine Woche Urlaub woanders als zu Hause verbringen zu können.“ Bei den nicht armutsgefährdeten Personen haben lediglich 25, 8 % angegeben, unerwartete Ausgaben in bestimmter Höhe aus eigenen Finanzmitteln nicht bestreiten zu können. Lediglich 15, 5% können jährlich nicht eine Woche Urlaub woanders als zu Hause verbringen. © 2015 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 224/14 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 224/14 Seite 7 „Materielle Entbehrung in Deutschland nach einzelnen Kriterien Ergebnisse aus LEBEN IN EUROPA (EU-SILC) 2013 insgesamt armutsgefährdete 1) Personen nicht armutsgefährdete 2) Personen Materielle Deprivation (3 und mehr Kriterien erfüllt) 11,6 Materielle Deprivation (3 Kriterien erfüllt) 6,1 18,1 3,8 Materielle Deprivation (4 und mehr Kriterien erfüllt) 5,4 Materielle Deprivation (4 Kriterien erfüllt) 3,9 14,1 1,9 Materielle Deprivation (5 und mehr Kriterien erfüllt) 2,3 9,8 0,9 Anteil der Bevölkerung (%), der sich … aus finanziellen Gründen nicht leisten kann 3) Rechtzeitiges Bezahlen der Miete oder der Rechnungen für Versorgungsleistungen 5,1 11,5 3,9 Angemessenes Heizen der Wohnung 5,3 16,5 3,1 Unerwartete Ausgaben in bestimmter Höhe 4) aus eigenen Finanzmitteln bestreiten zu können 32,9 70,2 25,8 Jeden zweiten Tag eine vollwertige Mahlzeit einnehmen 8,4 25,4 5,1 Jährlich eine Woche Urlaub woanders als zu Hause verbringen 22,4 58,7 15,5 Kein Pkw vorhanden 7,4 26,8 3,7 Keine Waschmaschine vorhanden 0,5 1,8 0,2 Kein Farbfernsehgerät vorhanden 0,3 1,4 0,1 Kein Telefon im Haushalt vorhanden 0,2 1,3 0,0 1) Personen mit einem Einkommen unter 60% des medianen Nettoäquivalenzeinkommens 2) Personen mit einem Einkommen über 60% des medianen Nettoäquivalenzeinkommens 3) Materielle Entbehrung liegt dann vor, wenn aufgrund der Selbsteinschätzung der Haushalte mindestens drei der folgenden neun Kriterien erfüllt sind (bei mindestens vier von neun Kriterien spricht man von erheblicher materieller Entbehrung): Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 224/14 Seite 8 1. Finanzielles Problem, die Miete oder Rechnungen für Versorgungsleistungen rechtzeitig zu bezahlen. 2. Finanzielles Problem, die Wohnung angemessen heizen zu können. 3. Finanzielles Problem, unerwartete Ausgaben in einer bestimmten Höhe aus eigenen finanziellen Mitteln bestreiten zu können. 4. Finanzielles Problem, jeden zweiten Tag Fleisch, Fisch oder eine gleichwertige vegetarische Mahlzeit einnehmen zu können. 5. Finanzielles Problem, jährlich eine Woche Urlaub woanders als zu Hause zu verbringen. 6. Fehlen eines Pkw im Haushalt aus finanziellen Gründen. 7. Fehlen einer Waschmaschine im Haushalt aus finanziellen Gründen. 8. Fehlen eines Farbfernsehgeräts im Haushalt aus finanziellen Gründen. 9. Fehlen eines Telefons im Haushalt aus finanziellen Gründen. 4) Im Haushaltsfragebogen von LEBEN IN EUROPA 2013: Unerwartete Ausgaben in Höhe von mindestens 952 Euro.“4 4 Quelle: KMS: 95444 / 476918, Bearbeitung: Referat H 304 – Veröffentlichungen, Analysen, Öffentlichkeitsarbeit, Internationale Kontakte.