Deutscher Bundestag Entgeltunterschiede zwischen Männern und Frauen in Deutschland und in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union Gesetzliche Regelungen, betriebliche Arbeitsbewertungssysteme und Kontrollverfahren Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste © 2011 Deutscher Bundestag WD 6 – 3000-222/10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 – 3000-222/10 Seite 2 Entgeltunterschiede zwischen Männern und Frauen in Deutschland und in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union Gesetzliche Regelungen, betriebliche Arbeitsbewertungssysteme und Kontrollverfahren Aktenzeichen: WD 6 – 3000-222/10 Abschluss der Arbeit: 2. Februar 2011 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 – 3000-222/10 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Die geschlechtsspezifische Lohnlücke (Gender Pay Gap) 4 3. Vorschriften zur Entgeltgleichheit zwischen den Geschlechtern im Europäischen Recht 6 4. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) 8 5. Geschlechtsspezifische Entgeltunterschiede in Deutschland und in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union 9 5.1. Statistisches Bundesamt 9 5.2. Berufs- und Einkommenssituation von Frauen und Männern in Deutschland 11 6. Maßnahmen zur Reduzierung der Lohnlücke in EU- Mitgliedstaaten - Beispiele 13 6.1. Schweden 13 6.2. Niederlande 15 6.3. Großbritannien 15 6.4. Frankreich 16 6.5. Vergleichende Studie der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen (EUROFOUND) 16 7. Systeme zur Feststellung einer möglichen Entgeltungleichheit zwischen Frauen und Männern in Betrieben 17 7.1. „Logib-D“ 17 7.2. „eg-check“ 19 8. Literaturliste 20 9. Anlagenverzeichnis 21 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 – 3000-222/10 Seite 4 1. Einleitung Die vorliegende Ausarbeitung beschäftigt sich mit den Verdienstunterschieden von Frauen und Männern in Deutschland und in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Es werden Analysen, Studien, Auswertungen und Interpretationen verschiedener Institutionen, Forschungseinrichtungen und Wissenschaftler zusammenfassend dargestellt. Bei der Vielschichtigkeit des Themas kann jedoch nur ein Ausschnitt der wissenschaftlichen Diskussion vorgestellt werden. Einige wichtige Dokumente sind als Anlagen beigefügt. Eine aktuelle Darstellung der Regelungen in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union folgt in einem zweiten Teil der Ausarbeitung. 2. Die geschlechtsspezifische Lohnlücke (Gender Pay Gap) Zu den vielfältigen und vielschichtigen Ursachen der Lohnungleichheit zwischen Männern und Frauen gehört auch die geschlechtsspezifische Diskriminierung im Bereich der Entlohnung.1 Das Internationale Arbeitsamt in Genf hat Ursachen und Dimensionen des Gender Pay Gap in einer Tabelle aufgelistet – gegliedert nach Ursachen und Dimensionen. Diese Darstellung ist als Anlage 1 beigefügt. Danach zeigt sich unmittelbare Diskriminierung sowohl durch unterschiedliche Bezahlung für Männer und Frauen bei „gleicher oder ähnlicher Arbeit“ als auch durch eine unterschiedliche Stellenbezeichnung (und Entgelt) für „gleiche oder ähnliche Arbeit“. Mittelbare Diskriminierung geht einher mit der Unterbewertung der mit „weiblichen“ Arbeitsplätzen verbundenen Fähigkeiten , Kompetenzen und Zuständigkeiten, mit geschlechtsspezifischer Benachteiligung bei Systemen der Stelleneinstufung und geschlechtsspezifischer Benachteiligung bei den Arbeitsentgeltsystemen . Das Internationale Arbeitsamt hat Kriterien für geschlechtsneutrale Arbeitsbewertungsmethoden aufgestellt. Demnach erfordert es die Herstellung von Entgeltgerechtigkeit, Vergleiche anzustellen und den „relativen Wert zweier Arbeitsstellen mit verschiedenen Inhalten festzustellen, indem man die Arbeitsplätze in Komponenten oder „Faktoren“ und „Subfaktoren“ aufgliedert und diesen Punkte zuordnet“. Nach analytischen Arbeitsbewertungsmethoden werden Faktoren wie Fertigkeiten /Qualifizierung, Verantwortung, Leistung und Arbeitsbedingungen herangezogen. Um „Männer“- und „Frauen“-Stellen fair bewerten zu können, „muss die Arbeitsbewertung frei von geschlechtsspezifischer Voreingenommenheit sein.“ 1 INTERNATIONALES ARBEITSAMT (2007). Internationales Arbeitsamt Genf, Bericht des Generaldirektors. Gleichheit bei der Arbeit: Den Herausforderungen begegnen. Gesamtbericht im Rahmen der Folgemaßnahmen zur Erklärung der IAO über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit, Bericht I (B), Nr. 281, S. 81. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 – 3000-222/10 Seite 5 Hervorgehoben werden in dem Bericht des Internationalen Arbeitsamtes Arbeitsbewertungsmethoden in Schweden (Schritte zur Gleichheit des Entgelts), die ABAKABA- und die EVALFRI- Methode in der Schweiz und die ISOS-Methode in Spanien. „Arbeitsbewertungsmethoden undverfahren tragen zur Entgeltgerechtigkeit bei, indem sie zu Messungen und zur Beseitigung des durch Entgeltdiskriminierung entstehenden Lohngefälles beitragen.“2 Es gibt unterschiedliche Methoden zur Förderung der Entgeltgerechtigkeit. Das Internationale Arbeitsamt unterscheidet zwischen einem umfassenden Ansatz mit dem Ziel der Beseitigung diskriminierender Entgeltpraktiken und dem auf Diskriminierung basierenden Lohngefälle (Schweden und Kanada, Quebec), dem Teilansatz mit dem Ziel der Beseitigung diskriminierender Entgeltpraktiken (Großbritannien, Niederlande) und dem gemischten Ansatz mit dem Ziel der Beseitigung bestimmter diskriminierender Entgeltpraktiken und des geschlechtsspezifischen Lohngefälles insgesamt (Frankreich, Schweiz).3 Die Darstellung ist als Anlage 2 beigefügt. Auch für die geschlechtsspezifische Lohnlücke in Deutschland werden eine Reihe verschiedener Faktoren als Ursachen genannt. „Hierzu zählen insbesondere: die fortbestehende Abwertung von Tätigkeiten und Verhaltensweisen , die mit Frauen und Weiblichkeit identifiziert werden; die Dominanz des Familienernährer- Zuverdienerinnen-Modells als Lebensform, das Verbleiben der Haus- und Familienarbeit vorrangig bei den Frauen, selbst wenn partnerschaftlich gelebt werden soll, die geschlechtsspezifisch getrennten Arbeitsmärkte in der gesamtwirtschaft und in den einzelnen Betrieben (…), die geringe Vereinbarkeit von Beruf und Familie mit der Folge, dass Frauen ihre Erwerbstätigkeit häufiger und länger unterbrechen als Männer und deswegen erhebliche Geldeinbußen hinnehmen müssen oder in Teilzeit ausweichen; die Diskriminierung von Teilzeitarbeit; die Diskriminierung von Frauen bei der Einstellung und beim beruflichen Aufstieg, die unverändert extreme Unterrepräsentanz von Frauen in Führungs- und Leistungspositionen, verschiedene Formen von Entgeltdiskriminierung .“4 Als besonders diskriminierungsanfällig gelten in Teilen der wissenschaftlichen Literatur Mechanismen der Arbeitsbewertung, die beispielsweise Anforderungen, die an frauendominierten Arbeitsplätzen besonders häufig auftreten, unterbewerten. Exemplarisch werden Tätigkeitsanforderungen wie die „soziale Kompetenz“ genannt, die häufig schlicht nicht Gegenstand der Arbeitsbewertung sei. Ebenso können sich scheinbar geschlechtsneutrale Kriterien zur Einstufung des Grundentgelts wie Berufsjahre oder Betriebszugehörigkeit vor dem Hintergrund familienbezoge- 2 INTERNATIONALES ARBEITSAMT (2007). Nr. 283, 284, 285, 289, S.81ff. 3 INTERNATIONALES ARBEITSAMT (2007). S. 85. 4 RAASCH, Sibylle (2009). Gender Pay Gap mit neuen Instrumenten überwinden. In: djbZ, Heft 3, S. 126. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 – 3000-222/10 Seite 6 ner Erwerbsunterbrechungen diskriminierend auswirken. Auch Geschlechterstereotype und Vorurteile hinsichtlich der Frage, welche Wertigkeit eine Arbeit innerhalb einer Gesellschaft besitzt und was als Arbeitsleistung bewertet wird, spielten eine Rolle.5 Direkte oder unmittelbare Lohndiskriminierung von Frauen ist in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten zurückgegangen. Lohnabschlagsklauseln für Frauen gibt es seit den 50er Jahren in der Bundesrepublik nicht mehr. Heute gehe es, wie ASTRID ZIEGLER in ihren Antworten auf einen Fragenkatalog für eine Sachverständigenanhörung im Deutschen Bundestag darlegte, vielmehr um versteckte Ursachen, um mittelbare oder indirekte Diskriminierung. Diese Diskriminierung sei viel schwerer nachzuweisen, weil sie sich hinter geschlechtsneutral formulierten Regelungen und betrieblichen Umsetzungspraxen verberge.6 Die schriftlichen Stellungnahmen von ZIEGLER sind als Anlage 3 beigefügt. Zu den Ursachen von Lohnungleichheit zwischen Männern und Frauen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union siehe auch http://ec.europa.eu/social/main.jsp?catld=682&langld=de (zuletzt abgerufen am 23. Januar 2011). 3. Vorschriften zur Entgeltgleichheit zwischen den Geschlechtern im Europäischen Recht „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ ist eines der Gründungsprinzipien der Europäischen Union und wurde schon in den Römischen Verträgen von 1957 verankert. 1975 verbat die so genannte Entgeltrichtlinie (75/117/EWG) die Diskriminierung in allen Lohnaspekten von Frauen und Männern bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit.7 Die Richtlinie 2006/54/EG vom 5. Juli 2006 zur „Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen “ fasst mehrere Richtlinien „aus Gründen der Klarheit“ in einem Text zusammen. Die neue Einzel-Richtlinie soll außerdem den verschiedenen Entwicklungen aufgrund der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft (EuGH) Rechnung tragen.8 Mit dieser Richtlinie werden die Richtlinien 76/207/EWG, 86/387/EWG, 75/117/EWG und 97/80/EG aufgehoben. Diese enthielten Bestimmungen zu Arbeitsbedingungen, Berufsbildung, 5 HANS-BÖCKLER-STIFTUNG (2010). Kurzdossier zur Pressekonferenz am 18. März 2010. Einkommensungleichheit von Frauen und Männern: Wie entsteht sie? Was kann man dagegen tun? S. 4. 6 ZIEGLER, Astrid (2009). Beantwortung des Fragenkatalogs zu der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zum Thema „Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern“, S. 3. Siehe auch Anlage 3. 7 EUROPÄISCHE KOMMISSION (2009). EU-Kampagne zum geschlechtsspezifischen Lohngefälle. MEMO/09/91. 8 ERWÄGUNGSGRUND 1 der RL 2006/54/EG. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 – 3000-222/10 Seite 7 beruflichem Aufstieg, Entgeltgleichheit und zu betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit mit Blick auf die Gleichbehandlung von Männern und Frauen. Ziel der neuen Richtlinie ist es, die gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich Arbeit und Beschäftigung zu vereinfachen und zu modernisieren.9 In den Erwägungsgründen der neuen Richtlinie heißt es unter anderem, dass die Gleichstellung von Männern und Frauen nach Artikel 2 und Artikel 3 Absatz 2 des Vertrags sowie nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ein grundlegendes Prinzip darstelle. Mit Bezug auf die Artikel 21 und 23 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verbiete sich jegliche Diskriminierung aufgrund des Geschlechts in allen Bereichen, einschließlich Beschäftigung, Arbeit und Entgelt.10 „Der Grundsatz des gleichen Entgelts für gleiche oder gleichwertige Arbeit, gemäß Artikel 141 des Vertrags, der vom Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung bestätigt wurde, ist ein wichtiger Aspekt des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen und ein wesentlicher und unverzichtbarer Bestandteil sowohl des gemeinschaftlichen Besitzstands als auch der Rechtsprechung des Gerichtshofs im Bereich der Diskriminierung (…) Um festzustellen, ob Arbeitnehmer eine gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichten, sollte gemäß der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs geprüft werden, ob sich diese Arbeitnehmer in Bezug auf verschiedene Faktoren, zu denen unter anderem die Art der Arbeit und der Ausbildung und die Arbeitsbedingungen gehören, in einen vergleichbaren Lage befinden. (…) Die Mitgliedstaaten sollten weiterhin gemeinsam mit den Sozialpartnern dem Problem des anhaltenden geschlechtsspezifischen Lohngefälles und der nach wie vor ausgeprägten Geschlechtertrennung auf dem Arbeitsmarkt beispielsweise durch flexible Arbeitszeitregelungen entgegenwirken, die es sowohl Männern als auch Frauen ermöglichen, Familie und Beruf besser miteinander in Einklang zu bringen. (…).“11 Die Richtlinie enthält ein ausdrückliches Diskriminierungsverbot bezüglich des Entgelts. Demnach soll bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit jede Form von mittelbarer oder unmittelbarer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts in Bezug auf sämtliche Entgeltbestandteile und – bedingungen beseitigt werden. Systeme zur beruflichen Einstufung müssen auf für männliche und weibliche Arbeitnehmer gemeinsamen Kriterien beruhen und so beschaffen sein, dass Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts ausgeschlossen werden.12 Die Richtlinie 2006/54/EG ist als 9 www.euroa.eu/legislation_summaries/employment_and_social_policy/equality_between_menand _women/c10940_de.htm (zuletzt abgerufen am 25. Januar 2011). 10 ERWÄGUNGSGRÜNDE 2 und 4 der RL 2006/54/EG. 11 ERWÄGUNGSGRÜNDE 8 bis 11 der RL 2005/54/EG. 12 ARTIKEL 4 der RL 2006/54/EG Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 – 3000-222/10 Seite 8 Anlage 4 beigefügt. In Artikel 141 Abs. 1 EG (Amsterdamer Vertrag) heißt es: „Jeder Mitgliedstaat stellt die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicher.“ Unter „Entgelt“ sind gemäß Art. 141 Abs. 2 EG die üblichen Grund- oder Mindestlöhne und –gehälter sowie alle sonstigen Vergütungen zu verstehen. Art. 141 Abs. 3 EG enthält Bestimmungen zur Verwirklichung des Grundsatzes des gleichen Entgelts bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit.13 4. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) Artikel 3 Grundgesetz (GG) garantiert Gleichheit vor dem Gesetz. In Art. 3 Abs. 2 GG heißt es: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile ein.“ Gemäß § 2 Abs. 1 Ziffer 2 AGG, das im August 2006 in Kraft getreten ist, sind Benachteiligungen in Bezug auf „die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich Arbeitsentgelt und Entlassungsbedingungen, insbesondere in individual- und kollektivrechtlichen Vereinbarungen und Maßnahmen bei der Durchführung und Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses sowie beim beruflichen Aufstieg“ unzulässig. Ziel des Gesetzes ist gemäß § 1 AGG, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.14 Für Beschäftigte ist das Benachteiligungsverbot gemäß § 7 AGG ausschlaggebend. Das Verbot gilt für den Arbeitgeber sowie für die Tarif- und Betriebspartner und für Arbeitskollegen oder Dritte, wie zum Beispiel Kunden des Arbeitgebers. Die Verletzung des Benachteiligungsverbotes stellt eine Verletzung vertraglicher Pflichten dar. Sie löst die Unwirksamkeit von Vereinbarungen sowie Entschädigungs- und Schadensersatzpflichten nach § 15 AGG aus.15 In Bezug auf die Gleichheit des Entgelts ist die Vorgabe der Europäischen Richtlinie 2006/54/EG entscheidend, wonach Männer und Frauen für gleiche und gleichwertige Arbeit auch gleiches Entgelt erhalten müssen. Der EuGH ist der Auffassung, dass die Begriffe „gleiche Arbeit“ und „gleichwertige Arbeit“ rein qualitative Bedeutung haben. Danach komme es wesentlich auf Faktoren wie Art der Arbeit, Ausbildungsanforderungen und Arbeitsbedingungen an. 13 http://eur-lex.europa.eu/de/treaties/dat/11997D/11997D.html (zuletzt abgerufen am 27. Januar2011). 14 ALLGEMEINES GLEICHBEHANDLUNGSGESETZ (AGG) vom 14. August 2006. BGBl. I S. 1897. 15 FUCHS, Maximilian, § 7 AGG, Beck´scher Online-Kommentar, Rn 1. www.beck-online.beck.de (zuletzt abgerufen am 26. Januar 2011). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 – 3000-222/10 Seite 9 Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) handelt es sich um gleiche Arbeit, wenn Arbeitnehmer an verschiedenen oder nacheinander an denselben technischen Arbeitsplätzen identische oder gleichartige Tätigkeiten ausüben. Ob die Arbeit gleich ist, soll durch einen Gesamtvergleich ermittelt werden. Die Frage der Gleichwertigkeit von Arbeit ist nach der Rechtsprechung des BAG auf die Arbeitsleistung abzustellen. Ob die Arbeiten gleichwertig sind, kann demnach nur festgestellt werden, indem die geschuldeten Tätigkeiten insgesamt miteinander verglichen werden. Für die qualitative Wertigkeit einer Arbeit ist unter anderem das Maß der erforderlichen Vorkenntnisse und Fähigkeiten nach Art, Vielfalt und Qualität bedeutsam.16 In Abschnitt 4 des AGG ist der Rechtsschutz einer diskriminierten Person geregelt. § 23 AGG Abs. 2 erlaubt die „Unterstützung“ durch Antidiskriminierungsverbände. Diese Verbände sind befugt, in gerichtlichen Verfahren ohne Anwaltszwang als Beistand des/der Benachteiligten aufzutreten , jedoch nicht als Prozessvertreter. Gemäß § 23 Abs. 3 AGG dürfen Antidiskriminierungsverbände Betroffene zudem über ihre Rechtslage beraten und auch Schriftsätze oder Klagen abfassen. Im deutschen Arbeitsrecht existiert kein Verbandsklagerecht, sodass Betroffene gegen eine vermeintliche Diskriminierung in diesem Rechtsbereich auf die Individualklage angewiesen sind. Der Deutsche Juristinnenbund (djb) hat auch aufgrund der nicht vorhandenen Möglichkeit zur Verbandsklage das AGG als unzureichend kritisiert. Die Arbeitsrechtlerin SYBILLE RAASCH bemängelt, dass die enge Bindung des deutschen Arbeitsrechts an die individuelle Rechtsdurchsetzung Klagen gegen Entgeltunterschiede durch Betroffene nicht befördert.17 Gemäß § 27 Abs. 1 AGG können sich Personen, die der Ansicht sind, wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt worden zu sein, an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) wenden. Diese unterstützt „auf unabhängige Weise Personen, die sich nach Absatz 1 an sie wenden, bei der Durchsetzung ihrer Rechte zum Schutz vor Benachteiligungen“ (§ 27 Abs. 2 Satz 1 AGG). 5. Geschlechtsspezifische Entgeltunterschiede in Deutschland und in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union 5.1. Statistisches Bundesamt Der durchschnittliche Bruttostundenverdienst von Frauen fiel in Deutschland in den vergangenen Jahren konstant um 23 Prozent geringer aus als der von Männern. 16 FUCHS, Maximilian, § 7 AGG Beck´scher Online-Kommentar, Rn 15-16. 17 RAASCH, Sybille (2007). Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG): seit August 2006 in Kraft. In: aktuelle informationen, Heft 7, S. 3; RAASCH, Sybille (2005). Diskriminierungsschutz auf neuen Wegen: Verbandsbeteiligung und Antidiskriminierungsstelle im Entwurf eines deutschen Antidiskriminierungsgesetzes. In: ZESAR 5-6. S, 209ff. Zum Verbandsklagerecht im AGG siehe auch CHRIST, Daniela (2010). Kollektiver Rechtsschutz im Arbeitsrecht, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 – 3000-222/10 Seite 10 Dies ist die so genannte „unbereinigte“ Höhe des Lohnunterschiedes. Das Statistische Bundesamt orientiert sich bei der Berechnung des „unbereinigten“ Gender Pay Gap an den Vorgaben von Eurostat, dem statistischen Amt der Europäischen Gemeinschaften. Danach wird der Gender Pay Gap als prozentualer Unterschied zwischen dem durchschnittlichen Bruttostundenverdienst der Frauen und dem der Männer definiert. Im Gegensatz zum „unbereinigten“ Gender Pay Gap erlaubt der „bereinigte“ Indikator Aussagen zur Höhe des Unterschieds im Bruttostundenverdienst von Frauen und Männern mit vergleichbaren Eigenschaften. 18 Auf der Grundlage der Verdienststrukturerhebung 2006 mit Angaben von 3,1 Millionen Beschäftigten hat das Statistische Bundesamt in einer Studie die Verdienstunterschiede zwischen Männern und Frauen in Deutschland ermittelt. Rund zwei Drittel der geschlechtsspezifischen Lohnlücke (Gender Pay Gap) gehen demnach auf strukturell unterschiedliche arbeitsplatzrelevante Merkmale von Männern und Frauen zurück. Ein Drittel der Lohnlücke lasse sich allerdings nicht auf strukturelle Merkmale zurückführen. Frauen haben demzufolge auch bei gleicher Qualifikation und Tätigkeit je Stunde durchschnittlich 8 Prozent weniger als Männer verdient. 19 Die Studie enthält zahlreiche detaillierte Angaben zum Gender Pay Gap in Deutschland, beispielsweise differenziert nach Wirtschaftsabschnitten, Wirtschaftszweigen oder nach ausgewählten Berufen. Demnach verdienen Frauen zum Beispiel im Bereich „Bergbau, Gewinnung von Steinen und Erden“ und „Verkehr und Nachrichtenübermittlung“ unter zehn Prozent weniger als Männer. Im „Verarbeitenden Gewerbe“ und im „Kredit- und Versicherungsgewerbe“ sind es 29 Prozent, die Frauen weniger als Männer verdienen.20 Die Verdienstunterschiede zwischen Männern und Frauen sind gemäß der Studie, die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördert wurde, in der Hauptsache auf eine divergierende Berufs- bzw. Branchenwahl sowie die ungleich verteilten Arbeitsplatzanforderungen hinsichtlich Führung und Qualifikation zurückzuführen. Auch der höhere Anteil von Frauen in geringfügigen Beschäftigungen trage zum Gender Pay Gap bei.21 Die Studie ist als Anlage 5 beigefügt. 18 FINKE, Claudia (2010). Verdienstunterschiede zwischen Männern und Frauen 2006. Statistisches Bundesamt, Wiesbaden, S. 5ff. 19 Pressemitteilung Nr. 384 des Statistischen Bundesamtes vom 25. Oktober 2010: „Gender Pay Gap: Zwei Drittel lassen sich strukturell erklären.“ www.destatis.de. 20 FINKE (2010), S. 39ff. 21 FINKE (2010), Seite V. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 – 3000-222/10 Seite 11 Aktuelle Informationen bietet auch der Frauenlohnspiegel des WSI: http://www.lohnspiegel.de/main/frauenlohnspiegel/. Im Jahr 2008 lag der unbereinigte Verdienstunterschied zwischen Männern und Frauen bei genau 23,2 Prozent und lag damit deutlich über dem Durchschnitt der Europäischen Union von ca.18 Prozent. Nur Estland, die Tschechische Republik, Österreich und die Niederlande wiesen einen gegenüber Deutschland höheren geschlechtsspezifischen Verdienstabstand auf.22 Eine Darstellung des Statistischen Bundesamtes über die durchschnittlichen Verdienstunterschiede in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist als Anlage 6 beigefügt. Das Lohngefälle für sich genommen stellt allerdings keinen allgemeinen Indikator für die Gleichbehandlung von Männern und Frauen dar, da hier nur die Lohnunterschiede zwischen abhängig beschäftigten Frauen und Männern gemessen werden. Weitere Arbeitsmarktindikatoren wie Beschäftigungsquote, Indikatoren für die geschlechtsspezifische Segregation des Arbeitsmarktes und Teilzeitbeschäftigung sollten dabei ebenfalls berücksichtig werden, wie aus einer Stellungnahme der Europäischen Kommission hervorgeht. Demnach weisen die meisten Länder mit niedriger Frauenbeschäftigungsquote (z.B. Malta, Italien, Polen) auch ein unterdurchschnittliches Lohngefälle auf, was ein Indiz dafür ist, dass wenig qualifizierte oder unqualifizierte Frauen auf dem Arbeitsmarkt kaum in Erscheinung treten. Ein statistisch starkes Lohngefälle geht laut EU-Kommission in der Regel mit einer ausgeprägten Segregation auf dem Arbeitsmarkt (z.B. Zypern, Estland, Slowakei, Finnland) oder einem hohen Anteil teilzeitbeschäftigter Frauen (z.B. Deutschland, Großbritannien, Niederlande, Österreich, Schweden) einher.23 5.2. Berufs- und Einkommenssituation von Frauen und Männern in Deutschland Die Bundesregierung hat zuletzt am 25. April 2002 einen Bericht zur Berufs- und Einkommenssituation von Frauen und Männern24 vorgelegt. Dieser Bericht zeigt, dass sich die Einkommen der Frauen an die der Männer nur langsam angleichen. Westdeutsche Frauen konnten im Zeitraum von 20 Jahren knapp drei Prozentpunkte aufholen, für ostdeutsche Frauen verbesserte sich der Abstand in den 90er Jahren um fast zwei Prozentpunkte. 1997 verdienten Frauen im Durchschnitt 75,8 Prozent des durchschnittlichen Jahresbruttoeinkommens der Männer. Dabei sind die Einkommensunterschiede der westdeutschen Frauen mit 75 Prozent des durchschnittlichen Einkommens der Männer weitaus größer als die der ostdeutschen Frauen mit 94 Prozent. 22 Pressemitteilungen zum Gender Pay Gap des Statistischen Bundesamtes, abrufbar unter www.destatis.de. 23 Europäische Kommission (2009). EU-Kampagne zum geschlechtsspezifischen Lohngefälle. MEMO/09/91 vom 3. März 2009, S. 2ff. 24 BT-Drs. 14/8952. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 – 3000-222/10 Seite 12 Männer sind unabhängig von der Familienform fast immer vollzeiterwerbstätig, während Frauen mit (Ehe)Partner sehr häufig in Teilzeit oder zeitweise gar nicht erwerbstätig sind. Als Folge der unterschiedlichen Erwerbsbiographie erreichen die eigenständigen Altersrenten von Frauen im Osten heute nur ca. 60 Prozent, im Westen sogar weniger als 50 Prozent der „Männerrenten“.25 Bezüglich der Bewertung von Arbeit in den Betrieben heißt es in dem Bericht: „Die Bundesregierung hat keine unmittelbare Regelungsmöglichkeit in Lohnfragen. Dies ist Sache der Tarifparteien . Gleichwohl will die Bundesregierung den ihr möglichen Beitrag zum Abbau von Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern leisten. In dem bestehenden Rahmen wirkt die Bundesregierung aktiv darauf hin, dass der Grundsatz „Gleiches Entgelt für Männer und Frauen“ nicht nur bei gleicher, sondern auch bei gleichwertiger Arbeit angewandt wird (…). Die Bundesregierung hält es für zwingend geboten, die Vorgaben des europäischen und deutschen Rechts für die Tarifvertragsgestaltung in Deutschland möglichst differenziert zu betrachten und keine voreiligen Schlüsse auf angebliche Rechtswidrigkeit von Tarifverträgen zu ziehen.“26 Der Bericht der Bundesregierung beruht auf einem wissenschaftlichen Bericht zur Berufs- und Einkommenssituation von Frauen und Männern, der im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung zusammen mit dem Internationalen Institut für Empirische Sozialökonomie (INIFES) und der Berliner Forschungsgruppe Tondorf erstellt wurde. In dem wissenschaftlichen Bericht werden Ursachen der Einkommensungleichheit zwischen Männern und Frauen genauer analysiert. Eine Ursache für ungleiches Entgelt kann demzufolge in der Diskriminierung durch tariflich und betrieblich regulierte Arbeitsentgelte liegen. Die Frage ist, wie in Tarifverträgen oder in betrieblichen Systemen die Arbeit von Männern und Frauen bewertet wird, wie sich anscheinend geschlechtsneutral formulierte Entgeltregelungen auf Männer und Frauen auswirken und wer zum Beispiel Zulagen bekommt und wer nicht.27 Die Analyse kommt zu dem Ergebnis, dass „zahlreiche tarifliche und betriebliche Regelungen und Praktiken zu ungleichen Verdiensten von Frauen und Männern führen, ohne dass sich hierfür eine objektive Begründung erkennen lässt. Es werden viele Mechanismen potenzieller Diskriminierung aufgedeckt, die zur Unterbewertung von frauendominierten Tätigkeiten führen, so z.B. die Nichtbewertung von Anforderungen oder Belastungen, die Doppel- und Mehrfachbewertung durch sich überschneidende Kriterien, die diskriminierende Auslegung von Anforderungsmerkmalen und die Anwendung verschiedener Maßstäbe bei der Bewertung vergleichbarer Arbeit von Frauen und Männern.“28 Die Kurzfassung des wissenschaftlichen Berichts ist als 25 BT-Drs. 14/8952, S. 3. 26 BT-Drs. 14/8952, S. 10ff. 27 BT-Drs. 14/8952, S. 34. 28 BT-Drs. 14/8952, S. 35. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 – 3000-222/10 Seite 13 Anlage 7 beigefügt. 6. Maßnahmen zur Reduzierung der Lohnlücke in EU-Mitgliedstaaten - Beispiele Die Europäische Kommission hat in ihrer Mitteilung vom 21. September 2010 eine „Strategie für die Gleichstellung von Frauen und Männern 2010-2015“ vorgelegt. Darin kündigt sie unter dem Punkt “Gleiches Entgelt für gleiche und gleichwertige Arbeit“ unter anderem an, dass sie unter anderem die Entwicklung von Instrumenten, die es Arbeitgebern erlauben , geschlechterspezifische Lohnunterschiede zu beseitigen, unterstützen werde.29 Um einen umfassenden aktuellen Überblick über die Regelungen in allen EU-Mitgliedstaaten zu erhalten, wurde zu diesem Themenbereich eine Anfrage an das „Europäische Zentrum für Parlamentarische Wissenschaft und Dokumentation“ (EZPWD) gestellt. Die Antworten werden separat in einem zweiten Teil der vorliegenden Ausarbeitung zugeleitet. Im folgenden werden lediglich einige nationale Regelungen und Konzepte zur Erkennung und Beseitigung von Lohnunterschieden zwischen Männern und Frauen dargestellt, soweit diese in der wissenschaftlichen Literatur und in Internetquellen zu finden waren. Unter anderem wurde die Dokumentation der Berliner Konferenz „Equal Pay. Modelle und Initiativen zur Entgeltungleichheit “ aus dem Jahr 2002 herangezogen, deren Darstellungen möglicherweise nicht mehr ganz aktuell sind. 6.1. Schweden In Schweden gibt es seit 1980 ein Gleichstellungsgesetz, das mehrmals verändert wurde und Entgeltdiskriminierung verbietet. Seit 2009 gilt, dass Arbeitgeber alle drei Jahre die Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern erfassen und analysieren müssen. Dabei müssen Entgeltregelungen und die Praxis der Entlohnung und der Beschäftigungsbedingungen untersucht werden. Es ist auch zu prüfen, ob Frauen und Männer gleiches Entgelt für die gleiche oder gleichwertige Arbeit erhalten. Arbeitgeber mit 25 und mehr Beschäftigten müssen alle drei Jahre einen Entgeltgleichheitsplan erstellen, der die Ergebnisse der Entgeltanalyse und Anpassungsmaßnahmen zur Gewährleistung von gleichem Entgelt für gleiche und gleichwertige Arbeit enthält. Der Entgeltgleichheitsplan muss außerdem eine Kostenschätzung und einen Zeitplan beinhalten. Im nächsten Entgeltgleichheitsplan muss die Umsetzung der geplanten Maßnahmen ausgewertet werden.30 29 KOM (2010) 491 endg., S. 7. 30 TONDORF, Karin; JOCHMANN-DÖLL, Andrea (2010). Blick über die Grenzen: Regelungen zur Entgeltgleichheit in Schweden. In: Newsletter zur Entgeltgleichheit – Nr. 4. http://www.karin-tondorf.de/newsletter/index.html (zuletzt angerufen am 28. Januar 2011), S. 1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 – 3000-222/10 Seite 14 In Schweden gibt es das „Ombud für Gleichbehandlung“, eine staatliche Gleichbehandlungseinrichtung . Diese hat einen Leitfaden zur Lohngleichheit für die Sozialpartner entwickelt, der Informationen über geschlechtsspezifische Lohnstrukturen gibt und Anleitungen beinhaltet, wie Lohnungleichheiten vorgebeugt werden kann. Der Leitfaden verfügt über ein Grundmodell zur Arbeitsplatzbewertung (HAC System). Der Leitfaden beinhaltet auch ein Handbuch, das Unternehmen zur Durchführung der Arbeitsplatzbewertung nutzen können.31 Seit 2009 vereinigt die Ombudsstelle die vier früheren Ombudsstellen für unterschiedliche Diskriminierungsbereiche. Es handelt sich um eine Behörde mit 90 Beschäftigten und einem jährlichen Etat von ca. 9 Millionen Euro.32 In Schweden existieren verschiedene Instrumente zur Arbeitsbewertung. Eines nennt sich „Steps to Pay Equity“, welches auf die Faktoren Können/Fertigkeiten, Verantwortung und Umgebungsbedingungen achtet. Ein anderes System nennt sich HAC System von Anita Harrimann und Carin Holm, das von schwedischen Kommunen und Unternehmen zur Entgeltfindung angewandt wird. Das HAC Arbeitsbewertungssystem und das vereinfachte, schnellere System „Steps to Pay Equity “ werden in Schweden häufig angewandt. 33 Zwischen 2001 und 2008 wurden mehrere Tausend Entgeltgleichheitsberichte erstellt, die ungefähr ein Viertel der Beschäftigten erfassten. In einer Analyse der Ombudsstelle, die ca. 6000 Unternehmen und die Jahre bis 2006 umfasste, wurden folgende Zahlen ermittelt: – in 60 Prozent der Unternehmen wurden Entgeltanpassungen oder andere Maßnahmen ergriffen , um gleiches Entgelt für gleiche und gleichwertige Arbeit zu gewährleisten, – in 44 Prozent der Unternehmen wurden nicht gerechtfertigte Entgeltunterschiede festgestellt , die beseitigt werden mussten, – die Entgeltanpassungen betrafen mindestens 5.8000 Beschäftigte, von denen 90 Prozent Frauen waren. Die schwedische Ombudsstelle gelangt zu der Auffassung, dass die strengeren Regelungen für die Entgeltgleichheitsberichte ein praktikables und erfolgreiches Instrument zur Herstellung von Entgeltgleichheit auf betrieblicher Ebene seien. Die Entgeltanpassungspläne hätten mehr Frauen zu einem höheren Einkommen verholfen, als es Beschwerden oder gerichtliche Klagen vermocht hätten.34 31 HOLM, Carin; HARRIMAN, Anita (2002). Schritte zur Entgeltgleichheit in Schweden: BMFSFJ (Hrsg.). Dokumentation der Internationalen Konferenz „Equal Pay. Modelle und Initiativen zur Entgeltgleichheit“ vom 17. bis 19. Juni 2002 in Berlin, S. 38ff. 32 TONDORF; JOCHMANN-DÖLL (2010), S. 1. 33 RANFTL, Edeltraud (2002). Maßnahmen und Projekte zur Gleichwertigkeit von Arbeit in verschiedenen europäischen Ländern und Kanada: BMFSFJ (Hrsg.) Dokumentation der Internationalen Konferenz „Equal Pay“, S. 71. 34 TONDORF; JOCHMANN-DÖLL (2010), S. 3. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 – 3000-222/10 Seite 15 6.2. Niederlande In den Niederlanden wurde der Grundsatz der gleichen Entlohnung bei gleichwertiger Arbeit 1975 gesetzlich festgeschrieben. Es gibt eine Kommission für Gleichstellung, die einige Studien über Diskriminierung durch Arbeitsbewertungssysteme durchgeführt und ein umfassendes System zur Überprüfung auf Diskriminierungsfreiheit entwickelt hat. Darin heißt es, dass Arbeitsbewertungssysteme keine unterschiedlichen Interpretationen zulassen dürfen und daher klar und ausführlich beschrieben sein müssen. Das von der Gleichstellungskommission entwickelte Bewertungsmodell umfasst auch eine Reihe von Merkmalen, die für „Frauen- und Männerarbeit“ typisch sind.35 Die niederländische Stiftung der Arbeit (Stichting van de Arbeid) hat im November 2000 der Regierung ein Gutachten für einen Aktionsplan vorgelegt. In der Stiftung sind die Spitzen der Gewerkschafts - und Arbeitgeberorganisationen vertreten, die die Regierung beraten. Das Gutachten sollte die Frage beantworten, wie die Sozialpartner ein korrektes Einhalten der Gesetzgebung zur Lohngleichheit in der Praxis fördern können. Die Stiftung erarbeitete eine sogenannte Checkliste, die sie an die Sozialpartner weitergab. Mithilfe dieser Liste sollen Unternehmen und Tarifpartner jede noch bestehende Lohnungleichheit beseitigen. Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen entwickelten auch ein Instrument, mit dem Systeme zur Arbeitsbewertung auf Geschlechtsneutralität überprüft werden sollen. Beide Seiten verpflichteten sich, dieses System in der Praxis anzuwenden. Eine gesetzliche Verankerung wurde abgelehnt.36 6.3. Großbritannien Großbritannien hat seit 2006 ein Gleichstellungsgesetz, das alle Behörden zu hinreichenden Maßnahmen zur Beseitigung rechtswidriger Diskriminierung und Belästigung sowie zur Förderung der Chancengleichheit von Männern und Frauen verpflichtet.37 Im Jahr 2005 wurde ein Aktionsrahmen für die Gleichstellung der Geschlechter zwischen den Sozialpartnern vereinbart. Er enthält eine Verpflichtung zur Reduzierung der Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern und zur Förderung der gleichen Bezahlung für gleichwertige Arbeit. Zudem wurde zwischen den Sozialpartnern im National Health Service mit der Vereinbarung Agenda für Wandel ein neues Vergütungssystem eingeführt. Das System beinhaltet ausgedehnte Arbeitsbewertungen und Vergütungsüberprüfungen, in denen Fragen von Bezahlung, Einstufung, Zugang zu Karriereentwicklung und Arbeitszeiten auf einer gerechteren Basis für Frauen und Männer geregelt wurde.38 35 RANFTL (2002), S. 72. 36 VAN HOOGSTRATEN-VAN EMBDEN ANDRES, Loes (2002). Checkliste Equal Pay. Eine Initiative der Arbeitnehmer - und Arbeitgeberorganisationen in den Niederlanden: BMFSFJ (Hrsg.). Dokumentation der Internationalen Konferenz „Equal Pay“, S. 35ff. 37 http://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=687&intPageId=104&langId=de (zuletzt abgerufen am 28. Januar 2011). 38 http://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=687&intPageId=105&langId=de (zuletzt abgerufen am 28. Januar 2011). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 – 3000-222/10 Seite 16 In Großbritannien gibt es eine Gleichbehandlungskommission (Equal Opportunities Commission ), die anhand zahlreicher Studien auf den Zusammenhang von ungleicher Bezahlung, Segregation der Geschlechter auf dem Arbeitsmarkt und unzulänglichen Verfahren der Arbeitsbewertung aufmerksam macht. Zudem entwickelte die Kommission einen Leitfaden zur Herstellung des „Equal-Pay“-Grundsatzes. 1998 wurden in Großbritannien gesetzliche Mindestlöhne eingeführt. „Dies hat sich günstig auf die Reduktion des strukturbedingten Lohngefälles ausgewirkt, weil in schlecht bezahlten Bereichen viele Frauen beschäftigt sind.“39 In Großbritannien gibt es unter anderem das Arbeitsbewertungssystem Job Evaluation Scheme (JES) des National Joint Council (NJC). Es wurde in den 90er Jahren explizit für Kommunalverwaltungen in England und Wales entwickelt. Hier sind insgesamt rund 1 Million Mitarbeiter beschäftigt sind, 80 Prozent von Ihnen Frauen (80 Prozent der beschäftigten Frauen arbeiten in Teilzeit). Es gab eine Vielzahl von Klagen gegen Entgeltungleichheit und die bestehenden Arbeitsbewertungssysteme waren nicht auf die konkreten Gegebenheiten in den Verwaltungen anwendbar .40 6.4. Frankreich Frankreich hat ähnlich wie Schweden „proaktive“ Rechtsvorschriften verabschiedet. In Frankreich müssen die Arbeitgeber gemäß Artikel L.432.3.1. des Arbeitsgesetzbuches (Code du travail) einen Jahresbericht mit einem Vergleich der allgemeinen Beschäftigungs- und Ausbildungsbedingungen für Männer und Frauen im Unternehmen erstellen und dem Betriebsrat oder einem Vertreter der Belegschaft zur Genehmigung vorlegen. Der Bericht muss unter anderem die Stellung von Frauen und Männern bei der Bezahlung in jeder Beschäftigungsklasse des Unternehmens aufzeigen. Das Dokument wird sowohl dem Betriebsrat (bzw. dem Belegschaftsvertreter) als auch den Gewerkschaftsvertretern zugeleitet.41 6.5. Vergleichende Studie der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen (EUROFOUND) EUROFOUND hat im Jahr 2002 eine Studie vorgelegt, die die gesetzlichen Regelungen zur Vermeidung von Lohnunterschieden von Männern und Frauen und weitere nationale Regelungen und Initiativen in den damaligen 15 EU-Mitgliedstaaten und Norwegen miteinander vergleicht. Demnach gibt es in allen diesen Ländern gesetzliche Vorschriften gegen die Lohndiskriminierung . In acht Ländern – Finnland, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Italien, den Nieder- 39 RANFTL (2002), S. 73. 40 HASTINGS, Sue (2002). Entwicklung weniger diskriminierender Arbeitsbewertung am Beispiel „National Joint Council“: BMFSFJ (Hrsg.). Dokumentation der Internationalen Konferenz zum „Equal Pay“, S. 18ff. 41 EUROPÄISCHE STIFTUNG ZUR VERBESSERUNG DER LEBENS- UND ARBEITSBEDINGUNGEN - EUROFOUND (2002). Die Lohngleichstellung der Geschlechter in Europa, S. 8. http://www.eurofound.europa.eu/eiro/2002/01/study/tn0201102s.htm (zuletzt abgerufen am 31. Januar 2011) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 – 3000-222/10 Seite 17 landen, Portugal und Spanien – ist die Lohndiskriminierung bei der Arbeit aufgrund des Geschlechts ausdrücklich verfassungsmäßig verboten. In Belgien enthält die Verfassung Vorschriften , auf denen das Gleichbehandlungsprinzip in den nationalen Gesetzen basiert.42 Alle untersuchten Länder haben spezielle gesetzliche Vorschriften zum Grundsatz des gleichen Entgelts für Frauen und Männer. Die nationalen Rechtsvorschriften sind vollständig an das EU- Recht angeglichen worden, insbesondere an Artikel 141 des Amsterdamer Vertrages und an die Entgelt-Richtlinie 75/117/EWG. In jedem der untersuchten 16 Länder können Fälle, in denen der Verdacht der ungerechtfertigten Diskriminierung besteht, vor Gericht gebracht werden. In Finnland, Deutschland, Griechenland und Großbritannien können nur die betroffenen Arbeitnehmer selbst ein Verfahren vor Gericht anstrengen (Individualklage), während in Dänemark, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Norwegen, Portugal, Spanien und Schweden sowohl von Arbeitnehmern als auch von deren Vertretern (Gewerkschaften oder Betriebsräten) Klage erhoben werden (Verbandsklagerecht) kann. Die Studie von EUROFOUND ist als Anlage 8 beigefügt. 7. Systeme zur Feststellung einer möglichen Entgeltungleichheit zwischen Frauen und Männern in Betrieben 7.1. „Logib-D“ Das BMFSFJ hat im Jahr 2009 das System „Lohngleichheit im Betrieb - Deutschland“ (Logib-D) nach einem Vorbild aus der Schweiz entwickelt und veröffentlicht. Es handelt sich um ein Instrument , mit dem untersucht werden kann, ob Lohngleichheit – also gleicher Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit – zwischen Männern und Frauen in einem Unternehmen besteht. Die Berechnung erfolgt mittels einer statistischen Regressionsanalyse. „Es wird berechnet, wie sich lohnrelevante Faktoren wie beispielsweise Ausbildung oder Dienstalter auf den Lohn auswirken . Das Geschlecht wird als weitere unabhängige Variable in die Regressionsfunktion einbezogen . Wenn keine Diskriminierung vorliegt, darf diese Variable keinen signifikanten Einfluss auf den Lohn haben. Grundlage für die Berechnung sind Lohn-, Qualifikations- und Arbeitsplatzdaten der MitarbeiterInnen. Diese können in Logib-D importiert oder eingebettet werden.“43 42 EUROFOUND, S. 5ff. 43 BUNDESMINISTERIUM FÜR FAMILIE, SENIOREN,FRAUEN UND JUGEND (2009). Lohngleichheitsinstrument Bund für Deutschland – Logib-D, S. 1. www.bmfsfj.de. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 – 3000-222/10 Seite 18 Betriebe können freiwillig dieses Instrument anwenden, um zu überprüfen, ob wirklich gleiche Löhne für gleiche oder gleichwertige Arbeit zwischen Männern und Frauen gezahlt werden. „Dieser Selbsttest kann daher das proaktive Verhalten stärken. Unternehmen werden zum Handeln zugunsten von Lohngleichheit weniger durch Kontrollen und Sanktionen in der Breite, als vielmehr durch ihre Überzeugung geleitet.“ Für Logib-D können die Daten verwendet werden, die für Meldungen für die Verdienststrukturerhebung zur Verfügung stehen. „Es ist ein standardisiertes Programm, welches eine erste Möglichkeit gibt, relativ schnell und mit relativ geringem Aufwand die Entgeltstruktur eines Unternehmens bezüglich einer geschlechtsspezifischen Lohndifferenz zu testen.“ Logib-D ist eine Windows-Applikation und läuft in Microsoft Excel. Um mit Logib-D arbeiten zu können, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein: Zugang zu den Lohn-, Qualifikations- und Arbeitsplatzdaten der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, eine gemischte Belegschaft mit Männern und Frauen und mindestens 20, besser aber 50 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.44 Logib-D wird auf der Internetseite der Europäischen Kommission als Initiative der Bundesregierung zur Reduzierung der Lohnungleichheit vorgestellt. „Mit dem Online-Tool wird für das Unternehmen eine Entgeltanalyse zur Erkennung möglicher geschlechtsabhängiger Bezahlungsunterschiede und deren Ursache durchgeführt. Es unterstützt Arbeitgeber bei der Entwicklung von Lösungen zur Sicherstellung einer gerechten Bezahlung für alle Mitarbeiter“, heißt es dort. Weitere Informationen unter: www.logib-d.de und http://ec.europa.eu. Das WSI kritisiert Logib-D in mehrerlei Hinsicht und hat ein Gegenmodell entworfen, den so genannten Entgeltgleichheits-Check (eg-check), der unter Punkt 6.2. vorgestellt wird. Die Wissenschaftlerinnen CHRISTINA KLENNER und ASTRID ZIEGLER kritisieren die dem Instrument Logib-D zugrunde liegende Humankapital-Theorie nach Jacob Mincer. Diese Theorie habe ihre Grenzen für die Erklärung von Entgeltunterschieden, da immer wichtiger werdende Fähigkeiten wie zum Beispiel Kreativität, Engagement, Sozialverhalten durch konventionelle Humankapitalindikatoren nicht abgebildet würden. Die Humankapital-Theorie unterstelle einen „Qualifikationslohn“, den es in Deutschland nicht gebe. Folge man den Annahmen der Humankapital -Theorie und übernehme die Messlogik in Logib-D, dann zeigten sich Schwierigkeiten bei der Interpretation der dadurch erzielten Ergebnisse.45 Kritisiert wird vom WSI sowohl die Basis- wie die erweiterte Regression des Instruments Logib- D. Zur erweiterten Regressionsanalyse heißt es: „Die erweiterte Regression berücksichtigt zusätzlich das Anforderungsniveau des Arbeitsplatzes und die berufliche Stellung. Werden aber zusätzlich diese arbeitsplatzbezogenen Variablen in das statistische Modell eingegeben, werden damit Faktoren herangezogen, die selbst schon Diskriminierungspotenzial in sich bergen. Was scheinbar die Analyse verfeinert, birgt in Wirklichkeit die Gefahr in sich, dass im Lohngleichheitstest 44 Logib-D, S. 1. 45 KLENNER, Christina; ZIEGLER, Astrid (2010). Mit Logib-D zur Überwindung der geschlechtsspezifischen Entgeltlücke ? Die Grenzen der freiwilligen betrieblichen Selbsttests. In: WSI-Report, Nr. 3, S. 4. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 – 3000-222/10 Seite 19 bestehende, der Einkommensbildung zugrunde liegende Diskriminierungsmechanismen als Rechtfertigungsgrund für Einkommensunterschiede erscheinen.“ Arbeitsplatzbezogene Faktoren, so Klenner und Ziegler, spiegeln die zurzeit bestehenden Bewertungsentscheidungen und die traditionelle Hierarchie der Tätigkeiten wider. Diese aber berücksichtigten häufig nicht Anforderungen , die frauendominierten Tätigkeiten innewohnen. Aus diesem Grunde gehe mit dem Instrument Logib-D und der Nutzung der arbeitsplatzbezogenen Variablen die Gefahr der „Verharmlosung “ der Entgeltungleichheit einher. Hinzu komme, so Klenner und Ziegle, das „generelle Problem“, dass Logib-D ein Instrument sei, das in der Schweiz entwickelt wurde, wo betriebliche Entgeltfindungssysteme die Regel seien. In Deutschland aber gelten für die Mehrheit der Beschäftigten Tarifverträge. „Die konkrete betriebliche Entlohnung ist in Deutschland in vielen Fällen ein Zusammenspiel der Ebenen Tarifvertrag (Definition der Tätigkeitsmerkmale, Klassifikation der Tätigkeiten, Zuordnung von Entgeltbeträgen ) und Betrieb (Anwendung des Tarifvertrages und Eingruppierung der Beschäftigten in die zutreffende Tarifgruppe sowie Gestaltung darüber hinausgehender betrieblicher Entgeltregelungen ). Dies wird im Selbsttest Logib-D nicht berücksichtigt.“46 Der WSI-Report 03/März 2010 ist als Anlage 9 beigefügt. 7.2. „eg-check“ Die Wissenschaftlerinnen KARIN TONDORF und ANDREA JOCHMANN-DÖLL haben den Entgeltgleichheits -Check als Alternative zum Angebot des BMFSFJ entwickelt. Das Projekt wurde von der Hans-Böckler-Stiftung gefördert und befindet sich in der Testphase.47 Wesentliches Merkmal von eg-check ist, dass jeder Entgeltbestandteil für sich geprüft wird. Die wichtigsten Bestandteile sind: – anforderungsbezogenes Grundentgelt – Stufensteigerungen beim Grundentgelt – Leistungsvergütungen – Überstundenvergütungen 46 KLENNER; ZIEGLER (2010), S. 6. 47 HANS-BÖCKLER-STIFTUNG (2010). Pressemitteilung vom 18. März: Gehaltsunterschiede zwischen Frauen und Männern. Neues Prüfinstrument gegen Entgeltdiskriminierung, S. 1. www.boeckler.de/320_103083.html?cis_mode=print. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 – 3000-222/10 Seite 20 – Erschwerniszuschläge. Genutzt werden verschiedene Instrumente: – Statistiken mit anonymisierten Entgeltdaten differenziert nach Geschlecht und weiteren Kriterien – Der Regelungs-Check soll diskriminierende Bestimmungen in entgeltrelevanten Bestimmungen offen legen – Der Paarvergleich vergleicht die individuelle Bezahlung einer weiblichen Beschäftigten mit der eines männlichen Beschäftigten – zum Beispiel der einer Küchenleiterin mit der eines Werkstattleiters. 48 In der Pressemitteilung der Hans-Böckler-Stiftung heißt es: „Damit lassen sich mit eg-check.de für jede einzelne Beschäftigte die Ursachen einer Benachteiligung identifizieren und der finanzielle Anspruch berechnen. Das macht die Prüfinstrumente nicht nur für die Arbeitgeber interessant , sondern auch für individuell Betroffene, deren Rechtsbeistände, Arbeitsgerichte, Betriebsund Personalräte, sowie die Tarifparteien.“ Allerdings fordert die Wissenschaftlerin und WSI-Direktorin Heide Pfarr ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft, da gute Prüfverfahren nichts nützten, wenn es keinen Druck gebe, die festgestellte Diskriminierung zu beseitigen.49 Weitere Informationen über den eg-check sind auf der Internetseite der Hans-Böckler-Stiftung enthalten: http://www.eg-check.de/html/17.htm (zuletzt abgerufen am 31. Januar 2011). 8. Literaturliste FINKE, Claudia (2010). Verdienstunterschiede zwischen Männern und Frauen 2006. Statistisches Bundesamt, Wiesbaden. HASTINGS, Sue (2002). Entwicklung weniger diskriminierender Arbeitsbewertung am Beispiel „National Joint Council“: BMFSFJ (Hrsg.). Dokumentation der Internationalen Konferenz zum „Equal Pay“ vom 17. bis 19. Juni 2002 in Berlin. 48 HANS-BÖCKLER-STIFTUNG (2010). S. 2. 49 HANS-BÖCKLER-STIFTUNG (2010). S.5ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 – 3000-222/10 Seite 21 HOLM, Carin; HARRIMAN, Anita (2002). Schritte zur Entgeltgleichheit in Schweden: BMFSFJ (Hrsg.). Dokumentation der Internationalen Konferenz „Equal Pay“ vom 17. bis 19. Juni 2002 in Berlin. KLENNER, Christina; ZIEGLER, Astrid (2010). Mit Logib-D zur Überwindung der geschlechtsspezifischen Entgeltlücke ? Die Grenzen der freiwilligen betrieblichen Selbsttests. In: WSI-Report, Nr. 3/März 2010. RAASCH, Sybille (2007). Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG): seit August 2006 in Kraft. In: aktuelle informationen, Heft 7. RAASCH, Sybille (2005). Diskriminierungsschutz auf neuen Wegen: Verbandsbeteiligung und Antidiskriminierungsstelle im Entwurf eines deutschen Antidiskriminierungsgesetzes. In: ZESAR 5-6. RANFTL, Edeltraud (2002). Maßnahmen und Projekte zur Gleichwertigkeit von Arbeit in verschiedenen europäischen Ländern und Kanada: BMFSFJ (Hrsg.) Dokumentation der Internationalen Konferenz „Equal Pay vom 17. bis 19. Juni 2002 in Berlin. TONDORF, Karin; JOCHMANN-DÖLL, Andrea (2010). Blick über die Grenzen: Regelungen zur Entgeltgleichheit in Schweden. In: Newsletter zur Entgeltgleichheit – Nr. 4. VAN HOOGSTRATEN-VAN EMBDEN ANDRES, Loes (2002). Checkliste Equal Pay. Eine Initiative der Arbeitnehmer - und Arbeitgeberorganisationen in den Niederlanden: BMFSFJ (Hrsg.). Dokumentation der Internationalen Konferenz „Equal Pay“ vom 17. bis 19. Juni 2002 in Berlin. ZIEGLER, Astrid (2009). Beantwortung des Fragenkatalogs zu der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Familie , Senioren, Frauen und Jugend zum Thema „Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern“, Stand. 21. Januar 2009. 9. Anlagenverzeichnis INTERNATIONALES ARBEITSAMT (2007): Darstellung der Ursachen und Dimensionen des geschlechtsspezifischen Lohngefälles. Anlage 1 INTERNATIONALES ARBEITSAMT (2007).Darstellung der unterschiedlichen Methoden zur Förderung der Entgeltgerechtigkeit. Anlage 2 ZIEGLER, Astrid (2009). Beantwortung des Fragenkatalogs zu der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zum Thema „Entgeltgleichheit.“ Anlage 3 RICHTLINIE 2006/54/EG „Zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (Neufassung).“ Anlage 4 FINKE, Claudia (2010). Verdienstunterschiede zwischen Männern und Frauen 2006, Statistisches Bundesamt, Wiesbaden. Anlage 5 STATISTISCHES BUNDESAMT (2010). Geschlechtsspezifisches Verdienstgefälle in den EU- Mitgliedstaaten. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 – 3000-222/10 Seite 22 Anlage 6 WSI in der HBS, INIFES, FORSCHUNGSGRUPPE TONDORF (2001). Bericht zur Berufs- und Einkommenssituation von Frauen und Männern (Kurzfassung). Anlage 7 EUROFOUND (2002). Die Lohngleichstellung der Geschlechter. Anlage 8 KLENNER, Christina, ZIEGLER, Astrid (2010). Mit Logib-D zur Überwindung der geschlechtsspezifischen Entgeltlücke? Die Grenzen der freiwilligen betrieblichen Selbsttests. Anlage 9