© 2014 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 217/14 Der Sonn- und Feiertagsschutz für Beschäftigte Ausgewählte Fragestellungen Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 217/14 Seite 2 Der Sonn- und Feiertagsschutz für Beschäftigte Ausgewählte Fragestellungen Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 217/14 Abschluss der Arbeit: 27. November 2014 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 217/14 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Gesetzlicher Schutz von Sonn- und Feiertagen 5 2.1. Arbeitszeitgesetz 5 2.2. Ausführung des Arbeitszeitgesetzes 6 2.3. Feiertagsregelungen 7 2.4. Ladenöffnungsgesetze 8 3. Stärkung des Sonntagsschutzes durch das Bundesverfassungsgericht 11 4. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. November 2014 12 5. Ausbau des Sonn- und Feiertagsschutzes 13 5.1. Bundeseinheitliche Regelung der Sonntags- und Feiertagsbeschäftigung 14 5.2. Einführung einer Berichtspflicht der Landesregierungen 15 5.3. Einführung einer Berichtspflicht der Bundesregierung 15 6. Fazit 17 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 217/14 Seite 4 1. Einleitung Im Jahre 19191 verabschiedete die Weimarer Nationalversammlung Art. 139 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) mit dem Wortlaut: “Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt”. Seither genießen die Sonn- und Feiertage ausdrücklich verfassungsrechtlichen Schutz, denn Art. 139 WRV gilt noch heute in unveränderter Fassung über Art. 140 Grundgesetz (GG) fort.2 Der Sonn- und Feiertagsschutz wird des Weiteren in unterschiedlichen Bundes- und Landesgesetzen einfachgesetzlich ausgestaltet. Nach dem Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes waren im Jahr 1996 6,088 Millionen abhängig Erwerbstätige (ohne Auszubildende) von Sonn- und/oder Feiertagsarbeit betroffen (bei einer Gesamtzahl von 30,773 Millionen abhängig Erwerbstätigen). Hiervon arbeiteten 755.000 Erwerbstätige ständig, 2,206 Millionen regelmäßig und 3,127 Millionen Erwerbstätige nur gelegentlich an Sonn- und/oder Feiertagen. 2013 arbeiten im Gegensatz dazu 8,685 Millionen Erwerbstätige an Sonn- und/oder Feiertagen, darunter 692.000 ständig, 3,952 Millionen regelmäßig und 4,04 Millionen gelegentlich (bei insgesamt 33,678 Millionen abhängig Erwerbstätigen). Damit stieg der Anteil der abhängig Erwerbstätigen, die ständig oder regelmäßig Sonn- und/oder Feiertagsarbeit nachzugehen hatten, zwischen 1996 und 2013 von 9,6 % auf 13,8 %. Die Zahl der insgesamt an Sonn- und/oder Feiertagen tätigen abhängig Erwerbstätigen stieg in diesem Zeitraum von 6,088 auf 8,685 Millionen.3 In der Gesamtbetrachtung aller Erwerbstätigen (einschließlich der selbstständig Tätigen und der Auszubildenden) waren 2013 bei insgesamt 39,618 Millionen Erwerbstätigen 11,107 Millionen von Sonn- und/ oder Feiertagsarbeit betroffen, dies entspricht einem Prozentsatz von 28,04%. Hierbei finden jedoch auch diejenigen Erwerbstätigen Berücksichtigung, die lediglich „gelegentlich “ Sonn- und/oder Feiertagsarbeit nachgehen – diese belaufen sich in absoluten Zahlen auf 5,312 Millionen Erwerbstätige. 1 MOSBACHER, Wolfgang, Das neue Sonntagsgrundrecht – am Beispiel des Ladenschlusses. In: NVwZ 2010, S. 537-541 (537). 2 MATTNER, Andreas, Sonntagsruhe im Spiegel des Grundgesetzes und der Feiertagsgesetze der Länder. In: NJW 1988, S. 2207-2213 (2207). 3 Die Zahlen sind dem Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes, Arbeitsmarkt F205, Mikrozensus BAA 4.3 Erwerbstätige nach Häufigkeit von Samstags-, Sonn- und /oder Feiertags-, Abend-, Nacht- und Schichtarbeit und anderen ausgewählten Merkmalen KMS 101869/475638 – 6.November 2014 – i-Punkt Berlin entnommen. Es ist jedoch zu beachten, dass nach Angaben des Statistischen Bundesamtes mit den Ergebnissen des Zensus 2011 die Berechnung des Bevölkerungsstandes auf eine neue Grundlage gestellt wurde. Im Vergleich zu den fortgeschriebenen Ergebnissen auf Basis der Volkszählung von 1987 weist der Zensus 2011 deutlich niedrigere Bevölkerungswerte aus. Daher sind die Mikrozensusergebnisse zum Arbeitsmarkt ab dem Berichtsjahr 2011 mit den Ergebnissen der Vorjahre nur noch eingeschränkt vergleichbar. Die Umstellung auf den neuen Hochrechnungsrahmen zeigt sich in den Ergebnissen von Mikrozensus und Arbeitskräfteerhebung in erster Linie in einem Niveaueffekt , der zu einem Bruch in der Zeitreihe bei den absoluten Werten führt. Auf die Berechnung von Quoten hat die Umstellung des Hochrechnungsrahmens dagegen nur einen geringen Einfluss. Die Auswertung des Statistischen Bundesamtes ist als Anlage beigefügt. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 217/14 Seite 5 2. Gesetzlicher Schutz von Sonn- und Feiertagen Das Arbeitszeitgesetzes (ArbZG)4 regelt bundeseinheitlich die Arbeitszeiten in der Bundesrepublik Deutschland. Es statuiert zwingendes Arbeitnehmerschutzrecht, welches bestimmte Mindeststandards gewährleistet.5 § 1 Nr. 2 ArbZG bestimmt dabei als Gesetzeszwecke „den Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung der Arbeitnehmer zu schützen.“ Daneben bestehen Zuständigkeiten der Länder: Zum einen über die Feiertagsregelungen, zum anderen über die Ladenschluss- bzw. Ladenöffnungsgesetze. Des Weiteren sind die Länder für die Ausführung des ArbZG zuständig. 2.1. Arbeitszeitgesetz In § 9 ArbZG hat der Gesetzgeber festgelegt, dass Arbeit an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen in der Zeit von 00.00 bis 24.00 Uhr „grundsätzlich“ verboten ist. Das prinzipielle Verbot ist eine einfach-gesetzliche Ausprägung des in Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV enthaltenen verfassungsrechtlichen Grundsatzes des Sonntagsschutzes.6 Allerdings wird durch den Ausdruck „grundsätzlich“ bereits impliziert, dass es Ausnahmen gibt: – Der Zeitraum von 0.00 Uhr bis 24.00 Uhr kann unter bestimmten Voraussetzungen geändert werden. So kann in Betrieben, in denen mehrschichtig gearbeitet wird, der Zeitraum um bis zu 6 Stunden vor- oder nachverlegt werden, wenn der Betrieb für die auf den Beginn der Ruhezeit folgenden 24 Stunden ruht (§ 9 Abs. 2 ArbZG). In einem solchen Betrieb wäre zum Beispiel auch eine Sonntagsruhe von Samstag, 18.00 Uhr, bis Sonntag, 18.00 Uhr, möglich, um die Produktion für den Wochenbeginn rechtzeitig wieder aufnehmen zu können.7 – § 9 Abs. 3 ArbZG trifft eine Sonderregelung für Kraftfahrer und Beifahrer. Danach kann der Beginn des 24-Stunden-Zeitraums um bis zu 2 Stunden vorverlegt werden. So könnte die Sonntagsruhe für einen Kraftfahrer von Samstag, 22.00 Uhr, bis Sonntag, 22.00 Uhr, andauern. 4 Arbeitszeitgesetz vom 6. Juni 1994 (BGBl. I S. 1170), zuletzt geändert durch Art. 3 Abs. 6 des Gesetzes zur Umsetzung des Seearbeitsübereinkommens 2006 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 20. April 2013 (BGBl. I S. 868). 5 WICHERT, Joachim, in: Hümmerich/Boecken/Düwell, NomosKommentar Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2010, § 1 ArbZG Rn. 6. 6 PREIS, Ulrich / ULBER, Daniel, Direktionsrecht und Sonntagsarbeit. In: NZA 2010, S. 729-733 (731); BAG NZA 2009, 1333 = NJW 2010, S. 394, Rn. 35. 7 Nach KLAGES, Heiko, Wann ist Sonntagsarbeit erlaubt? Abrufbar unter: http://www.experto.de/b2b/recht/arbeitsrecht /arbeitgeber/arbeitszeit0/wann-ist-sonntagsarbeit-erlaubt.html [Abruf 18. November 2014]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 217/14 Seite 6 – Für eine ganze Reihe von weiteren Branchen gibt es Ausnahmevorschriften von dem Verbot der Sonntagsarbeit. Geregelt sind diese in § 10 Abs. 1 ArbZG. Betroffen sind zum Beispiel Rettungsdienste, Arbeitnehmer in Krankenhäusern, Gaststätten, auf Messen, in Verkehrsbetrieben und im Bewachungsgewerbe. Voraussetzung ist jeweils, dass die Arbeiten nicht an einem Werktag erledigt werden können. Eine Ausnahme vom Verbot der Sonntagsarbeit gilt auch, wenn eine sonntägliche Unterbrechung der Produktion zu bestimmten Mehrausgaben führen würde (§ 10 Abs. 2 ArbZG). – Beschäftigte in Bäckereien dürfen sonn- und feiertags bis zu 3 Stunden arbeiten (§ 10 Abs. 3 ArbZG). – Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Aufsichtsbehörde (Gewerbeaufsichtsamt bzw. Amt für Arbeitsschutz) weitere Ausnahmen zulassen. Das ist z. B. möglich, wenn ohne die Sonn- oder Feiertagsarbeit Arbeitsplätze verloren gehen würden. Auch kann die Aufsichtsbehörde gebeten werden, festzustellen, ob ein Ausnahmetatbestand erfüllt ist. Zu beachten ist immer, dass jedem Arbeitnehmer mindestens 15 freie Sonntage pro Jahr verbleiben müssen und ihm für Sonntagsarbeit ein Ersatzruhetag zusteht (§ 11 Abs. 1 bzw. Abs. 3 Arb ZG). Von diesen Vorschriften kann unter bestimmten Umständen durch Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung abgewichen werden (§ 12 ArbZG). Auch das Gewerberecht regelt in § 55e der Gewerbeordnung (GewO) ein sonn- und feiertägliches Verbot bestimmter Tätigkeiten sowie Ausnahmen davon. 2.2. Ausführung des Arbeitszeitgesetzes Dem Bund steht zwar die Gesetzgebungskompetenz bezüglich der Arbeitszeiten zu, die Länder sind jedoch für die Ausführung des Arbeitszeitgesetzes zuständig (§ 17 ArbZG). Die Ausführung von Bundesgesetzen erfolgt als eigene Angelegenheit (Art. 83, 84 Abs. 1 Satz 1 GG), da kein ausdrücklicher Fall der Auftragsverwaltung, der bundeseigenen Verwaltung oder der Mischverwaltung gegeben ist. Dabei kommt den Behörden ein Ermessen zu, das in verschiedenen Bundesländern unterschiedlich gehandhabt werden kann. Insbesondere kann die zuständige Aufsichtsbehörde nach § 13 Abs. 3 ArbZG – feststellen, ob eine Beschäftigung nach § 10 zulässig ist (zwecks Klärung von Auslegungszweifeln ), – unter bestimmten Voraussetzungen abweichend vom Sonntagsarbeitsverbot bewilligen, Arbeitnehmer zu beschäftigen, so u.a. im Handelsgewerbe an bis zu zehn Sonn- und Feiertagen im Jahr, an denen besondere Verhältnisse einen erweiterten Geschäftsverkehr erforderlich machen oder an einem Sonntag im Jahr zur Durchführung einer gesetzlich vorgeschriebenen Inventur und Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 217/14 Seite 7 – Anordnungen über die Beschäftigungszeit unter Berücksichtigung der für den öffentlichen Gottesdienst bestimmten Zeit treffen. Ferner „soll“ die Aufsichtsbehörde bewilligen (§ 13 Abs. 4 ArbZG), dass Arbeitnehmer an Sonnund Feiertagen mit Arbeiten beschäftigt werden, die aus chemischen, biologischen, technischen oder physikalischen Gründen einen ununterbrochenen Fortgang auch an Sonn- und Feiertagen erfordern. Des Weiteren „hat“ sie sogar abweichend von § 9 ArbZG die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen zu bewilligen, wenn – bei einer weitgehenden Ausnutzung der gesetzlich zulässigen wöchentlichen Betriebszeiten und bei längeren Betriebszeiten im Ausland – die Konkurrenzfähigkeit unzumutbar beeinträchtigt ist und durch die Genehmigung von Sonn- und Feiertagsarbeit die Beschäftigung gesichert werden kann (§ 13 Abs. 5 ArbZG). Außerdem können die Landesregierungen eigene Ausnahmeregelungen zum ArbZG erlassen (§§ 13 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 2 lit. a ArbZG), wenn die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonnoder Feiertagen zur Befriedigung täglicher oder an diesen Tagen besonders hervortretender Bedürfnisse der Bevölkerung zwecks „Vermeidung erheblicher Schäden“ erforderlich ist und der Bund von seiner Verordnungsermächtigung keinen Gebrauch gemacht hat. Dies ist allerdings restriktiv zu handhaben. So hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof das Merkmal der „Vermeidung erheblicher Schäden“ betont und entschieden, die Ausnahmen dürften nicht weit über den bundesgesetzlichen Rahmen hinausgehen.8 2.3. Feiertagsregelungen Die Feiertagsgesetzgebung fällt grundsätzlich in die Kompetenz der Bundesländer. Lediglich der Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober wurde ausnahmsweise bundeseinheitlich im Rahmen eines Staatsvertrags festgelegt. Alle anderen Tage werden von den Ländern bestimmt, wobei es weitere acht Feiertage gibt, die in allen 16 Ländern gelten.9 Neben diesen neun bundeseinheitlichen Feiertagen haben elf Länder weitere Feiertage festgelegt.10 Der Feiertagsschutz nach ArbZG und GewO gilt folglich, soweit der betreffende Tag nach Landesrecht ein Feiertag ist. Durch Art.140 GG i.V.m. 139 WRV hat die Verfassung den Sonntag absolut 8 Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 12. September 2013, Az: 8 C 1776/12.N, zitiert nach juris. 9 Nicht eingerechnet sind Feiertage, die immer auf einen Sonntag fallen, wie der Ostersonntag. 10 Eine Übersicht findet sich im Internetauftritt des Bundesministeriums des Innern (BMI) unter: http://www.bmi.bund.de/cae/servlet/contentblob/437124/publicationFile/20210/feiertage.pdf, [Abruf: 18. November 2014]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 217/14 Seite 8 garantiert, während der gesetzliche Schutz für Feiertage davon abhängt, dass sie staatlich anerkannt sind.11 Demzufolge kann der Gesetzgeber auch einzelne Feiertage abschaffen, wie dies z.B. 1995 in allen Bundesländern außer Sachsen mit dem Buß- und Bettag geschehen ist.12 In ihren Feiertagsgesetzen treffen die Bundesländer auch Regelungen, wonach an Sonn- und Feiertagen öffentlich bemerkbare und störende Arbeiten zu unterlassen sind, vor allem während der Zeit des Hauptgottesdienstes (z.B. Art. 3 f. des Nordrhein-Westfälischen Feiertagsgesetzes – FTG NW, Art. 2 des Bayerischen Feiertagsgesetz – BayFTG). Diese gelten neben den Vorschriften des ArbZG und haben tendenziell eine andere Zwecksetzung: Während das ArbZG die Arbeitnehmer vor Arbeitsbelastung schützen will, bezwecken die Feiertagsgesetze in erster Linie die Vermeidung einer Störung der Ruhe der Allgemeinheit durch nicht mit dem Charakter des Sonn- oder Feiertags vereinbare Tätigkeiten.13 2.4. Ladenöffnungsgesetze Mit der im Rahmen der Föderalismusreform am 1. September 2006 in Kraft getretenen Änderung des Grundgesetzes haben die Länder das ausschließliche Gesetzgebungsrecht für den Ladenschluss im Rahmen des Kompetenztitels „Wirtschaft“ (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG) erhalten. Die Länder können nun die gesetzlichen Ladenschlusszeiten, und damit auch die Frage, inwieweit Geschäfte an Sonn- und Feiertagen öffnen dürfen, in eigener Zuständigkeit regeln. Strittig ist allerdings , inwieweit die arbeitsrechtlichen Regelungen des Ladenschlussgesetzes des Bundes14 (vor allem § 17, welcher die Arbeitszeiten der Beschäftigten regelt) von den Ländergesetzen abgelöst werden können.15 Inzwischen haben alle Bundesländer bis auf Bayern die Ladenöffnungszeiten durch Landesgesetz geregelt. Die bisher erlassenen Ladenschluss- oder Ladenöffnungsgesetze der Bundesländer halten in den Grundzügen am Regelungskonzept des Ladenschlussgesetzes des Bundes fest, dass an Sonn- und Feiertagen keine Ladenöffnung erfolgt. Nach dem Bundesrecht konnten jährlich höchstens vier Sonn- und Feiertage verkaufsoffen sein, jedoch nicht im Dezember. Sonderregelungen bestanden hinsichtlich bestimmter Waren für Kur- und Erholungsorte. Im Hinblick auf die Beschäftigung an Sonntagen haben die Bundesländer im Grundsatz am Regel -Ausnahme-Verhältnis zwischen verkaufsfreien und verkaufsoffenen Sonntagen festgehalten. 11 STOLLMANN, Frank, Staatlich anerkannte Feiertage – einfachgesetzlicher Spielball oder änderungsfestes Rechtsinstitut? In: DÖV 2004, S. 471-477 (473). 12 Zu den Voraussetzungen hierfür näher STOLLMANN, Frank (2004), (Fn. 11) S. 473 ff. 13 Hierzu auch MATTNER, Andreas (1988), (Fn. 2) S. 2211 ff. 14 Gesetz über den Ladenschluss, in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juni 2003 (BGBl. I. S. 744), zuletzt geändert durch Art. 288 der Neunten ZuständigkeitsanpassungsVO vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407). 15 KORTSTOCK, Ulf, in: Nipperdey Lexikon Arbeitsrecht, 22. Edition 2014, „Ladenschluss“; MOSBACHER, Wolfgang (2010), (Fn. 1) S. 541. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 217/14 Seite 9 Für bestimmte Verkaufsstellen sowie für bestimmte Waren und bestimmte Orte, etwa an Bahnhöfen und in Kurorten, gibt es zahlreiche, zum Teil über die Regelung des Ladenschlussgesetzes des Bundes hinausgehende Ausnahmen. Insbesondere ermöglichen die Regelungen für Kur- und Ausflugsorte in einigen Landesgesetzen eine weitergehende Ladenöffnung. Im Einzelnen gelten folgende Regelungen: – Baden-Württemberg: drei verkaufsoffene Sonn- bzw. Feiertage im Jahr aus Anlass von öffentlichen Festen, Messen, Märkten oder ähnlichen Veranstaltungen; hiervon ausgenommen sind die Adventssonntage, der Oster- und Pfingstsonntag und die Weihnachtsfeiertage. – Bayern: Es gilt weiterhin das Ladenschlussgesetz des Bundes (nach Art. 125a Abs. 1 GG). – Berlin: Der Berliner Senat kann acht verkaufsoffene Sonntage pro Jahr per Allgemeinverfügung festsetzen. Darunter dürfen jedoch maximal zwei Adventssonntage sein. Zwei weitere Sonntage können die Unternehmer zu einem bestimmten Anlass (Straßenfest, Jubiläum oder ähnliches) selbst festlegen. – Brandenburg: Die Anzahl der verkaufsoffenen Sonntage liegt bei sechs pro Jahr, die in der Zeit von 13 bis 20 Uhr stattfinden dürfen, jedoch nicht am Karfreitag, Ostersonntag, Pfingstsonntag , Volkstrauertag, Totensonntag und Feiertagen im Dezember. – Bremen: Maximal vier verkaufsoffene Sonntage im Jahr; Läden dürfen an diesen Tagen bis zu fünf Stunden geöffnet haben, jedoch nicht an Neujahr, Karfreitag, Ostersonntag und Ostermontag , Pfingstsonntag und Pfingstmontag, Volkstrauertag, Totensonntag, den Adventssonntagen und Feiertagen im Dezember. – Hamburg: Die Regelungen für Sonntagsöffnung bleiben bei vier Sonntagen; diese dürfen jedoch nicht mehr an Adventssonntagen, Feiertagen oder stillen Tagen stattfinden. – Hessen: Die Kommunen dürfen pro Jahr vier Sonntage festlegen, an denen die Geschäfte unter Berücksichtigung der Hauptgottesdienstzeiten bis zu sechs Stunden öffnen dürfen, wobei bestimmte Sonntage wiederum ausgeschlossen sind. – Mecklenburg-Vorpommern: Vier verkaufsoffene Sonntage im Jahr. Für bestimmte touristisch geprägte Orte (Wismar und Stralsund) bestehen großzügigere Regelungen von bis zu zwanzig verkaufsoffenen Sonntagen im Jahr, im Dezember jedoch jeweils nur am ersten Sonntag im Monat. – Niedersachsen: In Ausflugsorten an insgesamt höchstens acht und in anderen Orten an insgesamt höchstens vier verkaufsoffenen Sonn- und Feiertagen und jeweils höchstens für die Dauer von fünf Stunden. Ausgenommen sind Karfreitag, Ostersonntag und Ostermontag, Himmelfahrt, Pfingstsonntag und Pfingstmontag, Volkstrauertag, Totensonntag sowie die Adventssonntage und die Weihnachtsfeiertage. – Nordrhein-Westfalen: Jährlich höchstens vier verkaufsoffene Sonn- oder Feiertagen aus Anlass von örtlichen Festen, Märkten, Messen oder ähnlichen Veranstaltungen bis zur Dauer von fünf Stunden. Verkaufsstellen in Kurorten, Ausflugs-, Erholungs- und Wallfahrtsorten Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 217/14 Seite 10 mit besonders starkem Tourismus dürfen an jährlich höchstens 40 Sonn- oder Feiertagen bis zur Dauer von acht Stunden geöffnet sein. Innerhalb einer Gemeinde dürfen insgesamt nicht mehr als elf Sonn- und Feiertage je Kalenderjahr freigegeben werden. Wenn in jeweils unterschiedlichen Bezirken, Ortsteilen oder Handelszweigen geöffnet wird, erlaubt das Gesetz maximal zwei verkaufsoffene Adventssonntage. Wenn im gesamten Gemeindegebiet geöffnet wird, ist nur ein verkaufsoffener Adventssonntag erlaubt. Ausgenommen sind wiederrum die stillen Feiertage, Ostersonntag, Pfingstsonntag, zwei Adventssonntage und die Weihnachtsfeiertage. – Rheinland-Pfalz: An maximal vier Sonntagen pro Jahr und Gemeinde kann die örtlich zuständige Kommune allgemein durch Rechtsverordnung festlegen, dass Verkaufsstellen bis zur Dauer von fünf Stunden (nicht zwischen 6 und 11 Uhr) geöffnet sein dürfen. Für Ostersonntag , Pfingstsonntag, Volkstrauertag, Totensonntag, an den Adventssonntagen im Dezember und an Sonntagen, auf die ein Feiertag fällt, darf die Öffnung nicht zugelassen werden . – Saarland: Es sind vier verkaufsoffene Sonntag- und Feiertage erlaubt, jedoch nicht an Neujahr , Karfreitag, Ostersonntag, Pfingstsonntag, Totensonntag und Volkstrauertag sowie an Sonn- und Feiertagen im Dezember. Fällt der erste Advent in den Dezember, ist zu diesem Termin ein verkaufsoffener Sonntag erlaubt. – Sachsen: Die Gemeinden können aus besonderen Anlass bis zu vier verkaufsoffene Sonntage mit Öffnungszeiten von 12 bis 18 Uhr durch Rechtsverordnung gestatten. Ausgenommen sind der Ostersonntag, Pfingstsonntag, Volkstrauertag, Totensonntag und Sonntage, auf die der 24. Dezember oder ein gesetzlicher Feiertag nach dem Gesetz über Sonn- und Feiertage im Freistaat Sachsen fällt. – Sachsen-Anhalt: Die jeweilige Gemeinde kann erlauben, dass Verkaufsstellen aus besonderem Anlass an höchstens vier Sonn- und Feiertagen geöffnet werden. Von der Öffnung ausgenommen sind Neujahr, Karfreitag, Ostersonntag und Ostermontag, Volkstrauertag, Totensonntag , die Weihnachtsfeiertage sowie Heiligabend, soweit dieser auf einen Sonntag fällt. – Schleswig-Holstein: Die Regelungen für Sonn- und Feiertage entsprechen mit vier verkaufsoffenen Sonntagen pro Jahr weitgehend dem bisherigen Bundesrecht. Eine Besonderheit ist die Möglichkeit einer Befreiung vom Verkaufsverbot an Sonn- und Feiertagen für Kur-, Erholungs - und Tourismusorte in der Zeit vom 15. Dezember bis zum 31. Oktober. Hiervon ausgenommen sind jeweils der Karfreitag und der erste Weihnachtstag. – Thüringen: An jährlich höchstens vier Sonn- und Feiertagen dürfen Verkaufsstellen aus besonderem Anlass für die Dauer von bis zu sechs zusammenhängenden Stunden in der Zeit von 11 bis 20 Uhr öffnen. Ausgenommen sind Karfreitag, die Adventsonntage und die übrigen Sonn- und Feiertage im Dezember, mit Ausnahme wahlweise des ersten oder zweiten Adventsonntags. In anerkannten Kur- und Erholungsorten, Wallfahrtsorten und Ausflugsorten mit besonders starkem Fremdenverkehr dürfen Verkaufsstellen an Sonn- und Feiertagen bis zur Dauer von sechs zusammenhängenden Stunden öffnen. Dort ist die Öffnung jedoch nicht an Karfreitag, dem Volkstrauertag, dem Totensonntag und den 24. und 31 Dezember, sofern diese auf einen Sonntag fallen, möglich. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 217/14 Seite 11 3. Stärkung des Sonntagsschutzes durch das Bundesverfassungsgericht In drei maßgeblichen Urteilen hat das Bundesverfassungsgericht 1961,16 200417 und 200918 den Sonn- und Feiertagsschutz gestärkt. In einer aufsehenerregenden Entscheidung im Jahr 2009 hat das Bundesverfassungsgericht den Sonntagsschutz zuletzt bekräftigt, indem es die damalige Berliner Regelung (§ 3 Abs. 1 BerlLad- ÖffG), wonach Läden an allen vier Adventssonntagen öffnen durften, als mit der grundgesetzlichen Sonntagsruhe unvereinbar verwarf. Bei einer Zurückstellung des Sonntagesschutzes während eines zusammenhängenden Monatszeitraums (ohne hinreichende Gründe) werde nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts der von Art. 140 GG i.V.m. Art 139 WRV geforderte Mindestschutz der Sonn- und Feiertage unterschritten. Dabei erkennt das Gericht durchaus einen dem Landesgesetzgeber zustehenden Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum zu. Allerdings werde der vom Grundgesetz geforderte Mindestschutz nicht erreicht, sofern durch die flächendeckende Öffnung im Einzelhandel an vier Sonntagen hintereinander ein geschlossener Block von einem Zwölftel des Jahres vom Grundsatz der Arbeitsruhe ausgenommen werde.19 Damit sei ein notwendiger Wechsel zwischen dem Sonntagsschutz – als Regel – und dessen Durchbrechung – als Ausnahme – nicht erreicht.20 In dem Urteil aus dem Jahr 2009 – welches durchaus als wegweisend bezeichnet werden kann – konstruierte das Bundesverfassungsgericht darüber hinaus ein subjektives Recht des einzelnen (und der christlichen Religionsgemeinschaften) aus Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 i.V.m. Art. 140 GG, und139 WRV. Danach kann der jeweilige Träger des Grundrechtes verlangen, dass ein Mindestniveau an Sonn- und Feiertagsschutz nicht unterschritten wird.21 Hervorzuheben ist jedoch auch, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung offengelassen hat, wie viele verkaufsoffene Sonn- und Feiertage verfassungsrechtlich zulässig sind. Die Anzahl von – nach den Berliner Regelungen – möglichen acht flächendeckenden verkaufsoffenen Sonntagen sei jedoch als verfassungsgemäß anzusehen.22 16 BVerfG, Urteil vom 29. November 1961, Az.: 1 BvR 760/57 = NJW 1961, S. 99. 17 BVerfG, Urteil vom 9. Juni 2004, Az.: 1 BvR 636/02 = NJW 2004, S. 2363-2371. 18 BVerfG, Urteil vom 1. Dezember 2009, Az. 1 BvR 2857, 2858/07 = NVwZ 2010, S. 570-579. 19 BVerfG (Fn. 18) Rn. 175 – zitiert nach juris 20 MOSBACHER, Wolfgang (2010), (Fn. 1) S. 540. 21 BVerfG (Fn. 18) Rn. 159 . 22 Die zusätzlichen Öffnungsmöglichkeiten an zwei Sonntagen für Firmenjubiläen oder Straßenfeste bezog das Bundesverfassungsgericht in seine Berechnung nicht mit ein. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 217/14 Seite 12 MOSBACHER konstatiert in diesem Zusammenhang, der kritische Bereich beginne nunmehr ab dreizehn verkaufsoffenen Sonntagen, weil damit ein Durchschnitt von einem verkaufsoffenen Sonntag pro Monat überschritten werde.23 4. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. November 2014 In seiner aktuellen Entscheidung vom 26. November 201424 erklärte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig die zurzeit geltende Hessische Bedarfsgewerbeverordnung teilweise für nichtig. Dem Urteil lagen Normenkontrollanträge einer Gewerkschaft und zweier evangelischer Gemeindeverbände zugrunde. Die Hessische Landesregierung hatte durch eine Rechtsverordnung (Hessische Bedarfsgewerbeverordnung) die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen zeitlich beschränkt zugelassen, u. a. in den Bereichen: Videotheken und öffentliche Bibliotheken, Getränkeindustrie und -großhandel, Fabriken zur Herstellung von Roh- und Speiseeis und Großhandel damit, Buchmachergewerbe, Callcenter sowie Lotto- und Totogesellschaften. Auf die Normenkontrollanträge hin erklärte zunächst der Verwaltungsgerichtshof Kassel die Verordnung insoweit für nichtig. Auf die Revision des Landes Hessen hat das Bundesverwaltungsgericht dieses Urteil teilweise bestätigt. Das Bundesverwaltungsgericht entschied, dass die Verordnung jedenfalls insoweit nichtig sei, als sie eine Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen in den Bereichen Videotheken und öffentliche Bibliotheken, Callcentern und Lotto- und Totogesellschaften zulässt. Soweit die Verordnung eine solche Beschäftigung in den Bereichen Brauereien, Betriebe zur Herstellung von alkoholfreien Getränken oder Schaumwein, Fabriken zur Herstellung von Roh- und Speiseeis zulasse, hat das Bundesverwaltungsgericht keine abschließende Entscheidung über die Gültigkeit der Verordnung getroffen, weil es an ausreichenden tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz fehle. Hingegen hat das Bundesverwaltungsgericht die Verordnung für wirksam befunden, soweit sie eine Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen in dem Bereich des Buchmachergewerbes (die z.B. bei Pferdewetten tätig sind) zulässt. Zur Begründung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Beschäftigung von Arbeitnehmern in Videotheken und öffentlichen Bibliotheken an Sonn- oder Feiertagen zur Befriedigung an diesen Tagen besonders hervortretender Bedürfnisse der Bevölkerung nach einer Freizeitgestaltung nicht erforderlich sei, weil DVDs, Computerspiele oder Bücher für eine Nutzung am Sonn- oder Feiertag vorausschauend schon an Werktagen ausgeliehen werden könnten. Es stelle keinen erheblichen Schaden i.S.d. des Gesetzes dar, „wenn der Schutz der Sonn- und Feiertagsruhe nicht hinter den Wunsch zurücktreten muss, spontan auftretende Bedürfnisse auch sofort erfüllt zu bekommen.“ Aus gleichen Gründen sei eine Beschäftigung von Arbeitnehmern 23 MOSBACHER, Wolfgang (2010), (Fn. 1) S. 541. 24 BVerwG, Urteil v. 26. November 2014, Az.: BVerwG 6 CN 1.13; die Urteilsgründe liegen zum Zeitpunkt der Fertigstellung der Ausarbeitung noch nicht vor, es wird jedoch umfassend auf die vom Bundesverwaltungsgericht herausgegebene Stellungnahme Bezug genommen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 217/14 Seite 13 an Sonn- und Feiertagen in Lotto- und Totogesellschaften zur elektronischen Geschäftsabwicklung nicht erforderlich. Soweit die Verordnung eine Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonnund Feiertagen in Callcentern zulässt, sei sie mit der gesetzlichen Ermächtigung nicht vereinbar, weil sie eine solche Beschäftigung in allen gegenwärtig und künftig vorhandenen Callcentern zulasse , gleichgültig in welcher Branche oder für welchen Tätigkeitsbereich das Callcenter tätig wird. Dass der Betrieb von Callcentern in diesem Umfang erforderlich sei, um tägliche oder an Sonn- und Feiertagen besonders hervortretende Bedürfnisse der Bevölkerung zu befriedigen, lasse sich nicht feststellen. Die Produktion in Betrieben aus den Bereichen der Getränkeindustrie und den Fabriken zur Herstellung von Roh- und Speiseeis sei hingegen auch dann an Sonn- und Feiertagen zur Deckung täglicher Bedürfnisse der Bevölkerung erforderlich, wenn die Kapazitäten der Hersteller nicht ausreiche, um ohne eine Produktion rund um die Woche auch in Spitzenzeiten der Nachfrage – im Sommer bei länger anhaltenden Hitzeperioden – einen dann gegebenen erhöhten Bedarf täglich decken zu können. Diesbezüglich verwies das Bundesverwaltungsgericht die Sache jedoch, mangels ausreichender Tatsachenfeststellung durch die Vorinstanz, zur weiteren Sachverhaltsklärung an den Verwaltungsgerichtshof zurück. Auch die Beschäftigung im Buchmachergewerbe an Sonn- und Feiertagen ließ das Bundesverwaltungsgericht zu. Sie beziehe sich nach der hessischen Verordnung nur auf die Entgegennahme von Wetten für Veranstaltungen, die an diesen Tagen stattfinden und für die sich deshalb aus anderen Vorschriften ergeben muss, dass sie an diesen Tagen etwa aus Gründen der Freizeitgestaltung der Bevölkerung auch stattfinden dürfen. Die Wetten dürften ferner nur an der Stätte der Veranstaltung entgegen genommen werden – insbesondere bei Rennsportveranstaltungen. Insoweit handele es sich nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts bei der Annahme von Wetten um einen spezifischen Sonn- und Feiertagsbedarf, der als Bestandteil des Freizeiterlebnisses, um nicht den Freizeitgenuss insgesamt zu gefährden, nur an Ort und Stelle befriedigt werden könne. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes wurde mit Spannung erwartet, dies vor allem, weil es in vielen anderen Bundesländern ähnliche Verordnungen gibt. Diese entfalten zwar – weil sie nicht mit den Normenkontrollanträgen angegriffen worden sind – weiterhin volle Wirksamkeit. Dennoch dürfte das Urteil weitreichende Folgen haben25 oder zumindest erneut eine politische Diskussion über die Sonntagsruhe anstoßen. 26 5. Ausbau des Sonn- und Feiertagsschutzes Immer wieder wird aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen eine Ausweitung des Sonn- und Feiertagsschutzes gefordert bzw. eine Eindämmung der Ausweitung von Ausnahmen. So hat beispielsweise die „Allianz für den freien Sonntag“ – ein Zusammenschluss vorwiegend 25 So die FAZ vom 27. November 2014, Bundesgericht setzt Sonntagsarbeit Grenzen. 26 SPIEGEL ONLINE vom 26. November 2014, abrufbar unter: http://www.spiegel.de/karriere/berufsleben/sonntag -arbeitsfrei-bundesverwaltungsgericht-begrenzt-sonntagsarbeit-a-1005153.html [Abruf:27. November 2014]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 217/14 Seite 14 kirchlicher und gewerkschaftlicher Organisationen – mit dem Ziel, den Sonntag als gesamtgesellschaftlich arbeitsfreien Tag zu erhalten, im Februar dieses Jahres mehrere konkrete Forderungen an die Politik aufgestellt.27 Im Folgenden soll dargelegt werden, inwiefern der Sonn- und Feiertagsschutz der Beschäftigten wieder verstärkt gesetzlich oder auf andere Weise verankert werden kann. Zu der Darstellung ist einleitend anzumerken, dass die Beurteilung von deren Sinnhaftigkeit eine politische Frage ist. Die Wissenschaftlichen Dienste können hierzu nur Hinweise in rechtlicher Hinsicht geben. 5.1. Bundeseinheitliche Regelung der Sonntags- und Feiertagsbeschäftigung Zunächst kommt eine nähere Bestimmung der zugelassenen Ausnahmen vom Sonntagsarbeitsverbot nach §§ 10 Abs. 1, 13 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG in Betracht. Dies wäre durch Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates grundsätzlich möglich. Voraussetzung dafür wäre, dass dies zur Vermeidung erheblicher Schäden erforderlich ist, wobei Belange des Arbeitnehmerschutzes und der Sonntagsruhe „zu berücksichtigen“ sind. Allerdings kann nach einer in der Rechtsliteratur vertretenen Ansicht eine solche Verordnung die Ausnahmetatbestände des § 10 ArbZG nur präzisieren, nicht aber einschränken.28 Auf Landesebene haben die einzelnen Bundesländer so genannte Bedarfsgewerbeverordnungen erlassen, die in politischer und rechtlicher Hinsicht umstritten sind.29 Einer bundeseinheitlichen Regelung gemäß § 13 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 2a ArbZG steht wohl rechtlich nichts entgegen, da im Grundsatz ohnehin der Bund zuständig ist und die Länderregelungen nur insoweit gelten, als der Bund (noch) keine Regelung getroffen hat. Problematisch ist die Forderung nach einheitlichen Standards für Sonntagsöffnungen, da die Frage des Ladenschlusses im Zuge der Föderalismusreform 2006 bewusst den Ländern übertra- 27 Vgl. Selbstbeschreibung unter http://www.allianz-fuer-den-freien-sonntag.de/index.php?option=com_content &view=article&id=54&Itemid=56: „Seit Jahren vollzieht sich eine schleichende Aushöhlung des Sonn- und Feiertagsschutzes. Immer mehr Wirtschaftsbereiche werden für die Arbeit an diesen Tagen vereinnahmt. Dieser Entwicklung zur „Rund-um-die-Uhr-Gesellschaft“ stellen wir uns entgegen.“; die konkreten Forderungen sind unter http://www.allianz-fuer-den-freien-sonntag.de/forderungen-sonntagsallianz-bund_25.02.14.pdf abrufbar [Abruf jeweils am 24. November 2014]. 28 BAECK, Ulrich / DEUTSCH, Markus, Kommentar zum ArbZG, 3. Aufl. 2014 § 13 Rn. 13 mit Hinweis auf die unterlegene Stellung einer Rechtsverordnung in der Normhierarchie gegenüber einem Parlamentsgesetz wie dem ArbZG durchaus überzeugend, andere Ansicht aber SCHLIEMANN, Harald, Kommentar zum ArbZG, 2. Aufl. 2013 § 13 Rn. 11 und BUSCHMANN, Rudolf / ULBER, Jürgen, Kommentar zum ArbZG, 7. Aufl. 2011, § 13 Rn. 3. 29 RICHARDI, Reinhard / ANNUß, Georg sehen etwa die noch heute gültige Verordnung des Landes Nordrhein- Westfalen als rechtswidrig und nichtig an, vgl. Bedarfsgewerbeverordnungen: Sonn- und Feiertagsarbeit ohne Grenzen? In NZA 1999, S. 953-957. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 217/14 Seite 15 gen worden ist. Neben einer erneuten Grundgesetzänderung kämen daher ein Länderstaatsvertrag , dem alle Bundesländer zustimmen müssten, oder zumindest eine freiwillige Absprache der Länder in Betracht. 5.2. Einführung einer Berichtspflicht der Landesregierungen Der amtliche Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes informiert über die Verbreitung von Sonntagsarbeit, differenziert nach der Berufsstellung (z.B. Selbstständige, Beamte, Angestellte) und nach Wirtschaftsbereichen.30 Nach Aussage der Koordinatorin des Länderausschusses für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI) erfolgt in den Arbeitsschutzverwaltungen der Länder jedoch keine gesonderte statistische Erfassung aller Bewilligungen nach den Ausnahmetatbeständen des Arbeitszeitgesetzes– insbesondere auch nicht differenziert nach Branchen.31 Zum Teil wird gefordert, die Landesregierungen zu beauftragen, jährlich, und zwar erstmals für das zurückliegende Jahr 2013, einen umfassenden Sonntagsschutzbericht zu erstellen. Der jährliche Bericht solle einen ausführlichen Überblick über die Anzahl aller von Sonn- und Feiertagsarbeit – z.B. in Hessen – betroffenen Betriebe und der Anzahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geben. Darin sollten zudem sämtliche Ausnahmeregelungen zur Sonn- und Feiertagsarbeit nach der Gewerbeordnung, dem Hessischen Ladenöffnungsgesetz, dem Hessischen Feiertagsgesetz sowie der Bedarfsgewerbeverordnung und die jeweiligen Begründungen bzw. die Anlässe im Einzelnen und nach Städten und Landkreisen gegliedert aufgeführt werden.32 Inwieweit eine solche Evaluierung politisch zu einer Stärkung des Sonntagsschutzes beitragen kann bzw. Fehlentwicklungen entgegenzuwirken vermag, kann von den Wissenschaftlichen Diensten nicht geklärt werden. 5.3. Einführung einer Berichtspflicht der Bundesregierung Schließlich kommt die Einführung einer Berichtspflicht der Bundesregierung („Sonntagsschutzbericht “) in Betracht. Dies wird u.a. von der kirchlich-gewerkschaftlichen „Allianz für den freien Sonntag“ und der Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag gefordert. Dabei sollen sämtlichen verfügbare amtliche und nichtamtliche Daten zur Sonntagsarbeit gebündelt werden, die in den zuständigen Aufsichtsbehörden vorhandenen Daten über Ausnahmegenehmigungen für Sonn- und Feiertagsarbeit (gemäß dem Arbeitszeitgesetz, den Bedarfsgewerbeverordnungen, Fei- 30 Z.B. Mikrozensus 2012 des Statistischen Bundesamtes z.B. in Bundestagsdrucksache. 18/247, S. 42 und Mikrozensus BAA 4.3 Erwerbstätige nach Häufigkeit von Samstags-, Sonn- und /oder Feiertags-, Abend-, Nacht- und Schichtarbeit und anderen ausgewählten Merkmalen KMS 101869/475638 – 6. November 2014 – i-Punkt Berlin. 31 Bundestagsdrucksache 17/14469, S. 2. 32 Drucksache des Hessischen Landtages 19/107 vom 18. Februar 2014. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 217/14 Seite 16 ertagsgesetzen und Ladenschluss-/Ladenöffnungsgesetzen) länderübergreifend erfasst und evaluiert und schließlich geeignete Maßnahmen gegen Fehlentwicklungen beim Sonn- und Feiertagsschutz aufzeigt werden.33 Eine Berichtspflicht kann dabei entweder gesetzlich festgelegt werden oder aufgrund eines „schlichten“ Parlamentsbeschlusses erfolgen, „der die Bundesregierung nicht rechtlich, wohl aber faktisch bindet.“34 „Verlangt der Bundestag durch Mehrheitsbeschluss einen Bericht, kann sich die Regierung dieser ‚Verpflichtung‘ faktisch nicht entziehen.“35 Dabei kann vor allem durch zeitlich festgelegte (periodische) Berichtspflichten Druck auf die Regierungen und die Ministerialverwaltung ausgeübt werden.36 Grundlage der Beschlüsse sind meist Beschlussempfehlungen der Fachausschüsse, manchmal auch Anträge von Fraktionen.37 Obwohl teilweise kritisiert wird, die Berichtspflicht diene weniger dem Kontrollinteresse des Parlaments als vielmehr der öffentlichen Darstellung der Regierungsmeinung, bietet sie dennoch den „Anlass für programmatische und konzeptionell orientierte große Plenardebatten“38 und kann in die Arbeit der jeweils zuständigen Ausschüsse integriert werden.39 Unabhängig von diesen rechtlichen Fragestellungen muss auch die Mittel-Zweck-Relation der Einführung einer Verpflichtung zur Erstellung eines „Sonntagsschutzberichtes“ Beachtung finden . So erklärte Thorben ALBRECHT (SPD), Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), einen Sonntagsschutzbericht nicht für erforderlich; der Aufwand stände in keinem vertretbaren Verhältnis zu dem möglichen zusätzlichen Erkenntnisgewinn.40 Zur Begründung verwies er darauf, dass nach den Daten des Statistischen Bundesamtes rund drei Viertel aller abhängig Beschäftigten in Deutschland nie an Sonn- und Feiertagen arbeiteten, weswegen Sonntagsarbeit weiterhin als Ausnahme anzusehen sei.41 Die Befürworter eines solchen Berichts bezweifeln dies und machen geltend, dass nur ein umfassender Bericht eine genaue Analyse der Entwicklung und Verbreitung von Sonntagsarbeit geben 33 Bundestagsdrucksache 18/1378, S. 81f. 34 ISMAYR, Wolfgang, Der Deutsche Bundestag, 3. Aufl. 2012, S. 398. 35 ISMAYR, Wolfgang (2012), (Fn. 30) S. 398. 36 ISMAYR, Wolfgang (2012), (Fn. 30) S. 401. 37 ISMAYR, Wolfgang, Berichte der Bundesregierung im Prozeß parlamentarischer Willensbildung. In. ZParl, 4/1990, S. 553-559 (553). 38 ISMAYR, Wolfgang (1990), (Fn. 33) S. 556. 39 GRAF VON WESTPHALEN, Raban, Deutsches Regierungssystem, München 2001, S. 258f. 40 Bundestagsdrucksache 18/1378, S. 82f. 41 http://www.faz.net/aktuell/beruf-chance/arbeitswelt/24-stunden-gesellschaft-mehr-menschen-arbeiten-an-sonnund -feiertagen-12929685.html, [Abruf: 20. August 2014]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 217/14 Seite 17 könne, so dass er Aufschlüsse darüber zu geben geeignet sei, inwieweit die gesetzlichen Regelungen missbräuchlich genutzt würden und ob Handlungsbedarf bestehe. 6. Fazit Die Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder, und dass es dabei im Rahmen bestehender Ermessensspielräume zu unterschiedlichen Handhabungen kommt, ist in der föderalen Konzeption des Grundgesetzes angelegt. Auch die unterschiedliche Handhabung der Ladenöffnungszeiten entspricht der Zuweisung dieser Materie an den Landesgesetzgeber. Bei der Ausübung ihrer Zuständigkeit haben die Länder selbstverständlich die Vorgaben des Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV zu beachten. Die grundgesetzliche Sonntagsruhe wurde dabei durch die drei Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts sowie das aktuelle Urteil des Bundesverwaltungsgerichts gestärkt. Auch die Landesverfassungen sehen in der Regel den Schutz der Sonn- und Feiertage vor. Ein Mindestmaß an Schutz ist folglich gegeben. Die Verfassungs- und Verwaltungsgerichte werden jedoch in der Regel nur auf Beschwerde bzw. Klage hin tätig. Zu den Sonntagsregelungen des ArbZG gibt es daher, soweit ersichtlich, keine bundesverfassungsgerichtliche Entscheidung. Nach einer in der Rechtsliteratur vertretenen Ansicht müssen diese zumindest verfassungskonform ausgelegt werden,42 was eine Präzisierung nahelegen könnte. Ob man diesen Schutz für ausreichend erachtet, ist aber vor allem eine politische Frage. Die schwarz-gelbe Koalition der 17. Legislaturperiode sah keinen Regelungsbedarf von Seiten des Bundesgesetzgebers: „Nach Einschätzung der Bundesregierung gehen die Länder mit der Thematik ‚Sonn- und Feiertagsbeschäftigung‘ ebenfalls verantwortungsvoll um. Die Bundesregierung begrüßt die Maßnahmen der Länder zur Festigung des verfassungsrechtlichen Sonn- und Feiertagsschutzes bei der Durchführung des Arbeitszeitgesetzes und sieht derzeit keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf.“43 Auch die Bundesregierung der 18. Legislaturperiode sieht derzeit keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf. Jedoch sei es aus der Sicht der Bundesregierung zu begrüßen , dass die Länder sich auf „Grundsätze für eine einheitliche Genehmigungspraxis der Länder bei Anträgen auf Sonn- und Feiertagsbeschäftigung“ verständigt haben.44. Eine Stärkung des Sonntagsschutzes könnte im Bereich des ArbZG durch den Bundesgesetzgeber (bzw. im Rahmen von Verwaltungsvorschriften/Rechtsverordnungen durch die Bundesregierung, ggf. mit Zustimmung des Bundesrates) erfolgen. Wollte man den Sonntagsschutz dagegen im Bereich des Ladenschlusses über das durch das Bundesverfassungsgericht geschützte Mindestmaß 42 RICHARDI, Reinhard / ANNUß, Georg (1999), (Fn. 25) S. 955. 43 Bundestagsdrucksache 17/14469, S. 5. 44 Beschluss der 90. Arbeits- und Sozialministerkonferenz (ASMK) vom 27./28. November 2013 (TOP 7.20), abrufbar unter www.asmk.sachsen-anhalt.de/ergebnisse [Abruf: 24. November 2014]. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 217/14 Seite 18 hinaus erweitern, wäre wohl eine Grundgesetzänderung erforderlich, welche auf eine teilweise Revidierung der Föderalismusreform von 2006 hinausliefe. Schließlich besteht die Möglichkeit der Einführung einer Berichtspflicht der Landesregierungen oder der Bundesregierung in regelmäßigen Abständen. Ob eine solche jedoch zu einer Stärkung des Sonntagsschutzes führen könnte, kann - wie bereits ausgeführt – von den Wissenschaftlichen Diensten nicht beurteilt werden. Möglicherweise wird durch das aktuelle Urteil des Bundesverwaltungsgerichts der Sonntagsschutz auch wieder vermehrt in den Fokus der öffentlichen und der politischen Diskussion gerückt .