Deutscher Bundestag Haushalts- und Pflegehilfen aus Osteuropa Arbeitsgenehmigungsrechtlicher Status Sachstand Wissenschaftliche Dienste © 2010 Deutscher Bundestag WD 6 – 3000-185/10 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 – 3000-185/10 Seite 2 Haushalts- und Pflegehilfen aus Osteuropa Arbeitsgenehmigungsrechtlicher Status Aktenzeichen: WD 6 – 3000-185/10 Abschluss der Arbeit: 11. Oktober 2010 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 – 3000-185/10 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Allgemeines 4 2. Arbeitserlaubnisrechtlicher Status 4 2.1. Arbeitnehmer 4 2.1.1. Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit 4 2.1.2. Vermittlungsabsprachen 5 2.2. Dienstleistungsfreiheit 6 2.2.1. Grundsatz 6 2.2.2. Scheinselbständigkeit 6 2.3. Arbeitnehmerentsendung 7 3. Weiterführende Quellen 7 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 – 3000-185/10 Seite 4 1. Allgemeines Pflegekräfte aus Osteuropa sind inzwischen ein fester Bestandteil des deutschen Pflegealltags. Sie wohnen bei alten Menschen und pflegen sie zu Hause. Es gibt in Deutschland ansässige und von der Pflegekasse zugelassene Pflegedienste, die eine 24-Stunden-Pflege anbieten. Darüber hinaus sind diverse Agenturen in Deutschland bei der Suche nach osteuropäischen Pflegekräften behilflich. Soweit es vorrangig darum geht, dass ein Pflegebedürftiger nicht allein ist und gleichzeitig hauswirtschaftliche Tätigkeiten erledigt werden, kann durch die Arbeitsagentur eine osteuropäische Haushaltshilfe vermittelt werden. Wenn Pflegerinnen aus Osteuropa privat organisiert wurden, gilt das in Deutschland als Schwarzarbeit. Direkte Arbeitsverträge mit ausländischen Helfern sind illegal. Leistungsumfang: Eine Pflege und Betreuung rund-um-die-Uhr umfasst sowohl die Grundpflege als auch hauswirtschaftliche Tätigkeiten sowie die allgemeine Betreuung und Unterstützung. Falls es notwendig ist, werden ferner ärztlich verordnete Maßnahmen der Behandlungspflege übernommen. Kosten: Die Angaben über die Kosten für eine 24-Stunden-Versorgung sind unterschiedlich. Die Stiftung Warentest geht von 1.200 bis 2.500 Euro im Monat aus. Hinzu kommen die Kosten für die Unterbringung und Verpflegung der Pflegerin. Je nach Pflegestufe, Betreuungsaufwand und Qualifikation des Betreuungspersonals können die Kosten aber auch wesentlich höher liegen. Finanzierung: Pflegebedürftige haben – sofern mindestens Pflegestufe I vorliegt – Anspruch auf Sach- oder Kombileistungen der Pflegeversicherung. Ebenso besteht die Möglichkeit, ärztlich verordnete Maßnahmen der Behandlungspflege wie beispielsweise Verbandswechsel über die Krankenkasse abzurechnen. Außerdem können die für die Pflege und Versorgung anfallenden finanziellen Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung oder als Kosten haushaltsnaher Dienstleistungen steuermindernd geltend gemacht werden. 2. Arbeitserlaubnisrechtlicher Status Die Rechtslage für den Einsatz osteuropäischer Haushalts- und Pflegehilfen in Deutschland ist unübersichtlich. In der Praxis besteht immer die Gefahr, dass es zu Problemen mit den Zoll- oder Steuerbehörden kommt. Im Folgenden sind die nach der aktuellen Rechtslage legalen Gestaltungsmöglichkeiten dargestellt: 2.1. Arbeitnehmer 2.1.1. Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit Grundsätzlich genießen Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) nach Art. 39 des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag) Arbeitnehmerfreizügigkeit und bedürfen deshalb innerhalb der EU keiner Arbeitserlaubnis. Zum Schutz der heimischen Arbeitsmärkte und der Stabilität der innerstaatlichen Sozialversicherungssysteme in den alten Mitgliedstaaten der EU wurde jedoch mit allen neuen Mitgliedstaa- Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 – 3000-185/10 Seite 5 ten der Beitrittsrunden 2004 (außer Zypern und Malta) und 2007 für den Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit eine gestaffelte Übergangsfrist von bis zu sieben Jahren ausgehandelt, während derer die bisherigen EU-Mitgliedstaaten ihre nationalen Regelungen zum Zugang zum nationalen Arbeitsmarkt beibehalten dürfen. 1 Danach genießen Arbeitsuchende aus den mittel- und osteuropäischen (MOE) Beitrittsstaaten auch nach dem Beitritt zur EU zunächst keinen freien Zugang zu den Arbeitsmärkten der alten EU-Mitgliedstaaten. Für die Mitgliedstaaten der Beitrittsrunde 2004 gilt dies bis 31. April 2011, für Bulgarien und Rumänien längstens bis 31. Dezember 2013. Solange benötigen Haushalts- und Pflegehilfen aus den MOE-Mitgliedstaaten für ihre Tätigkeit in Deutschland nach § 284 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung (SGB III) in Verbindung mit § 12a der Arbeitsgenehmigungsverordnung eine so genannte „Arbeitsgenehmigung- EU“, die in der Regel befristet erteilt wird. 2.1.2. Vermittlungsabsprachen Auf der Grundlage einer Verfahrensabsprache zwischen der Bundesagentur für Arbeit (BA) und den Arbeitsverwaltungen von Bulgarien, Polen Rumänien, der Slowakischen Republik, Slowenien , der Tschechischen Republik und Ungarn können ausländische Haushaltshilfen zur Ausübung einer versicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigung bis zu drei Jahren für hauswirtschaftliche Arbeiten und notwendige pflegerische Alltagshilfen in Haushalten mit Pflegebedürftigen zugelassen werden. Entgelt und Arbeitsbedingungen müssen dabei den tariflichen oder ortsüblichen Bedingungen entsprechen. Es können ausschließlich Haushaltshilfen von mindestens 18 Jahren vermittelt werden. Die Einzelheiten zu Voraussetzungen und Verfahren sind einem Merkblatt der BA zu entnehmen: BA - Zentrale Fachvermittlung (2010): Vermittlung von Haushaltshilfen in Haushalte mit Pflegebedürftigen nach Deutschland. Hinweise für Arbeitgeber. Merkblatt. Stand: August 2010. Abrufbar im internetauftritt der BA: http://www.arbeitsagentur.de/zentraler -Content/Veroeffentlichungen/Merkblatt-Sammlung/Merkblatt-zur-Vermittlungin -Haushalte-mit-Pflegebeduerftigen.pdf [Abruf: 11. Oktober 2010] sowie den Durchführungsvorschriften der BA: BA(2010): Durchführungsanweisungen zur zwischenstaatlichen Arbeitsvermittlung. Vermittlung von Haushaltshilfen in Haushalte mit Pflegebedürftigen. Stand: Mai 1 Zu den Übergangsbestimmungen in der EU-Beitrittsakte vgl. SASS (2003): Übergangsbestimmungen im EU-Beitrittsvertrag. Info-Brief 32/03 (8/2003) vom 30.06.2003. Deutscher Bundestag - Wissenschaftliche Dienste, sowie BMWA (2004): Informationen über die Anwendung des EU-Beitrittsvertrages bei der Beschäftigung von Staatsangehörigen der Beitrittsstaaten (Stand: 28.01.2004). In nationales Recht umgesetzt wurde die Regelung des Arbeitsmarktzugangs für die neuen Beitrittsstaaten durch Gesetz über den Arbeitsmarktzugang im Rahmen der EU-Erweiterung vom 23. April 2004. Durch Art. 6 des Gesetzes zur Anpassung von Rechtsvorschriften des Bundes infolge des Beitritts der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union vom 7. Dezember 2006 wurden die mit zum 1. Januar 2007 neu beitretenden Staaten, mit denen dieselben Übergangsregelungen vereinbart wurden, einbezogen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 – 3000-185/10 Seite 6 2010. Gz.: SP-III-32 - 5752.2. Abrufbar im internetauftritt der BA: http://www.arbeitsagentur .de/zentraler-Content/A01-Allgemein-Info/A015-Oeffentlichkeitsarbeit /Publikation/pdf/DA-Vermittlung-von-Haushaltshilfen.pdf [Abruf: 11. Oktober 2010] 2.2. Dienstleistungsfreiheit 2.2.1. Grundsatz Anders als die Arbeitnehmerfreizügigkeit ist die durch Art. 49 EGV garantierte Dienstleistungsfreiheit für die neuen MOE-Mitgliedstaaten nicht beschränkt. Die Erbringung von Dienstleistungen durch selbständige Einzelunternehmer und -unternehmerinnen ist daher grundsätzlich auch im Bereich der Haushalts- und Pflegehilfe möglich. 2.2.2. Scheinselbständigkeit Als besonderes Problem stellt sich dabei allerdings Gefahr der Umgehung der bestehenden Beschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit durch so genannte Scheinselbstständigkeit dar. Die Schwelle von der zulässigen selbstständigen Dienstleistung zur scheinselbstständigen Beschäftigung oder zur illegalen Arbeitnehmerüberlassung ist schnell überschritten, wenn die ausländischen Beschäftigten in den Betriebsablauf des inländischen Auftraggebers eingegliedert sind und dessen Arbeitsmaterial benutzen oder zeitlichen Beschränkungen und arbeitgebertypischen Weisungen des Auftraggebers unterliegen2. In diesen Fällen der Scheinselbstständigkeit liegt in Wahrheit ein arbeitsrechtliches Beschäftigungsverhältnis vor, das als Umgehung der arbeitsgenehmigungsrechtlichen Bestimmungen geahndet werden kann. Aufgrund der Abgrenzungskriterien , vor allem der Weisungsgebundenheit gegenüber dem jeweiligen Auftragsgeber und der zeitlichen Einbindung in den Haushalt ist bei einer Tätigkeit als Haushaltshilfe regelmäßig von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen. Das Oberlandesgericht Bamberg hat im November 2009 Presseberichten zufolge ein Urteil des Amtsgerichts München vom 10. November 2008 (Az. 115 OWI 298 JS 43552/07) in einem Ordnungswidrigkeitsverfahren bestätigt, in dem festgestellt wird, dass es sich bei der Vermittlung 2 Einen Überblick über die von der Rechtsprechung der Fachgerichte ausgearbeiteten Kriterien der Abgrenzung zwischen Selbstständigkeit und abhängiger Beschäftigung bietet die IHK Rhein-Neckar in ihrem Internetauftritt: http://www.rhein-neckar.ihk24.de/recht/arbeitsrecht/Sozialrecht/462410/scheinselbstaendigkeit.html#2 [Abruf: 7. Oktober 2010]. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 – 3000-185/10 Seite 7 ungarischer Pflegekräfte und Haushaltshilfen durch einen Rechtsanwalt um die illegale Arbeitsvermittlung von Ausländern ohne entsprechende Genehmigungen handelte3. 2.3. Arbeitnehmerentsendung Für die Erbringung von Dienstleistungen der Haushalts- und Pflegehilfe kommt auch der Einsatz ausländischer Mitarbeiter eines im Ausland ansässigen Unternehmers in Betracht, der auf diese Weise von seiner Dienstleistungsfreiheit Gebrauch machen kann. Es handelt sich dabei um einen Fall der so genannten Arbeitnehmerentsendung. Eine Entsendung ist auch dann gegeben, wenn ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin im Ausland eigens für einen Arbeitseinsatz in Deutschland eingestellt wird. Das Beschäftigungsverhältnis der eingesetzten Haushaltshilfe besteht in diesem Fall mit dem ausländischen Arbeitgeber; auch die Sozialversicherung erfolgt im Ausland nach den dortigen Vorschriften . Eine Arbeitsgenehmigung in Deutschland benötigen die Arbeitnehmer nicht. Das Gesetz über zwingende Arbeitsbedingungen bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen (Arbeitnehmer -Entsendegesetz -AEntG) schreibt jedoch ausländischen Unternehmen, die in Deutschland Dienstleistungen erbringen wollen, die Einhaltung deutscher arbeits- und sozialversicherungsrechtlicher Mindeststandards vor. 3. Weiterführende Quellen Ausführlichere Informationen zu dem Thema enthält eine Veröffentlichung der Verbraucherzentrale Hessen: Verbraucherzentrale Hessen (Hrsg.) (2009): Hilfe rund um die Uhr - (l)egal durch wen? Abrufbar im Internetauftritt der Verbraucherzentrale Hessen: http://www.verbraucher .de/download/Hilfe_rund_um_die_Uhr.pdf [Abruf: 7. Oktober 2010] Einen guten Überblick über die Rechtslage bei der Beschäftigung von Haushalts- und Pflegehilfen aus Osteuropa bietet auch: HUSMANN, Manfred (2010): Rechtliche Rahmenbedingungen bei grenzüberschreitender Haushalts- und Pflegearbeit. In: SCHEIWE, Kirsten; KRAWIETZ, Johanna Hrsg.): Transnationale Sorgearbeit. Rechtliche Rahmenbedingungen und gesellschaftliche Praxis. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 29-56. Abrufbar über Springerlink: http://www.springerlink.com/content/t245hr62l1433552/fulltext.pdf [Abruf: 11. Oktober 2010] 3 Nicht legal, aber notwendig. häusliche Pflege beschäftigt Oberlandesgericht. Süddeutsche Zeitung vom 17. November 2009. Abrufbar im Pressearchiv des Deutschen Bundestages: http://prarchiv.bundestag.btg/Press- Dok/docview.html;sessionid=1F74BAD23BC43F61E9CEA1CA?&mode=pressarchive&doclist=DBT%3APressArchive ResultServlet%3Aresult_doclist&n=2&pdf=1&selected=false. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 – 3000-185/10 Seite 8