© 2014 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 170/14 Einzelfragen zu Sonntagsarbeit und Sonntagsschutz Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 170/14 Seite 2 Einzelfragen zu Sonntagsarbeit und Sonntagsschutz Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 170/14 Abschluss der Arbeit: 2. September 2014 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 170/14 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Bundesgesetzliche Regelung der Sonntagsarbeit 4 2. Zuständigkeit der Länder 5 2.1. Feiertagsregelungen 5 2.2. Ladenöffnungsgesetze 6 2.3. Ausführung des ArbZG 8 3. Forderungen der “Allianz für den freien Sonntag“ 9 3.1. „Ausnahmen für Sonntagsarbeit bundeseinheitlich regeln!“ (Nr. 1) 9 3.2. „Regeln für Sonntagsarbeit konsequent umsetzen!“ (Nr. 2) 10 3.3. „Sonntagsschutzbericht einführen!“ (Nr. 3) 12 4. Stand des Sonntagsschutzes zwischen Bundes- und Länderkompetenz 12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 170/14 Seite 4 1. Bundesgesetzliche Regelung der Sonntagsarbeit Maßgebliche gesetzliche Grundlage ist das Arbeitszeitgesetz (ArbZG), welches in § 1 Nr. 2 als einen seiner Gesetzeszwecke aufführt, „den Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung der Arbeitnehmer zu schützen.“ In § 9 ArbZG hat der Gesetzgeber festgelegt, dass Arbeit an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen in der Zeit von 00.00 bis 24.00 Uhr „grundsätzlich“ verboten ist. Das prinzipielle Verbot ist eine einfach-gesetzliche Ausprägung des in Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 Weimarer Reichsverfassung (WRV) enthaltenen verfassungsrechtlichen Grundsatzes des Sonntagsschutzes.1 Allerdings impliziert der Ausdruck „grundsätzlich“ bereits, dass es Ausnahmen gibt: – Der Zeitraum von 0.00 Uhr bis 24.00 Uhr kann unter bestimmten Voraussetzungen geändert werden. So kann in Betrieben, in denen mehrschichtig gearbeitet wird, der Zeitraum um bis zu 6 Stunden vor- oder nachverlegt werden, wenn der Betrieb für die auf den Beginn der Ruhezeit folgenden 24 Stunden ruht (§ 9 Abs. 2 ArbZG). In einem solchen Betrieb wäre zum Beispiel auch eine Sonntagsruhe von Samstag, 18.00 Uhr, bis Sonntag, 18.00 Uhr, möglich, um die Produktion für den Wochenbeginn rechtzeitig wieder aufnehmen zu können.2 – § 9 Abs. 3 ArbZG trifft eine Sonderregelung für Kraftfahrer und Beifahrer. Danach kann der Beginn des 24-Stunden-Zeitraums um bis zu 2 Stunden vorverlegt werden. So könnte die Sonntagsruhe für einen Kraftfahrer von Samstag, 22.00 Uhr, bis Sonntag, 22.00 Uhr, andauern. – Für eine ganze Reihe von weiteren Branchen gibt es Ausnahmevorschriften von dem Verbot der Sonntagsarbeit. Geregelt sind diese in§ 10 Abs. 1 ArbZG. Betroffen sind zum Beispiel Rettungsdienste, Arbeitnehmer in Gaststätten, auf Messen, in Verkehrsbetrieben und im Bewachungsgewerbe. Voraussetzung ist jeweils, dass die Arbeiten nicht an einem Werktag erledigt werden können. Eine Ausnahme vom Verbot der Sonntagsarbeit gilt auch, wenn eine sonntägliche Unterbrechung der Produktion zu bestimmten Mehrausgaben führen würde (§ 10 Abs. 2 ArbZG). – Beschäftigte in Bäckereien dürfen sonn- und feiertags bis zu 3 Stunden arbeiten. (§ 10 Abs. 3 ArbZG) – Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Aufsichtsbehörde (Gewerbeaufsichtsamt bzw. Amt für Arbeitsschutz) weitere Ausnahmen zulassen. Das ist z. B. möglich, wenn ohne die Sonn- oder Feiertagsarbeit Arbeitsplätze verloren gehen würden. Auch kann die Aufsichtsbehörde gebeten werden, festzustellen, ob ein Ausnahmetatbestand erfüllt ist. 1 PREIS/ULBER, Direktionsrecht und Sonntagsarbeit, NZA 2010, S. 729 (731); BAG NZA 2009, 1333 = NJW 2010, S. 394, Rn. 35. 2 Nach KLAGES, Wann ist Sonntagsarbeit erlaubt?, in: http://www.experto.de/b2b/recht/arbeitsrecht/arbeitgeber/arbeitszeit0/wann-ist-sonntagsarbeit-erlaubt.html, abgerufen am 19. August 2014. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 170/14 Seite 5 Zu beachten ist immer, dass jedem Arbeitnehmer mindestens 15 freie Sonntage pro Jahr verbleiben müssen und dass ihm für Sonntagsarbeit ein Ersatzruhetag zusteht (§ 11 Abs. 1 bzw. Abs. 3 ArbZG). Von diesen Vorschriften kann unter bestimmten Umständen durch Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung abgewichen werden (§ 12 ArbZG). Auch das Gewerberecht regelt in § 55e der Gewerbeordnung (GewO) ein sonn- und feiertägliches Verbot bestimmter Tätigkeiten sowie Ausnahmen davon. 2. Zuständigkeit der Länder Daneben besteht eine Zuständigkeit der Länder vor allem in zweierlei Hinsicht: Zum einen über die Feiertagsregelungen, zum anderen über die Ladenschluss- bzw. -öffnungsgesetze. Außerdem sind die Länder für die Ausführung des ArbZG zuständig. 2.1. Feiertagsregelungen Die Feiertagsgesetzgebung fällt grundsätzlich in die Kompetenz der Bundesländer. Lediglich der Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober wurde ausnahmsweise bundeseinheitlich im Rahmen eines Staatsvertrags festgelegt. Alle anderen Tage wurden von den Ländern bestimmt, wobei es acht weitere Feiertage gibt, die in allen 16 Ländern gelten.3 Neben diesen neun bundeseinheitlichen Feiertagen haben elf Länder weitere Feiertage festgelegt.4 Der Feiertagsschutz nach ArbZG und GewO gilt folglich, soweit der betreffende Tag nach Landesrecht ein Feiertag ist. Durch Art.139 WRV hat die Verfassung den Sonntag absolut garantiert, während der gesetzliche Schutz für Feiertage davon abhängt, dass sie staatlich anerkannt sind.5 Demzufolge kann der Gesetzgeber auch einzelne Feiertage abschaffen, wie dies z.B. 1995 in allen Bundesländern außer Sachsen mit dem Buß- und Bettag geschehen ist.6 In ihren Feiertagsgesetzen treffen die Bundesländer auch Regelungen, wonach an Sonn- und Feiertagen öffentlich bemerkbare und störende Arbeiten zu unterlassen sind, vor allem während der Zeit des Hauptgottesdienstes (z.B. Art. 3 f. des Nordrhein-Westfälischen Feiertagsgesetzes - FTG 3 Nicht eingerechnet sind Feiertage, die immer auf einen Sonntag fallen, wie der Ostersonntag. 4 Eine Übersicht findet sich im Internetauftritt des Bundesministeriums des Innern (BMI) unter: http://www.bmi.bund.de/cae/servlet/contentblob/437124/publicationFile/20210/feiertage.pdf, abgerufen am 19. August 2014). 5 STOLLMANN, Staatlich anerkannte Feiertage – einfachgesetzlicher Spielball? Oder änderungsfestes Rechtsinstitut ?, DÖV 2004, S. 471 (473). 6 Zu den Voraussetzungen hierfür näher STOLLMANN (Fn. 5) S. 473 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 170/14 Seite 6 NW, Art. 2 BayFTG). Diese gelten neben den Vorschriften des ArbZG und haben tendenziell eine andere Zwecksetzung: Während das ArbZG die Arbeitnehmer vor Arbeitsbelastung schützen will, bezwecken die Feiertagsgesetze in erster Linie die Vermeidung einer Störung der Ruhe der Allgemeinheit durch nicht mit dem Charakter des Sonn- oder Feiertags vereinbare Tätigkeiten. 2.2. Ladenöffnungsgesetze Seit der Föderalismusreform 2006 haben die Länder die Zuständigkeit für den Ladenschluss, und damit auch für die Frage, inwieweit Läden an Sonn- und Feiertagen öffnen dürfen und damit ihre Beschäftigten arbeiten müssen. Strittig ist allerdings, inwieweit die arbeitsrechtlichen Regelungen des Ladenschlussgesetzes des Bundes (vor allem § 17, welcher die Arbeitszeiten der Beschäftigten regelt) von den Ländergesetzen abgelöst werden können.7 Inzwischen haben alle Bundesländer bis auf den Freistaat Bayern die Ladenöffnungszeiten durch Landesgesetz geregelt. Die bisher erlassenen Ladenschluss- oder -öffnungsgesetze der anderen Bundesländer halten in den Grundzügen am Regelungskonzept des Ladenschlussgesetzes des Bundes fest, dass an Sonn- und Feiertagen keine Ladenöffnung erfolgt. Nach dem Bundesrecht konnten jährlich höchstens vier Sonn- und Feiertage verkaufsoffen sein, nicht im Dezember. Sonderregelungen bestanden hinsichtlich bestimmter Waren für Kur- und Erholungsorte. Dagegen wurden verbindliche abendliche Ladenschlusszeiten an Werktagen in vielen Bundesländern weitestgehend liberalisiert. Was den Sonntag angeht, so haben die Bundesländer, auch unter dem Eindruck der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung, im Grundsatz am Regel- Ausnahme-Verhältnis zwischen verkaufsfreien und verkaufsoffenen Sonntagen festgehalten. Für bestimmte Verkaufsstellen sowie für bestimmte Waren und bestimmte Orte, etwa an Bahnhöfen, gibt es zahlreiche, zum Teil über die Regelung des Ladenschlussgesetzes des Bundes hinausgehende Ausnahmen. Insbesondere ermöglichen die Regelungen für Kur- und Ausflugsorte in einigen Landesgesetzen eine weitergehende Ladenöffnung. Im Einzelnen gelten folgende Regelungen: – Baden-Württemberg: drei verkaufsoffene Sonn- bzw. Feiertage im Jahr; hiervon ausgenommen sind die Adventssonntage, der Oster- und Pfingstsonntag und die Weihnachtsfeiertage . – Bayern: Die Bundesregelungen vom 13. März 2003 gelten weiterhin (nach Art. 125 GG). – Berlin: Der Berliner Senat kann acht verkaufsoffene Sonntage pro Jahr per Allgemeinverfügung festsetzen. Darunter sind jedoch maximal zwei Adventssonntage. Zwei weitere 7 KORTSTOCK, in: Nipperdey Lexikon Arbeitsrecht, 22. Edition 2014, „Ladenschluss“. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 170/14 Seite 7 Sonntage können die Unternehmer zu einem bestimmten Anlass (Straßenfest, Jubiläum oder ähnliches) selbst festlegen.8 – Brandenburg: Die Anzahl der verkaufsoffenen Sonntage liegt bei sechs pro Jahr, die in der Zeit von 13 bis 20 Uhr stattfinden dürfen, jedoch nicht am Karfreitag, Ostersonntag, Pfingstsonntag, Volkstrauertag, Totensonntag und Feiertagen im Dezember. – Bremen: Maximal vier verkaufsoffene Sonntage im Jahr; Läden dürfen an diesen Tagen bis zu fünf Stunden geöffnet haben, jedoch nicht an Karfreitag, Ostersonntag, Pfingstsonntag, Volkstrauertag, Totensonntag und Feiertagen im Dezember. – Hamburg: Die Regelungen für Sonntagsöffnung bleiben bei vier Sonntagen, diese dürfen jedoch nicht mehr an Adventssonntagen, Feiertagen oder stillen Tagen stattfinden. – Hessen: Die Kommunen dürfen pro Jahr vier Sonntage festlegen, an denen die Geschäfte unter Berücksichtigung der Hauptgottesdienstzeiten bis zu sechs Stunden öffnen dürfen, wobei bestimmte Sonntage wiederum ausgeschlossen sind. – Mecklenburg-Vorpommern: Vier verkaufsoffene Sonntage im Jahr. Für bestimmte touristisch geprägte Orte bestehen großzügigere Regelungen von bis zu zwanzig (in Wismar und Stralsund) verkaufsoffenen Sonntagen im Jahr. – Niedersachsen: Die Regelungen für Sonn- und Feiertage blieben gegenüber der Bundesregelung unverändert, jedoch sind die Ausnahmen für touristisch besonders bedeutsame Orte ausgeweitet. – Nordrhein-Westfalen: Maximal elf verkaufsoffene Sonntage sind pro Gemeinde möglich, wobei bestimmte Tage wiederum ausgenommen sind. Wenn im gesamten Stadtgebiet geöffnet wird, ist nur ein verkaufsoffener Adventssonntag erlaubt. Wenn in jeweils unterschiedlichen Stadtbezirken geöffnet wird, erlaubt das Gesetz maximal zwei verkaufsoffene Adventssonntage. – Rheinland-Pfalz: An maximal vier Sonntagen pro Jahr und Gemeinde kann die örtlich zuständige Kommune allgemein durch Rechtsverordnung festlegen, dass Verkaufsstellen bis zur Dauer von fünf Stunden (nicht zwischen 6 und 11 Uhr) geöffnet sein dürfen. Für Ostersonntag , Pfingstsonntag, Volkstrauertag, Totensonntag, an den Adventssonntagen im Dezember und an Sonntagen, auf die ein Feiertag fällt, darf die Öffnung nicht zugelassen werden. – Saarland: Es sind vier verkaufsoffene Sonntage erlaubt, jedoch nicht an Neujahr, Ostersonntag , Pfingstsonntag, Totensonntag und Volkstrauertag. Liegt der 1. Advent im Dezember , ist zu diesem Termin ein verkaufsoffener Sonntag erlaubt. 8 Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin, abzurufen unter http://www.ihkberlin .de/servicemarken/branchen/handel/Ladenoeffnungszeiten/, abgerufen am 19. August 2014. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 170/14 Seite 8 – Sachsen: Es sind vier verkaufsoffene Sonntage mit Öffnungszeiten von 12 bis 18 Uhr möglich . – Sachsen-Anhalt: Die Regelungen für Sonn- und Feiertage entsprechen der bisherigen Bundesregelung. – Schleswig-Holstein: Die Regelungen für Sonn- und Feiertage entsprechen mit vier verkaufsoffenen Sonntagen pro Jahr weitgehend dem bisherigen Bundesrecht. Eine Besonderheit ist die Möglichkeit einer Befreiung vom Verkaufsverbot an Sonn- und Feiertagen für Kur-, Erholungs- und Tourismusorte in der Zeit vom 15. Dezember bis zum 31. Oktober . In den meisten Tourismusorten des Landes, z.B. in Ostholstein, hat die Bäderregelung dazu geführt, dass viele Geschäfte für den Verkauf von Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs den größten Teil des Jahres am Sonntag und auch an vielen Feiertagen eingeschränkt geöffnet haben. – Thüringen: Die Regelungen für Sonn- und Feiertage entsprechen weitgehend dem bisherigen Bundesrecht. 2.3. Ausführung des ArbZG Außerdem sind die Länder für die Ausführung des Arbeitszeitgesetzes zuständig (§ 17 ArbzG). Dabei kommt den Behörden ein Ermessen zu, das in verschiedenen Bundesländern unterschiedlich gehandhabt werden kann. Insbesondere kann die Aufsichtsbehörde nach § 13 Abs. 3 ArbZG – feststellen, ob eine Beschäftigung nach § 10 zulässig ist (zwecks Klärung von Auslegungszweifeln ), – unter bestimmten Voraussetzungen abweichend vom Sonntagsarbeitsverbot bewilligen, Arbeitnehmer zu beschäftigen, so u.a. im Handelsgewerbe an bis zu zehn Sonn- und Feiertagen im Jahr, an denen besondere Verhältnisse einen erweiterten Geschäftsverkehr erforderlich machen oder an einem Sonntag im Jahr zur Durchführung einer gesetzlich vorgeschriebenen Inventur, – Anordnungen über die Beschäftigungszeit unter Berücksichtigung der für den öffentlichen Gottesdienst bestimmten Zeit treffen. Ferner „soll“ die Aufsichtsbehörde bewilligen (§ 13 Abs. 4 ArbZG), dass Arbeitnehmer an Sonnund Feiertagen mit Arbeiten beschäftigt werden, die aus chemischen, biologischen, technischen oder physikalischen Gründen einen ununterbrochenen Fortgang auch an Sonn- und Feiertagen erfordern. Sie hat zum anderen sogar abweichend von § 9 die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonnund Feiertagen zu bewilligen, wenn - bei einer weitgehenden Ausnutzung der gesetzlich zulässigen wöchentlichen Betriebszeiten und bei längeren Betriebszeiten im Ausland - die Konkurrenz- Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 170/14 Seite 9 fähigkeit unzumutbar beeinträchtigt ist und durch die Genehmigung von Sonn- und Feiertagsarbeit die Beschäftigung gesichert werden kann (§ 13 Abs. 5 ArbZG). Außerdem können die Landesregierungen eigene Ausnahmeregelungen zum ArbZG erlassen (§§ 13 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 2 lit. a ArbZG), wenn die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonnoder Feiertagen zur Befriedigung täglicher oder an diesen Tagen besonders hervortretender Bedürfnisse der Bevölkerung zwecks Vermeidung „erheblicher Schäden“ erforderlich ist und der Bund von seiner Verordnungsermächtigung keinen Gebrauch gemacht hat. Dies ist allerdings restriktiv zu handhaben. So hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof entschieden,9 dass die Ausnahmen nicht weit über den bundesgesetzlichen Rahmen hinausgehen dürfen, und das Merkmal der Vermeidung erheblicher Schäden betont. 3. Forderungen der “Allianz für den freien Sonntag“ Die „Allianz für den freien Sonntag“ ist ein Zusammenschluss vorwiegend kirchlicher und gewerkschaftlicher Organisationen mit dem Ziel, den Sonntag als gesamtgesellschaftlichen arbeitsfreien Tag zu erhalten.10 Zu diesem Zweck hat sie im Februar 2014 mehrere konkrete Forderungen an die Politik aufgestellt.11 Zu den einzelnen Forderungen ist einleitend anzumerken, dass die Beurteilung von deren Sinnhaftigkeit eine politische Frage ist. Die Wissenschaftlichen Dienste können hierzu nur Hinweise in rechtlicher Hinsicht erteilen. 3.1. „Ausnahmen für Sonntagsarbeit bundeseinheitlich regeln!“ (Nr. 1) Die Forderung nach einer näheren Bestimmung der zugelassenen Ausnahmen vom Sonntagsarbeitsverbot nach §§ 10 Abs. 1, 13 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG wäre durch Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates grundsätzlich möglich. Voraussetzung dafür wäre, dass dies zur Vermeidung erheblicher Schäden erforderlich ist, wobei Belange des Arbeitnehmerschutzes und der Sonntagsruhe „zu berücksichtigen“ sind. 9 Urteil vom 12. September 2013, Az: 8 C 1776/12.N. 10 Vgl. Selbstbeschreibung auf http://www.allianz-fuer-den-freiensonntag .de/index.php?option=com_content&view=article&id=54&Itemid=56, abgerufen am 1. September 2014: „Seit Jahren vollzieht sich eine schleichende Aushöhlung des Sonn- und Feiertagsschutzes. Immer mehr Wirtschaftsbereiche werden für die Arbeit an diesen Tagen vereinnahmt. Dieser Entwicklung zur „Rund-um-die- Uhr-Gesellschaft“ stellen wir uns entgegen. Wir fördern den freien Sonntag als gemeinsamen Zeitanker für die Menschen.“ 11 Abrufbar unter http://www.allianz-fuer-den-freien-sonntag.de/forderungen-sonntagsallianzbund _25.02.2014.pdf,, abgerufen am 1. September 2014. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 170/14 Seite 10 Allerdings kann nach einer in der Rechtsliteratur vertretenen Ansicht eine solche Verordnung die Ausnahmetatbestände des § 10 ArbZG nur präzisieren, nicht aber einschränken.12 Auf Landesebene haben die einzelnen Bundesländer so genannte Bedarfsgewerbeverordnungen erlassen, die in politischer und rechtlicher Hinsicht umstritten sind.13 Einer bundeseinheitlichen Regelung gemäß § 13 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 2a ArbZG, wie sie von der Allianz gefordert wird, steht rechtlich nichts entgegen, da im Grundsatz ohnehin der Bund zuständig ist und die Länderregelungen nur insoweit gelten, als der Bund (noch) keine Regelung getroffen hat. Problematisch ist die Forderung nach einheitlichen Standards für Sonntagsöffnungen, da die Frage des Ladenschlusses im Zuge der Föderalismusreform 2006 bewusst den Ländern übertragen worden ist. Neben einer erneuten Grundgesetzänderung kämen daher ein Länderstaatsvertrag , dem alle Bundesländer zustimmen müssten, oder zumindest eine freiwillige Absprache der Länder in Betracht. 3.2. „Regeln für Sonntagsarbeit konsequent umsetzen!“ (Nr. 2) Der Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI) hat Kriterien für Ausnahmen von der sonntäglichen Arbeitsruhe aufgestellt, welche der „Allianz für den freien Sonntag“ jedoch zu allgemein gefasst sind. „Bei dem Kriterienkatalog des LASI handelt es sich um eine Darstellung der Grundzüge des Verfahrens, welcher als Hilfestellung für die Bediensteten der Arbeitsschutzverwaltungen und zur Gewährleistung einer möglichst bundesweit einheitlichen Rechtsanwendung dient. Er enthält keine dezidierten Regelungen für die Abarbeitung konkreter Einzelfälle.“14 Damit entspricht das von der „Allianz für den freien Sonntag“ bemängelte Fehlen enger und konkreter Umsetzungsvorgaben aber der derzeitigen - freilich veränderbaren - Zwecksetzung des LASI. Als Gremium der Bundesländer ist der LASI der Arbeits- und Sozialministerkonferenz (ASMK) zugeordnet; die Einflussmöglichkeiten des Bundes auf den LASI sind begrenzt . Dass Rechtsvorschriften unbestimmte Rechtsbegriffe enthalten, die der Auslegung bedürfen, ist kaum vermeidlich. Allerdings ist der in § 2 Abs. 2 des Bundes-Ladenschlussgesetzes genannte Begriff des „Reisebedarfs“ mittels abschließender Aufzählung definiert. Gleichwohl kann durchaus geprüft werden, inwieweit bei einzelnen gesetzlichen Regelungen eine Konkretisierung sinnvoll ist. Eine derartige „Feinsteuerung“ könnte auch mittels Verwaltungsvorschrift durch die Bundesregierung, allerdings mit Zustimmung des Bundesrates, erfolgen (Art. 84 Abs. 2 GG). 12 Baeck/Deutsch ArbZG § 13 Rn. 13 mit Hinweis auf die unterlegene Stellung einer Rechtsverordnung in der Normhierarchie gegenüber einem Parlamentsgesetz wie dem ArbZG durchaus überzeugend, andere Ansicht aber Schliemann, § 13 Rn. 11; Buschmann/Ulber § 13 Rn. 3. 13 RICHARDI/ANNUß, Bedarfsgewerbeverordnungen: Sonn- und Feiertagsarbeit ohne Grenzen?, NZA 1999, S. 953 sehen etwa die noch heute gültige Verordnung des Landes Nordrhein-Westfalen als rechtswidrig und nichtig an. 14 Bundestagsdrucksache 17/14469, S. 4. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 170/14 Seite 11 Die Forderung der „Allianz für den freien Sonntag“, die Rechtsaufsicht in allen Bereichen Behörden zu übertragen, die kein eigenes wirtschaftliches Interesse an Ausnahmen vom Sonntagsschutz haben, ist grundsätzlich an die Länder zu adressieren, da der Ladenschluss nach dem Grundgesetz in die Zuständigkeit der Bundesländer fällt. Auch die Ausführung des ArbZG als Bundesgesetz obliegt nach der Kompetenzordnung der Verfassung grundsätzlich den Ländern. Die Ausführung von Bundesgesetzen erfolgt als eigene Angelegenheit (Art. 83, 84 Abs. 1 Satz 1 GG), da kein ausdrücklicher Fall der Auftragsverwaltung, der bundeseigenen Verwaltung oder der Mischverwaltung gegeben ist. Den Ländern soll – grundsätzlich unbegrenzt – die Bestimmungsgewalt über ihren Behördenaufbau und ihr Verwaltungsverfahren auch dann zustehen, wenn sie Bundesgesetze als eigene Angelegenheit ausführen. Damit bleibt die Organisationsgewalt ohne Rücksicht auf die Herkunft der zu vollziehenden Rechtsnormen vollständig bei den Ländern.15 Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz, dass jeder Gliedkörperschaft die Gewalt über ihre eigene Organisation zusteht.16 Die Kommunen gehören als mittelbare Landesverwaltung zu den Ländern. Indem Art. 84 Abs. 1 Satz 1 GG die Einrichtung der Behörden den Ländern zuweist, überlässt sie ihnen die Entscheidung, wer im Land die Bundesgesetze vollzieht.17 Zwar kann der Bund etwas anderes bestimmen, aber die Länder können davon abweichende Regelungen treffen (Art. 84 Abs. 1 Satz 2 GG). Hinzu kommt, dass Art. 84 Abs. 1 Satz 7 GG es dem Bund generell verbietet, den Gemeinden und Gemeindeverbänden Aufgaben zu übertragen. Wenn der Bund regeln würde, dass gewisse Aufgaben nicht von den Gemeinden geregelt werden dürfen, stellt dies zwar im engen Wortlautsinne keine unzulässige Aufgabenübertragung dar.18 Da der Aufgabenentzug gegenüber den Gemeinden aber regelmäßig bedeutet, dass diese Aufgabe dann von den Kreisen und Bezirken als Gemeindeverbänden zu erledigen ist, könnte eine unzulässige faktische Aufgabenübertragung angenommen werden. Auch sind die Kommunen staatsorganisatorisch Teil der Länder; Aufgabenzuweisungen oder Entziehungen an die Gemeinden und Gemeindeverbände durch den Bund bedeuten daher einen gravierenden Eingriff in die organisatorische Eigenständigkeit der Länder.19 Soweit ersichtlich ist es bisher jedoch nicht der Fall, dass Gemeinden mit eigenem wirtschaftlichen Interesse an einer liberalen Handhabung für die Ausführung des ArbZG zuständig sind. In Berlin ist etwa das Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit zuständig, in Bayern sind es die Gewerbeaufsichtsämter bei den Bezirksregierungen. 15 F. KIRCHHOF, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 84 Rn. 39. 16 F. KIRCHHOF, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 84 Rn. 40. 17 F. KIRCHHOF, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 84 Rn. 52. 18 Dementsprechend sieht ENGELKEN, Kommunen und bundesrechtliche Aufgaben nach der Föderalismusreform I, VBlBW 2008, S. 457 (460 ff.) einen Aufgabenentzug als zulässig an. 19 SUERBAUM, in: Beck Online-Kommentar GG, Art. 84 Rn. 27. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 170/14 Seite 12 3.3. „Sonntagsschutzbericht einführen!“ (Nr. 3) Der amtliche Mikrozensus informiert über die Verbreitung von Sonntagsarbeit, differenziert nach der Berufsstellung (Selbstständige, Beamte, Angestellte usw.).20 Eine Differenzierung nach Tätigkeitsfeldern fehlt. In den Arbeitsschutzverwaltungen der Länder erfolgt auch keine gesonderte statistische Erfassung aller Bewilligungen nach den Ausnahmetatbeständen des Arbeitszeitgesetzes – insbesondere auch nicht differenziert nach Branchen.21 Für Bayern etwa gibt es Daten differenziert nach Tätigkeitsbereichen, die zumindest teilweise auf das dortige Staatsministerium für Arbeit und Soziales zurückzuführen sind.22 Folglich wäre der geforderte Sonntagsschutzbericht mit den bisher gesammelten Daten nicht zu erstellen. Das Statistische Bundesamt müsste eigene Erhebungen anstellen, oder man müsste die Länder zur Erhebung entsprechender Daten verpflichten. Unabhängig von verfassungsrechtlichen Fragestellungen in diesem Zusammenhang steht hier die Mittel-Zweck-Relation in Frage. So erklärte einem Pressebericht zufolge Thorben Albrecht (SPD), Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), einen Sonntagsschutzbericht nicht für erforderlich; der Aufwand dafür sei viel höher als ein möglicher Erkenntnisgewinn. Zur Begründung verwies er darauf , dass nach den Daten des Statistischen Bundesamtes rund drei Viertel aller abhängig Beschäftigten in Deutschland nie an Sonn- und Feiertagen arbeiteten, weswegen Sonntagsarbeit weiterhin als Ausnahme anzusehen sei.23 Die Befürworter eines solchen Berichts bezweifeln dies und machen geltend, dass nur ein umfassender Bericht eine genaue Analyse der Entwicklung und Verbreitung von Sonntagsarbeit geben könne, so dass er Aufschlüsse darüber zu geben geeignet sei, inwieweit die gesetzlichen Regelungen missbräuchlich genutzt würden und ob Handlungsbedarf bestehe. 4. Stand des Sonntagsschutzes zwischen Bundes- und Länderkompetenz Dass Länder Bundesgesetze ausführen und dass es dabei im Rahmen bestehender Ermessensspielräume zu unterschiedlichen Handhabungen kommt, ist in der föderalen Konzeption des Grundgesetzes angelegt. Auch die unterschiedliche Handhabung der Ladenöffnungszeiten entspricht der Zuweisung dieser Materie an den Landesgesetzgeber. Bei der Ausübung ihrer Zuständigkeit haben die Länder freilich die Vorgaben des Grundgesetzes zu beachten (Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 136 WRV): „Der Sonntag und die staatlich aner- 20 Mikrozensus 2012 des Statistischen Bundesamtes z.B. in Deutscher Bundestag, Ds. 18/247, S. 42. 21 Bundestagsdrucksache 17/14469, S. 2. 22 Allianz für den freien Sonntag, Sonntagskontrakt für Bayern, S. 7 (siehe S. 4: „Daten für 2010: Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration, eigene Berechnungen“). 23 http://www.faz.net/aktuell/beruf-chance/arbeitswelt/24-stunden-gesellschaft-mehr-menschen-arbeiten-an-sonnund -feiertagen-12929685.html, abgerufen am 20. August 2014. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 6 - 3000 - 170/14 Seite 13 kannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt ." In einer aufsehenerregenden Entscheidung24 hat das Bundesverfassungsgericht diesen Schutz bekräftigt, indem es die damalige Berliner Regelung (§ 3 Abs. 1 BerlLadÖffG), wonach Läden an allen vier Adventssonntagen öffnen durften, als mit der grundgesetzlichen Sonntagsruhe unvereinbar verwarf. Auch die Landesverfassungen sehen in der Regel den Schutz der Sonnund Feiertage vor. Ein Mindestmaß an Schutz ist folglich gegeben. Freilich werden die Verfassungsgerichte in der Regel nur auf Beschwerde bzw. Klage hin tätig. Zu den Sonntagsregelungen des ArbZG gibt es daher, soweit ersichtlich, keine bundesverfassungsgerichtliche Entscheidung. Nach einer in der Rechtsliteratur vertretenen Ansicht müssen diese zumindest verfassungskonform ausgelegt werden ,25 was eine Präzisierung nahelegen könnte. Ob man diesen Schutz für ausreichend erachtet, ist aber vor allem eine politische Frage. Die schwarz-gelbe Koalition 2009 bis 2013 sah keinen Regelungsbedarf von Seiten des Bundesgesetzgebers :„Nach Einschätzung der Bundesregierung gehen die Länder mit der Thematik „Sonn- und Feiertagsbeschäftigung“ verantwortungsvoll um. Die Bundesregierung begrüßt die Maßnahmen der Länder zur Festigung des verfassungsrechtlichen Sonn- und Feiertagsschutzes bei der Durchführung des Arbeitszeitgesetzes und sieht derzeit keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf.“26 Die oben zitierte Äußerung des Staatssekretärs im BMAS deutet darauf hin, dass die gegenwärtige Bundesregierung dies ähnlich sieht. Eine Stärkung des Sonntagsschutzes könnte im Bereich des ArbZG durch den Bundesgesetzgeber (bzw. im Rahmen von Verwaltungsvorschriften/Rechtsverordnungen durch die Bundesregierung, ggf. mit Zustimmung des Bundesrates) erfolgen. Wollte man den Sonntagsschutz dagegen im Bereich des Ladenschlusses über das durch das Bundesverfassungsgericht geschützte Mindestmaß hinaus erweitern, wäre wohl eine Grundgesetzänderung erforderlich, welche auf eine teilweise Revidierung der Föderalismusreform von 2006 hinausliefe. 24 Urteil vom 1. Dezember 2009 , Az. 1 BvR 2857, 2858/07, BVerfGE 125, 39 = NVwZ 2010, S. 570. 25 RICHARDI/ANNUß, Bedarfsgewerbeverordnungen: Sonn- und Feiertagsarbeit ohne Grenzen?, NZA 1999, S. 953 (955). 26 Bundestagsdrucksache 17/14469, S. 5).