Die Scheinselbständigkeit im Sozialversicherungsrecht - Ausarbeitung - © 2007 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000-166/07 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Die Scheinselbständigkeit im Sozialversicherungsrecht Ausarbeitung WD 6 - 3000-166/07 Abschluss der Arbeit: 20.09.2007 Fachbereich WD 6: Arbeit und Soziales Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. Inhalt 1. Der Beschäftigtenbegriff in der Sozialversicherung 3 1.1. Arbeitsrechtlicher Arbeitnehmerbegriff und sozialversicherungsrechtlicher Beschäftigtenbegriff 3 1.2. Abhängige Beschäftigung und Selbständigkeit 4 1.3. Arbeitnehmerähnliche Selbständige in der gesetzlichen Rentenversicherung 4 1.4. „Neue Selbständigkeit“ und Scheinselbständigkeit 5 1.5. Rechtsfolgen der Scheinselbständigkeit 6 2. Entwicklung der Gesetzgebung zur Scheinselbständigkeit 6 2.1. Rechtliche Grundlagen der Statusfeststellung 6 2.2. Anfrageverfahren 7 3. Besonders problematische Berufsgruppen 8 3.1. Freie Mitarbeiter im Medien- und Kunstbereich 8 3.2. Handelsvertreter 8 3.3. Organmitglieder von Gesellschaften 9 3.4. Transportgewerbe 9 3.5. Beschäftigungsverhältnisse zwischen Familienangehörigen 10 3.6. Franchisenehmer 10 - 3 - 1. Der Beschäftigtenbegriff in der Sozialversicherung Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt werden, sind nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) sozialversicherungspflichtig. Dabei knüpfen alle Versicherungstatbestände der einzelnen Sozialversicherungszweige (Kranken-, Renten-, Pflege-, Unfallund Arbeitslosenversicherung) an den Begriff der Beschäftigung an1, der in § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV definiert und gegenüber der Selbständigkeit abgegrenzt wird. 1.1. Arbeitsrechtlicher Arbeitnehmerbegriff und sozialversicherungsrechtlicher Beschäftigtenbegriff Zu beachten ist zunächst, dass der sozialversicherungsrechtliche Beschäftigtenbegriff nicht unreflektiert mit dem arbeitsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff gleichgesetzt werden kann, wenngleich es durchaus viele Gemeinsamkeiten hinsichtlich der problematischen Berufsgruppen gibt, denen durch die Integration in ein Pflichtversicherungssystem ein nicht disponibler Sozialschutz gewährt werden soll. In § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV wird das Arbeitsverhältnis ausdrücklich als Beispiel für Beschäftigung aufgeführt, doch zeigt gerade die exemplarische Nennung, dass das Beschäftigungsverhältnis im sozialversicherungsrechtlichen Sinne weiter zu fassen ist. Auch in der Rechtsprechung der Arbeits- und Sozialgerichte zur Abgrenzung zwischen Arbeitnehmer und Selbständigen im Arbeitsrecht und Beschäftigten und Selbständigen im Sozialversicherungsrecht gibt es Unterschiede. So stellt die Arbeitsrechtsprechung auf eine vertragsbezogene Abgrenzung ab, während die sozialrechtliche Rechtsprechung eine vertragsunabhängige öffentlich-rechtliche Statusabgrenzung vornimmt und dabei nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip die Versicherungspflicht bejaht oder verneint 2. Aufgrund ähnlicher Abgrenzungskriterien deckt sich das sozialrechtliche Beschäftigungsverhältnis allerdings sehr häufig mit dem Arbeitsverhältnis. Zumindest handelt es sich, schon allein aufgrund der Formulierung des § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV, bei jedem Arbeitsverhältnis auch um ein Beschäftigungsverhältnis im sozialversicherungsrechtlichen Sinn. Die vorliegende Darstellung bezieht sich auf den Beschäftigtenbegriff des Sozialversicherungsrechts . 1 FUCHS in: Fuchs/Preis 2005, S. 149. 2 PREIS 2003, S. 56. - 4 - 1.2. Abhängige Beschäftigung und Selbständigkeit Um eine Entscheidung über die Versicherungspflicht treffen zu können, ist es wichtig, abhängig Beschäftigte von selbständigen Dienst- oder Auftragsnehmern abzugrenzen. Als typische Merkmale für ein Beschäftigungsverhältnis nennt § 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV (wiederum exemplarisch) als Anhaltspunkte die Weisungsgebundenheit und die Eingliederung der fraglichen Person oder Berufsgruppe in den Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist es für das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der Beschäftigung wesentlich, dass der Auftragnehmer vom Auftraggeber persönlich abhängig ist. Dies ist dann gegeben, wenn der Beschäftigte in den fremden Betrieb eingegliedert ist und dabei einem die Zeit, die Dauer und den Ort der Arbeitsausführung umfassenden Weisungsrecht des Auftraggebers unterliegt3. Auftraggeberseitiges Weisungsrecht und Auftragnehmereingliederung sind damit die (in § 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV formulierten) wesentlichen Elemente der Beschäftigung . Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte und eigener Betriebsmittel , die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Eine Beurteilung ist daher nur anhand einer im Einzelfall vorzunehmenden Gesamtabwägung möglich. Die vertragliche Ausgestaltung ist dabei erst nachrangig nach den tatsächlichen Umständen Vertragsverhältnisses heranzuziehen. 1.3. Arbeitnehmerähnliche Selbständige in der gesetzlichen Rentenversicherung In der gesetzlichen Rentenversicherung sind auch echte Selbständige über die allgemeine Regelung der Sozialversicherungspflicht in § 2 SGB IV hinaus nach § 2 S. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) versicherungspflichtig , wenn sie in einer der abschließend aufgeführten Berufsgruppen (Nr. 1 bis 8) tätig oder arbeitnehmerähnliche Selbständige (Nr. 9) sind. Arbeitnehmerähnlich selbständig ist nach § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI, wer keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt und wer auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig ist. Die Rentenversicherungspflicht nach § 2 Nr. 1-9 SGB VI ist jedoch subsidiär gegenüber anderen die Rentenversicherungspflicht begründenden Tatbeständen . 3 FUCHS in: Fuchs/Preis 2005, S. 150. - 5 - 1.4. „Neue Selbständigkeit“ und Scheinselbständigkeit Zunehmend lässt sich im Wirtschafts- und Erwerbsleben die Tendenz beobachten, zur Vermeidung der Anwendbarkeit arbeitsrechtlicher und sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften abhängige Beschäftigung durch selbständige Tätigkeit zu ersetzen. Dieses Vorgehen bringt beiden Seiten Vorteile. Der Auftraggeber spart die ihm im Falle einer Beschäftigung anfallenden Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung und arbeitsrechtliche Personalzusatzkosten wie Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaubsgewährung . Zudem muss er nicht die Bestimmungen des Kündigungsschutzrechts beachten . Der „freie Mitarbeiter“ seinerseits genießt aufgrund der ersparten Sozialversicherungsbeiträge den Vorteil einer höheren Nettovergütung. Dieses vielfach als „neue Selbständigkeit “ gekennzeichnete Phänomen führt verstärkt zu Abgrenzungsschwierigkeiten und zur Zunahme des Problems der sog. Scheinselbständigkeit. Denn häufig nutzen die handelnden Vertragsparteien die Abgrenzungsprobleme im Einzelfall aus, um tatsächlich bestehende abhängige Beschäftigungsverhältnisse als selbstständige Tätigkeit des Ausführenden zu tarnen. Zur Abgrenzung der „neuen Selbständigkeit“ von der bloßen Scheinselbständigkeit kommt es nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung zu § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV entscheidend darauf an, ob der Beschäftigte durch die Vertragsgestaltung auch nach den tatsächlichen Umständen des Auftragsverhältnisses seine Weisungsgebundenheit verliert . Nur in diesem Fall kann von „neuer Selbständigkeit“ gesprochen werden. Der „neue Selbständige“ unterfällt dann grundsätzlich keiner gesetzlichen Versicherungspflicht mehr und muss für seine soziale Absicherung selbst Sorge tragen. Auch auf gesetzliche Kündigungsvorschriften kann er sich nicht mehr berufen. Wird hingegen ein unter dem Deckmantel der Selbständigkeit bestehendes abhängiges Beschäftigungsverhältnis festgestellt, ist von Scheinselbständigkeit auszugehen. Es ist dabei gleichgültig, ob die falsche Einordnung des Beschäftigungsverhältnisses wissentlich oder unwissentlich erfolgt ist. Scheinselbständigkeit liegt immer vor, wenn jemand zwar nach der zu Grunde liegenden Vertragsgestaltung selbständige Dienst- oder Werkleistungen für ein fremdes Unternehmen erbringt, tatsächlich aber nichtselbständige Arbeiten in einem Arbeitsverhältnis leistet. Bei dem Phänomen der Scheinselbständigkeit handelt es sich nicht um ein „Zwischenverhältnis “ zwischen den zwei Pfeilern der abhängigen Beschäftigung und der Selbständigkeit , sondern eindeutig um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis, das lediglich der vertraglichen Ausgestaltung und dem äußeren Erscheinungsbild nach den Eindruck einer selbständigen Tätigkeit vermitteln soll. - 6 - 1.5. Rechtsfolgen der Scheinselbständigkeit Dieses Vorgehen kann bei Aufdeckung durch den Sozialversicherungsträger ernste finanzielle Konsequenzen für beide Vertragsparteien haben, die auch durch die bis dahin gewonnen wirtschaftlichen Vorteile nicht kompensiert werden können. Wird beispielsweise ein „freier Mitarbeiter“ von den Betriebsprüfern der Deutschen Rentenversicherung (DRV) im Nachhinein nach § 2 Nr. 9 SGB VI als arbeitnehmerähnlicher Selbständiger eingestuft, muss er allein die Rentenversicherungsbeiträge bis zu einem Zeitraum von 4 Jahren nachzahlen (§ 44 Abs. 4 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X). Kann dieser wiederum belegen, dass es sich nicht um eine arbeitnehmerähnliche Selbständigkeit nach § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI, sondern vielmehr um eine (auf Drängen des Arbeitgebers vereinbarte) Scheinselbständigkeit handelt, muss allein der Arbeitgeber die schuldig gebliebenen Gesamtsozialversicherungsbeiträge nach § 28 e Abs. 1 SGB IV nachzahlen, wobei ein Regress beim „freien Mitarbeiter“ aufgrund des § 28 g SGB IV in den seltensten Fällen möglich sein wird. Betrifft dieser Sachverhalt mehrere „freie Mitarbeiter“ des Betriebes, kann sich die Nachzahlungspflicht schnell zur finanziellen Notlage des Beschäftigenden entwickeln. Beschäftigender und Beschäftigter werden damit zu Gegenspielern in einem gemeinsam verursachten Sachverhalt. 2. Entwicklung der Gesetzgebung zur Scheinselbständigkeit 2.1. Rechtliche Grundlagen der Statusfeststellung Die Grundsatznorm mit dem zentralen Begriff der Beschäftigung zur Abgrenzung des sozialversicherungsrechtlich geschützten Personenkreises ist zum 01.07.1976 in Kraft getreten. Auf den rechtlichen Umgang mit dem Problem der Scheinselbständigkeit haben seit 1998 vornehmlich fünf Gesetze Einfluss genommen, wobei das Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 („Hartz II“) eine prägende Rolle einnimmt. Durch des Gesetz zu Korrekturen in der Sozialversicherung und Sicherung der Arbeitnehmerrechte vom 19.12.1998 (BGBl. I S. 3843) sollte den Sozialversicherungsträgern die Bekämpfung der Scheinselbständigkeit erleichtert werden. Dazu war in § 7 Abs. 4 SGB IV ein Kriterienkatalog eingestellt worden, der durch das Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit vom 20.12.1999 (BGBl. 2000 I S.2) präzisiert und um ein weiteres Merkmal ergänzt wurde. Bei Vorliegen von mindestens drei der genannten fünf Kriterien wurde das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung vermutet. - 7 - Diese Vermutungsregelung hat in der Praxis aufgrund des zu beachtenden Amtsermittlungsgrundsatzes keine weitere Bedeutung erlangt und wurde daher durch das Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 (BGBl. I S. 4621) mit Wirkung vom 01.01.2003 aufgehoben. Die bisherige Vermutungsregelung des § 7 Abs. 4 SGB IV wurde durch eine neue Vermutungsregel zu Gunsten der Selbstständigkeit der sog. „Ich-AG“ (Existenzgründerzuschuss nach § 421 l des Dritten Buches Sozialgesetzbuch - Arbeitslosenversicherung - SGB III) ersetzt. Sie hat mit dem Auslaufen der Ich-AG zum 30.06.2006 (Fünftes Gesetz zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22.12.2005 – BGBl. I 3676) nur noch übergangsweise Bedeutung4. Es gilt nunmehr weiterhin unverändert der Beschäftigungsbegriff des § 7 Abs. 1 SGB IV mit den von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Grundsätzen5. 2.2. Anfrageverfahren Für Zweifelsfälle bei der Zuordnung als Beschäftigter oder Selbständiger wurde mit dem Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit mit Wirkung vom 01.01.2000 für Beteiligte die Möglichkeit eröffnet, im Rahmen eines Anfrageverfahrens nach § 7a Abs. 1 S. 1 SGB IV von der Deutschen Rentenversicherung Bund eine Entscheidung über den Status des Erwerbstätigen zu beantragen. Das Anfrageverfahren besteht abweichend von § 28h Abs. 2 SGB IV, wonach grundsätzlich die Einzugsstelle über die Versicherungspflicht zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung entscheidet, und verhindert divergierende Entscheidungen der einzelnen Sozialversicherungsträger. Zulässig ist ein Anfrageverfahren aber nur in nur in objektiven Zweifelsfällen. Steht dagegen zweifelsfrei fest, dass Gründe für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit nicht vorliegen, darf es nicht durchgeführt werden6. Schließlich ist durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl. I S. 2954) („Hartz IV“) sowie das Gesetz zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht (Verwaltungsvereinfachungsgesetz) vom 21.03.2005 (BGBl. I S. 818) für beschäftigte Ehegatten und Lebenspartner sowie 4 RITTWEGER in: Beck’scher Online-Kommentar Sozialrecht, § 7 Abs. 4 SGB IV Rn. 26-28. 5 Vgl. zur gesetzgeberischen Entwicklung auch: Gemeinsames Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 05.07.2005, S. 6. Abrufbar im Internetauftritt der Arbeitnehmerkammer Bremen unter: www.arbeitnehmerkammer.de/sozialpolitik/doku/05_soziales/rundschreiben/2005_07_05.pdf (abgerufen am 18.09.2007). 6 Erläuterungen zu SGB IV , § 7a SGB IV. - 8 - GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer zum 01.01.2005 die obligatorische Durchführung des Anfrageverfahrens in § 7a Abs. 1 S. 2 SGB IV eingeführt worden. 3. Besonders problematische Berufsgruppen Im Rahmen der oft schwierigen, auf Amtsermittlung beruhenden Einzelfallabwägung haben sich aus der sozialversicherungsrechtlichen Rechtsprechung verschiedene Berufsfelder herauskristallisiert, bei denen die Differenzierung zwischen Beschäftigung und Selbständigkeit aufgrund der Natur der Tätigkeit außerordentlich schwierig und das Einfallstor für bewusste Scheinselbständigkeit besonders groß ist. 3.1. Freie Mitarbeiter im Medien- und Kunstbereich Besonders die Abgrenzung der freien Mitarbeit im Bereich von Funk, Film und Fernsehen von einer abhängigen Beschäftigung bereitet sowohl arbeits- als auch sozialversicherungsrechtlich erhebliche Schwierigkeiten. Für diese Berufsgruppe ist nicht nur die persönliche Abhängigkeit vom Apparat der Organisation und Produktion ein Abgrenzungskriterium , sondern vielmehr auch, inwieweit der Betrieb in einem zeitlich Rahmen über die Arbeit des Mitarbeiters verfügen kann7. Wichtige Indizien sind die ständige Dienstbereitschaft und die Eingliederung in bestimmte Dienstpläne. Auch in diesem Berufsfeld entscheidet letztendlich die Gesamtbetrachtung im Einzelfall. Eine detaillierte Aufstellung zur Abgrenzung in diesem Bereich bietet Anlage 1. 3.2. Handelsvertreter Handelsvertreter sind nach § 84 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB) selbständige Gewerbetreibende, die ständig damit betraut sind, für einen anderen Unternehnmer Geschäfte zu vermitteln oder in seinem Namen abzuschließen. Hierzu gehören insbesondere das Bewerben und der Verkauf von Handelswaren. Ein Leitfaden zur Abgrenzung in diesem Bereich findet sich in Anlage 2. 7 FUCHS in: Fuchs/Preis 2005, S. 157. - 9 - 3.3. Organmitglieder von Gesellschaften Bei Organmitgliedern juristischer Personen wird das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses mangels persönlicher Abhängigkeit von in der Regel verneint. Die sozialversicherungsrechtliche Rechtsprechung und Literatur folgen demgegenüber einer differenzierten Betrachtung8: - Vorstandsmitglieder einer AG - nicht rentenversichert § 1 S. 4 SBG VI - nicht arbeitslosenversichert § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III - i. d. R. auch nicht kranken- und rentenversichert §§ 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, 20 Abs. 1 S. 1 SGB VI - BSG verneint auch Unfallversicherungspflicht fehlende Beschäftigung nach § 7 Abs. 1 SGB IV (Ausnahmen möglich)9 - Geschäftsführer einer GmbH - keine pauschale Selbständigkeit aufgrund der Organstellung - Beurteilung vielmehr nach Art der Weisungsabhängigkeit von der Gesellschaft - kapitalmäßige Beteiligung und bestimmender Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft als Kriterien für die Selbständigkeit (vgl. dazu auch Anlagen 3 und 3a). 3.4. Transportgewerbe Im Transportgewerbe hat der Einsatz sogenannter „selbständiger Auslieferungsfahrer“ bzw. „externer Transporteure“ stark zugenommen. Diese treten immer häufiger als „Ein-Mann-Unternehmen“ auf. Hier ist eine grundlegende Differenzierung vorzunehmen , wobei es wiederum auf die erläuterten Kriterien der Weisungsgebundenheit und Eingliederung in den Betrieb ankommt. Bei einfachen Auslieferungsfahrern, die nur für einen Auftraggeber tätig werden, neigt die sozialgerichtliche Rechtsprechung dazu, ein Arbeits- und damit auch ein die Versicherungspflicht auslösendes Beschäftigungsverhältnis anzunehmen. Anders verhält es sich hingegen bei eigenständigen Frachtführern oder Kurierdienstfahrern, die selbständig entscheiden, wann und für wen sie fahren. 8 FUCHS in: Fuchs/Preis 2005, S. 152. 9 Vgl. dazu insgesamt FUCHS in: Fuchs/Preis 2005, S. 153. - 10 - 3.5. Beschäftigungsverhältnisse zwischen Familienangehörigen Werden Familienangehörige in den Betrieb integriert, können drei Konstellationen vorliegen . Es kann sich um eine rein familiäre Mitarbeit handeln, die keinerlei vertragliche Grundlage hat und auch nicht entlohnt wird; es kann sich um eine Innengesellschaft, aber auch um ein sozialversicherungsrechtlich relevantes Beschäftigungsverhältnis handeln . Bei der Beurteilung, ob ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt, ist zu berücksichtigen, dass das Weisungsrecht Bei Familienangehörigen unter Umständen weniger stark ausgeprägt sein kann, als dies bei anderen Beschäftigungsverhältnissen üblicherweise der Fall ist. Die gleichen Grundsätze gelten auch für Beschäftigungsverhältnisse zwischen Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft10. 3.6. Franchisenehmer Franchisenehmer erhalten vom Franchisegeber das Recht, bestimmte Handelswaren oder Handelsmarken, Warenzeichen, Vertriebsmethoden oder Erfahrungswissen (Know-How) zu vertreiben. Im Gegenzug erhält der Franchisegeber vom Franchisenehmer eine Vergütung, die regelmäßig am Gewinn orientiert ist11. In der Regel besteht eine Verpflichtung des Franchisenehmers, nur für den einen Franchisegeber aufzutreten. Es handelt sich beim Franchisevertrag um einen nicht kodifizierten Vertragstyp, der kein allgemeines Leitbild eines typischen Franchisenehmers zulässt. Ob der Franchisenehmer Beschäftigter oder Selbständiger ist, ist eine absolute Einzelfallentscheidung. Richtkriterien sind schwer zu finden. Für eine selbständige Tätigkeit spricht, dass dem Franchisenehmer über den eigentlichen Vertragszweck hinaus, insbesondere hinsichtlich der Arbeitszeiten, keine weiteren Weisungen erteilt werden und er seinen Betrieb weitgehend selbst organisiert12. 3.7. Sonstige Zur Abgrenzung bei weiteren Berufsgruppen ist der Arbeit als Anlage 4 ein ausführlicher Katalog angehängt. Wie jede Kasuistik leidet auch diese Aufstellung daran, dass sie auf Einzelfallentscheidungen zurückgeht, die auf einem konkreten Sachverhalt beruhen , dem die Entscheidung gerecht werden soll. Pauschale Bewertungen hinsichtlich 10 FUCHS in: Fuchs/Preis 2005, S. 157. 11 Siehe dazu auch Anlage 4. 12 PREIS 2003, S. 62. - 11 - der genannten Berufsgruppen können daher stets nur mit der gebotenen Zurückhaltung vorgenommen werden. Literaturverzeichnis Deutsch Rentenversicherung (Hrsg.) (200): Sozialgesetzbuch. Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung. Text und Erläuterungen. Berlin: DRV. FUCHS, Maximilian; PREIS, Ulrich (2005): Sozialversicherungsrecht. Praxislehrbuch. Köln: Otto Schmidt. PREIS, Ulrich (2003): Arbeitsrecht. Praxislehrbuch zum Individualarbeitsrecht. 2. Aufl. Köln: Otto Schmidt. ROLFS, Christian; GIESEN, Richard; KREIKEBOHM, Ralf; UDSCHING, Peter (Hrsg.): Beck’scher Online-Kommentar Sozialrecht. Edition 6. Stand: 01.06.2007. Internetveröffentlichung. München: C.H. Beck. Verzeichnis der Anlagen Abgrenzungskatalog für im Bereich Theater, Orchester, Rundfunk- und Fernsehanbieter , Film- und Fernsehproduktionen tätige Personen. Anlage 1 zum Gemeinsamen Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 05.07.2005. Abrufbar im Internetauftritt der Arbeitnehmerkammer Bremen unter: www.arbeitnehmerkammer.de/sozialpolitik/doku/05_soziales/rundschreiben/2005_07_0 5_anlage_1.pdf (abgerufen am: 18.09.2007). - Anlage 1 - - 12 - Versicherungsrechtliche Beurteilung von Handelsvertretern. Anlage 2 zum Gemeinsamen Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 05.07.2005. Abrufbar im Internetauftritt der Arbeitnehmerkammer Bremen unter: www.arbeitnehmerkammer.de/sozialpolitik/doku/05_soziales/rundschreiben/2005_07_0 5_anlage_2.pdf (abgerufen am: 18.09.2007). - Anlage 2 - Versicherungsrechtliche Beurteilung von Gesellschafter-Geschäftsführern einer GmbH, mitarbeitenden Gesellschaftern und Fremdgeschäftsführern einer GmbH. Anlage 3 zum Gemeinsamen Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 05.07.2005. Abrufbar im Internetauftritt der Arbeitnehmerkammer Bremen unter: www.arbeitnehmerkammer.de/sozialpolitik/doku/05_soziales/rundschreiben/2005_07_0 5_anlage_3.pdf (abgerufen am: 18.09.2007). - Anlage 3 - Entscheidungshilfe zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von Gesellschafter- Geschäftsführern einer GmbH und mitarbeitenden Gesellschaftern einer GmbH. Anlage 3a zum Gemeinsamen Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 05.07.2005. Abrufbar im Internetauftritt der Arbeitnehmerkammer Bremen unter: www.arbeitnehmerkammer.de/sozialpolitik/doku/05_soziales/rundschreiben/2005_07_0 5_anlage_3_1.pdf (abgerufen am: 18.09.2007). - Anlage 3a - Katalog bestimmter Berufsgruppen zur Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit. Anlage 4 zum Gemeinsamen Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 05.07.2005. Abrufbar im Internetauftritt der Arbeitnehmerkammer Bremen unter: www.arbeitnehmerkammer.de/sozialpolitik/doku/05_soziales/rundschreiben/2005_07_0 5_anlage_4.pdf (abgerufen am: 18.09.2007). - Anlage 4 - gez.