© 2014 Deutscher Bundestag WD 6 - 3000 - 163/14 Auskunftspflichten im Zusammenhang mit der Mindestlohn- Ausnahme für Langzeitarbeitslose Sachstand Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 163/14 Seite 2 Auskunftspflichten im Zusammenhang mit der Mindestlohn-Ausnahme für Langzeitarbeitslose Aktenzeichen: WD 6 - 3000 - 163/14 Abschluss der Arbeit: 29. August 2014 Fachbereich: WD 6: Arbeit und Soziales Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 163/14 Seite 3 1. Gesetzliche Regelung Nach § 22 Abs. 4 des Gesetzes zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (Mindestlohngesetz - MiLoG) dürfen Arbeitgeber, die Langzeitarbeitslose einstellen, während der ersten sechs Monate der Beschäftigung auch Löhne unterhalb des Mindestlohnniveaus von derzeit 8,50 Euro zahlen. Dabei verweist § 22 Abs. 4 MiLoG auf die Legaldefinition des § 18 Abs. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung (SGB III). Gemäß § 18 Abs. 1 SGB III sind Langzeitarbeitslose Arbeitslose, die mindestens ein Jahr arbeitslos sind. 2. Pflicht des Arbeitnehmers zur Offenlegung des Status der Langzeitarbeitslosigkeit Es besteht weder nach den Vorschriften des SGB III noch nach denen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) eine gesetzliche Verpflichtung des Arbeitnehmers, den Status der Langzeitarbeitslosigkeit gegenüber einem Arbeitgeber offenzulegen . In Betracht kommt lediglich das Vorliegen einer so genannten Obliegenheit, also einer im Eigeninteresse bestehenden Pflicht. Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, hat nach § 60 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil (SGB I) alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind. Jedoch bezieht sich diese Verpflichtung ausschließlich auf Angaben gegenüber dem Sozialleistungsträger im Zusammenhang mit der Beantragung einer Sozialleistung. Gemäß § 2 Abs. 4 und 5 SGB III besteht die allgemeine Verpflichtung zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit . Dabei handelt es sich um eine Auslegungsregel, die bei der Rechtsanwendung zu berücksichtigen ist.1 Der Arbeitnehmer ist nach § 2 Abs. 5 Nr. 3 SGB III insbesondere verpflichtet , eine zumutbare Beschäftigung aufzunehmen. Die Ablehnung der Aufnahme einer zumutbaren Beschäftigung wird nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGB III mit einer Sperrfrist sanktioniert. Mit der Pflicht nach § 2 Abs. 5 Nr. 3 SGB III, eine zumutbare Beschäftigung aufzunehmen, dürfte auch die Pflicht einhergehen, bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 22 Abs. 4 MiLoG eine Beschäftigung unterhalb des Mindestlohns anzunehmen. Fraglich ist jedoch, ob damit auch die Verpflichtung besteht, den Status der Langzeitarbeitslosigkeit offenzulegen. Die durch § 2 Abs. 4 und 5 SGB III aufgestellte allgemeine Regel wird durch die §§ 138, 140 SGB III konkretisiert. Nach § 140 Abs. 1 SGB III sind einer arbeitslosen Person alle Beschäftigungen zumutbar, soweit allgemeine oder personenbezogene Gründe der Zumutbarkeit einer Beschäftigung nicht entgegenstehen. Die Unzumutbarkeit aus allgemeinen und personenbezogenen Gründen ist näher in den Absätzen 2 bis 4 geregelt. Eine im eigenen Interesse bestehende Pflicht, gegenüber einem Arbeitgeber den Status der Langzeitarbeitslosigkeit offenzulegen, ergibt sich daraus aber nicht. Auch aus der - wenngleich strenger als im SGB III formulierten - Zumutbarkeitsregel des § 10 SGB II lässt sich eine solche Obliegenheit nicht ableiten. 1 BeckOK SozR/Marschner SGB III § 2. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 6 - 3000 - 163/14 Seite 4 3. Berechtigung bzw. Verpflichtung zur Offenlegung des Status der Langzeitarbeitslosigkeit der Leistungsträger Es besteht auch keine Berechtigung oder gar eine Verpflichtung der Agenturen für Arbeit und der Jobcenter, den Status gegenüber dem potentiellen Arbeitgeber offenzulegen. Vielmehr gilt gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB I das Sozialgeheimnis. Danach hat der Arbeitslose einen Anspruch darauf, dass seine Sozialdaten nach § 67 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X), worunter insbesondere Angaben über persönliche Verhältnisse wie der Status der Langzeitarbeitslosigkeit fallen, von den Leistungsträgern nicht unbefugt verarbeitet werden. Unter den Begriff der Verarbeitung fällt gemäß § 67 Abs. 6 SGB X auch die Übermittlung an Dritte. Die Übermittlung an den potentiellen Arbeitgeber ist auch unbefugt im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB I, da sich die Zulässigkeit nicht aus den abschließenden Regelungen der §§ 67b ff. SGB X, insbesondere § 67d SGB X und § 69 SGB X ergibt. 4. Sanktion Wenn weder eine Pflicht noch eine Obliegenheit des Arbeitnehmers besteht, den Status der Langzeitarbeitslosigkeit offenzulegen, dann kann auch keine Sanktion eingreifen. 5. Fazit und Ausblick Vielfach werden Langzeitarbeitslose, um wieder eine Beschäftigung zu erlangen, ihren Status freiwillig gegenüber dem Arbeitgeber offenlegen. Soweit dies nicht der Fall ist, können sie nach geltender Rechtslage nicht dazu gezwungen werden. Eine Möglichkeit hierzu könnte allenfalls die Eingliederungsvereinbarung nach § 15 SGB II eröffnen, die unter anderem die Art der Bemühungen des Leistungsberechtigten zu seiner Eingliederung festlegen kann. In diesem Rahmen käme auch eine konkrete Verpflichtung zur Offenlegung der Langzeitarbeitslosigkeit in Betracht. Im Übrigen könnten zusätzliche gesetzliche Regelungen geschaffen werden. Insbesondere könnte eine ausdrückliche Pflicht zur Offenlegung des Status der Langzeitarbeitslosigkeit in die Vorschriften der SGB II und III eingefügt werden. Des Weiteren bestünde die Möglichkeit, die Vorschriften über die Zumutbarkeit der Beschäftigung entsprechend anzupassen. Zudem käme eine Lockerung der datenschutzrechtlichen Vorschriften durch eine Erweiterung der §§ 67b ff. SGB X in Betracht. Zu berücksichtigen ist dabei jedoch, dass der sensible Bereich des Datenschutzes durch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich garantiert ist. Nach Auskunft des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) findet derzeit ein Austausch mit der Bundesagentur für Arbeit über verschiedene Fragen bei der Umsetzung der Ausnahmeregelung für Langzeitarbeitslose in § 22 MiLoG statt, um eine möglichst praxistaugliche und unbürokratische Umsetzung zu gewährleisten. Auf einzelne Fragestellungen ging das BMAS jedoch nicht näher ein, da die Prüfung bislang noch nicht abgeschlossen sei.